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Dem ehemaligen Sternekoch Sven Niederbremer (Scharff’s Schlossweinstube in Heidelberg) aus der Deutschen liebster Hansestadt (Bremen natürlich!) gingen nach rund vierjähriger Tätigkeit in dem erhabenen Sandsteingebäude an der Bergstraße wohl erst die Leute und dann die finanzielle Puste aus.
Und dabei wirkte die Zusammenarbeit mit seinem Partner Pierre Hartung, mit dem er ab 2015 in kurzer Zeit mehrere Gastronomien im Neustadter Raum eröffnete, anfänglich so vielversprechend. Rezensenten und Restaurantführer waren begeistert und der gute Ruf des erfolgreichen Gastrogespanns Hartung/Niederbremer hallte selbst über die Landesgrenzen hinweg bis ins weit entfernte Bremen.
Doch dann kam Corona und machte dem Duo einen dicken Strich durch die Rechnung. Die schnelle Expansion mit fünf Betrieben in nur drei Jahren kam zur pandemiebedingten „Unzeit“. In deren Folge musste ein Restaurant (der damaligen Moro-Gruppe, Anm.) nach dem anderen die Segel streichen und im Sommer 2020 lief bereits das Insolvenzverfahren.
Nicht nur die Zwockelsbrück fiel dieser Entwicklung zum Opfer, sondern auch das „Moro“ in Neustadt-Gimmeldingen, das „Benzinger“ in Kirchheim, das „Alte Rathaus“ in St. Martin sowie das ebenfalls im hübschen Gimmeldingen ansässige „Muglers Kutscherhaus“ mussten aufgegeben werden. Ein Jammer – sowohl für die beiden eifrigen Gastronomen als auch für die Genießer aus Neustadt und Umgebung.
Nach einem kurzen Intermezzo im Alten Engel zu Speyer, wo wir im Herbst 2020 zusammen mit unseren Bremer Freunden im romantischen Gewölbekeller den Abend genossen, kehrte die Familie Niederbremer im Mai 2022 an die alte Wirkungsstätte zurück. Seitdem ist dort alles auf Anfang und doch irgendwie komplett anders.
In der Zwockelsbrück brennt wieder Licht!
Den Service übernimmt mittlerweile Priscilla Niederbremer, die Frau des sympathischen Exil-Bremers. In der Küche hat er Unterstützung von Klaus Peschties, einem Kollegen, mit dem er schon früher gerne zusammengearbeitet hat. Im ersten halben Jahr widmeten sich die beiden ganz und gar den beiden ältesten Garmethoden der Welt, dem Grillen und Räuchern.
Nur noch samstagabends kann man sich auf ein jede Woche neu zusammengestelltes 9-Gänge-Menü einlassen, dessen kulinarische Reise abseits von Bratwurst und Co. in neun präzise aufeinander abgestimmten Gängen erfolgt. Dieses kulinarische Abenteuer wird zu einem Fixpreis (mittlerweile 91 Euro) angeboten und kann nur auf Vorbestellung angetreten werden.
„ZW9 Grill Bistronomie“ nennt Niederbremer dieses Konzept, bei dem Altbekanntes neu interpretiert werden soll und dem das „Farm-to-table“-Prinzip zugrunde liegt. Seitdem zu Beginn dieses Jahres in die Zwockelsbrück nun auch wieder als Weinstube – „Back to the roots!“ – von sich reden macht, wird das aufwändige Grillspektakel nur noch samstagabends abgehalten.
Uns, die vierköpfige Wörther Genießer-Gang, verschlug es einem kalten Donnerstagabend Ende Januar in das reaktivierte Traditionslokal. Zugegeben es war meine Idee, dass wir zusammen den Weg nach Neustadt antraten. Meine Neugier auf die „Zwockelbrück 2.0“ war einfach zu groß.
Wir hatten Glück und parkten das Auto direkt vor dem Haus in der Bergstraße. An den wenigen Parkmöglichkeiten im benachbarten Wohngebiet hat sich nichts geändert. Zur Not muss man halt oben im Stadtteil Hambach parken und über den Treppenweg runter zur Zwockelsbrück laufen, was uns an diesem Abend erfreulicherweise erspart blieb.
Ein erster Blick auf die Speisenkarte im beleuchteten Aushang ließ uns schon vor dem Erklimmen der wenigen Stufen hoch zur vorgelagerten, entsprechend der Jahreszeit völlig verwaisten Terrasse das Wasser im Mund zusammenlaufen. Das klang ja mal vielversprechend. Die Kollegen waren sichtlich begeistert.
