"Empfehlenswerte neue, kreative Küche für Lübeck, die sich mir in allen gastronomischen Bereichen bereits sehr gut präsentierte und nur kulinarisch hier und da ein wenig mehr Feinabstimmung brauchte."
Geschrieben am 03.09.2021 2021-09-03 | Aktualisiert am 04.09.2021
"Geheimtip in Lübeck"
Geschrieben am 16.08.2021 2021-08-16
"Einmal an den falschen Tisch gesetzt, da hatten wir die Bescherung"
Geschrieben am 09.08.2021 2021-08-09 | Aktualisiert am 09.08.2021
"Schnitzel"
Geschrieben am 08.08.2021 2021-08-08
"Konkurrenz belebt Geschäft: nach den Donuts wird hier nun der Käsekuchen modifiziert. Servicetechnisch wirklich toll, aber kulinarisch leider eher keine Alternative."
Geschrieben am 07.08.2021 2021-08-07
Bereits 2010 eröffnete in besagtem Haus das "Restaurant Schlumachers". Es etablierte sich als eines der "feineren" Abendrestaurants und war damit auch sehr vielen Lübeckern mit seiner recht traditionellen Küche, aber auch mit seinen Flammkuchen bekannt.
Im Oktober 2019 erfolgte dann ein Umbruch. Die bisherigen Pächter verließen nach fast 10 Jahren das Restaurant, wodurch sich dem jungen Koch Gabrijel Pranjic die Möglichkeit ergab, sich zusammen mit seiner Familie hier zum ersten Mal den Traum vom komplett eigenen Restaurant zu erfüllen. Eine gute Basis an Erfahrung hat sich der junge Koch bis dahin schon in einigen guten Häusern an der Lübecker Bucht und auch in Hamburg aufbauen können.
Doch wie hinlänglich bekannt sollte diese Freude am Start in die Eigenständigkeit nicht allzu lang anhalten, denn Covid-19 drohte seinen Traum komplett zu zerstören. Zum Glück ließen er und seine Mitstreiter die Köpfe aber nicht hängen. Mit dem Motto "Jetzt erst Recht!" nutzten sie die lange Zeit der Schließung damit, ihre Vorstellungen vom Interieur zur Gänze umzusetzen, damit bei der Wiederöffnung die volle Aufmerksamkeit und Konzentration dem eigentlichen Gastgewerbe und Kochhandwerk widmen konnten.
Auf der Restaurant-eigenen Homepage beschreibt das Team seine kulinarische Ausrichtung als eine Kombination aus klassisch französischem Handwerk mit regionaler Küche, der aber auch immer wieder neue Interpretationen hinzugefügt werden sollen. Zudem möchte man viel Wert auf Produktqualität, sowie eigenständige Herstellung und Verarbeitung legen.
Die Karte präsentiert sich dabei zweigeteilt. Ein erfreulich reduziertes aber trotzdem vielfältiges "a la carte"-Angebot soll vor allem den nach Klassikern und gewohnten Gerichten suchenden eine Anlaufstelle bieten.
Für all diejenige, die experimentierfreudiger sind, hat man sich im zweiten Teil für das "Warenkorb"-Konzept entschieden. Dabei werden zunächst alle dem Küchenteam aktuell zur Verfügung stehenden Zutaten aufgelistet. Im Folgenden kann man sich dann für unterschiedlich umfängliche Menüs entscheiden (3- bis 6-Gänge; 38 - 76 €), welche jedoch allesamt "carte blanche"-mäßig erst beim Servieren genauer erklärt werden. Dazu wird auch eine Weinbegleitung für, je nach gewählter Anzahl der Gänge, 21 - 42 € angeboten.
Man begibt sich damit also ganz in die kreativen kulinarischen Hände der Köche, welche dabei aber natürlich auf vorher angekündigte Allergien und/oder Unverträglichkeiten Rücksicht nehmen. Das gewährt eine gute Chance auf Überraschungen, verlangt aber natürlich auch ein hohes Maß an kulinarischer Offenheit und breit gefächertem Geschmack. Ein Angebot, dass perfekt für mich gemacht ist, womit schon lange die Entscheidung feststand, dem "Schlumachers" endlich einen Besuch abzustatten, um auf der Suche nach ideenreicher und doch qualitativer Küche in Lübeck eine neue, lohnenswerte Anlaufstelle finden zu können.
Wie bereits erwähnt begeistert das Haus schon von außen mit seiner historischen Fassade.
