Die neue Shaneymac-Bedienungsanleitung 2020, Stable Release 1.02
Liebe Freunde des guten Essens,
vormals seit 2007 sehr engagiert bei restaurant-kritik.de bin ich nach dessen unsäglichen Ausverkauf an Yelp seit nunmehr Anfang 2015 hier aktiv und froh darüber, wie viele ehemalige RK-Freunde hier eine neue Heimat gefunden haben.
Den Großteil meiner RK-Kritiken habe ich übrigens damals nicht auf GastroGuide "migriert" und auch auf Yelp löschen lassen, daher meine noch vergleichsweise geringe Anzahl von Beiträgen hier auf GastroGuide.
Ich selbst besitze seit meiner Kindheit ein seltsam intrinsisches Faible für Kulinarik und neue Geschmäcker. Obwohl es mir familiär mitnichten in die Wiege gelegt wurde, erzählen meine Eltern noch immer gerne, dass ich bereits als 6-Jähriger großes Interesse an jeglichen, damals spärlich vorhandenen, Kochsendungen hatte und bspw. begeistert Monsieur Bocuse zusah.
Selbstredend war auch das Hauswirtschafts-Lehrbuch das mit Abstand meist gelesene pädagogische Werk in meiner Schullaufbahn. Meine erste – nicht wirklich ernst gemeinte - Restaurant-Kritik erschien 1991 in einer Schülerzeitung, mein Opus Magnum dieser Ära war jedoch ein legendärer Gyros-Buden-Großtest, der nach seinem Erscheinen in unserer Abi-Zeitung anno 1995 für viel Zuspruch und gute Laune bei den Lesern sorgte.
Gute Küche lebt in meiner Welt in erster Linie von guten Zutaten und einer liebevollen, kundigen Zubereitung; daher schätze ich die Küchen des Mittelmeer-Raumes über alles.
Das prägt auch die Leitlinie in meinen Bewertungen. Es gibt vergleichsweise einfache Küchen, die bei mir besser wegkommen als hochgejazzte Gourmet-Tempel, die mit Effekthascherei und kulinarisch irrelevanten Kunstgriffen gehobene Kochkunst mimen.
Was nicht etwa heißen soll, dass ich die Sterneküche ablehne, ganz im Gegenteil sogar, nur die Stilistik sollte sich nicht zu weit vom Produkt entfernen - viele Spielarten der Molekularküche halte ich daher für kulinarisch entbehrliche Auswüchse einer gastronomischen Überflussgesellschaft.
Wichtig zu erwähnen: Ich bewerte mit den Sternen nicht absolut sondern immer in Relation zu Anspruch und Preisgefüge des Restaurants, innerhalb eines "Milieus" wenn man so will. Denn einfach aber dennoch exzellent kochende Restaurants könnten ansonsten nie über drei Sterne kommen - und das wäre im Einzelfall nicht angemessen im Sinne der Wahrnehmung der Sternewertung durch die Leser.
Und last but not least aus gegebenem Anlass ein kleiner Satire-Disclaimer:
Ironie, Satire und ein gesunder Sarkasmus waren immer Zutaten und auch Antrieb meiner Rezensionen, was der Löwenanteil der Leser schon seit Beginn an sehr schätzt.
Verletzen möchte ich damit niemanden, es geht mir in der Regel um gesellschaftliche Klischees, Absurditäten des Alltags oder skurrile Begebenheiten bei einem Restaurant-Besuch, die ich damit augenzwinkernd verarbeite.
Ich schreibe das, weil ein von mir sehr geschätzter, jung gebliebener Pensionär mich kürzlich sehr erschrak, als er mir sagte, er habe sich verletzt gefühlt, als ich mich in einer Kritik über die typisch bergischen „Graue Regenmäntel Rentner“ lustig machte und er es als allgemeines „Opa-Bashing“ auffasste, was mir völlig fremd wäre.
Daher meine Bitte: Nehmt meine Texte stets mit Humor!
Ich liebe Slow-Food, alte und neue Kochbücher, gute Blogs, unsere beiden Katzen sowie alles Gute und Schöne im Leben – denn für das Gegenteil ist es zu kurz, nicht nur für schlechtes Essen.
