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Wie uns Herr Hagedorn stolz mitteilte zählt sein Weinvorrat unfassbare 380 (kein Tippfehler!) Positionen an Flaschenweinen aus der Pfalz zuzüglich 250 ausländischer Kreszenzen. Darunter befindet sich ein landesweit einmaliges Angebot an Raritäten, die man selbst in der Spitzengastronomie kaum findet. Doch der Superlative nicht genug. Von den Pfalzweinen sind sogar 90% im offenen Ausschank erhältlich. Für Weinfreunde eine önologische Fundgrube, die natürlich auch ihren Preis hat.
Auf Geschmack trifft man hier in jeder Ecke des über 300 Jahre alten Anwesens. Schon beim Eintritt in den gewölbeartigen Gastraum wird einem schnell klar, dass man hier länger verweilen wird. Man möchte sich schließlich erst einmal an der gepflegt niveauvollen Einrichtung sattsehen. Seidig glänzt das schwarzbraune Holz der Tische und Sitzbänke. Dezente Strahler setzen die Hauptdarsteller aus den Weinhäusern Christmann, Bernhart, Schmitt und Wehrheim ins rechte Licht. Man bewegt sich auf aparten Perserteppichen, sitzt kultiviert auf eleganten orangefarbenen Polstern. Der Hauch weinseliger Exklusivität ist dabei geradezu omnipräsent.
Alles dreht sich um den Saft der Reben, den Herr Hagedorn seit knapp einem Viertel Jahrhundert seinen Gästen auf unnachahmliche Art und Weise näherbringt. Dabei entstehen meist neue Bekanntschaften, die nicht selten in enge Freundschaften münden. Der erfahrene Wein-Aficionado weiß, womit er seiner Gästeklientel Tränen der Freude ins Gesicht treiben kann, weshalb ihn viele Winzer, Gastronomen und Pfalz-Touristen regelmäßig aufsuchen, um sich von ihm inspirieren zu lassen.
So hat er mich nun schon zum zweiten Mal vortrefflich in Sachen Wein beraten. Bei meinem letzten Besuch Anfang August kredenzte er mir einen wunderbaren Riesling Kabinett Deidesheimer Paradiesgarten vom Weingut Dr. Deinhard (6,80 Euro fürs Viertel), den ich zusammen mit einem Kollegen auf der lauschigen Weinterrasse in vollen Zügen genoss. An jenem Abend war es in der Weinstube sehr ruhig. Außer uns, saß lediglich ein Pärchen nicht weit entfernt in einer gemütlichen Sitznische des schön angelegten Außenbereichs. Patrone Hagedorn, der am Nachbartisch sein Abendessen (Rumpsteak mit angebratenen Pfifferlingen) zu sich nahm, geriet mit uns in einen lockeren Plausch, der sich über den ganzen Abend erstreckte. Gelegentlich nahm er auch von den anderen beiden Gästen Notiz und verschwand kurz in der Küche, um die fertigen Gerichte an die Tische zu bringen.
Solch leckere Tropfen, wie beispielsweise die vorzüglich mundende Rotwein-Cuvée „Konstantin“ vom Hainfelder Winzer Bernhard Koch (etwas zu hoch angesetzte 7,80 Euro fürs Viertel) wollen nicht ohne die passende Grundlage genossen werden. Wir bestellten aus der vornehmlich von klassischen Pfälzer Gerichten dominierten Speisenkarte zweimal das Rumpsteak, einmal mit angebratenen Zwiebeln und einmal in der Kommerzienrat-Version (beide jeweils 21,80 Euro). Letzteres gilt als das „signature dish“ des Hauses, sozusagen eine Gimmeldinger Rumpsteak-Legende. Auf den Punkt gebraten versteckt es sich unter einer delikaten Zwiebel-Dijonsenf-Mousse und wird von knusprigen „Gebreedelten“ (=Bratkartoffeln, Anm.) kongenial begleitet. Beim Fleisch vertraut man auf bewährte argentinische Block-House-Qualität. Die mit Speck, Zwiebeln sowie ordentlich Butter in der Pfanne kross gebackenen Bratkartoffeln schmecken wie gemacht vom „Verband deutscher Prädikatsmütter“.
Die Vorhut machte ein lecker angemachter Blattsalat (5,40 Euro), dessen Sahnedressing die selige Maggiewürze der 80er besaß. Eine feine, vegetabile Kleinigkeit, die ruhig auch ein paar Euro günstiger hätte ausfallen dürfen. Generell muss angemerkt werden, dass die offenen Weine hier gerne etwas höher kalkuliert werden. Die Flasche Mineralwasser medium (irgendeine No-Name-Quelle aus der Umgebung) war mit 4,80 Euro auch nicht gerade gästefreundlich bepreist. Vielleicht ist das ja so gewollt, denn Bernd H. aus G. schenkt eben am liebsten seine edlen Tropfen aus.
Und je länger wir so saßen und die entspannte Atmosphäre dieser Weinstube genossen, umso klarer wurde uns auch, was Inhaber, Sommelier, Serviceleiter und Gästeunterhalter Hagedorn dazu bewogen haben könnte, sich diesen Lebenstraum vor über zwei Dekaden zu erfüllen und ihn bis heute mit Leidenschaft und Hingabe auszuüben. Hier kann er seine hedonistische Liebe zum Wein voll ausleben bzw. sie anderen näher bringen. Wie Recht er damit hat!
Zugegeben, seine etwas schelmische, manchmal auch kauzig wirkende Art ist nicht jedermanns Sache. Aber sein profundes, selbst angesoffenes Weinwissen macht schon Eindruck. Sein Humor ist dabei so trocken wie die Rebensäfte, die er ausschenkt. Er kennt alle „seine Babies (=Weinflaschen) beim Namen“ und hat immer eine kleine Anekdote oder Lebensweisheit auf den Lippen. Eine echte Type eben, die in der heutigen Gastronomie eigentlich kaum noch zu finden ist.
Im Gimmeldinger Kommerzienrat findet man es noch, das gelungene Zusammenspiel von gediegenem Ambiente, unterhaltsam-beratendem Service und gehobener Qualität bei Essen und Trinken. Das alles jenseits der heute oft üblichen „Geiz-ist-geil-Attitüde“ zu gehobenen, wenn auch nicht abgehobenen Preisen. Denn kann jemand, der so viel für das Gemeinwohl seiner Gäste tut, den Ehrentitel im Namen zu Unrecht tragen?