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Und auch in der Kaiserküche von Malte und Clarissa J. Ibbeken wird seit gut zwei Jahren zwar konsequent Wert auf regional-norddeutsche Produkte und nachhaltige Verarbeitung möglichst des ganzen Produkts - gleich ob von Tier oder Pflanze - gelegt, aber die Küche ist dem Grunde nach klassisch und vor allem mit Anspruch. Was nicht nur für das Handwerk gilt: Die erstaunlich regionalen Erzeuger und Produzenten werden auf der Karte ebenso genannt wie die Teammitglieder aus Küche und Service. Nichts, was nicht schon anderswo praktiziert wird, aber das macht es für Oldenburg ja nicht weniger richtig! Tatsächlich konnten wir hören, dass noch ein Teller mit Rehleber herausging, die nächsten dann aber mit anderen Stücken des aus hiesiger Jagd stammenden Tieres. Will man auch im Winter regionale Produkte anbieten, führt kein Weg an Fermentieren und Einkochen vorbei. Die Kaiserküche bietet Workshops dazu auch für die geneigte Gästeschaft an. Ausdrücklich lobenswert: Man bildet aus und engagiert sich ehrenamtlich im Prüfungsausschuss. Bravo!
Alleinstellungsmerkmal ist sicherlich der Standort: Trotz des einst mit Bedacht gewählten Namens endet die Kaiserstraße nun einmal am Bahnhof und dementsprechend liegen in unmittelbarer Nachbarschaft des Restaurants Shisha-Bar, Späti und Spielhalle.
Der Beliebtheit der Kaiserküche schadet das augenscheinlich nicht: Als unsere dreiköpfige Reservistenkameradschaft etwas verspätet aus dem „Biwak“ in Groningen eintraf (nach telefonischer Ankündigung der Verzögerung - Ehrensache!), hatte sich das Restaurant schon weitgehend gefüllt. Neben einer kleineren Familiengesellschaft überwogen an den 2er- und 4er-Tischen Paare in unterschiedlicher Konstellation, die unser Lokalmatador unschwer der Oldenburger Hautevolee zuordnen konnte. Wobei man nicht steinreich sein muss, um in den Genuss der kaiserlichen Küche zu kommen. Hilfreich ist vielmehr, in Ausbildung zu stehen: Pro Abend kommen 2 Schüler, Studenten oder Azubis für nur 75€ in den Genuss des kleinen Menüs einschließlich Aperitif, Wasser, Getränkebegleitung(!) und Kaffee. Auch nicht hier erfunden, aber erneut: Bravo!
Für alle anderen liegt das Menü zwischen 80€ und 110€ inklusive Wasser. Das ist angesichts des Verzichts auf Edelprodukte ein angemessener Preis. Die komplette Weinbegleitung ist mit maximal 59€ günstig; alkoholfrei liegt noch darunter. Wer à la carte wählen möchte, findet eine kleine Karte mit etwas einfacher gehaltenen Gerichten.
Angesichts der nüchternen, sehr unauffälligen Eingangssituation
war ich im ersten Moment vom großen Gastraum überrascht, der durch die dreiseitig offene Küche in unterschiedliche Bereiche geteilt wird: Im vorderen Bereich eher Café, vielleicht auch eine Wartezone. Dann Hochstühle vor der Theke; auch für einen Night-cap ist man hier Willkommen. Und schließlich der eigentliche Speiseraum, im dem die großzügig gestellten Tische als „Lichtinseln“ im Dunkeln verteilt sind.
Auf der Homepage als „minimalistisch“ angekündigt, fand ich den grau gestrichenen Estrichboden und die weitgehend schmucklosen, ebenfalls grauen Betonwände sehr klar und keinesfalls ungemütlich. Das mag am beschriebenen Lichtkonzept liegen, bei dem der effektvoll indirekt beleuchtete Namensschriftzug an der Wand hinter uns ein „Highlight“ auch im Wortsinne darstellte. Oder an dem beeindruckend großen Holzregal, in dem die diversen Fermentationen der Küche auf ihren Einsatz warten (Oder nur Staffage sind, bei meiner Oma wurden die Weckgläser noch im dunklen, kühlen Keller verwahrt…). Oder eher an den bequemen Cocktail-Stühlen mit ihrer samtigen Polsterung vor den dicken, blanken Holzplatten der Tische.
