Wir verwenden Cookies
Wenn Sie unsere Webseiten besuchen, kann Ihre Systemsoftware Informationen in Form von Cookies oder anderen Technologien von uns und unseren Partnern abrufen oder speichern, um z.B. die gewünschte Funktion der Website zu gewährleisten.
Ein zweiter Anlauf, diesmal mit Frau und Hund, wurde zum Glück nicht von Alternativvorschlägen torpediert. Dabei war die Gefahr eigentlich recht groß, denn meine Liebste hatte auf Grund einiger Karlsruher Erlebnisse kein großes Interesse mehr an vietnamesischer Küche. Ein Blick auf die Website des Mai Gardens war allerdings so vielversprechend, dass sie sich dann doch überzeugen ließ. Hier präsentiert sich nämlich ein Restaurant, dessen vietnamesische Betreiber kein aus halb Asien zusammengebasteltes Sortiment für jeden Geschmack vorhalten, sondern sich auf ihre eigene, spannende Küche konzentrieren.
So spazierten wir denn eines schönen Oktobertages gegen zwölf, am Ende unseres Einkaufsbummels, voller Vorfreude über den Kirchplatz von St. Stephan in Richtung der neuen Speisestätte. Im Außenbereich waren bereits einige Tische belegt, wir sitzen in der Regel aber lieber drinnen, schon dem Nervenkostüm unseres Wollmopses zuliebe und in der Folge auch dem seiner Besitzer.
Der riesige, durch Blenden unterteilten Gastraum war leer, allerdings nicht für lange. Meine Frau wurde in der Landessprache begrüßt, etwas, was häufig passiert, aber eigentlich immer schiefgeht, da es in Deutschland so gut wie keine philippinischen Restaurants gibt.
Die Einrichtung ist elegant; dekorative Elemente sind die Bar mit dem Flaschenregal auf der einen
und eine große runde Holzschnitzerei auf der anderen Seite. Die Stühle sind so weich gepolstert, dass sie auch Bremer Ansprüchen genügen könnten, aber das undurchlässige Kunstleder fühlt sich mit der Zeit etwas klamm an.
Ein freundlicher junger Mann war sofort zur Stelle, um uns bei der Tischsuche zu begleiten und die Mittagskarten hinterherzutragen.
Getränke waren schnell gefunden. Ein rotes Getränk aus grünem Tee namens Summer in Hanoi (5,50 €), das meiner Frau trotz synthetischer Aromen und Farben gut schmeckte,
ein alkoholfreies Tannenzäpfle (3,90 €) und natürlich die obligatorische Flasche stilles Wasser, hier aus dem Hause Forest, Black Forest (5,80 €).
Nach der Bestellung ging es erst mal zum Händewaschen in die stilvoll, aber unzweckmäßig designte Toilettenanlage: Dunkel gehaltene Armaturen und Accessoires sehen zwar edel aus, bringen es aber mit sich, dass Kleckerspuren sofort ins Auge springen. Das galt für die Damen wie auch für die Herren und stand in deutlichem Kontrast zum blank polierten Gastraum.
Vorneweg gab es zwei Suppen. Meine Frau entschied sich für die Sup Ga (auf deutsch M3, 4,50 €), eine Hähnchensuppe mit Shiitake-Pilzen, Schneepilzen, Lotuskernen und Gojibeeren. Vietnamesische Schneepilze haben mit deutschen Schneepilzen (März-Schnecklingen) nichts zu tun, sondern ähneln eher Krausen Glucken, nur dass sie etwas weicher, weißer und, mit Verlaub, qualliger sind. Obendrauf eine handfeste Menge des von ihr verabscheuten frischen Korianders, das lag aber daran, dass sie beim Bestellen vergessen hatte, diese Abneigung anzumerken. Er ließ sich zum Glück problemlos absammeln und auf meiner Suppe abladen. Danach stand dem genussvollen Verzehr nichts mehr im Wege.
Für mich gab es die Sup Hai San (M1, 4,90 €), eine Meeresfrüchtesuppe, ebenfalls mit diversen, aber anderen Pilzen, Tamarinde, Satéstücken, jeder Menge Frühlingszwiebeln und natürlich Koriander. Die Kennzeichnung mit der Chilischote erwies sich als überflüssig, wenn nicht gar als irreführend. Wie der Kellner später erzählte, hatten sich zu viele Gäste über zu viel Schärfe beschwert, was angesichts der deutlich sichtbaren Kennzeichnung einigermaßen verwunderlich ist. Ein leidiges Dauerthema in hiesigen Restaurants, in denen eine von Haus aus scharfe Küche serviert wird. Es scheint tatsächlich Leute zu geben, die meinen, dass selbst da, wo scharf draufsteht, kein scharf drin sein darf.
