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Die Reservierung eines Tisches überließ ich daher meinen Zöglingen und war gespannt, was sie denn wohl aussuchen würden. Natürlich vergewisserten sie sich im Vorfeld beim „Gastroguide“ ihres Vertrauens, der ja auch gleichzeitig ihr Klassenlehrer war und loggten dann das auf Meze spezialisierte Restaurant in der Pappelallee (P-Berg) ein.
Meine guten Erfahrungen, die ich dort im Sommer 2018 mit meiner Gattin sammeln durfte, ließ ich dezent in den Entscheidungsprozess miteinfließen. Und so kam es zu diesem spontanen kulinarischen Exkursionspunkt nach einem erlebnisreichen Tag in der Hauptstadt.
Besonders der Besuch des ehemaligen Stasi-Gefängnisses in Hohenschönhausen (inklusive Führung durch einen ehemals inhaftierten Zeitzeugen) hatte die Jugendlichen beeindruckt. Aber auch das anschließende Erlebnis „Bundestag“, das aus einem mehr oder minder kurzweiligen Informationsvortrag auf den Besucherrängen des Plenarsaals sowie einem kurzen Abstecher zur gläsernen Kuppel und Dachterrasse des Reichstagsgebäudes bestand, wirkte bei den Schülerinnen und Schülern noch nach.
Unser Tisch befand sich auf der nicht ungemütlichen Außenterrasse – Prenzlauer Innenhofcharme inklusive. Zur späteren Stunde wurde es hier empfindlich kühl, was unsere Multi-Kulti-Truppe jedoch nicht sonderlich störte, da man sich in die gereichten Decken kuschelte. Die Gäste an den Nachbartischen bekamen an diesem Abend ganz schön was zu hören.
Aber wenn schon orientalisch, dann eben mit allen Sinnen. Unsere achtköpfige Horde von 15/16-Jährigen genoss dieses Gruppenerlebnis sichtlich und brachte dies zuweilen auch lautstark zum Ausdruck. Orient meets Okzident – in Berlin scheinbar die normalste Sache der Welt. In jeder Kurstadt wären wir bereits nach 5 Minuten des Hauses verwiesen worden, da es recht turbulent zuging am Tisch.
Der Service, der sich anfänglich noch recht cool gab, verlor mit zunehmender Dauer der „Veranstaltung“ etwas die „Contenance“ und reagierte in manchen Situationen ziemlich ungeschickt. Dass bei einer so großen Gruppe an Heranwachsenden auch mal ein Glas Afri-Cola zu viel oder versehentlich bestellt wird, sollte bei einer abschließenden Rechnung von über 300 Euro eigentlich nicht sonderlich ins Gewicht fallen. Da muss man souveräner agieren, liebe Söhne und Töchter der osmanischen Speiselehre.
Auch die Tatsache, dass der junge Servicenovize mir kurz vorm Begleichen der Rechnung erklärte, wie viel Trinkgeld prozentual erwartet werden würde, kam mir so noch nicht unter. Nicht jeder Anfänger sollte glauben, dass er es auch mit einem Anfänger zu tun hat. Außerdem waren seine Ratschläge hinsichtlich der Anzahl der zu bestellenden Meze wenig hilfreich. Im Grunde bestellten wir durch seine Empfehlung nämlich viel zu viel, da sich die zum Teilen gedachten Portionen als veritable Sattmacher entpuppten.
Egal, trotz der widrigen Service-Umstände wurde es ein richtig schöner Abend, der im Kreise der Kollegen – die vierte Kollegin im Bunde kam nach überstandener Corona-Infektion erst ein paar Stunden zuvor in Berlin an – mit einer Flasche Sauvignon Blanc Reserve (32 Euro) aus der Pfalz vom Weingut Bietighöfer (Mühlhofen) entsprechend begossen wurde.
Ä bissel Palz geht immer!