Dass unter dem Motto „More social - less media“ ausgerechnet vom Interieur keine Fotos gemacht werden sollen, um die Aufmerksamkeit „der Kulinarik und unseren hochwertigen Produkten“ zu schenken, fand ich eine überflüssige Gängelung und im Sinne der Community natürlich zwingend zu ignorieren!
Aber wer weiß schon, wie sich manche Menschen im Restaurant benehmen. Nicht jede Wildsau brät über dem Feuer…
Stichwort Ungezwungener Genuss: Erwähnenswert sind die Toiletten. Getaucht in sündiges Rotlicht, schmettert einem unerwartet „Viva Colonia!“ entgegen. Im Gastraum dann ein entspannter Mix vom American Songbook über Swing und Jazz bis hin zu Nina Hagens Blauen Augen.
Garant für einen vergnüglichen Abend ebenfalls die junge Crew beiderseits des Passes, die bei unserem Besuch richtig „Bock“ hatte; sprich mit Engagement und guter Laune agierte. Vom Azubi im ersten Lehrjahr bis zum Chef, der sich am Ende des Abends noch für ein längeres Gespräch zu uns setzte, erschien auch die weiße Brigade am Tisch, ohne mit überlangen Erklärungen zur Bereitung des Gaumengenusses denselbigen unangemessen zu verzögern. Ich hoffe, diese Unsitte besonders in Läden mit „Konzept“ verschwindet wieder.
Ein kleines Missgeschick unterlief der fröhlichen Truppe bei der Bestellung: Ein Kamerad hatte sich bei der Vorspeise vegetarisch entschieden; das wurde dann falsch auf den Hauptgang übertragen. Schade, kann jedoch passieren. Malte Ibbeken entschuldigte sich persönlich und bot den schnellen Austausch des Tellers an. Später fehlte noch Besteck als der 2. Gang aufgetragen wurde.
Sehr zügig nach dem Platznehmen „überfiel“ uns ein Kellner mit der Frage nach einem Aperitif. Das mag ich eigentlich gar nicht, aber immerhin waren wir fast eine halbe Stunde nach der Reservierung erschienen; das könnte die Abläufe gestaucht haben. Ich entschied mich für einen 100% Chardonnay Franciacorta, der einen fruchtig-frischen Einstieg in den Abend lieferte. Seinen Glaspreis von 13,5€ für das Basisangebot des Bio-Weinguts Clarabella fand ich bei einem Internet-VK von ca. 25€ für die ganze Flasche schon sportlich, aber ich hätte ja vorher fragen können. Wir wechselten zum Menü auf eine gute Flasche Riesling und blieben der deutschesten aller Reben auch beim Dessert treu.
Nach dem Aperitif wurden oshibori - warme feuchte Handtücher - gereicht. Eine schöne, gastliche Geste, die ich allerdings immer mit dem Ankommen und der Reinigung vom Schmutz und im übertragenden Sinne von der Mühsal des Weges verbunden habe, also an den Beginn des Besuchs setzen würde.
Aber dann ging es gut getaktet los: Die auf den ersten Blick rustikalen Küchengrüße für drei waren in Porzellanschälchen angerichtet und auf einem gemeinsamen Holzbrett serviert. Etwas unbedacht platzierte der Service das Ensemble dann zwischen den zwei sich gegenüber sitzenden Personen; sehr unglücklich, da der Dritte am Tisch immer einen langen Arm hätte machen müssen. Wir wussten uns zu helfen und schufen Platz in der Mitte der beiden zusammengeschobenen kleinen Tische. Aber in dieser Klasse wäre es doch schön gewesen, die Appetitanreger für den dritten Gast auf eigene Schälchen zu verteilen - beim Olivenöl zum frischen, wirklich leckeren Sauerteigbrot klappte das (erfreulich aus hygienischen Gründen) ja auch. Geschmacklich gab’s auch sonst nicht zu meckern. Die aufgeschlagene Butter war einerseits mit Chili (zurückhaltend) geschärft, andererseits mit Krümeln karamellisierter weißer Schokolade gesüßt. Sehr schick! Die Erbsen(!)-Falafel mit Minzjoghurt gefielen. Am fermentierten Gemüse schieden sich die Geister: Während teils von „Shawarma-Beilage“ geraunt wurde, überzeugten die Kohlrabiabschnitte durch feines Säure-Salz-Spiel. Dagegen fiel der Rotkohl ebenso wie der separat gereichte Gurken-Kefir als eindeutig zu sauer durch. Ich sag ma dalailamaesk: Geschmacksache.
