Die neue Shaneymac-Bedienungsanleitung 2020, Stable Release 1.02
Liebe Freunde des guten Essens,
vormals seit 2007 sehr engagiert bei restaurant-kritik.de bin ich nach dessen unsäglichen Ausverkauf an Yelp seit nunmehr Anfang 2015 hier aktiv und froh darüber, wie viele ehemalige RK-Freunde hier eine neue Heimat gefunden haben.
Den Großteil meiner RK-Kritiken habe ich übrigens damals nicht auf GastroGuide "migriert" und auch auf Yelp löschen lassen, daher meine noch vergleichsweise geringe Anzahl von Beiträgen hier auf GastroGuide.
Ich selbst besitze seit meiner Kindheit ein seltsam intrinsisches Faible für Kulinarik und neue Geschmäcker. Obwohl es mir familiär mitnichten in die Wiege gelegt wurde, erzählen meine Eltern noch immer gerne, dass ich bereits als 6-Jähriger großes Interesse an jeglichen, damals spärlich vorhandenen, Kochsendungen hatte und bspw. begeistert Monsieur Bocuse zusah.
Selbstredend war auch das Hauswirtschafts-Lehrbuch das mit Abstand meist gelesene pädagogische Werk in meiner Schullaufbahn. Meine erste – nicht wirklich ernst gemeinte - Restaurant-Kritik erschien 1991 in einer Schülerzeitung, mein Opus Magnum dieser Ära war jedoch ein legendärer Gyros-Buden-Großtest, der nach seinem Erscheinen in unserer Abi-Zeitung anno 1995 für viel Zuspruch und gute Laune bei den Lesern sorgte.
Gute Küche lebt in meiner Welt in erster Linie von guten Zutaten und einer liebevollen, kundigen Zubereitung; daher schätze ich die Küchen des Mittelmeer-Raumes über alles.
Das prägt auch die Leitlinie in meinen Bewertungen. Es gibt vergleichsweise einfache Küchen, die bei mir besser wegkommen als hochgejazzte Gourmet-Tempel, die mit Effekthascherei und kulinarisch irrelevanten Kunstgriffen gehobene Kochkunst mimen.
Was nicht etwa heißen soll, dass ich die Sterneküche ablehne, ganz im Gegenteil sogar, nur die Stilistik sollte sich nicht zu weit vom Produkt entfernen - viele Spielarten der Molekularküche halte ich daher für kulinarisch entbehrliche Auswüchse einer gastronomischen Überflussgesellschaft.
Wichtig zu erwähnen: Ich bewerte mit den Sternen nicht absolut sondern immer in Relation zu Anspruch und Preisgefüge des Restaurants, innerhalb eines "Milieus" wenn man so will. Denn einfach aber dennoch exzellent kochende Restaurants könnten ansonsten nie über drei Sterne kommen - und das wäre im Einzelfall nicht angemessen im Sinne der Wahrnehmung der Sternewertung durch die Leser.
Und last but not least aus gegebenem Anlass ein kleiner Satire-Disclaimer:
Ironie, Satire und ein gesunder Sarkasmus waren immer Zutaten und auch Antrieb meiner Rezensionen, was der Löwenanteil der Leser schon seit Beginn an sehr schätzt.
Verletzen möchte ich damit niemanden, es geht mir in der Regel um gesellschaftliche Klischees, Absurditäten des Alltags oder skurrile Begebenheiten bei einem Restaurant-Besuch, die ich damit augenzwinkernd verarbeite.
Ich schreibe das, weil ein von mir sehr geschätzter, jung gebliebener Pensionär mich kürzlich sehr erschrak, als er mir sagte, er habe sich verletzt gefühlt, als ich mich in einer Kritik über die typisch bergischen „Graue Regenmäntel Rentner“ lustig machte und er es als allgemeines „Opa-Bashing“ auffasste, was mir völlig fremd wäre.
Daher meine Bitte: Nehmt meine Texte stets mit Humor!
Ich liebe Slow-Food, alte und neue Kochbücher, gute Blogs, unsere beiden Katzen sowie alles Gute und Schöne im Leben – denn für das Gegenteil ist es zu kurz, nicht nur für schlechtes Essen.