Außenansicht
Die weiße Häuserwand zieren zahlreiche Fenster, die ebenfalls zahlreich segmentiert sind und zwischen denen sich geschmiedete Ornamente befinden. Dieser farbliche Grundton fließt auch sehr gut in den Innenbereich ein. Den verputzten, weiß gestrichenen Wänden fügen dunkelbraunes Holzgebälk und ein Boden aus großen alten Steinfliesen einen passenden optischen Kontrast hinzu. Weitere Details mit gut erhaltenen antiken Möbelstücken, einem Kamin, diversen Weinflaschen und gefüllten Einmachgläsernen oder auch antiken Kronleuchtern zeigen zusätzlich, dass sich das Team um Gabrijel Pranjic hier wirklich viele Gedanken um ein dem Haus ansprechendes Ambiente gemacht und darin auch viel Mühe investiert hat. Der Gastbereich im Erdgeschoss gliedert sich dabei in kleinen Raum gleich nach dem Eingang, der hauptsächlich von der sehr schön renovieren Bar eingenommen wird.
Hier gibt es noch eine kleine Empore, auf der weitere Tischpartien den Gästen zu Verfügung.
Bar + Empore
An die Bar schließt sich ein weiterer Raum mit etwas größerem Platzangebot und einem Kamin an. Dort nahm auch ich an diesem Abend Platz.
Gastraum mit Kamin
Auf der anderen Seite vom Eingang aus befindet sich noch ein separater Raum, der z.B. für private Feiern genutzt werden kann.
Mittig kommt man nach dem Eingang noch in den kleinen Innenhof mit einigen Tischen zwischen den historischen Wänden der Altstadt.
Innenhof
Das Sitzmobiliar besteht aus Leder-gepolsterten Stühlen, die auch über einen längeren Abend hinweg (was hier ja eher das Fall sein sollte) sehr bequem für das Sitzfleisch sind. Die hellbraunen Tische sind schlicht, passen damit aber genau richtig in das historische Ambiente.
Lobend möchte ich auch die stimmige musikalische Untermalung erwähnen, die bekannte Radiohits als angenehm ruhigen, akustischen Interpretation spielte. Modern, aber zum altehrwürdigen Ambiente wieder sehr passend.
Erwähnenswert finde ich auch die zahlreichen Porträts berühmter Köche (z.B. Paul Bocuse, Christian Bau, Ferran Adria, René Redzepi) im Sanitärbereich, die dem Gastronomie-Interessierten zusätzlich zeigen, dass sich hier ein Küchenchef mit großer Leidenschaft für sein Handwerk seinen Traum erfüllt hat.
Den großen Vorbildern gehuldigt
Für mein Wohl war aus dem Serviceteam an diesem Abend meines Besuches eine junge Dame zuständig, die eine rundum ebenfalls lobenswerte Leistung zeigte. Sie überzeugte nicht nur mit natürlicher Freundlichkeit, sondern vor allem mit sehr gutem Wissen um die Kreationen ihrer Kollegen aus der Küche, was sie mir bei einigen Fragen meinerseits zu den Überraschungsgängen bewies. Auch in Sachen Aufmerksamkeit wusste sie mit gut getimten Fragen nach eventuellen Pausen und der Zufriedenheit mit Kulinarik aber zB auch der Musik-Lautstärke zu punkten. So fühlte ich mich rundum wohl und in guter Gesellschaft.
Wie bereits erwähnt wollte ich mich an diesem Abend also gänzlich überraschen lassen und damit die kulinarische Kreativität und gleichzeitig den Sinn der Köche für passende Geschmackskombinationen auf die Probe stellen. Dazu sollte es das erwähnte "Warenkorb"-Menü in 4 Gängen (inklusive Amuse Gueule) für 59€ entschied.
Dabei ist die Auswahl an Zutaten, die sich das Küchenteam gewährt, wahrlich groß und vielfältig. Da ich das gar nicht alles hätte aufzählen können, bediene ich mich dafür einer Abbildung der Speisekarte.
Zutaten im aktuellen "Warenkorb-Menü"
Man muss definitiv kein stochastisches Genie sein um zu erahnen, dass hierin eine wirklich große Anzahl an Kombinationen und damit auch Überraschung stecken. ;-)
Erfreulicherweise wurde mir dabei auch der Wunsch erfüllt, statt eines Desserts noch einen weiteren herzhaften Zwischengang einschieben zu können.