Zum Einstieg hatten wir unisono für die Texturen von Blumenkohl und Kräutern votiert - „und wir wurden nicht enttäuscht“. Nö, im Gegenteil positiv überrascht. Das waren auf dem Teller keine Spielereien, sondern durchdachte, sich ergänzende Zubereitungen: Der in der Hochküche lange Zeit unterschätzte Karfiol erschien als stark geröstete Röschen, fermentierten Scheiben des Strunks und als Pacojet-perfektes Eis. Das ergab schöne Geschmacksentwicklungen. Cremig umgeben von einer pikanten Kapuzinerkresse-Majonäse und ergänzt durch die Variationen der Macis (Das ist wohl die Ummantelung der Muskat-Nuss, nicht deren Blüte.), die nicht nur ihren sehr eigenen, leicht bitteren und harzigen Geschmack einbrachte, sondern durch die Verarbeitung in Chip und einer sämigen Sauce zusätzliches Mundgefühl beisteuerte.
Obwohl etwas unscheinbar daherkommend, steckten in diesem Teller viele gelungene Ideen.
Als Zwischengang hatte ich Lammfleisch gewählt, besonders wegen der grünen Bohnen mit Kräutern als so schön „klassische“ Beilage. Meistens gibt es ja einen guten Grund, warum bestimmte Kombinationen nicht verschwinden. Und wenn man erwarten darf, die Komponenten in erstklassiger Qualität zu erhalten, sollte es doch genussvoll werden.
Wurde es. Das Fleisch stammte von der Bio-Deichschäferei Fräulein Mäh und war zart im Biss und sehr erkennbar im Geschmack. Zudem perfekt medium rare mit kräftiger Röstung. Einfach regionales, in artgerechter Haltung erzeugtes bestes Fleisch. Begeistert mich jetzt noch.
Die Hülsenfrüchte kamen einmal ganz natürlich als grüne Brechbohnen, perfekter Biss, voller Geschmack und zurückhaltende, aber merkbare Kräuter. So einfach, so lecker. Interessanter ein kräftig abgeschmecktes Mus, das als „Schale“ für die Lammjus diente, die ebenso intensiv schmeckte, wie sie aussah. „Ehrliches Saucenhandwerk“ würde der Pälzer Heimatküchen-Verehrer sicherlich bescheinigen. Ich nenne es „böckchen-stark“. In den etwas zu teigig geratenen Maultaschen versteckte sich schließlich stark gekräutertes Keulenfleisch.
Randnotiz: Einen Sauvignon blanc als Weinempfehlung hätte ich nicht erwartet. Verwechslung mit dem Cabernet Sauvignon oder ein neuer Trend? Ich verzichtete als geschmähter Etikettensäufer vorsichtshalber…
Auch nicht alltäglich, dass es im Menü nach dem roten Fleisch nun - auf einem Teller - mit Fisch und Geflügel weiterging.
Der Zander war saftig und auf der Haut gebraten, die nur teilweise knusprig war. Was aber daran lag, dass der Fisch mit wunderbar krossem Hähnchen-Crumble gekrönt war. Das von Odefey&Töchter bezogene Geflügel war auch Grundlage für die erneut runde Jus, die den Fisch nicht übertönte. Den vegetarischen Part übernahm Zucchini, die als cremiges Gratin überzeugen konnte! Nix geschmacklos, sondern mit sehr „grünem“ Aroma und angenehmer Bitter-Note. Dass das Dressing des (seinen Namen verdienenden) Wildkräutersalates die darauf platzierten Zucchini-Chips natürlich durchweicht hatte, war eine sehr verzeihliche Nachlässigkeit der Küche.
Während ich still den fehlenden Käsegang betrauerte und mich mit der Beerenauslese tröstete, lobten die Kameraden den gar nicht mal so süßen Abschluss überschwänglich. Eine dicke, frisch aus der Pfanne kommende Scheibe Toastbrot war mit schmelzenden Bergkäse-Krümeln überzogen und wurde mit einem Sorbet von roten Beeren kombiniert, dazu karamellisierte weiße Schokolade. Umami und Fruchtsäure ist eine seltene, hier offenbar gut funktionierende Kombination. Warm und kalt geht sowieso immer und im Dessert sowieso!
Fazit: Die Kaiserküche liefert genau das, was sie verspricht. Erstklassige Produkte, ernst genommene Regionalität entsprechend der Saison, kombiniert mit sehr gutem Handwerk in einem modernen Ambiente. Der junge Service wurde schon gelobt.
Gerne wieder!