Forza Genuss,
Shaneymac
Sporadisch auch auf:
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Quote corner:
“People ask me: "Why do you write about food, and eating, and drinking? Why don't you write about the struggle for power and security, and about love, the way the others do?" . . . The easiest answer is to say that, like most other humans, I am hungry.”
Mary Frances Kennedy Fisher
"And, after all, it is a very poor consolation to be told that the man who has given one a bad dinner, or poor wine, is irreproachable in his private life. Even the cardinal virtues cannot atone for half-cold entrées."
Oscar Wilde, The Picture of Dorian Gray
Die neue Shaneymac-Bedienungsanleitung 2020, Stable Release 1.02
Liebe Freunde des guten Essens,
vormals seit 2007 sehr engagiert bei restaurant-kritik.de bin ich nach dessen unsäglichen Ausverkauf an Yelp seit nunmehr Anfang 2015 hier aktiv und froh darüber, wie viele ehemalige RK-Freunde hier eine neue Heimat gefunden haben.
Den Großteil meiner RK-Kritiken habe ich übrigens...
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Hier entfällt wohl ab Sonntag zumindest die Testpflicht für die Außenflächen und die Innenräume dürfen mit Reservierung und vorherigem Test der Gäste wieder öffnen, allerdings sieht das Wetter bis Anfang der Woche erst einmal gesteigert „durchwachsen“ aus, so daß der Neustart des hiesigen Gastgewerbes insgesamt etwas holpriger verläuft, als von der Branche erhofft – zumal es auch für heute und morgen wetterbedingt zig Absagen hagelte, wie ich gestern gleich von zwei Seiten hörte.
Bis gestern Nacht war die Witterung in den letzten Tagen jedoch ein einziger Sommernachtstraum, Sonne pur bei 23-26 Grad und am Himmel höchstens ein paar malerische Quellwolken, herrlich.
Das weckte mit Blick auf die nette kurze Woche mit dem obligaten „Brückentag“ doch so einige Lebensgeister und wir entschlossen, am Mittwochabend endlich den ersten Restaurantbesuch seit Oktober anzugehen.
Wie viele dachte ich auch zunächst mal an die eigenen Lieblinge, Frau Shaneymac kam wenig überraschend mit ihrem geliebten Pasta Fresca Russo um die Ecke und ich überlegte, wo man nett draußen sitzen und kulinarisches Neuland vereinen könnte.
Da fiel mir ein, dass mir nur zwei Tage vorher abends mal wieder ein netter Zeitgenosse auf Facebook schrieb, der mir nicht nur wortreich mitteilte, dass er meine Bewertungen durch meine Corona-Support-Posts sehr zu schätzen gelernt habe und nicht nur jeden Lockdown Bericht geradezu verschlungen habe – guter Mann!!!1!! :-) - sondern mir auch die Villa Zefyros sehr ans Herz legte für einen Besuch; schließlich seien er und seine Familie seit Jahren begeisterte Stammgäste.
Ich bin immer dankbar für solche Tipps - so brutal subjektiv sie auch meist sind - hatte das Restaurant allerdings schon im Frühsommer 2014 besucht (die Älteren werden sich erinnern, beim wie immer hochengagierten Versuch das Haus ansprechend abzulichten zu wollen wurde ich beinahe von einem O-Bus der Solinger Stadtwerke überrollt) und auf restaurant-kritik.de recht wohlwollend-mittelprächtig bewertete.
Damals leider nur den Mittagstisch, der mit festen Tellergerichten nur wenig von dem abendlichen, Tapas-ähnlichen Konzept transportierte, welches das Haus eigentlich auszeichnet bzw. seine Philosophie darstellt, ein Besuch am Abend war daher schon seit Jahren vorgesehen.
Den lauschigen Garten hatte ich schon aus den Jahren zuvor, als das Restaurant unter den vorherigen Pächtern nur „Villa“ hieß in bester Erinnerung, das alles klang doch wie ein gutes Gesamtpaket für den Saisonauftakt nach dem Lockdown und auch Madame hatte schnell ein paar für sie ansprechende Dinge auf der Karte erblickt.