Forza Genuss,
Shaneymac
Sporadisch auch auf:
https://www.instagram.com/mac_shaney/
https://www.twitter.com/mac_shaney
https://www.facebook.com/shaney.mac.3
Quote corner:
“People ask me: "Why do you write about food, and eating, and drinking? Why don't you write about the struggle for power and security, and about love, the way the others do?" . . . The easiest answer is to say that, like most other humans, I am hungry.”
Mary Frances Kennedy Fisher
"And, after all, it is a very poor consolation to be told that the man who has given one a bad dinner, or poor wine, is irreproachable in his private life. Even the cardinal virtues cannot atone for half-cold entrées."
Oscar Wilde, The Picture of Dorian Gray
Die neue Shaneymac-Bedienungsanleitung 2020, Stable Release 1.02
Liebe Freunde des guten Essens,
vormals seit 2007 sehr engagiert bei restaurant-kritik.de bin ich nach dessen unsäglichen Ausverkauf an Yelp seit nunmehr Anfang 2015 hier aktiv und froh darüber, wie viele ehemalige RK-Freunde hier eine neue Heimat gefunden haben.
Den Großteil meiner RK-Kritiken habe ich übrigens...
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Diese Pläne durchkreuzte allerdings die Kombination eines veritablen Staus am Stuttgarter Flughafen – zwei von drei Spuren zu sperren wegen Fräsarbeiten ist natürlich an einem verkehrsdichten Feriensamstag eine grandiose Idee, Nachtbaustellen sind hierzulande immer noch ein Fremdwort, unfassbar – sowie einer beispiellosen Fehlleistung des Navigationssystems in Sachen „dynamische Stauvermeidung“ recht wirkungsvoll.
Statt wie geplant gegen 18:30 Uhr kamen wir erst gegen kurz nach halb neun an, statt Kaiserwetter goss es in Strömen, die Zugspitze konnte man nur erahnen und der für diese Zeit reservierte Tisch erlaubte dann zeitlich weder entspanntes Ankommen noch das ersehnte, traditionelle Willkommen-Bier auf dem Balkon.
Das Wetter sollte sich dann jedoch gottlob sehr schnell von seiner besten Seite zeigen und wir verlebten eine wunderschöne, erholsame Woche im vertrauten Ort im herrlichen Werdenfelser Land, das Essen am ersten Abend im nahen Ristorante Colosseo (hier im letzten Jahr gewürdigt) war gut, jedoch konnte ich es nicht annähernd so genießen wie geplant; Lasagne, ein gelungener Bohnen-Thunfisch-Salat, ein großes Glas vom offenen Haus-Weißwein sowie nicht zuletzt das freudige Wiedersehen mit der oberbayerischen GastroGuide-Ikone Obacht! sorgten dann allerdings schnell für die erhoffte Entspannung und beste Laune.
Und in Sachen Kulinarik war ich ohnehin recht entspannt, denn schon am nächsten Abend sollten wir endlich die Gelegenheit haben, gemeinsam mit Herrn Obacht, der am Samstag noch auf einer Fortbildung weilte, das „Bellini“ in Mittenwald zu besuchen.
Seitdem ich den diesbezüglichen, begeisternden Erstbericht von Obacht gelesen hatte, wollte ich hier unbedingt essen, im letzten Jahr machten uns die unseren Aufenthalt überlappenden Betriebsferien des Lokals leider einen Strich durch die Rechnung, sodaß wir kurzfristig nach Österreich ins Hotel Ammerwald ausgewichen sind – auch ein sehr schöner Abend, auch kulinarisch, den ich aber hier „landesgrenzentechnisch“ leider nicht vorstellen konnte.
Die gleiche komfortable V-Klasse, die uns weiland dorthin brachte, wurde auch am Sonntag wieder souverän von Herrn Obacht sicher ans Ziel gesteuert. Da lag es nun, versteckt und doch mitten drin im verwinkelten Geigenbauer-Städtchen Mittenwald, das kleine Ristorante Bellini.