Schön, dass es wieder "zwockelt" in der "Brück"!
Von Frau Niederbremer wurden wir sehr herzlich empfangen und an einem ein paar Tage zuvor reservierten Tisch platziert. Ich war erstaunt, wie wenig sich hier seit meinem letzten Besuch vor einer gefühlten Ewigkeit verändert hatte. Noch immer herrschte im Inneren der Zwockelsbrück eine wohltuende Gastlichkeit vor.
Gediegene Landhausatmo im Inneren der "Brück"
Sie hatte nichts von der stilvoll nostalgischen Landgasthofatmosphäre früherer Tage eingebüßt. Vielleicht hätte man den alten Kamin an jenem Abend an- bzw. befeuern können. Er hätte den mit hoher Decke versehenen Gastraum mit Sicherheit noch etwas behaglicher gemacht.
Den Kamin hätte man im Januar ruhig befeuern können...
Vieles kam mir seltsam bekannt vor. Die weiß gestrichene, verglaste Eingangstür, die in hellem Gelb erstrahlenden Wände, der knarzende Holzdielenboden und das rustikale Holzmobiliar hatten die über zweijährige Pause gut überstanden. Selbst die beigefarbenen Mittelläufer von damals feierten inklusive der darauf platzierten Windlichter ein Comeback auf den ansonsten recht frugal eingedeckten Tischen.
Nochmal der Blick in Richtung Küche
Bald hielten wir die Speisen- und Weinkarte(n) in den Händen. Ein Kollege gemahnte mit einem Aperol Spritz (0,3l für 7,50 Euro) an wärmere Zeiten, während sich der Rest der Truppe an Mineral-wasser (0,75l für 5,40 Euro) und einer Flasche Wein delektierte. Letztere wurde als Literware von Oliver Zeter für faire 23 Euro aufgeschraubt und nannte sich keineswegs zu Unrecht „Deep Red 1000“.
Deep Red 1000 von Oliver Zeter - unser Wein des Abends
Eine leicht zugängliche Cuvée aus den Sorten Merlot, Syrah, Cabernet Franc und Cabernet Dorsa, die mit ihren sanften Tanninen süffigen Trinkspaß versprach und unsere Fleischgerichte unkompliziert begleitete. Einer der Kollegen war so angetan vom tiefroten „Rauscher“, dass er ein paar Tage später einige Flaschen davon für den Hausgebrauch orderte.
Sowieso kann sich das in erster Linie auf Pfälzer Kreszenzen ausgelegte Weinprogramm der Zwockelsbrück sehen lassen. Auch preislich übrigens. Da verlangt man für einen anständigen Riesling vom Weingut Siener aus Birkweiler um die 5 Euro für das Viertel. Also alles andere als ein kostspieliger Ritt durchs wilde „Abzockistan“.
Aus der übersichtlich gehaltenen Weinstubenkarte orderten wir zweimal die Pfälzer Kartoffelsuppe mit Blutwurst (5,90 Euro) und einmal den gemischten Salat „Zwockelsbrück“ (7,90 Euro) als Vorspeisen.
Bei den Hauptgängen entschied sich einer am Tisch für die aus Saumagen, Blutwurst und einer Maultasche bestehende Pfälzer Rustikalitätenkombi namens „Schweinerei“ (17,50 Euro), während der Rest der fleischaffinen „Bagage“ auf medium gegrilltes Rumpsteak mit Pommes frites (24,90 Euro) setzte.
Für den ersten Hunger reichte man uns einen schmackig angemachten Kräuterquark, der in der Pfalz auch unter der etwas irreführenden Bezeichnung „weißer Kees“ firmiert.
Kräuterquark, Radieschen und Ciabattabrot vorweg
Ein paar Radieschen und etwas Kresse frischten den Aufstrichklassiker ein wenig auf. Dazu wurde aufgebackenes Ciabatta-Brot gereicht. Ein solider, jedoch nicht besonders spannender Auftakt.
Die in einer Terrine mit Griff servierte „Grumbeersupp“ hätte auch meine Oma nicht besser hingekriegt. Ein sehr fein abgeschmecktes Pfälzer Oldschool-Süppchen, das von der erdigen Würze der auf der Zunge zergehenden „Blunz“ noch aufgewertet wurde.
Ä guudie Grumbeersubb isch was wert!
Respekt vor diesem (Nieder)Bremer, dessen sämige Pfalzterrine derart gut abgeschmeckt war, dass sich zwei Wörther Schlemmerboys in den siebten Kartoffelhimmel löffelten.