Ich buchte problemlos online einen zeitnahen – eine Stunde vorher - Schnelltest für die Drive-Thru Teststelle auf dem großen Parkplatz an der Klingenhalle und das sollte alles sehr routiniert vonstattengehen, wenn es auch wie ein bizarr-dystopischer Moment mit einer gewissen Kubrick’schen Dimension anmutete.
In den Genossenschaftshäusern zur Linken lebten meine Großeltern mütterlicherseits, in der Klingenhalle gab es u.v.a. den schulischen Schwimmunterricht, ein paar Meter weiter trainierten wir in jungen Jahren mit dem American Football Verein, ein Areal mit vielen persönlichen Erinnerungen.
Drive-ThruTest-Premiere
Und keine 30 Jahre später sitzt man dort im Auto, ein junger Mann aus dem asiatischen Raum im weißen Schutzanzug stochert wortkarg mit einem Stäbchen in meiner Nase herum und wenig später lädt man sich das ersehnte „Freispruch-PDF“ herunter, nur um Abends im Freien etwas essen zu dürfen. Vielleicht besser, dass meine Großeltern das alles nicht mehr erleben mussten, verstanden hätten sie das alles in ihren letzten Jahren nicht mehr dachte ich, als ich vorab kurz in der Schlange stand.
Das sollte aber am Abend schon fast wieder vergessen sein, als wir am Parkplatz des Restaurants in der sich neben dem LVR Industriemuseum befindlichen, ehemaligen, im historistischem Stil erbauten Unternehmer-Villa der Solinger Gesenkschmiede-Dynastie Hendrichs ankamen.
Angekommen....
Zur besseren Einordnung meiner folgenden Zeilen hier die kurze Selbstdarstellung des Restaurants, das sich recht selbstbewusst gibt:
„Griechische Küche modern interpretiert im exklusiven Ambiente der Villa Zefyros.
Ein besonderes kulinarisches Erlebnis in Solingen!
Alle unsere Gerichte sind typisch griechisch, dennoch verzichten wir auf Gyros und überladene Fleischplatten. Inspiriert von traditionellen Rezepten, versuchen wir unsere Gäste mit neuen Zutaten und besonderen Geschmacksnoten zu begeistern.
Unser Fokus liegt auf der Zusammenstellung authentischer griechischer kalter & warmer Vorspeisen- der "Pikilia". Nach griechischer Art werden diese am Tisch präsentiert und von jedem persönlich nach den eigenen Vorlieben zusammengestellt.“
Straßenbild
Nun, sollte es in Solingen tatsächlich ein Restaurant vom Format des Kölner „phaedra“ von Kostas Tzikas geben, das zeigt, was moderne gehobene griechische Küche abseits der Fleischberg-Pommes Teutonen-Grills zu bieten hat?
Nein, aber das war mir vorab schon klar nach dem Sichten der Karte, aber ich war sehr gespannt, und damit geht es nun without much further ado endlich zum reservierten Tisch, an dem wir nach einer netten Begrüßung durch einen der beiden rüstigen, liebenswürdig agierenden älteren Herrn im Service platziert wurden, das Ambiente hinter dem Haus empfinde ich als gepflegt und ansprechend.
der Garten
Die Karten wurden gereicht, überschaubarer Umfang im A4-Querformat im gepflegten schwarzen Einband, Entspannung und vorfreudiges Aussuchen nahm sich willkommenen Raum.
Eine gute gekühlte Flasche Wasser, Haaner Felsenquelle Medium fand zum fairen Preise von 4,90€ bald ihren Weg auf den Tisch und auf Wunsch nur wenige Momente später ein gepflegter Flaschenkühler aus Plexiglas - meine Tischgenossin labte sich derweil an einer Fassbrause, die 0,33l Gastro-Flasche zu 2,80€.
Bei der Bestellung sagte ich ausdrücklich, dass wir zunächst einige von den kalten Vorspeisen probieren würde, DANACH einige warme und schließlich Hauptgang und Dessert, was leider nur bedingt funktionieren sollte, aber dazu gleich mehr.
Ein kleines Amuse gab es nicht und nur kurze Zeit später sollte tatsächlich – je nachdem welche griechische Gastronomie man im Sinn hat - sehr authentisch am Tisch eine kleine Auswahl von kalten Mezedes präsentiert werden, die man sich für faire drei Euro pro Tellerchen zu Gemüte führen kann; wir suchten uns vier nette aus und das Menü nahm seinen Lauf….