Außenansicht
Die Außenwerbung gibt sich dezent, das Haus ist bestens in Schuss und wäre das Wetter passender gewesen – am Sonntag war es bereits weitgehend trocken und am Abend leicht sonnig, der Volllast-Sommer ging aber erst am Montag richtig los – und die Gartenmöbel nicht alle verständlicherweise sorgfältig mit olivgrünen Planen mit leichtem Bundeswehr-Flair abgedeckt gewesen, hätte es sicherlich wesentlich einladender ausgesehen, aber Wetter kann man sich eben nicht aussuchen.
Die Gasträume sind außerordentlich gepflegt versprühen aber dank der alpenländischen, biederen Grundausstattung denkbar wenig Dolce Vita Flair, würde man sich das ein oder andere liebevolle Deko-Detail wegdenken, könnte hier auch innerhalb von kürzester Zeit eine bayerische Gaststätte betrieben werden, was hier sicher vormals auch mal der Fall war.
nach dem Eintreten, vorderer kleiner Gastraum
Ob in dieser allerdings auch solch eine verheißungsvolle Anti-Pasti Auswahl in einem blitzsauberen Kühlschrank nahe des Eingangs auf den hungrigen Gast warten würde, ist mehr als fraglich, das sah schon mal vielversprechend, wenn auch zugegeben nicht außergewöhnlich aus.
Es folgte der erste Auftritt von Frau Karin Bellini, der Gattin des Kochs, einer grundsympathischen, energiegeladenen, junggebliebenen Mittfünzigerin und erfahrenen Gastronomin, die uns herzlich willkommen hieß und uns zu unserem akkurat eingedeckten Tisch im hinteren kleinen Gastraum führte - das kleine Lokal verfügt ohnehin nur über Handvoll Tische, rechtzeitiges Reservieren ist hier erste Gästepflicht.
Die dynamische, redselige Gastgeberin wurde von einer aparten jungen Dame im Service unterstützt, die nicht minder zuvorkommend und routiniert bei der Sache war, mit zwei tüchtigen Personen war der Service heute damit sehr passend besetzt.
Blick Richtung Bar
Die Karten wurden gereicht, eine obligatorische Flasche Wasser, der gut gekühlte Liter zu moderaten 5,50€ folgte nicht viel später und Frau Bellini pries das ein oder andere Angebot von der Wochenkarte derart mundwässernd und im Detail kundig an, dass es eine wahre Freude war.
Dies allerdings auf eine ruhige, glaubhaft passionierte Art und Weise und nicht im Ansatz marktschreierisch oder gar aufdringlich, schon da hatte sie mich mit Blick auf solche Momente, in denen ansonsten oft lustlos runtergeleiert oder – viel schlimmer - Theater-Kleinkunst geboten wird, in meinem Innersten abgeholt.
Zur Karte habe ich mich später noch lobend bei ihr ausgelassen, weil ich den Ansatz für sehr klug und gästeorientiert halte. Diese ist, wenn man so will, ausgeprägt „bipolar“ in der Hinsicht, dass man in der Standardkarte recht mainstreamig und preiswert unterwegs ist, in den umfangreichen „Specials“ allerdings wesentlich ambitionierter rangeht, inhaltlich wie preislich.
Das heißt im Klartext, dass wenn man bspw. im Freundes- oder Familienkreis hier aufschlägt, der Redundanzesser hier für 6,50 € eine sehr gute Pizza Salami essen kann, die Sprösslinge ihre geliebte Pasta Bolognese & Co. für ähnliche Preise bekommen und selbst in der Abteilung Carne die Scaloppine nicht die magische 20 Euro Hürde reißen.
Gleichzeitig gibt es aber Optionen wie Atlantik-Seezunge mit Beilagen nach Wahl für immer noch vergleichsweise günstige 32 Euro, irisches Dry-Aged Rib-Eye aus dem Beefer für 34 Euro oder einen veritablen Babysteinbutt vom Grill für 29 Euro.
Dies alles sollte auch an unserem Tisch bestens funktionieren, da traf dann folglich die Pizza auf das irische Rib Eye und Co. und alle wurden glücklich mit ihrer Wahl: „Das ist uns wichtig, für möglichst alle etwas zu bieten, freut mich, dass Ihnen das auf- und gefällt!“ hörte ich später von Frau Bellini; dem Ziel kommt man hier konzeptionell sehr nahe möchte ich meinen.