Neben diesem leckeren Tröpfchen sorgten Afri-Cola (0,2l für 3 Euro), Ayran (0,4l für 4,80 Euro), gefiltertes und aufgesprudeltes Wasser (0,75l für 4,50 Euro), Lillet Wildberry (0,2l für 8,50 Euro), hausgemachte Waldbeer-Mango- bzw. Erdbeer-Minz-Limo (0,5l für jeweils 6,50 Euro) sowie ein helles Hefe-Weizen von Maisel‘s aus der Flasche (0,5l für 4,80 Euro) für genügend flüssige Argumente am Tisch.
Die laminierte Karte zeigte sich im Vergleich zum Angebot vor vier Jahren wenig bis überhaupt nicht verändert. Auf der Vorderseite war die komplette, in die Rubriken „kalt“ und „warm“ eingeteilte Auswahl an Meze gelistet. Auf der Rückseite stand das Getränkeprogramm geschrieben. Die Preise hatte man behutsam angeglichen. So kosteten beispielsweise die türkischen Ceviche vom Wolfsbarsch, für die wir damals noch 8,90 Euro berappten, mittlerweile 10,50 Euro. Auch bei den anderen Gerichten gab es keine wirklich unverschämten Erhöhungen.
Wir bestellten munter drauflos. Neben den bereits erwähnten Ceviche vom Wolfsbarsch wurde der mit „Kebap in the House“ (?) bezeichnete Lammspieß (17,50 Euro) ganze viermal geordert. Zweimal durften es die hausgemachten türkischen Tortellini („Manti“/11,50 Euro) sein. Die „Mercimek Köftesi“ (Linsenbällchen“/7,50 Euro) sogar in fünffacher Ausführung. Den „Osmanin Kebabi“, den gegrillten Hackfleischbällchen (13,50 Euro) wurde auch zweimal zugesprochen. Gefüllte Weinblätter (7,50 Euro), Hummus (7,50 Euro), Fenchel Salat (8,50 Euro) und Gemüseköfte (12,50 Euro) standen ebenfalls auf unserer langen Meze-Liste.
Auch eine scharfe Paprikapaste („Acili“/7,50 Euro) und ein paar knusprig frittierte Sardellen („Hamsi“/10 Euro) waren mit von der Partie. Die lange Tafel und die damit verbundene, recht weite Entfernung zu manchen Tellern meiner Tischgenossinnen und -genossen erschwerte das Fotografieren derselben nicht unerheblich, weshalb ich nicht alle Gerichte des Abends abgelichtet bekam.
Besonders der lebhafte Austausch über die verschiedenen Gerichte ist mir von diesem Abend noch in bester Erinnerung geblieben. Ich saß neben einer Schülerin mit türkischen Wurzeln, die wiederum neben einer jungen Dame aus Kurdistan Platz genommen hatte. Diese kannten viele die dargebotenen Speisen aus dem eigenen Elternhaus, hatten diese jedoch noch nie in einem Restaurant gegessen.
Vergleiche zwischen der authentischen Mutterküche von daheim und den etwas moderneren Gastroversionen bei Osmans Töchtern boten sich tellerweise an. Da war plötzlich ich der Lernende am Tisch und staunte das ein oder andere Mal nicht schlecht, mit wie viel kulinarischem Wissen die Mädels doch ausgestattet waren.
Von all den kalten und warmen Leckereien, die nun nach und nach unseren Tisch bevölkerten, sei zunächst das cremig-würzige Hummus hervorgehoben.
Hummus
Auf das noch leicht warme Fladenbrot gestrichen, ein einfacher, aber geschmackvoller Auftakt, dessen feine Knoblauchnote gut mit dem Kreuzkümmel harmonierte.
Fladenbrot
Warum dieser schmackige Kichererbsen-Sesam-Aufstrich auch gerne als „Nutella des Orients“ bezeichnet wird, war schnell klar. Das Glück lässt sich anscheinend auch ohne den massiven Einsatz von Zucker und Palmöl aufs Brot schmieren.