Abgesehen davon war aber auch diese Suppe mit ihren vielfältigen Aromen und Texturen ein Highlight, das ich mir jederzeit wieder bestellen würde, aber dann mit der Bitte um Feuer.
Das Mai Garden bietet Suppen auch als Hauptspeisen an, aber nach diesem Einstieg bevorzugten wir beide feste Nahrung.
Meine liebreizende Gegenüberin wählte aus der Sektion „Gemischen Reis“ ein Gericht namens Com Chay Ninh Binh (M 13, 12,90 €), mit Jasmin- und grünem Reis, Garnelen, Schweinehack und Gemüse, darüber einem Klecks Kho-Quet-Sauce. Diese wird aus Fischsauce und Zucker karamellisiert, diente ursprünglich als Proteinquelle für Leute, die sich Fleisch oder Fisch nicht leisten konnten, hat inzwischen aber ihren Weg in die feine Küche Vietnams genommen, und das völlig zu Recht.
Serviert wurde das Gericht in einem gusseisernen Topf und blieb bis zum Schluss pusteheiß. Nach dem ersten Bissen schloss meine Frau verzückt ihre Augen und sagte „das schmeckt ja wie zu Hause“. Dabei ließ sie offen, ob zu Hause in den Philippinen oder zu Hause in Bad Herrenalb, beides ist aber als großes Kompliment zu verstehen.
Ich hatte mich für etwas aus den „Gemischen Reisbandnudeln“ entschieden, nämlich Pho Tron Thap Cam (M 15, 12,90 €): Hausgemachte, zweifarbige Nudeln als Unterlage, darüber Garnelen, Maishähnchen, Entrecôtestreifen und Sojasprossen, ganz oben Erdnüsse, Röstzwiebeln und allerlei Kräuter.
Auch dieses Gericht wurde in einem heißen Topf serviert, mit delikater Kokosmilch-Currysauce in einer kleinen Sauciere. Ich begann vorsichtig zu essen und bemerkte erst nach einiger Zeit, dass es besser gewesen wäre, die Sauce mit allem anderen gleich zu Anfang gut zu vermischen. Denn so waren die Nudeln am Ende in der Überzahl und ziemlich al dentiera, was mich aber nicht davon abhielt, den Topf gründlich leer zu essen. Hervorheben möchte ich noch das Entrecôte: Ich weiß zwar nicht, welche Sorte Rind auf welcher Weide sein Leben verbracht hatte, aber sein Fleisch war wunderbar zart und sauber pariert.
Wie meist hatte meine Frau noch Appetit auf etwas Süßes. Desserts stehen hier nur auf der Abendkarte, und die ist überhaupt ein ganzes Stück umfangreicher als die Mittagskarte.
Obwohl sie es wahrlich nicht nötig hat, fiel ihre Wahl auf „Beauty Potion“ (7,90 €), denn die Ingredienzien klangen einfach zu interessant: Lotussamen, wieder diese Schneepilze (Pilze in einem Dessert!), Longan (ihre Lieblingsfrucht!), Jujube, Gojibeeren und Chiasamen. Das Ganze konnte man, wenn man wollte, mit Eisbröseln vermischen.
Hätte sie doch lieber die gebackenen Bananen im Mandelteig mit Eis gegessen, mit denen sie ursprünglich geliebäugelt hatte. Denn die rechte Begeisterung wollte bei ihr nicht aufkommen: Texturell, wie auf der Karte angekündigt, ein Ereignis, aber geschmacklich etwas süßlich-langweilig, nicht zuletzt, weil die Longan aus der Dose kamen. Und da die gequollenen Chiasamen sie irgendwie an Froschlaich erinnerten, wanderte die Schale recht bald auf meine Seite und wurde dort brav ausgelöffelt.
Aber so bekam mein feiner Espresso noch eine unerwartete Beilage.
Die kleine Enttäuschung am Schluss ändert aber nichts daran, dass wir das Restaurant satt und mit einem guten Gefühl verließen. Auch die Preise empfanden wir angesichts der teils hochwertigen Zutaten und der vermutlich nicht geringen Miete für diesen Palast absolut vertretbar.
Fazit: Marco, da müssen wir unbedingt hin, am besten abends und zu sechst!