"Tradition heißt nicht, die Asche anzubeten…"
Geschrieben am 18.04.2025 2025-04-18 | Aktualisiert am 18.04.2025

"Beste französische Küche in Berlin"
Geschrieben am 22.02.2025 2025-02-22 | Aktualisiert am 22.02.2025

"Sehr gutes Frühstück, was man noch selten in Berlin findet."
Geschrieben am 15.02.2025 2025-02-15

"Café Restaurant Olympia schließt am 27.01.25"
Geschrieben am 13.01.2025 2025-01-13

"Touristenevent, was keine Wiederholung erfordert"
Geschrieben am 11.01.2025 2025-01-11

"Verlängerte Winterpause"
Geschrieben am 30.12.2024 2024-12-30 | Aktualisiert am 30.12.2024

"Leider nicht zu empfehlen"
Geschrieben am 30.11.2024 2024-11-30

"Sushi , Soup und Sake"
Geschrieben am 26.11.2024 2024-11-26

"Jonas Merold ist zurück: Ende der Baustelle"
Geschrieben am 23.11.2024 2024-11-23

"Wie erwartet. Und doch: Surpise!"
Geschrieben am 21.11.2024 2024-11-21

"Wohlfühloase & Geheimtipp"
Geschrieben am 17.11.2024 2024-11-17

"Veganes Asia-Restaurant ..."
Geschrieben am 27.09.2024 2024-09-27

"Kleine Zwischenmahlzeit als Pausenfüller"
Geschrieben am 22.09.2024 2024-09-22

"Soße und Püree gut......"
Geschrieben am 14.09.2024 2024-09-14

"Abgebrannt"
Geschrieben am 08.09.2024 2024-09-08 | Aktualisiert am 08.09.2024

"Dicke Wirtin"
Geschrieben am 02.09.2024 2024-09-02 | Aktualisiert am 02.09.2024

"C‘est un Bistrot!"
Geschrieben am 07.08.2024 2024-08-07 | Aktualisiert am 08.08.2024

"Rapper Sido machte beim Besuch des Lokals "Dicke Paula" die Rechnung ohne die Wirtin - und flog im hohen Bogen hinaus"
Geschrieben am 07.08.2024 2024-08-07

"Erholsam und schmackhaft"
Geschrieben am 22.07.2024 2024-07-22

"Schnellrestaurant mit schneller Küche bei riesiger Auswahl"
Geschrieben am 20.04.2024 2024-04-20

