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Aber der Fisch duftet hier vom Kopfe, denn auch Julia Komp und Yunus Özananar, die als Paar die zwangslose(re) Schwester des benachbarten Fine-Dining-Restaurants Sahila betreiben, waren mehrfach zum guten Austausch bereit. (Lifehack: Starre den Leuten in die Augen und lächle! Irgendwann denken die, sie würden dich kennen... 1. Ausnahme: Länder, in denen sich auch fremde Menschen anlächeln. Soll es geben. Aber wir sind ja in Deutschland. 2. Ausnahme: Frankreich. Wer einmal versucht hat, die Aufmerksamkeit eines unwilligen Garçon zu erringen, weiß, was ich meine...)
Die räumliche Nähe der beiden Lokale mit getrennten Eingängen sorgt dafür, dass die Mannschaft über den Innenhof - im Sommer bestimmt wunderbar - kurze Wege in die gemeinsame Küche hat (Es werden identische Qualitäten eingekauft.) und z.B. der Sommelier mal hier und mal dort aufschlägt. Schlau für unterschiedliche Auslastungen. Wir haben uns dabei nie vernachlässigt gefühlt, im Gegenteil, s.o.
Der übersichtliche, viereckige Raum ist gegen die herrschende Mode in weiß und sandfarbenen Tönen gehalten, was ich stets mit Wärme assoziiere. (Gut geheizt war noch; meine Bedenken gegen den Fensterplatz unbegründet.) Keine Tischdecken, aber hochwertig eingedeckt bis zum Serviettenring. Viele Details verweisen kulturell auf die hier angebotene Speisen aus der Levante und dem Maghreb, besonders aus Marokko; ein Land, das Julia Komp auf ihrer kulinarischen Weltreise besonders lieb gewonnen hat. Dabei vermeidet die Innenausstattung jeden Kitsch, entweder wird konsequent umgewidmet oder man kann das Augenzwinkern quasi sehen, wie z.B. an den beiden Kamelen im Fenster, die mich eher an Flamingos erinnern. Wir sind ja schließlich in Köln;-)
Die Tische stehen in einem angenehmen Abstand, so dass trotz annähernd voller Belegung ein Gespräch jederzeit möglich war.
Eigentlich zu viert, musste eine meiner Kolleginnen aus persönlichen Gründen leider absagen. Wir bemühten uns zu dritt nach Kräften, dies nicht zum wirtschaftlichen Nachteil von Frau Komp werden zu lassen, die in ihrer Werbung nie vergisst zu erwähnen, dass sie einst jüngste Sterneköchin Deutschlands war. Allerdings hatten wir auch längere Arbeitsphasen, denen das eine oder andere Foto zum Opfer gefallen ist. Service und Köche wussten damit professionell umzugehen. Ich war extra etwas früher gekommen, um schon mal die ebenfalls einheitliche Weinkarte zu sichten, der ich eine Kalkulation mit Faktor 3 unterstelle. Die Flasche Mineralwasser mit 7,5€ auf üblichem Großstadtniveau.
Wir starteten als Aperitif mit einem Fläschchen von J.J. Prüm, ein junger Riesling Kabinett, der mächtig viel Trinkfluss hatte. Zuviel jedenfalls für ein Foto.
Die Küche grüßte derweil in einer silbrigen Spielzeug-Tajine mit einer Backfisch-Spielerei.
Könnte Steinbutt gewesen sein, heiß, knusprig, auch durch die Remoulade süffig. Machste nichts falsch.
Dem Konzept der Mezze-Bar folgend, beinhalten alle drei Menüs im Yu*lia den gleichen Reigen der kleinen Köstlichkeiten, die im gesamten östlichen Mittelmeerraum unabdingbarer Teil eines gemeinsamen Mahls sind.
Dazu werden entweder je Gast zwei der vier angebotenen Zwischengänge (58€) gewählt, alternativ einer der zwei Hauptgänge (56€) oder die große Variante mit zwei Zwischengängen, einem Hauptgericht und einem Dessert (69€). Dazu können weitere Speisen gesondert bestellt werden, bevorzugt natürlich die nicht im ausgewählten Menü enthaltenen. Die kulinarische Reise führt dabei von Marokko bis nach Georgien(!).