Mezedes Präsentation am Tisch
| kalte Vorspeisen |
Zu je drei Euro:
Tzatziki
Rote-Beete-Salat
Oktopus-Salat
Kichererbsen mit Thunfisch
2018 St. Elias Assyrtiko, Domäne Papaioannou, Peloponnes, Griechenland – 0,2l zu 7,60€
Insgesamt bietet man momentan folgende Auswahl:
· Tzatziki
· Taramas (Fischroggencreme)
· Rote-Bete-Salat
· Meeresfrüchtesalat
· Oliven & Peperoni
· Dicke Bohnen in Tomatensauce
· Eingelegte Sardellen
· Chtipiti (pikante Schafskäsecreme)
· Fava (gelbes Linsenpüree) mit Balsamicozwiebeln
· Kichererbsen mit Thunfisch
· Florines (gegrillte, eingelegte Spitzpaprika)
Ich denke man muss nicht spitzfindig sein, um festzustellen, dass „Griechische Küche modern interpretiert“ doch eher andere Erwartungen weckt als Klassiker wie Taramasalata, Gigandes und Co., auch wenn ich den Rote Bete Salat und das Linsenpüree eher ungewöhnlich fand, was Balsamico mit Griechenland zu tun hat, fragte ich mich schon 2014 und auch heute mehrmals an diesem Abend.
die kleine Auswahl mit Brot
Der die das Tzatziki war mit dem frischen Brot natürlich trotzdem Pflichtprogramm und es sollte mir sehr gut gefallen, viel guter griechischer Joghurt, fest-cremig in der Textur, schmeckte wie gelungen selbst gemacht nur wie fast immer mit weniger Knoblauch als erhofft, dennoch mit der Beste, den ich in Solingen bislang serviert bekam.
Tzatziki
Der Rote-Bete-Salat kam mit angeröstetem weißen Sesam, milden Zwiebeln und einigen Kräutern, ich mag keine Rote-Bete und er war die Wahl von meiner Begleiterin, trotzdem probierte ich und war sehr angetan, dieses erdig-muffige was ich an ihr – der Bete, ausnahmsweise nicht der Begleiterin – nicht mag, war kaum vorhanden; lecker.
Rote-Beete-Salat
Der Oktopus-Salat gefiel mir optisch gut, Sellerie, Zwiebeln und Paprika fein gearbeitet, der Meeresbewohner war bis auf einige größere Stücke durchgehend sehr zart, die Ausnahmen nicht steinhart oder Gummi sondern nur mit spürbar mehr Biss als der Rest. Leider sehr, sehr flach in der Aromatik, was so farbenfroh aussieht übersetzte sich auf dem Gaumen in flach-säuerliche Paprika-Tristesse.
Oktopus-Salat
Wesentlich aromatischer ging da der kleine sommerlich-rustikale Kichererbsen-Thunfischsalat zur Sache, unter anderem eine spürbare Zugabe von frischem Dill machte das Ganze zu einem gelungenen kleinen Sommersalat, für den jede gerne kochende Hausfrau auf einem nachbarschaftlichen Grillfest sicher zu Recht viel Lob verdient hätte (…).
Kichererbsen mit Thunfisch
Für mich eine große Freude dann der begleitende Wein, Assyrtiko wird auch manchmal als der Riesling Griechenlands bezeichnet und gilt als der Archetyp eine der besten weißen Reben des Landes, viel gelbe Frucht, Walnuss, Kräuter und eine erfrischende Säure abseits jeglicher Retsina-Albtraum Welten – griechischer Wein wird immer noch sträflich unterschätzt, nicht zuletzt wegen der ganzen schrecklichen Plörre in den allermeisten Fleischberg-Griechen.
Die Auswahl gepflegter griechischer Weine überzeugt, abseits davon gibt es allerdings keine Optionen, wer hier bspw. seinen geliebten deutschen Grauburgunder zum Fisch oder eine schwere australische Cuvée zum Fleisch sucht wird nicht fündig, was ich für verschmerzbar halte aber im Rahmen der ambitionierten Selbstdarstellung auch etwas dünn.