Der Gedanke kam mir unwillkürlich, als ich nach einer späten Einkehr äußerst zufrieden das unter Denkmalschutz stehende, ehemalige Zollhäuschen am Landwehrkanal verließ.
Eigentlich sollte in der Fastenzeit das Bonvivant auf dem Programm stehen, aber als ich endlich in Berlin angekommen war, schienen mir die paar Schritte von meinem Hotel nicht nur naheliegend, sondern auch attraktiv. Zuletzt war ich noch vor der Übernahme durch Rutz-Mastermind Marco Müller hier gewesen,
https://www.gastroguide.de/restaurant/3654/altes-zollhaus/berlin/
und erwartete ein völlig neu gestaltetes Konzept, kulinarisch wie gestalterisch.
Daher war ich überrascht, dass der ansprechende Flair im viereckigen Gastraum erhalten ist. Die Mittelinsel ist wenigen weiteren Tischen gewichen und schicke neue Lampen verbreiten nicht nur unauffällig Licht, sondern auch elegante Modernität. Ansonsten weitgehend altes Interieur einschließlich des umlaufenden Fliesenspiegels und des sehenswerten Kachelofens. Cocktailsessel und türkis bezogene Stühle aus schwarzem Metallrohr vor den blanken, hölzernen Tischplatten sehen chic aus. Auch noch aus alten Zeiten die harte Holzbank. Aber es gibt viele Kissen zur Entlastung von Rücken und anderen Körperteilen.
Die eigenwilligen Kunstwerke sind verschwunden, auch das Bild der Ente, die unter der Ägide von Urgestein Herbert Beltle - dann aber knusprig aus der Röhre - einst das ganze Jahr über serviert wurde.
Zusammen mit der loungigen, angenehm im Hintergrund bleibenden Musik ergibt das ein gechilltes Ambiente, ohne dass nicht ab und an auch Stimmengewirr durch das gemischte, internationale Publikum aufkam, das sich zu gleichen Teilen aus Foodies und Paaren zusammensetzte, die sich etwas leisten wollen und können. Das Preisgefüge ist erwartungsgemäß erhöht, aber für mein Empfinden angemessen, besonders angesichts des in den Gerichten steckenden Arbeitsaufwandes.
Der Service agierte dazu passend: Erwartungsgemäß professionell, dabei zugewandt und ungezwungen, ohne kumpelhaft zu werden.
Zum Ankommen wurde Wasser aus Tonflaschen angeboten, offen blieb, ob es sich bei den 6 Euro, die dafür auf der Rechnung standen, um eine Flatrate handelte.
Als Aperitif wählte ich letztmals alkoholfrei in diesem Jahr einen Juicy Tea Rhabarber-Riesling aus dem Hause von Nahmen.
Später hätte ich alkoholfreien Wein austesten können, entschied mich aber für ein nullprozentiges Lambsbräu; sehr lecker.
Für den ersten Hunger schickte die Küche eine aufgeschlagene Bärlauch-Butter von zurückhaltender Natur. Machte aber nichts, da so die Fenchelsaat im leckeren, selbst gemachten Sauerteigbrot durchkam. Das zusätzliche Baguette blieb dagegen unauffällig.
Ein weiterer Küchengruß erfolgte nicht. Ob es zum Abschluss noch eine süße Kleinigkeit gegeben hätte, bleibt im Ungewissen, da ich das gleich zu Beginn ausgeschlossen hatte. Bin ich froh, wenn endlich Ostern ist…
Ich hatte mich für drei Vorspeisen entschieden und der Küche die Reihenfolge überlassen. Die Gänge kamen in einer raschen, aber für den Einzelgast nicht zu schnellen Folge.
Der erste Gang war mit gebackener Erbse und Paprika angekündigt, was mich neugierig machte.
Meine Lieblings-Hülsenfrucht war zu drei mutig frittierten, intensiv schmeckenden Falafel verarbeitet worden. Als Hommage an die Originalbegleitung wurden zum Levante-Klassiker gepickelte Radieschen gereicht und auch die angenehm pikante Paprika schien mir fermentiert. Zunächst hatte mich das noch irritiert, weil ich dabei eher an Winter als an Frühling gedacht hatte. Aber spätestens im Zusammenspiel mit der ebenfalls entlehnten schmackigen Joghurt-Creme machte alles Sinn, zumal ein angegossener Paprika-Kräuter-Sud für zusätzliche „grüne“, ein gegrilltes halbes Salatharz dagegen für rauchige Aromen sorgte und Leinsamenchips für noch mehr Knusper.
Später erfuhr ich, dass der Teller ganzjährig serviert und gerne bestellt wird. Das konnte ich absolut nachvollziehen.
Meine zweite „Vorspeise“ hatte ebenfalls einen Klassiker als Vorbild, der bereits in der Karte angekündigt wurde: Soljanka mit Regenbogenforelle.
Aber natürlich nicht als den Eintopf, sondern ganz eigenständige Kreation. Auf dem grob geschnittenen Fisch-Tatar war nach Kimchi-Art gewürzter Weißkohl drapiert, knackig, mehr salzig als scharf. Darüber thronte Dill und frittierter Curly Cale, eine Grünkohl-Art. An den Seiten sorgten Essiggurken-Sorbet und Sauerrahmeis Säure für typische Soljanka-Aromen und gleichzeitig genussvolle Temperaturkontraste. Finalisiert wurde das ganze mit einem am Tisch angegossenen, pikanten Paprika-Sud nach Letscho-Art, aber auch leicht fischig und mit etwas Kohl-Öl beträufelt. Schon so sehr gut, aber genial ein im Mund ganz kurz knisternder, dunkelgrüner-brauner „Sand“. Was ist das denn?
Und wie kommt eigentlich das Forellenfilet gegen diese kräftigen Aromen so gut an - ist der Fisch nicht so roh, wie er aussieht, sondern leicht geräuchert?_330610}
Schlicht ein großartiger Gang.
Am Ende kapitulierte der Service vor meinen vielen Fragen und bugsierte mich kurzerhand in die Küche, wo Chef Florian Mennicken freundlich meine Meinung "erträgt".
(Tatsächlich hatte das Tatar 20% Anteil geräucherter Forelle, die im ganzen bezogen wird und aus deren Karkassen der Fond für den Letscho stammte. Der tolle Crunch schließlich bestand aus frittierten Grünkohl, der zusammen mit Brotcrumble durch den Mixer gejagt worden war.)
Wir tauschten Erinnerungen an das alte "Alte Zollhaus" aus und es wurde deutlich, dass hier mit viel Gespür für die kulinarische Geschichte dieses West-Berliner must-go gearbeitet wird, aber eben mit dem Anspruch des Rutz. Und siehe da, die von der Karte verschwundene Brandenburger Ente wird im Herbst ein saisonales Comeback erleben. Die immer noch vorhandenen Stammgäste aus der Vor-Rutz-Zeit wird es freuen.
Zurück auf meinem Kissen schloss ich mein kleines Nachtmahl mit dem à point gegrillten halben Kopfsalat ab, wunderbar knackfrisch. Statt Umami von ausgelassenem Landspeck sorgten in der vegetarischen Variante Rhabarber-Brunoise für fruchtige Säuerlichkeit.
Erfrischend einerseits, aber eingefangen durch das gut austarierte Honig-Estragon-Dressing, derweil der Grill-Geruch famos in die Nase stieg. Dabei war der Geschmack des Salats immer erkennbar.
Ebenso einfach wie sehr gut. Das war jetzt perfekter Frischeküche auch am Gaumen. Und am Ende eines kleinen Dinners - das mich nach den zurückliegenden Fastenwochen angenehm satt gemacht hatte - (fast) noch besser als ein Dessert.
Ich widerstand daher auch der Versuchung, noch eine kleine oder gar große Käseplatte aus dem Hause Blomeyer zu ordern. Stattdessen kam mir ein geradezu genialer Gedanke: In zwei Monaten bin ich ja wieder in Berlin; da könnte ich doch...