"Gepflegte Wirtshauskultur bei handfesten Speisen und gutem Bier – das rat‘ ich mir!"
Geschrieben am 12.12.2021 2021-12-12
"Kann man ab und zu machen"
Geschrieben am 10.12.2021 2021-12-10 | Aktualisiert am 10.12.2021
"Authentisch ist nicht immer gut"
Geschrieben am 21.11.2021 2021-11-21 | Aktualisiert am 21.11.2021
"Erst war der „Yin“ und dann auch der „Yang“ da…"
Geschrieben am 01.11.2021 2021-11-01 | Aktualisiert am 01.11.2021
"Die Freuden und späteren Leiden des jungen Wörthers"
Geschrieben am 16.09.2021 2021-09-16 | Aktualisiert am 17.09.2021
"Ein „bisschen“ scharf muss sein – dann zieht‘s sich um von ganz allein…"
Geschrieben am 28.08.2021 2021-08-28 | Aktualisiert am 29.08.2021
"Schlechtestes Eis der Stadt"
Geschrieben am 03.08.2021 2021-08-03
"Von flüssigen Mythen, maritimen Mezes und einem längst überfälligen Treffen bei unserem Karlsruher Lieblingsgriechen"
Geschrieben am 26.07.2021 2021-07-26 | Aktualisiert am 26.07.2021
"Jedes Land hat die Philosophen, die es verdient"
Geschrieben am 01.07.2021 2021-07-01 | Aktualisiert am 01.07.2021
"Neulich beim Panasiaten in der Karlsruher Weststadt traf ich die „Drei Zahmen vom Grill“…"
Geschrieben am 22.06.2021 2021-06-22 | Aktualisiert am 23.06.2021
"Hip, hip, hurra! Trendiges Streetfood-Bistro, dessen kulinarische Weltoffenheit auf regionalen Qualitäten basiert"
Geschrieben am 29.01.2021 2021-01-29 | Aktualisiert am 11.02.2021
"Erfolgreiche Schnitzeljagd in der Karlsruher Oststadt"
Geschrieben am 11.10.2020 2020-10-11 | Aktualisiert am 12.02.2021
"Glücklicher Stammkunde seit einem Jahrzehnt!"
Geschrieben am 21.07.2020 2020-07-21
"American Diner"
Geschrieben am 26.05.2020 2020-05-26
"Einfach mal im Februar die Grillsaison eröffnen…"
Geschrieben am 14.04.2020 2020-04-14 | Aktualisiert am 26.02.2021
"Vor dem Theater genossen wir die portugiesische Küche im Haus von José – war ‘ne richtig gute Idee!"
Geschrieben am 13.04.2020 2020-04-13 | Aktualisiert am 27.02.2021
"Lunch für Businessmänner und -frauen mit zeitlichem und finanziellem Spielraum"
Geschrieben am 16.02.2020 2020-02-16 | Aktualisiert am 16.02.2020
"Halb so aufregend"
Geschrieben am 12.02.2020 2020-02-12 | Aktualisiert am 13.02.2020
"Oi oi oi...."
Geschrieben am 05.02.2020 2020-02-05 | Aktualisiert am 05.02.2020
"Restaurantbetrieb eingestellt"
Geschrieben am 02.02.2020 2020-02-02
Die Idee dazu hatte unser Youngster, der sich für eine Anfahrt mit dem ÖPNV stark machte. Dies ließ uns von Wörth aus mit dem Zug und später per Straßenbahn in die Karlsruher Oststadt gelangen. Ein Stadtteil, der sich in den letzten Jahren einem starken Wandel unterzog und sich zum kulturellen und kreativen Zentrum – Stichwort: Kreativpark „Alter Schlachthof“ – der Fächerstadt gemausert hat.