Die kalten Vorspeisen in Summe gut, der Wein schmeckte überraschend gut und es war ein schöner Moment, nur die „moderne Interpretation“ griechischer Küche habe ich vergebens gesucht.
Nun folgte der wie ich finde gravierendste Patzer des Service. Ohne vorherige Nachfrage wurde, nachdem wir erst etwas über die Hälfte der verschiedenen Portionen gegessen hatten, die warmen Vorspeisen serviert.
Und das obwohl ich ausdrücklich gesagt hatte, erst nach den kalten Mezedes die warmen zu wollen, und das impliziert für mich ein vorheriges Abräumen ersterer und kein Hinzustellen zu noch halb gefüllten Tellerchen. Zumal die Terrasse nur halb gefüllt war, los werden wollte man uns in keiner Weise, es war wohl schlecht mit der Küche abgestimmt, anders kann ich mir da nicht erklären.
Diese herrlich duftenden Dinge zurückgehen zu lassen war natürlich undenkbar, wir räumten mit vereinten Kräften um und schufen Platz, der Abend war einfach zu schön um sich über so etwas wirklich zu ärgern in diesem Moment.
| warme Vorspeisen |
saganaki garides – Gambas in Tomaten-Chilisauce mit Schafskäse (pikant) – 9,90€
gavros – gebratene Sardellen mit Olivenöl und Zitrone – 7,50€
manouri - Gegrillter Käse mit Feigengelee, Honig und Walnüssen – 8,50€
Auch bei den warmen Vorspeisen regierte fast ausschließlich Meze-Klassik, wenn auch in gepflegter Bandbreite mit erfreulich maritimem Schwerpunkt, frischer Fisch wird hier tagesaktuell angeboten, ein Plus.
Die gebratenen mehlierten Sardellen sind für mich ein wenig die Quintessenz eines griechischen Sommerabends in einer Hafen-Taverne, ich gab reichlich Zitronensaft obenauf und genoss die frisch aus der Pfanne gekommenen kleinen Leckereien von ganzem Herzen, „Urlaub auf dem Gaumen“ und damit 10 Floskel-Peitschenhiebe für den Herrn vor dem Keyboard. Ein kleiner Hochgenuss, insbesondere zusammen mit dem herrlichen Tsatsiki.
gebratene Sardellen mit Olivenöl und Zitrone
Nett die Präsentation, die Salat Garnitur und die unsägliche Balsamico Kleckserei eher weniger, aber dieses feine Kräuteröl, das später auch beim Lamm zu finden war, fand ich bemerkenswert.
Nicht minder gelungen meine Garides Saganaki, die Sauce wurde mit einem ordentlichem Schuss Ouzo versehen, der Feta war cremig und eher mild, die vier Garnelen selbst von einer sehr anständigen Qualität und Sortierung, sauber entdarmt, Kopf und Schwanzende noch vorhanden, das mittige Fleisch konnte problemlos mit Besteck vom Rest befreit werden.
Gambas in Tomaten-Chilisauce mit Schafskäse
Die Größe der Garnelen so bemessen, dass man jede ausgelöste Portion nochmals teilen musste, guter, leicht süßlicher Eigengeschmack wenn auch sicher keine Spitzenqualität.
Nur den Chili habe ich fast gänzlich vermisst, „Oh, NOCH schärfer?“ fragte mich der Kellner überrascht, als ich in dies hernach wissen ließ. Ich bin wirklich kein Capsaicin Junkie mit abgestorbenen Geschmacksnerven aber der, für den das „pikant“ war bekommt sicher auch beim Gedanken an Tomatenmark Schweißausbrüche.
Auch hier die Präsentation trotz einiger Saucenkleckser recht nett, frischer grober Pfeffer auf der breiten Tellerfahne, nur die ausgebackenen dünnen Knusperstangen habe ich nicht verstanden, taten aber auch nicht weh.
Würde ich trotzdem jederzeit wieder bestellen, in Summe schön und das Dippen der Sauce und der natürlich noch vorhandene begleitende Wein aus der Peloponnes machten viel Freude.