Dabei startete die Überraschungsreise zunächst mit hausgemachtem Brot, von denen eine Scheibe mit Sepia-Tinte schwarz gefärbt wurde, sowie einem Olivenöl und einer Räucherpaprika-Creme.
Brot - Olivenöl - Räucherpaprika-Creme
Das Brot überzeugte sogleich mit einer noch schön warmen Krume und gleichzeitig röscher Kruste. Geschmacklich machte sich dabei die Sepiatinte natürlich keineswegs bemerkbar, aber ein tolles optisches Gimmick war es trotzdem.
Mit der Räucherpaprika-Creme traf die Küche nun gleich zu Beginn bei mir direkt ins Schwarze, denn schon in der heimischen Küche zählt dieses zu einem meiner absoluten Lieblingsgewürze. Da hätte man für meinen Geschmack bei dieser Creme gerne noch mutiger sein dürfen und diesem prägnanten süßlich-rauchigen Aroma noch mehr Intensität geben können, da sie doch etwas „brav“ war.
Mit einem Küchengruß aus geeister Gänseleber mit Sauerkirschen als Gelee und in getrockneter Form folgte sogleich die erste Speise aus der Küche.
Amuse Gueule: geeiste Fois gras - Sauerkirsche
Handwerklich zeigte dieses Amuse Gueule bereits den Anspruch des Küchenteams. Der geeiste Staub von der Fois gras war schön locker und zeigte pur genossen fein das erwartete Leber-Aroma. Die Kombination mit süßlich-säuerlicher Kirsche ist eine bekannt gute Verbindung. Genau dabei war für meinen persönlichen Geschmack jedoch zu viel Süße vorhanden, die der Leber keinen Raum mehr gab. Fachlich gut, nur die Feinjustierung passte für meinen Gaumen noch nicht ganz.
Das Herr Pranjic und seine Mitstreiter harmonischen Geschmack beherrschen, zeigten sie mit dem ersten Gang des eigentlichen Menüs dann aber sehr gut. Nach dem eine mit Rauch gefüllte Glocke gehoben wurde, überzeugte auf dem Teller ein handgeschnittenes Lachstatar zusammen mit einer asiatisch mit Ponzu angehauchten Mayonnaise durch eine genau richtige Konsistenz aus zartem Biss und Cremigkeit.
Lachstatar- Ponzu-Mayonnaise - Fliegenfischkaviar - Schnittlauch - Haselnuss
Die Säure der Ponzu passte dabei trefflich zum aromatischen Lachs. Obenauf verliehen dem Gericht frischer Schnittlauch und Fliegenfisch-Kaviar (wieder sehr gut passend zur asiatischen Interpretation) einen willkommenen Biss. Lediglich die feinen Hobel der Haselnuss blieben nur optisches, aber nicht geschmacklich wahrnehmbares Detail.
Mit dem folgenden Suppengang bewies man nun auch Mut zu ungewöhnlichen Geschmackskombinationen und etwas Herausforderung für den Gaumen des Gastes.
In eine Schale mit Melonenbällchen und Cassis-Gelee wurde eine wohl temperierte Erbsensuppe mit Minze angegossen.
Erbensuppe - Melone - Cassis - Minze
Die handwerkliche Präzision muss zunächst mit der tollen sämigen Konsistenz der Suppe erneut gelobt werden.
Auch die Idee hinter dieser Kombination war schlüssig. Melone und Cassis sollten natürlich wieder für Süße sorgen. Ein Geschmack, der der Erbse ja eigentlich schon von sich aus zugesprochen wird. Aber genau deshalb kam diese Erbsensuppe eher herb, sogar leicht bitter daher. Aber da war dann wieder die Krux vom Amuse Gueule, nur hier in umgekehrter Form. War mir beim Küchengruss die Süße zu vorherrschend, überragte hier nun das Herbe und durch die Minze auch leicht Ätherische. Das war bei den ersten Löffeln noch eine schöne Überraschung, entwickelte sich aber dann zu etwas leicht penetrantem, da Melone und Cassis eben nicht mit ihrer Süße dagegenhalten konnten.
Keineswegs musste dieser Gang wieder zurück in die Küche, doch das geschmackliche Verhältnis stimmte für mich wieder nicht so recht.
Auch im letzten Zwischengang widmete man sich erneut geschmacklichen Kontrasten. Dabei nehme ich es gerne vorweg: Hier passte das Verhältnis wieder vorzüglich. Die erneut rein vegetarische Speise drehte sich tatsächlich nur um zwei Grundzutaten: Melone und Schafskäse.