Hier zwischen dem Live-Club „Substage“, der Punkrock-Kneipe „Alte Hackerei“ und dem Kulturzentrum „Tollhaus“ trifft sich regelmäßig ein buntes Publikum aus Best-Agern, Junggebliebenen und Studenten, um – wenn nicht gerade eine Pandemie daherkommt – zu schauen, lauschen, zu feiern und zu tanzen. Dass kulturelles Erleben auch Hunger und Durst zur Folge haben kann, ist kein Geheimnis. Vor dem Club- oder Konzertbesuch braucht man schließlich eine ordentliche Grundlage.
Die Idee, an Ort und Stelle ein familiengeführtes Wirtshaus mit deftiger Schmankerlküche und großer Bierauswahl zu installieren, kam daher nicht von ungefähr. Im Sommer 2015 wurde schließlich Carls Wirtshaus eröffnet. Es genießt seitdem vor allem bei Freunden handwerklich gebrauter Hopfenerzeugnisse einen guten Ruf.
Blick von außen
Auf der ansprechend gestalteten Homepage kann man sich zudem über die lobenswerte Küchenphilosophie des „Carls“ informieren. Weniger scheint hier mehr zu sein, weshalb die Auswahl an Gerichten ganz bewusst im überschaubaren Rahmen gehalten wird. Wechselnde Tagesangebote schaffen dabei die nötige Abwechslung. Der weitestgehende Verzicht auf Fertigprodukte klang auf Anhieb sympathisch.
Alles Attribute, die mich mit einem guten Gefühl in das vorwiegend aus Holz, Glas und Beton bestehende Wirtshaus im Karlsruher Kreativpark eintreten ließen. Auch meine drei Mitstreiter waren guter Dinge, dass es dieser Clubsitzung nicht an einer gewissen „Feuchtfröhlichkeit“ mangeln würde. Allein das Carls’sche Bierrepertoire würde uns jeden wohlgehopften Wunsch erfüllen.
Kurzer Check am Eingang, ob denn auch unser Impfstatus den geltenden Vorschriften entspricht. Dann wurden wir zu unserem reservierten Vierertisch geführt. Der Laden brummte ganz schön und ohne Reservierung wäre es eng geworden. Von der Empore drangen bierselige „Anstößigkeiten“, die dann entstehen, wann Glas auf Glas trifft.
Blick nach oben zur Empore
In unserem Eck hätte es heimeliger gar nicht zugehen können. Angenehm gedämpfte Wohnzimmer-Atmo mit Kamin, Klavier und nostalgischer Stehlampe ein paar Meter nebendran.
Gemütliche Ecken gab es hier zuhauf!
Die etwas schummrigen Lichtverhältnisse waren zwar dem Ambiente zuträglich, gute Foodfotos konnte ich mir jedoch abschminken. Die etwas helleres Licht erzeugenden Hängelampen im schicken Industriedesign hingen leider nicht in unserer Wirtshausnische.
Bequem war es aber. Dank gut gepolsterter Sessel, die unserer gutgelaunten Herrenrunde komfortable Sitzverhältnisse bescherte. Was diese betraf, ging es weiter drüben deutlich ungemütlicher zu. Das bunte Bistrostuhlkarussell drehte sich hölzern um zünftige Tische aus demselben Material. Mal kreisrund, mal rechteckig – aber immer passend zur kernigen Wirtshausstilistik des Hauses.
Zeitgemäßes Interieur
Das Speisenangebot lag als aufklappbarer Flyer auf dem Tisch. Vom Vesperbrett mit würzigen Wurstwaren über hausgemachte Maultaschen bis hin zur nach eigenem Rezept hergestellten Bratwurst war das eine nicht überzogen große Auswahl an handfester Hausmannskost, die dem Biertrinker als Grundlage für bevorstehende Hopfenexzesse dienen sollte.
Das umfangreiche Getränkerepertoire ließ sich dagegen in gehefteter Form nachlesen. Zum Standardprogramm gesellte sich noch ein überschaubares Tagesangebot, das neben einem Kürbissüppchen und einem vegetarischen Fladen aus den Steinbackofen – der italienische Sammelbegriff wurde hier anscheinend bewusst umgangen – auch ein kapitales, „gedry-aged-tes“ Schweinekotelett mit Kräuterbutter, Feldsalat und Baguette listete.