Die Menüplanung nahm seinen Lauf, was die umfangreiche Weinkarte nicht gerade vereinfachte, außergewöhnlich, dass man fast jeden Wein nicht nur in 0,1 l und 0,25 l erhalten kann, sondern vor der ganzen Flasche auch noch 0,5 l in der Karaffe möglich sind, was mir und dem oberbayerischen, bärtigen Original am Tisch – nein, nicht Frau Obacht – sehr gelegen kommen sollte.
Mir war aber zunächst nach einem Aperitif und ich entdeckte bei deren Angeboten einen Cocktail nach Art des Hauses, da ich regelrecht allergisch bei süßen Drinks bin fragte ich, was sich denn dahinter verbirgt.
„Was immer sie möchten, sagen sie mir einfach, was ihnen schmeckt und ich werde ihnen etwas in dieser Richtung zubereiten!“ hörte ich ganz selbstverständlich, komplettiert dadurch, dass Frau Bellini mir auch einige Vorschläge machte, bevor ich sie wissen ließ, dass ich einem guten Mojito und generell eher frischen, zitrischen Drinks am ehesten zugeneigt bin.
Das brachte sie ins motivierte Grübeln, sie checkte ihren Fundus, kam nochmals zwecks Rückfrage an den Tisch und als sie schließlich kurz vor dem Servieren des kleinen Amuse mit ihrem Werk zum Tisch kam entschuldigte sie sich mehrfach für ihre etwas zerstreute Tagesform, sonst sei sie da spontaner und mehr auf Zack.
Eine Entschuldigung? Eine Entschuldigung??????? Für eine Geste, die ich ansonsten vielleicht von einer motivierten Getränkefachkraft auf Sterneniveau erwartet hätte??? In einem Haus, in dem man für fünf Euro eine Pizza Margherita erhält?? Ich ließ sie deutlich wissen, dass ich eine Entschuldigung noch nie als unnötiger empfunden habe und bedankte mich für diesen vielversprechenden Start in den Abend, ein erster Schluck mittels des umweltfreundlichen Strohhalms sollte dann auch bestätigen, dass mein Vorschuss-Dank nicht deplatziert war…..
| Apero & Amuse |
Cocktail, individuell – 0,3 l zu 7,00 €
Brot & Dips
Nein, er war nicht im Ansatz deplatziert, bestens temperiert durch eine Handvoll Eiswürfel präsentierte sich ein wohlbalancierter Drink aus knochentrockenem Prosecco, Limoncello sowie Limettensaft, für die erfrischenden Mojito Anleihen sollte weiterhin taufrische Minze sorgen: köstlich!
"Custom Cocktail"
Erste Einblicke in das Handwerk der Küche erlaubte wenige Momente später der kleine Gruß aus der selbigen, hausgebackenes Ciabatta mit einer kleinen Auswahl Dips, eine Bärlauch Variante, ein Auberginen-Mus sowie eine Räucherlachs-Creme.
Amuse
Bärlauch- Dips oder -Butter sind mir meist viel zu flach, dieser hier geizte allerdings nicht mit Aromen, so lasse ich mir auch den Placebo-Knoblauch gerne gefallen.
Das Auberginen-Mus vielleicht etwas grenzwertig ölig, aber derart geschmackvolle Sünde mit leicht pikantem Nachhall entschuldigt vieles und ich denke angesichts der handwerklichen Tadellosigkeit an diesem Abend, dass dieses Mus auch so intendiert war.
Wenn ich Räucherlachs-Creme nur lese denke ich an Canapés der 80er Jahre und war daher skeptisch, aber auch diese mit frischem Dill versehene Variante überzeugte mit für meinen Gaumen perfektem Abschmecken, es macht schon viel aus, wenn neben dem Gebrauch guter Grundzutaten der Koch den Sinn von Pfeffer und Salz verstanden hat.