Manouri ist ein mit dem Ricotta verwandter griechischer Frischkäse lehrt uns das WWW, die Dame am Tisch hat ein Faible für gebackenen Feta mit Honig und Sesam und Co. und das Gericht genau ihr Ding.
Gegrillter Käse mit Feigengelee, Honig und Walnüssen
Feigen als Gelee, Feigen-Frucht und geröstete Walnuss begleiteten das Ganze, dekoriert wurde mit weißem Sesam, roten Beeren und leider auch wieder völlig überflüssigem Balsamico.
Ich finde das in griechischer Küche absolut verzichtbar, hier will ich doch den Käse schmecken, dessen Säure dann mit den süßen Elementen gekontert wird. Wenn man hier glaubt, mit italienischem Essig die hellenische Süße bereichern zu müssen sollte man vielleicht über die Balance im Gericht nachdenken; völlig unnötig: optisch, stilistisch und geschmacklich.
Aber die Käsebestellerin war zufrieden, dazu ist die Grundanlage des Gerichtes einfach zu nah an ihrem Genusszentrum und sie ist da auch sehr pflegeleicht in solchen Fragen.
An dieser Stelle Lob für den Service, es wurde stets höflich und dezent nach der Zufriedenheit gefragt, während und nach den Gängen, was sich noch im Sinne des Lokals auszahlen sollte bei meinem Hauptgericht.
Ich bat ausdrücklich um mindestens 15 Minuten Abstand bis zu jenem, was kein Problem sein sollte, „eher noch etwas mehr weil gerade mehrere Tische bekocht werden“, super, sehr willkommen!
| Hauptgerichte |
paidakia – Lammkoteletts aus der Krone im Tomaten-Kräuterbett mit Kartoffelecken - 19,90€
koto salata – Wildkräutersalat mit Hähnchenbruststreifen – 12,80€
2017 Atlantis, Mandilaria & Mavrotragano, Estate Argyros, Santorini, Griechenland – 0,1l zu 4€
Auch bei den Hauptgerichten sucht man eher vergebens nach wirklicher Kreativität, auch wenn Dinge wie „kotopoulo – Hähnchenbrustfilet in Honig-Thymiansauce mit feiner Chilinote und Reis (pikant)“
oder mosharisio sikoti – Kalbsleber mit Kräuterjus und hausgemachtem Kartoffelstampf durchaus nach Abwechslung klingen in Hinblick auf die griechische Gastro-Küche in Deutschland.
Aber sind Gerichte wie „biftekakia – Fleischbällchen gefüllt mit Schafskäse auf einer pikanten Tomatensauce und Reis“ oder „piato zefyros – Bifteki, Lammkotelett, Souvlaki, Hähnchenbrustfilet, dazu Kartoffelecken“ wirklich Ausdruck von „Griechische Küche modern interpretiert“?
Meine Lammkoteletts sollten zunächst herrlich nach Grillaromen duften, auch wenn man leider über keinen Holzkohle-Grill verfügt, was in einer denkmalgeschützten Immobilie wie der Villa Hendrichs auch sicher schwierig sein dürfte.
Lammkoteletts aus der Krone im Tomaten-Kräuterbett mit Kartoffelecken
Den Balsamico nahm ich wieder resigniert zur Kenntnis, dekoriert wurde abermals noch mit roten Beeren, dem nett anzuschauenden Kräuteröl (wer braucht da noch Crema di Balsamico???) sowie etwas Olivenöl und recht plump drapierte unbehandelte Kirschtomaten
Die Kartoffelecken waren auf Nachfrage ausdrücklich hausgemacht und hätten etwas mehr Würze nach dem Frittieren vertragen können, ansonsten gelungen wenn auch sehr uninspiriert als Beilagen, Kartoffelecken erinnern mich im Bestfalle immer an Ausflugsgastronomie.
Das Wort „Tomaten-Kräuterbett“ weckte Erwartungen an ein lauwarmes Tomatenragout, das von mediterranen Kräutern und Geschmack nur so strotzt. Die Tomaten musste ich leider ebenso suchen wie geballtes Kräuter-Aromenfeuerwerk, das war ein fein gearbeitetes, vielleicht etwas fades Pfannengemüse in dem Zucchini den Ton angab.
