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Mittlerweile beherbergt das Örtchen Gleiszellen auch eines der besten Weingüter der Südpfalz. Frank Meyer hat sich mit seinem Stiftsweingut hier niedergelassen. Der früher in Klingenmünster tätige Ausnahmewinzer, dessen Sohn in die Fußstapfen seines Vaters tritt, ist eine önologische Bereicherung für das Muskatellerdorf.
Der gute Ruf des Gleiszeller Muskatellers hat der am Weinstraßenhang befindlichen Doppelgemeinde Gleiszellen-Gleishorbach zu überregionaler Bekanntheit verholfen. Die Hundertschaften, die jedes Jahr im September mit dem Bus zum Weinfest gekarrt werden, die vielen Ferienwohnungen und Pensionen sowie die hohe Gastronomie-Dichte künden davon.
Der Muskatellerhof befindet sich mitten im touristischen Epizentrum in eben jener viel besuchten Winzergasse, die von schmucken Fachwerkhäusern flankiert wird. Schon viele Male bin ich an dem romantisch-gemütlichen, reich dekorierten Weinlokal mit dem Rundbogen aus Sandstein, durch den man ins Innere gelangt, vorbeigeschlendert. Wohlwissend, dass die urige Stube viele Besucher anlockt, griff ich zum Hörer und reservierte an jenem Mittwochabend einen Platz für zwei hungrige Schwimmer, die nach dem Besuch des Bergzaberner Hallenbads ihre Kalorienbilanz wieder ausgleichen mussten.
Essen unter freiem Himmel war an diesem Abend infolge der eher bescheidenen Außentemperatur noch nicht möglich. Dafür gab es nun drinnen umso mehr Platz, denn der Muskatellerhof wurde in den letzten Jahren um einen modernen Anbau erweitert. Töchterchen Nathalie, die seit 2015 den väterlichen Betrieb übernommen hat, baute zusammen mit ihrem Mann das Anwesen aus, weshalb heute 60 Plätze mehr zur Verfügung stehen.
Uns zog es jedoch in das behagliche Innere der guten alten Weinstube und so saßen wir unter tragenden Holzbalken an massiven Tischen und Bänken, die mit reichlich Kissen und Tischdecken liebevoll dekoriert und ausstaffiert waren. So wie hier dürfte die typische Pfälzer Weinstubengastronomie vor 30 Jahren schon ausgesehen haben. Der Fußboden war grob gefliest, die derben Holzstühle wurden mit Kissen „sesshaft“ gemacht, ein paar antiquiert wirkende Trinksprüche prangten von den dunklen Deckenbalken und der Ausschanktresen befand sich in direkter Reichweite. Kurze Wege für einfache Schoppenweine. Früher vielleicht. Heute setzt man auf Qualitätsweine, die auch ganz gut ohne Wasserverdünnung auskommen.
Jedoch kommen diese heute nicht mehr komplett vom eigenen Weingut. Winzermeister Walter Ball kann dies altersbedingt nicht mehr alleine wuppen. Deshalb wird vom nicht weit entfernten Bergzaberner Großwinzer Knöll & Vogel massiv zugekauft und mit eigenem Etikett versehen. Ob das nun Etikettenschwindel ist, soll jeder selbst entscheiden. Der bestellte trockene Muskateller (das Achtel für 2,80 Euro) wurde stilecht im großvolumigen Schwenker ausgeschenkt. Dort konnte sich das feine Muskatbukett herrlich entfalten und sorgte für das unverwechselbare Aroma nach frischen Trauben. Die Gleiszeller Lage Kirchberg scheint für diese deutschlandweit eher selten ausgebaute Rebsorte (gerade mal 100 ha) ideale Bedingungen zu liefern, kommen doch 10% allein aus der Gemarkung Gleiszellen.
Die begleitende Flasche Mineralwasser (0,75l) schlug mit angenehmen 3,00 Euro zu Buche, während für die sommerliche Weißwein Cuvée Emilia, die sich meine Begleitung munden ließ, 2,80 Euro berechnet wurden (Achtel).
Die Speisenauswahl im Muskatellerhof ist ganz der Pfälzer Weinstubentradition verpflichtet und fällt dementsprechend deftig aus. Leberknödel- und Markklößchensuppe (3,60 bzw. 3,70 Euro) vorweg dürfen da nicht fehlen. Genauso wenig wie die mittlerweile schon obligatorische Flammkuchenauswahl (zwischen 6 und 9 Euro), die hier acht verschiedene Varianten zählt. Ein paar vegetarische Gerichte (gegrillter Schafskäse, Spinatknödel), kalte Klassiker für Vesperfreunde (Münsterkäse, Wurstsalat, Handkäse mit Musik), typische Pfälzer Regionalkost (Saumagen, Bratwurst und Co.), Salate für die Gesundfraktion und Deftiges aus der gutbürgerlichen Küche (Räuberspieß, Gulasch, Cordon Bleu) bilden ein reichhaltiges kulinarisches Angebot, bei dem eigentlich jeder fündig werden sollte. Zusätzlich sind noch ein paar saisonale Empfehlungen auf einer Extra-Karte vertreten. Darunter auch die sogenannte „Spargelrolle“ (14,90 Euro), bei der das Königsgemüse zusammen mit Schinken in Brotteig gehüllt und mit Käse und Sauce Hollandaise zu einer wahren Umami-Bombe überbacken wird. Nichts für Kalorienzähler mit Schonkost-Abonnement.
Die Preise signalisieren Bodenhaftung. Bei der Pfalzmannskost und den Vespereien bewegt man sich zwischen 5 und 10 Euro im moderaten Bereich, das Cordon Bleu mit Pommes und Beilagensalat liegt bei 16,50 Euro. Alles in allem also eine eher unauffällige Preispolitik, wie sie in vielen Weinlokalen dieser Art betrieben wird.