Als Sahnehäubchen brachte Frau Bellini noch eine Flasche besten Öles aus Elba, das sie uns sehr ans Herz legte und die grasige Schärfe dieses aromatischen Spitzenproduktes aus kleiner Produktion war ebenfalls eine große Freude.
bestes Öl zum Brot
Das duftende Brot gefiel uns allen ausgesprochen gut, ich schlürfte selig meinen „Mac Shaney Special“ und musste höllisch aufpassen, mich nicht mit zu viel Ciabatta und Dips zu mästen.
hausgebackenes Brot
Parallel dazu leistete Frau Bellini wieder Großtaten im Service, ich war auserkoren, den Wein zu wählen, den Herr Obacht und ich mir zur Vorspeise teilen wollten.
Ein toskanischer Chardonnay aus dem Barrique klang spannend, ich hörte aber prompt, dass ich diesen aufgrund einer recht ausgeprägten Vanillenote doch bitte vorher probieren möge.
Und ja, wie recht sie hatte, deutlich zu ausgeprägt die Vanille und auch sonst nicht unser Fall, wir bekamen natürlich beide einen großzügigen Probierschluck.
Auch der zweite Wein, den sie zum Vergleich in zwei frische Gläser schenkte, war mir zu säurearm und zu flach, ein dritter Probierschluck wurde also nötig und der reinsortige Vermentino passte schließlich wunderbar.
Die Weine sind zwar nicht ganz günstig, aber immer noch fair kalkuliert, einen derart gepflegten Umgang mit dem Thema Wein, sei es in der Beratung als auch was dieses ausgiebige Probierritual angehen sollte, habe ich allerdings so nicht erwartet, gehobenes Gastgebertum auf wohltuende und selbstverständlich umgesetzte Art und Weise.
| Vorspeise |
Spaghetti Pescatore, Primo Piatto Portion (-1,60 €) – 13,40 €
Insalata Cetrioli – 6,00 €
2019 Solosole, 100% Vermentino, Poggio al Tesoro-Allegrini, Bolgheri, Toskana – 0,5 l zu 29,60 €
Spaghetti AOP mit Meeresfrüchten, einfache Küche die von der Qualität der Zutaten lebt, ein Grund dafür, warum ich die Landesküchen des Mittelmeeres so liebe.
Spaghetti Pescatore, Primo Piatto Portion
Die Pasta auf den Punkt, das Öl herrlich aromatisch mit idealer Chili-Schärfe, die Meeresfrüchte ebenfalls perfekt gegart, Miesmuscheln, Pulpo, Baby-Tintenfisch und zwei Garnelen mit Kopf und Schale gebraten; nur gut, dass ich eine große Serviette, einen separaten Teller für Schalen und Co. sowie ein Erfrischungstuch zur Verfügung hatte.
Besser kann man das nicht machen und die Menge an Meeresfrüchten legt nahe, dass man die Primo Piatto Portion lediglich damit realisiert, dass man die Pastamenge reduziert.
Meine ständige Begleitung hatte sich vorab nur für einen grünen Salat entschieden, der überzeugte mit viel Frische, der Abwesenheit von Eisbergsalat (die Geißel des Insalata Verde bei den meisten Italienern…) und einer von der Dame des Hauses eiligst gebrachten Menage mit Aceto, Olio und zwei ausdrücklich hausgemachten Dressing-Varianten, die für viel Gaumenglück zu meiner Rechten sorgen sollten.
Insalata Cetrioli
Öl / Dressing
Der begleitende Wein, ein hauchzart trendiger Vermentino aus Bolgheri ist ein toskanischer Klassiker und kein Unbekannter und sollte zu diesem Gericht die beste Wahl darstellen, frische junge Säure, ein Hauch exotischer Frucht, sehr schönes Pairing.
Unsere bayerischen Freunde gönnten sich derweil „Taglioni con coda di rospo es asparaghi“, schmale Bandnudeln mit Seeteufel und grünem Spargel, gelobt wurde grundsätzlich das gesamte Gericht und eine subtile Curry-Note, sah sehr einladend aus:
Taglioni con coda di rospo es asparaghi
Als ich Frau Bellini nach einer kurzen Verschnaufpause sagte, ich habe mich zum Hauptgang für das Lamm entschieden, statt wie vorab erwogen für das Rib-Eye aus dem Beefer, dessen Lavendel-Kräuter sie mir so passioniert beschrieben hatte, glänzten ihre Augen vor Begeisterung.