An dieser Stelle wurde das Versprechen der Karte leider nicht gehalten, Formulierungen wecken eben entsprechende Erwartungen!
Mein Wein wurde gebracht, als ich mich gerade an das Fleisch machte und als man mich fragte, ob alles ok sei, musste ich leider gestehen, dass es zwar nicht total staubig aber auch nicht mehr im Ansatz medium war, gefragt hatte man mich auch nicht.
Ich schnitt auch das größte Stück an um es zu demonstrieren und das war dem Herrn im Service – ich glaube es war der Betreiber mittlerweile – doch sichtlich unangenehm, er bot sofort an den kompletten Teller zurückzunehmen.
Nun war es ja nur aufgrund eines überschrittenen Gargrades alles andere als ungenießbar und es widerstrebt mir zutiefst, tierische Produkte wegzuwerfen, dafür habe ich zu viel Respekt vor den Tieren und nein, so etwas geht nicht in meiner Welt.
Er bot daher an, mir noch einen Nachschlag zu geben, ich solle essen was mir schmeckt, aber das wollte er anscheinend auch nicht auf sich sitzen lassen.
So kam ich wenig später zu einem „Pre-Dessert“ auf griechische Art, dickere Koteletts frisch vom Grill, diesmal rosa wie erhofft, eine nette Geste und ich denke für beide Seiten eine gute Lösung.
Darauf bestand man...
...zweiter Aufschlag spot on!
Das Lamm war übrigens ausnehmend köstlich und zart, das Gericht als solches auch sehr schmackhaft, das größte Manko war die tomatige Enttäuschung.
Wenig enttäuschend hingegen die begleitende Cuvée zweiter autochthoner Reben aus Santorini, vollmundige reife rote Früchte, elegante Tannine, überraschend gut aber ich glaube auch, dass die gewisse Urlaubsstimmung und Freude über den Abend beim moderaten Weingenuss auch eine Rolle gespielt haben was meine Zufriedenheit angeht. Ob mir die Weine auch bei 10 Grad und Regen im Wohnzimmer geschmeckt hätten sei dahingestellt.
Der Wildkräutersalat mit Hähnchenbruststreifen war die „mutige“ Wahl von Madame, die Qualität des Salates war bemerkenswert, unfassbar frisch und dabei vielfältig in der Zusammenstellung, so mancher „Wildkräutersalat“ hat seinen Namen ja kaum verdient wie ich meine.
Wildkräutersalat mit Hähnchenbruststreifen
Das Dressing eher simpel mit Essig und Öl und das ein Salat das einzige Gericht war, bei dem man optisch auf die geliebte Balsamico-Creme verzichtete rang mir ein kleine Schmunzeln ab.
Was der mittige Maiskolben mit Griechenland zu tun hat weiß ich nicht, aber er sollte der Salat-Vertilgerin ausdrücklich gut schmecken solle ich anmerken, wie auch der Rest des Gerichtes.
Nun ja, es hätte sicherlich interessantere Optionen gegeben und ich denke das Gericht wird mit Absicht so generisch gehalten, ohne Geschlechter-Klischees bemühen zu wollen eine typische Option für die unentschlossene Dame auf der Suche nach einem „leichten“ Hauptgericht.
| Dessert |
semi fredo – Parfait aus original Toblerone-Schokolade mit karamellisierten Mandeln – 5,90€
granita – Prosecco-Zitronensorbet (auf Wunsch alkoholfrei)- 5,90 €
Mein Sorbet wollte ich eigentlich solo ohne italienisches Frizzante-Blubberwasser und hier patzte der Service nochmals, die Küche verstand es so, als ob ich einen Ersatz dafür wollte und mixte aus Bitter Lemon und frischem Zitronensaft einen Ersatz.
Prosecco-Zitronensorbet (auf Wunsch alkoholfrei)
Das sollte zwar sehr gut schmecken, aber ich hatte mich einfach nur auf ein, zwei schöne große Nocken Sorbet gefreut und so komplex war meine Bitte ja nun auch nicht.