Schafkäse - Melone
Hier ging es also um die gute Tarierung von kräftigem, salzigem Käse und frischer, süßlicher Melone, die beide in vielfältigen Formen dargereicht wurden. Wassermelonenzylinder fanden sich in Gesellschaft von kleinen Honigmelonenbällchen und Galiamelonen-Rosen, welche mit Melonen-Gelee gefüllt waren. Letztgenanntes fand sich ebenso als Tupfer auf dem malerischen Teller. Was nach Kleinteiligkeit klingt, machte aber mit den verschiedenen Texturen und Süßegraden auch geschmacklich Sinn. Das passte dann wie erwähnt perfekt zum Schafskäse, der nicht nur pur, sondern in der Tellermitte auch als Eis und Schaum daherkam. Besonders gefiel mir das Eis, welches genau richtig zwischen dem prägnanten, salzigen Schafskäse und einer gleichzeitigen milchigen Süße tangierte. Nach dem kleinen geschmacklichen Tal der Erbsensuppe kam man hier geschmacklich wieder mit einem richtigen Hoch zurück: wirklich stark.
Mit dem Hauptgang schloss auch mein persönliches Menü mit einem Gericht ab, welches perfekt in die Kategorie „Wohlfühlküche“ passte. Zu diesem Zweck traf Schweinebacke auf Knollensellerie-Püree, wilden Brokkoli, Tomate, Kalbsjus und Staudensellerie-Gel.
Schweinebacke - Knollensellerie-Püree - wilder Brokkoli - Tomate - Kalbsjus - Staudensellerie-Gel
In der aus den bisherigen Gängen gewohnten Weise war auch hier keinerlei handwerklicher Fehl oder Tadel auszumachen. Das herrlich mürbe und saftige Bäckchen umschmiegte der Jus mit kräftigem Aroma. Brokkoli und Tomaten überzeugen so mit Knackigkeit wie das Püree es mit Sämigkeit und Fülle tat.
Knusprigen Spaß gewährten 3 Reischips, säuerliche Abwechslung ließ sich durch das Staudensellerie-Gel nach Belieben hinzufügen. Hier begeisterte die Harmonie in dem gleichen Maß wie es zuvor der Kontrast tat. Ein mehr als würdiger Abschluss.
So verließ ich mit dem Begleichen der Rechnung nach 2 Stunden im warmen Licht der untergehenden Sonne dieses "neue Schlumachers“ und hatte dabei folgende Eindrücke und Erfahrungen für mein Fazit im Gepäck:
Die Atmosphäre im Restaurant kann man wahrlich als rundum gelungen bezeichnen. Die weitreichende Historie des Hauses hat man optimal erhalten und dabei trotzdem auf Qualität und Hochwertigkeit des Interieurs gesetzt. Dies passt für mich sehr gut zum "Fine Dining"-Anspruch des Restaurants. Die vielen Arbeitsstunden während des Lockdowns waren also in vielerlei Hinsicht eine lohnende Investition.
Ebenso tadellos bleibt mir auch der freundliche, aufmerksame und versierte Service in Erinnerung, der nichts Anderes als volle Punktzahl verdient.
Kulinarisch hielt das Küchenteam mit seinem "Warenkorb"-Menü auf jeden Fall das, was ich mir erhofft hatte: Überraschung. Mir persönlich gefiel die Vorliebe des Küchenteams für die Verbindung von geschmacklichen Kontrasten sehr (vor allem bei Melone-Schafskäse). Das diese aber auch mit harmonischeren Gängen (Lachstatar; Schweinebäckchen) abwechselten, führte tatsächlich zum Gefühl einer Art Dramaturgie. Ein beachtliches Prädikat, dass die Hingabe und Leidenschaft zur Kulinarik beweist, die mich an gehobenerer Küche immer so begeistert.
Auch wenn die Abstimmung der Kontraste nicht durchweg passte (Fois gras Amuse und vor allem bei der Erbsensuppe) hinterließ das Menü in der Gesamtheit doch ein absolut zufriedenes Lächeln auf meinem Gesicht.
Dieser erste Besuch hat vollends Lust auf eine Wiederholung gemacht und zeichnet das „Schlumachers“ für mich auch bereits als absolute Empfehlung in der Lübecker Altstadt aus. Toll, dass man den mehr als schwierigen Lockdown-Start so toll hinter sich gebracht hat.