Mein Kollege erfreute sich derweil an den gefüllten Weinblättern, bei denen Zimt, Minze und Piment für aromatische Momente auf dem Teller sorgten. Die Paprikapaste war mir persönlich etwas zu zahm. Da hätte ich mir mehr Mut zur Schärfe gewünscht.
Acili
Die mit Rinderhackfleisch gefüllten Manti schmeckten genauso wie vor vier Jahren, nämlich richtig gut!
Mein Highlight: die Manti
Ich verrührte sie mit der ansehnlichen Haube aus Knoblauchjoghurt, den man mit flüssiger Paprikabutter und einer orientalischen Gewürzmischung verfeinert hatte. Ein zum Weglöffeln köstlicher Teller, der auch von meiner türkischen Speisekomplizin mit Wohlwollen goutiert wurde.
Die aus roten Linsen, Bulgur, Lauchzwiebeln, Minze und Petersilie geformten Linsenbällchen blieben dagegen geschmacklich eher unauffällig.
Linsenbällchen
Die schienen der Erzählung nach am elterlichen Herd in Wörth deutlich besser zu gelingen. So richtig enttäuscht war mein Kollege von seinem Lammspieß, der bei den Schülern deutlich mehr Anklang fand. Er beurteilte dessen Fleischqualität als ziemlich bescheiden und war auch mit dem komplett totgegrillten Gargrad nicht wirklich d’accord. Verzweifelt versuchte er das Ding in mundgerechte Stücke zu zerteilen, was nur mäßig gelang. Da konnte auch das hausgemachte Lavash-Brot und das delikate Knoblauch-Petersilien-Pesto den „Kebap“ nicht mehr zurück „in the House“ (of Taste) holen.
Der traurige Lammspieß
Mit meinen Hackfleischbällchen wurde ich auch nicht so recht warm. Vielleicht lag es an der fortgeschrittenen Sättigung, aber diesmal kamen mir die drei durchgebrutzelten Rindfleischklopse doch arg trocken vor.
Die durchgegrillten Hackfleischbällchen
Da half auch die süffige Basis aus den in reichlich Joghurt- und Tomatensauce ertränkten Fladenbrot-Croutons nicht wirklich weiter. Sowieso fragte ich mich warum man den Knusper-Effekt der zu groß geratenen Brotwürfel eine latschigen Saucentod sterben ließ.
Die Gemüseköfte meiner vegetarisch sozialisierten Kollegin sahen hingegen klasse aus. Die an Falafel erinnernden Bällchen wurden von einem Berg Grillgemüse begleitet.
Die Gemüseköfte mit Schmelztomaten
Die perfekt sautierten, wunderbar reifen Cocktailtomaten glänzten mit einer unverschämt leckeren Röstsüße, die sie sich wohl zusammen mit den kross gebratenen roten Zwiebeln in der gleichen Pfanne geholt hatten.
In der Summe verließen wir die Töchter von Osman mit gemischten Gefühlen. Der Jugend gefiel’s, aber der hätte es auch in jeder x-beliebigen Kebap-Klitsche gefallen, dafür hätten nicht einmal ihre Lehrer am Tisch sitzen müssen.
Für die abgerufenen Preise hätten wir dennoch etwas mehr erwartet. Mehr „Wow“ am Gaumen, mehr Fingerspitzengefühl beim Service und – das glückliche Grillerlebnis vom Tag zuvor im Doyum Restaurant noch im Gaumengedächtnis – mehr orientalische Authentizität statt moderner „Mezz(e)-kapaden“. Dass man morgenländisches Food-Sharing in Berlin auf einem deutlich höheren Niveau betreiben kann, erlebten wir zwei Tage später bei „Fes – Turkish BBQ“ an der Hasenheide. Da allerdings ohne Schülerbegleitung, aber dafür mit eiskaltem Raki zum Digestif.
Bericht folgt auf diesem Kanal…