Bei den Desserts scheint man seine italophile Seite komplett auszuspielen, das Parfait steht als „semi fredo“ an der Stelle auf der Karte, wo sonst die griechischen Bezeichnungen stehen, das macht sicher der dauernde Umgang mit Balsamico! ;-)
Parfait
Auf der anderen Tischseite schwelgte man in Lob, nur die Himbeeren und Blaubeeren waren nicht mehr ganz taufrisch, das Parfait selbst handwerklich perfekt – ich unterstelle an dieser Stelle mal die hausgemachte Variante – und nicht im Ansatz kristallin. Ich probierte und ja, das kann man sicher so haben, wunderbar sahnig und der Geschmack der ikonischen Schweizer Schoki kam klar durch, sicher kein Meilenstein der Patisserie aber ein durchaus gelungener, stimmiger Schlusspunkt.
So langsam leerte sich der Garten, ich bat um die Rechnung, widmete mich einem verbliebenen Schluck Rotwein und rauchte eine gute Zigarette, dem Zauber des Momentes des ersten Restaurant Besuches seit sieben Monaten konnten die erwähnten Kulinarik-Kritikpunkte nur wenig anhaben.
Wir plauderten noch ein wenig mit dem vermeintlichen Pächter, einem sympathischen Herrn Ende fünfzig, und ich konnte die Rechnung per EC Karte begleichen, Trinkgeld wie immer in bar.
Die Verabschiedung erfolgte freundlich-herzlich, ich war nicht unzufrieden mit dem Abend, auch wenn ein Fazit selten so schwierig war wie heute:
Fazit
Wer sich die Selbstdarstellung des Restaurants anschaut, dies alles wörtlich nimmt und hier die Solinger Ausgabe von Perlen wie dem Kölner „ phaedra“ erwartet und sich nicht vorher ein Bild macht würde sicher erbost auf den erwähnten Kritikpunkten herumreiten und enttäuschte zwei Sterne für die Küche geben, auch und vor allem angesichts des Angebotes.
Diese Erwartungshaltung hatte ich nicht, dennoch würde ich mir hier mehr Mut wünschen, bei allem Verständnis dafür, dass Solingen nicht Köln ist und man schauen muss, wie man sich in der Hochburg des gepflegten Gyros-Tellers behaupten kann.
Aber trotzdem finde ich die eigenen Ansprüche bzw. den Claim „Griechische Küche modern interpretiert“ doch etwas irreführend wenn ich ehrlich bin.
Dennoch bewerte ich das, was ich bekommen habe, ohne mich auf Dinge wie die Balsamico-Manier zu stürzen oder das Lammgericht zu verteufeln, weil etwa das Tomaten-Bett so gar nicht wie in der Karte beschrieben ausfiel.
Unter dem Strich in Teilen sehr gelungene, wenn auch sicher nicht kreative Vorspeisen in kalt und warm, befriedigende Hauptgerichte und ein gutes Dessert, angesichts dessen, dass ich hier über 100 Euro für das Essen gezahlt habe, komme ich in Summe dennoch „nur“ auf gute 3,7 und damit auf leider abzurundende 3,5 für doch eher klassische, wenn auch Gyros-befreite, griechische Kost bzw. die Küche.
Den Service sehe ich so wie erlebt bei guten vier Sternen, die beiden Patzer beim Vorspeisen Timing und dem Sorbet kosten einen Stern, das war ärgerlich, dennoch wie beschrieben höflich, zuvorkommend und hinreichend präsent, zudem vorbildlicher Umgang mit meiner kleinen Reklamation wegen des Lamms.
Das Ambiete mag ich sehr, ein gepflegter Ort mit Geschichte, fünf Sterne für das lauschige Plätzchen im ehemaligen Arkadien der Unternehmer-Villa, ebenso für die makellose Sauberkeit, die ich beim Bezahlen an der Theke erlebte.
Das Preis-Leistungs-Verhältnis sehe ich vor allem mit Blick auf die Vorspeisen als gut an, auch die Weine sind fair kalkuliert wie ich heute feststellen konnte, auch hier vier Sterne.
Daher komme ich in Summe auch auf denkbar knappe vier Stern für in der Gesamtwertung, ich werde hier sicher gerne nochmal zu Gast sein im Sommer und mir einfach Vorspeisen zusammenstellen und dann aber, dem Taxigewerbe sei Dank, das ein oder andere Glas Wein mehr trinken und von der Ägäis träumen….