Das sei eine sehr gute Wahl, es sei frisches heimisches Lamm aus eben dieser Ecke, aus einem Hofladen im Nachbarort und so beliebt, dass es sogar für vorbestellende Gastronomen teilweise schwierig sei, davon etwas zu ergattern.
Das klang doch gut, neuseeländische TK Ware hatte ich hier aber auch nicht erwartet…
| Hauptgerichte |
Costolette d`agnello – 25,00 €
Tagliatelle al Pfifferling – 15,00 €
2018 Stilio Primitivo di Manduria DOC, Villa Mottura, Apulien – 0,5 l zu 32,00 €
Fünf Lammkoteletts vom Grill, dazu grüne Bohnen, Blattspinat und Rosmarinkartoffeln. Dem Lamm merkte man geschmacklich ihr glückliches Leben an, das zarte, saftig rosa gebratene Fleisch schmeckte in sich leicht kräuterig und mit ein paar Spritzern Zitrone war mein Felicità dell'agnello dann auch perfekt.
Costolette d`agnello
Die Kartoffeln habe ich gefeiert, die bleiben bei mir nämlich gerne liegen, zu langweilig, pappig, unterwürzt. Nicht hier! Herrliche Rosmarinnote, angenehmer Salz-Pegel, duftend frisch aus der Pfanne, sehr schön.
Der Blattspinat noch leicht bissfest, Knoblauch präsent aber nicht überdimensioniert, meine liebste Beilage zu Lamm, auch gesteigert beglückend.
Dagegen fielen die auffallend braven grünen Bohnen etwas ab, die meisten mussten sich den beiden Beilagenkonkurrenten geschlagen geben, aber so ist das eben, das Bessere bleibt der ewige Feind des Guten.
Frau Shaneymac isst meist nicht viel und stieg erst jetzt richtig mit ein, ihre frischen, hausgemachten Tagliatelle mit Pfifferling-Rahm-Soße gefielen ihr sehr gut was ich nach einem Probierhappen auch gut nachvollziehen konnte, ich werde aber zugegeben nie ein großer Freund von Sahnesoßen zu Pasta.
Tagliatelle al Pfifferling
Die Wahl des Rotweins zum Hauptgang sollte sich vorab weit weniger kompliziert gestalten als die zur Vorspeise, meine Wahl fiel auf eine schwere Fruchtbombe aus Apulien mit deutlichem Barrique, zu rotem Fleisch vom Grill gibt es sicher schlechtere Optionen, obwohl mir die ganzen Primitivos, Doppio Passos und Appassimentos meist viel zu gefällig und marmeladig sind.
Zu meinem Lamm war er sehr stimmig und auch Herr Obacht, der sich das Dry-Aged Rib-Eye aus dem Beefer gegönnt hatte wurde mit ihm glücklich, was man zu seinem wohldimensionierten Entrecôte von good old Emerald Isle auch sagen kann, der gute Mann war sehr angetan:
Dry-Aged Rib-Eye aus dem Beefer
Das kann man auch zur Zufriedenheit von Frau Obacht mit ihrer Pizza Carciofi sagen und diese war wie gesagt ein gutes Beispiel dafür, wie viel Sinn die Gestaltung der Karte macht:
Pizza Carciofi
| Dessert |
Kleiner Käseteller – 5,00 €
Es wurde viel erzählt und gelacht, die Zeit verging wie im Flug und trotz vorgerückter Stunde war ein kleines Dessert natürlich Ehrensache. Der bärtige Haudegen gegenüber inhalierte zufrieden ein Tiramisu, das ich gerne probierte aber durch meine Lockdown-Liefer-Safari und des sehr beschränkten Solinger Dessert Angebotes in dieser Hinsicht – ich glaube selbst wenn ein äthiopischer Lieferdienst öffnen würde wären Panna Cotta und Tiramisu die einzigen Optionen – brauche ich die nächsten Monate sicher kein Tiramisu mehr.