Den ersten Bierdurst stillten mein Gegenüber und ich mit jeweils einem halben Liter Augustiner hell für urbane 5,40 Euro.
Zum Auftakt ein Augustiner!
Ein wahrlich gut ge“lager“tes Gesöff aus der bayrischen Landeshauptstadt, das mit gerade einmal 5,2% Alkohol aus dem Zapfhahn floss und uns einen milden Aufgalopp bescherte. Die Herren „Verzichtler“ taten sich derweil an einer Flasche Mineralwasser der Marke Viva con Agua in „laut“ (0,75l für 5,80 Euro) gütlich. Für das Fläschchen Bitter Lemon (0,2l-Inhalt) aus dem Hause Thomas Henry wurden 3,80 Euro abgerufen.
Doch zurück zum Gerstensaft. Alkoholgehalt, Stammwürze und Bittereinheiten waren zu jedem Bier in der informativen Hopfenbibel vermerkt. Dazu kamen kleine Beschreibungen zu Aroma, Duft und Aussehen (Farbe, Schaumkrone, etc.). Der Craftbierkamerad aus Solingen hätte seine wahre Freude daran gehabt. Eine hübsch gestaltete Übersicht, welche die unter- von den obergärigen Hopfenhelden zu trennen wusste, wurde gleich mitgeliefert.
Doch die ganz große Vielfalt kam nicht aus dem Fass, sondern wurde flaschenweise angeboten. Die große Auswahl an internationalen Craftbieren war beeindruckend. Auch wurden diese handwerklich gebrauten Sorten ausführlich beschrieben. Besonderheiten, Verkostungsnotizen sowie korrespondiere Speiseempfehlungen konnten zu jedem der gelisteten Aromenbomben im „Handbuch“ nachgelesen werden. Kurzum: ein Eldorado für Bierdrosseln, die auch gerne mal über den Sudkesselrand schauen.
Genug gehopfsimpelt! Auch eine bieraffine Quasselbande lebt schließlich nicht von flüssigem Brot allein. Nach ausgedehnter Einlesezeit wurden einmal das klassische Schnitzel vom Schweinerücken mit Pommes und Bratensoße (12,90 Euro), der mit einem 200g schweren Rindfleischpatty ausgestattete Carlsburger zum Selberbauen (9,90 Euro), das Schweinekotelett im Dry-Age-Format (18,80 Euro) sowie ein Burrito „Meaty“ (14,90 Euro) als abendliche Verköstigungsmaßnahmen getroffen.
Die Pommes zum Burger schlugen mit 3,50 Euro extra zu Buche. Der Beilagensalat zum Schnitzel belief sich auf 3,90 Euro.
Beilagensalat
Nun muss ich gleich mal eingestehen, dass die Burrito-Idee von mir stammte. Lange hatte ich keinen dieser Tex-Mex-Klassiker mehr zwischen Messer und Gabel gehabt. Die Kombination aus einer Dinkelmehltortilla und lange geschmortem Pulled Beef machte mich einfach neugierig.
Den guten Rat von Texas-Ranger Earl McGraw aus „From Dusk Till Dawn“ ignorierend – „Diese verdammten Burritos sind allerhöchstens was für zugekiffte Hippies“ (Zitat) – ging ich das Wagnis ein. Zumal als Nebendarsteller ein orientalisch angehauchter Kichererbsensalat und eine hausgemachte Chili Salsa inklusive waren.
...this damn Burrito!
Schon beim Anblick des Burrito-Backsteins war mir klar, dass dieser zusätzlich mit geschmorter Paprika und Tomaten gefüllte Rindfleischklotz ganze Legionen sättigen würde.
Das Innenleben des Burrito-Backsteins
Dazu kam noch eine großzügig darauf geklatschte Nocke Schmand, die bereits beim Servieren der Schwerkraft erlag. Selten habe ich in den letzten Jahren eine mächtigere Mahlzeit zu mir genommen. Der Kichererbsensalat war ok. Ihn hätte man, genau wie die Chili(?)-Salsa, etwas beherzter abschmecken können. Vielleicht sogar müssen. Die Komparsen des Tortilla-Trumms waren mir insgesamt zu brav.