Der eigentliche Grund, warum viele hier einkehren, wiegt entweder 200 oder 400 Gramm und stammt vom französischen Charolais-Rind. Die Rumpsteak-Variationen lassen sich mit Fug und Recht als die Spezialität des Hauses bezeichnen. Ob in Kombination mit Zwiebeln, Knoblauch, hausgemachter Kräuterbutter oder feiner Pfefferrahm-Sauce muss jeder selbst entscheiden. Der guten Qualität des fein marmorierten Fleisches tut das nichts. Es wird nach Wunsch gebraten („englisch“, „medium“ oder „durch“) und in der „Puristenversion“ mit Bauernbrot serviert, weshalb selbst die 400g-Ausführung noch unter 20 Euro zu haben ist. Für einen kleinen Aufpreis (2 bis 3 Euro) werden diverse Beilagen wie Kroketten, Bratkartoffeln, Pommes frites oder Spätzle gereicht. In der Summe also ein ordentliches Stück Fleisch mit entsprechendem Beiwerk, das keine Wünsche offen lässt.
Ich musste mit meinem Men‘s Cut an Pfefferrahmsauce (18,90 Euro) und Kroketten (2,80 Euro) jedenfalls ganz schön kämpfen, da mich die Spargelcrèmesuppe (4,90 Euro) von der Saisonkarte vorab schon ziemlich sättigte. Diese fehlt im Moment auf keiner Speisenkarte der Pfalz. Hier kam sie etwas dickflüssiger mit jeder Menge Spargelstückchen in den tiefen Teller. Vom Geschmack her nicht ganz so intensiv, dafür aber frisch zubereitet. Einziger wirklicher Kritikpunkt: die Portionsgröße. Hier wäre etwas weniger mehr gewesen, zumal die Suppe als Vorspeise angeboten wurde. Aber in Pfälzer Weinstuben kommt eben ordentlich was auf bzw. in die Teller. Das weiß man und das ist auch im Muskatellerhof so.
Das ansehnliche Rumpsteak versetzte mich in reinste Fleischfreude. Die Pfeffersauce entstammte einer vollmundigen Jus. Auf der knusprigen Fleischoberfläche lagen aromatische Pfefferkörner, die dem Klassiker den letzten Kick in Sachen Würze verliehen. Zum perfekt medium gebratenen Stück Rind genoss ich eine rote Cuvée aus Cabernet Franc und Syrah-Trauben. Zwei „Hobby-Winzer“ aus Niederhorbach (unweit von Gleiszellen) vinifizieren unter dem Projektnamen „VierMorgen“ eine kleine Auswahl beachtlicher Kreszenzen, von denen ein Rosé, ein Sauvignon blanc und besagte Rotwein-Cuvée angeboten wurden. Das Viertel stand in der Weinkarte mit 6,20 Euro. Keine Ahnung, warum mein Achtel 4,50 gekostet hat, aber es schmeckte fantastisch und passte hervorragend zum herzhaften Rumpsteak. Dass ich ein paar Tage später bei einem der vinophilen Quereinsteiger auf der Matte stand und ein paar Flaschen erwarb, versteht sich wohl von selbst.
Auch meine Begleitung war voll des Lobes über ihren grün-weißen Spargelauflauf, der mit Parmaschinken und Sauce Hollandaise verfeinert aus dem Ofen kam (8,90 Euro) und noch leichten Biss hatte. Beim Hauptgang hatte sie sich für den Salat mit Roastbeefstreifen vom Charolais-Rind (13,90 Euro) entschieden und wurde ebenfalls nicht enttäuscht. Die delikat gewürzten Fleischstücke hatten gehörig Saft in ihren Fasern und werteten das ohnehin schon vor Frische strotzende „Grünzeug“ noch mal so richtig auf. Zusammen mit dem süßlich-säuerlichen Hausdressing war das ein köstlicher Salatteller, wie er besser nicht hätte ausfallen können.
Ein Dessert ging beim besten Willen nicht mehr. Dafür aber ein nettes Gespräch mit der Chefin Nathalie Ball, mit der man genauso ungezwungen Smalltalk betreiben konnte wie vorher mit unserer freundlich aufmerksamen Bedienung am Tisch. Auch im Servicebereich scheint man im Muskatellerhof die richtigen Leute zu haben. Wir nahmen beim Hinausgehen noch einen Umweg über den modern gestalteten Anbau, der mit viel hellem Holz (Dielenboden, massive Tischplatten), moderner Kunst an den strahlend weiß gestrichenen Wänden und einer ausgeklügelten Beleuchtung zu gefallen wusste. Vielleicht sitzen wir ja hier bei unserem nächsten Besuch.
Nur ein paar Meter trennen die neue, zeitgemäße „Weinwelt“ der Familie Ball von ihrer traditionell geprägten, urigen Weinstube aus früheren Tagen. Zwei vom Ambiente her völlig unterschiedliche Bewirtungsbereiche, die vom langjährigen Stammkunden bis hin zum neugierigen Weintouristen sämtliche Gästewünsche zufrieden stellen dürften. Verständlich also, dass solch kulinarische und räumliche Abwechslung ein hohe Frequentierung mit sich bringt. Ohnehin ließe sich die Entwicklung des Muskatellerhofs mit dem Wandel in der Pfälzer Wein- und Gastrolandschaft gut vergleichen. Junge, aufstrebende Winzer und Gastronomen betreten neues Terrain und bringen damit einiges in Bewegung. Neue Entdeckungen wechseln sich mit Altbewährtem ab. Hier in Gleiszellen hat man gleich beides. Auch spannend.