Bevor es mit dem Potpourri losgehen sollte, labten wir uns erst noch an Gillardeau-Austern. Für mich wie stets natur; meine Kolleginnen lobten das zurückhaltende Apfel-Sellerie-Dressing, das den schönen Französinnen nicht die Schau stahl. Geografisch hat das mit Mezze zwar wenig zu tun, aber wenn der Deckungsbeitrag (15€ für eine zusätzliche „Löwen-Ration“ neben den zum Menü gewählten drei Stück) so schmackhaft erhöht wird, wollten wir nicht kleinlich sein. Da zwar die Unterhaltung, aber bislang nichts im Glase perlte, gab es Champagner en rosé. Ich denke, es war Ruinart, zwar nicht zu Dresdener Mondpreisen, aber schon stramm kalkuliert. Mir zu fruchtig; die Kolleginnen waren entzückt.
Die auf der großen, leider nicht drehbaren Platte servierten Mezze enthielten viel Bekanntes, aber auch Überraschungen: Scharf gewürzte Kalamata Oliven, Baba Ganoush, dem mehr Rauchnote gut getan hätte, Hummus, Falafel, fein gepickeltes Gemüse, Tabouleh, Cigara Börek, Yogurtlu Pancar Salatasi, gefüllte Zucchini-Röllchen und Pastilla. Letzteres sind kleine Pasteten aus Blätterteig, gefüllt mit Geflügel und einer Mandel-Zimt-Mischung. Der knusprige Teig und die interessante Mischung aus salzig und süß, abgerundet mit den Gewürzen machte die Pastilla für mich zum Favoriten. Aber auch die Joghurt-Zubereitung mit roter Bete war schmackhaft. Eine Kollegin lobte den besonders cremigen Hummus, der ebenfalls kräftig nach einer Gewürzmischung schmeckte, in der Kreuzkümmel führte. Die Falafel waren okay, aber nichts besonderes. Auch gut die mit einer Spinat-Kartoffel-Feta-Mischung gefüllten kleinen Börek, deren sehr heller Teig nur partiell knusperte. Julia Komp bedauerte und berichtete, dass längeres Frittieren zwar eine schönere Farbe, aber auch Trockenheit mit sich bringe. Die Lösung wäre, die Rollen in der Pfanne auszubacken, aber das sei bei der Besetzung in der Küche einfach nicht leistbar. Wir hatten Verständnis und freuten uns an einer geschälten und ausgehöhlten halben Tomate, die mit einem Couscous-Salat gefüllt war. Lecker und etwas Frisches zwischen den eher fettlastigen Kleinigkeiten. Zum Dippen und Aufnehmen der cremigen Speisen gab es reichlich frisches Baguette mit verschiedenen Aromaten.
Als Sonder-Order hatten wir Lust auf Arancini. Die frittierten italienischen Reisbällchen überzeugten auf ganzer Linie. Locker, saftig, vielleicht etwas salzig. Dazu Currymajonäse, eine kalte, überraschend scharfe Spinatzubereitung und gegrilltes Salatherz. Bei letzterem fehlten die entscheidenden Röstnoten. Ein bisschen schade. Wir orderten einfach eine weitere Rutsche (6€) - immerhin ein wenig mehr Grillpower beim Salat.
Insgesamt erfüllten die Mezze ihren Zweck, kleine leckere Happen, die unser angeregtes Gespräch mehr begleiteten als sich durch kulinarische Raffinesse in den Vordergrund zu spielen. Dabei aber natürlich ausgearbeiteter als „beim Syrer ums Eck“. Die Menge fand ich für drei Gäste grenzwertig wenig. Die Präsentation mit am Tisch angegossenem Stickstoff würde Pfälzer Sushi-Kozaren vermutlich gut gefallen. Für mich war das schlicht Effekthascherei ohne kulinarischen Sinn, zudem den warmen Komponenten nicht wirklich förderlich.
Zu den kräftigen Aromen erfreute im Glas ein weißer Burgunder. Natürlich.