Auch hier fielen die Nebendarsteller nicht sonderlich auf...
Das aus allen Dinkelteignähten platzende, von langem Einkochen kündende Pulled-Beef-Kissen war derart reichhaltig, dass dem Schnitzelschurken neben mir ein Bissen genügte, um nach dem Verzehr seiner beiden kross frittierten Panierstücke von weiteren „Probierhappen“ abzusehen.
Schnitzel Klassik - "Wiener Art"
Außerdem hatten ihm seine beiden saftigen Schweinelappen schon genug zugesetzt. Nur mit Mühe konnte er sich im Beilagen-Battle gegen die Pommes behaupten.
Pommes und Bratensoße spielten sich nur im Bild in den Vordergrund
Auch der Kotelettkumpel schräg gegenüber zeigte kein Erbarmen mit seinem gänzlich überforderten Burrito-Buddy und säbelte stattdessen lieber an seinem trockengereiften Schweinekram, der aber auch wirklich zum Anschneiden lecker aussah. Von der Optik her hatte das Kotelett eindeutig die Nase vorn. Da konnten die anderen Fleischteller am Tisch nicht mithalten.
Dem Klemmbausteinspezialisten gegenüber war das Baukastensystem beim Bulettenbrötchen gerade recht, um seine burgerliche Herkunft unter Beweis zu stellen.
Aktion "Burgerbau"
Genau wie beim Schnitzelvertilger neben mir, sorgten dicke, nicht gerade schüchtern gesalzene Steakhouse-Pommes für ausreichend Kohlenhydrate. Das Tunken in die à part gereichte Bratensoße garantierte stäbchenweise Sättigung. Ich fand die Soße vom Ansatz her gut. Eine ehrliche Jus, die leider etwas zu verdünnt serviert wurde. Anscheinend ging der Küche an diesem Abend ein wenig der „Saft“ aus.
Dass die beiden Biertrinker am Tisch zum Verzehr ihrer Fleischformationen zwei weitere Halbe benötigten, war keine Überraschung. Mit einem „Grünhopfen-Pils“ der Marke „Hatz“ (0,5l für 5,20 Euro) wurden Burger und Burrito etappenweise hinuntergespült. Das aus eigenem Tiefbrunnen, heimischer Gerste und noch frisch geerntetem Hopfen gebraute „Spezialbier vom Fass“ (Zapfhahn Nr.8 = der, der ständig wechselt) hatte dank ausgeprägter Stammwürze einen intensiven Geschmack, der mich meine Meinung zur rechtsrheinischen Braukunst überdenken ließ.
Nicht gut- sondern übersättigt stimmte ich der Ouzo-Idee eines Tischgenossen zu. Eine zugegeben recht starke Form der „Nachsorge“, die mir nach dem Verzehr des Burrito-Briketts durchaus angebracht erschien. Dann mussten wir aber hurtig unsere Gläser leeren („Lass dich nicht lumpen, mach leer den Humpen!“), um die passende S-Bahn zu erwischen. Wir wollten schließlich zu vertretbarer Zeit den Rhein in Richtung Wörth passieren.
Fazit:
Das Bier schmeckte mir besser als das Essen, aber da lag ich an dem Abend halt mal daneben. Ein solider Burger, ein saftiges Schnitzel und ein rundum gelungenes Dry-Age-Kotelett standen meinem Fleischklumpen im Dinkelteigmantel gegenüber. Mit jedem dieser drei Gerichte, die von den übrigen Mitgliedern unserer Futtertruppe mit Inbrunst verzehrt wurden, wäre ich wohl besser gefahren. Dennoch war es ein lustig-entspannter Abend in einem modernen Wirtshaus, bei dem Ambiente und Bierauswahl positiv herausstachen. Allein die abgegrenzte Speed-Dating-Area, die ich beim Gang zur Toilette passierte, machte mir klar: in den Kneipen meiner Jugend ging es anders zu! ;-)