Tiramisu
Ich fragte ob ein kleiner improvisierter Käseteller möglich sei, was man freundlich bejahte, ich wurde mit einer Auswahl von Ziegen-„Mozzarella“ aus der Region, mildem Gorgonzola und etwas Scamorza bedacht, dazu mit Frischkäse gefüllte kleine pikante Kirschpaprika und Oliven.
Kleiner Impro-Käseteller
Etwas fruchtiges dazu wäre mir zwar lieber gewesen, aber ich freute mich dennoch über meine Wahl, auch wenn der rauchige Scamorza auch gut mit ihm funktionierte, war besonders der Gorgonzola mit dem Rest meines Rotweines ein schöner Schlusspunkt, der Ziegenkäse sollte nicht nur optisch mehr an einen Feta erinnern als den annoncierten Mozzarella, tat dem Geschmack aber keinen Abbruch.
Danach ging nicht mehr wirklich viel und ich freute mich sehr den über angebotenen, charaktervollen Grappa vom Haus, den diesmal die junge Kollegin von Frau Bellini gekonnt auf den Tisch brachte:
Salute!
Ein herrlicher Abend, der einzige peinliche Wermutstropfen war, dass ich, obwohl begeistert vom erlebten Service und in maximal spendabler Trinkgeldlaune war, durch leichtes Durcheinander am Tisch wegen getrennter Bons und beim Bezahlen mit Apple Pay (der NFC Chip meiner EC Karte gab zwei Tage vor dem Urlaub den Geist auf) und zugegeben leichte Weinseligkeit vergaß Trinkgeld zu geben.
Das fiel mir erst am nächsten Tag ein, als ich den Abend rekapitulierte und ich habe danach im Restaurant angerufen um mich bei Frau Bellini zu entschuldigen und ihr zu versichern, dass ich grenzenlos zufrieden war und wie unfassbar peinlich mir das sei.
Darüber freute sie sich sehr, „Viel wichtiger ist doch, dass wir alle einen so schönen Abend hatten, sie waren alle so nette Gäste!“. Wir schafften es in diesem Jahr leider nicht auf die Eng-Alm, ansonsten hätte ich in Mittenwald gestoppt und das wieder gut gemacht, daher versprach ich, ganz sicher im nächsten Jahr wiederzukommen und dies nicht zu vergessen, was sie ebenfalls hörbar freute.
Und wie ich mich erst freue, höchste Zeit für ein…
Fazit
Meine Überschrift sagt eigentlich schon viel, auch zur Küche. Das ist sicher kein Fine-Dining, will es aber auch nicht sein, muss es auch ganz sicher nicht, denn für mein persönliches Kulinarik-Glückszentrum ist es das auf seine Art dann doch wieder. Beste Zutaten schnörkellos und doch mit viel Liebe auf den Teller gebracht, knappe fünf Sterne mit leichtem Urlaubs-Seligkeits-Bonus.
Vielleicht ist der halbe Stern Küchenbonus aber auch dem Service von Frau Bellini zu verdanken, für das Erlebte hätte ich gerne sieben vergeben angesichts anderer, ebenfalls in dieser mit voller Punktzahl bewerteter Restaurants vergleichbarer Preisklasse.
Das Ambiente kann hier leider nicht mithalten, knappe vier Sterne und damit eine Schulnote zwei für die gepflegte Tischkultur und ansonsten leicht beengte, eher generische Gasträume. Hier geht man wegen des guten Essens hin und nicht um verträumt die Szenerie zu genießen und daher ist mir dies in diesem Fall auch keinen Abzug in der Gesamtnote wert.
Die Sauberkeit und das Thema Corona ohne jeden Tadel, fünf Sterne hierfür.
Zum Preis-Leistungs-Verhältnis gibt es auch fast nur Gutes zu vermelden, einen halben Stern Abzug allerdings für die Weine, wer den Rotwein googelt wird verstehen was ich meine.
Nachdem mein geliebtes Bräustüberl in Garmisch schließen musste, freue ich mich sehr über eine neue feste Landmarke auf der gastronomischen „Must-Do-Liste“ für unsere jährliche kleine Sommerfrische bei unseren lieben Freunden, nach dem Urlaub ist schließlich vor dem Urlaub….