Dann war Zeit für eine Suppe. Wir hatten uns alle gegen eine italienische Tomaten-Consommé mit Garnele und für die Mercimek entschieden. Die türkische Linsensuppe mit Teigstreifen ist ein Klassiker, der wirklich an jeder zweiten Ecke zu bekommen ist. Da musst du liefern, um einen Aha-Effekt zu erzeugen. Wir hatten eher den Auweia-Effekt, denn die schon fast zu Brei reduzierte Suppe war mir von Beginn viel zu salzig, was an der anderen Tischseite erst bezweifelt wurde, bevor mit jedem Löffel die Gesichtsmuskeln mehr entgleisten. Da hatte die Dritte im Bunde bereits vor der massiven Schärfe der Chili-Schafskäse-Nocke die weiße Fahne gehisst. Keiner der Teller wurde leer und die Patronin war untröstlich; hätten wir doch rechtzeitig Signal gegeben, dass wir es etwas subtiler mögen - das sei hier sonst nicht so der Mainstream unter den Gästen...
Bei den noch ausstehenden Zwischengängen enttäuschte die trocken gereifte Lachsforelle Italo-Style (Fenchel und knusprige Kartoffeln) mit weitgehender Abwesenheit von Eigengeschmack. Möglicherweise (auch) einem Missverständnis zwischen Küche und Service geschuldet. Denn obwohl die Karte Forelle ankündigte, bestand die schwarze Brigade hartnäckig darauf, Lachs serviert zu haben. Da sind die Gaumen-Erwartungen halt andere...
Auch das seinerseits unauffällige Kalbstatar gab Anlass zu Diskussionen, denn es „nervte“ eine heftige Salzigkeit, vermutlich durch die prononciert eingesetzten Sardellen. Interessant und herausfordernd erneut die Schärfe der Kürbisbeilage. Spätestens hier musste das handgeschnittene Filet vom Blonde d‘Aquitaine vollends kapitulieren.
Inzwischen waren wir auf einen großartigen, deutlich mineralischen Sauvignon von Hannes Sabathi aus der Süd-Steiermark umgestiegen. Für mich Österreich-Novizen die Entdeckung des Abends!
So richtig satt war ich noch nicht und probierte die Hühnerlebern türkische Art, die sauber pariert waren und mir mit ihrer süßlichen Sauce gut gefielen (24€). Mutig schloss sich eine Innereien-Zweiflerin an und fand die Sache „gar nicht übel“. Das ist ein Anfang... Die andere Kollegin hatte auf Rinderbäckchen gesetzt und war auch nicht unzufrieden. „Butterzart“, wie vom Service angekündigt, sei aber etwas anderes...
Man merkt schon, so rechte Begeisterung wollte sich bei allen Fleischgerichten nicht einstellen. „Solide“ trifft es wohl.
Dafür konnte die Küche bei den Desserts wieder punkten. Dem Pflaumenbeignet (9€) hatte das Ölbad eine schöne Farbe verliehen. (Nimm dies, Börek!) Und Soulfood geht ja immer. Erst recht syrische Spezereien mit Nüssen (9€). Unser Favorit waren die Schoko-Variationen (14€), die mit Fenchel und Olivenöl behutsam „modern“ daher kamen. Ich mag bekanntlich Gemüse in meinem Nachtisch.
Die Küche entließ uns 1001-Nacht-gerecht mit einem Halbmond.
Damit der Abend auf jeden Fall hochwertig endete, durften wir uns zum Süßkram an einer Flasche Château Rieussec laben, meinem absoluten Lieblings-Sauternes. Auch die erst zögerliche Kollegin wurde bekehrt! Gute Entscheidung, denn an einem Abend unter der Woche in der selbsternannten Weltstadt Köln nach 23.00 Uhr noch eine geöffnete Cocktailbar zu finden, erwies sich als langwierige Aufgabe. Aber wir sind ja hartnäckig... Nicht nur dafür gebührt den Gefährtinnen meines night-flights Dank, sondern auch für die vielen, zu dieser Kritik beigesteuerten Details, die mir nur noch schemenhaft im Gedächtnis waren. Vermutlich noch nicht abgehangen genug, der Bericht. Soll mir nicht wieder passieren…
Jetzt aber zum Fazit: Kulinarisch ist (zu) wenig vom Yu:lia in Erinnerung geblieben. Vielleicht lag das an der netten Gesellschaft. Oder dem entspannten Konzept. (Wogegen die etwas strengen Regeln des Menüs sprechen...) Oder eben an meiner übersteigerten Erwartungshaltung, die bei einem benachbarten Gourmet-Restaurant immer auf ein „Abfärben“ hofft.
Daher für eine Gruppe bestimmt eine gute Location, wenn auch etwas teuer. Als Alleingast bin ich gespannt auf das benachbarte Sahila.