Auch der Kollege mit dem kleinen Salatteller schien sichtlich zufrieden. Er lobte sein delikates Essig-Öl-Dressing und war von der Kombi aus vegetabiler Frische und knackigen Kernen genauso begeistert wie die beiden Suppenkasper von ihrer flüssigen Erdapfelterrine.
Der Salatteller "Zwockelsbrück" ohne Upgrade
Das Timing zwischen Vor- und Hauptspeisen war optimal. Drei stattliche, ca. 250 Gramm schwere Rumpsteaks südamerikanischer Provenienz wurden uns bereits vortranchiert serviert.
Rumpsteak mit Pommes
Das präsidiale Oberhaupt unserer Genussgemeinschaft wollte sein Stück vom Rinderrücken ganz „natur“, was den Küchenchef jedoch nicht davon abhielt, dem wunderbar zarten, kurz vor medium gebratenen Stück Fleisch ein paar zerstoßene Pfefferkörner und etwas Meersalz on top zu spendieren.
Das Rumpsteak wurde kurz vor medium serviert...
...und zog dann am Tisch noch etwas nach!
Bei allen drei „Herrengerichten“ lag jeweils eine Portion Steakhouse-Pommes in der Tüte mit bei. Neben den saftig-mürben Rinderhappen war es vor allem die mit Crème-Fraiche zubereitete Pfeffer-Hollandaise, die sich als kongeniale Dipsauce erwies. Bei dieser à part im Schälchen servierten Köstlichkeit merkte man, dass hier kein ordinärer Schnitzelschleuser am Werk war, sondern ein Koch, der neben seinen kreativen Grillexzessen nach wie vor auch ein Händchen fürs Hausmannsköstliche hat.
Mein Rumpsteak mit Pommes, Pfeffer-Crème-Fraiche-Hollandaise und einem Schluck Bratenjus
In die gleiche besserbürgerliche Kerbe schlug der als Pfälzer „Schweinerei“ bezeichnete Leib- und Seelenteller, den sich der vierte im Bunde schmecken ließ.
Die Pfälzer "Schweinerei"
Natürlich hätte er auch den bewährten Pfälzer „Liebling“ – so nennt man in der Zwockelsbrück das berühmte, aus Saumagen, Leberknödel und Bratwurst bestehende Dreigestirn – bestellen können, aber die Kombi aus gebratener Blutwurst, Maultasche und Saumagen reizte ihn mehr.
Die einzelnen Etagen des vierstöckigen „Schweinebauwerks“ wurden nachweislich von kompetenter Metzgerhand erschaffen. Auf eine milde, genau mit der richtigen Menge Riesling verfeinerten Sauerkrautbasis im Parterre folgte der mit Kartoffeln, Brät und anderen Sauereien gefüllte Magen vom Mutterschwein, der mit seiner feinen Majorannote eine würdige „Alt-Kanzler-Beletage“ bildete.
Bei der in der Pfanne kross angebratenen Maultasche vom 2.OG ging es im Inneren auch nicht gerade fleischlos zu. Das Dach des deftigen Genussgefüges bildeten zwei angebratene Blutwurstscheiben. Eine braune Zwiebelsauce und ein Tiegel mit Senf komplettierten diese etwas abgewandelte Version des berühmten Pfälzer Tellers. Die begleitenden Bratkartoffeln wurden übrigens separat in einem Schälchen gereicht.
Mein Kollege – nicht gerade dafür bekannt, seine Portionen komplett zu vertilgen – ließ außer einem Anstandsrest vom Sauerkraut nichts übrig. Von seiner knusprigen Maultasche war er besonders angetan. Aber auch die erdig-würzige „Brutzelblunz“ fand bei dem bekennenden „Fettbrettfahrer“ großen Anklang.
Es gibt leider heutzutage immer weniger gute Weinstuben, in denen regionale Hausmannskost auf solch hohem Niveau geboten wird. Umso schöner, dass die gehobene Grill-Bistronomie der Niederbremers ab diesem Jahr um bodenständige Gutbürgerlichkeit der besseren Art erweitert wurde.
Dass man auch gerne über die Grenzen der rustikalen Pfalzkost hinauskocht, zeigten nicht nur die beiden Fischgänge im Hauptprogramm (Lachs und Kabeljau), sondern auch die rhetorische Nachtischfrage „Geht zu viel Schokolade?“ (6,90 Euro), die Sven Niederbremer auf ähnliche Art und Weise stellte wie damals bei der Schokovariation im Alten Engel zu Speyer.
Zu viel Schokolade geht gar nicht!
Der mit der besten Dessertkondition ausgestattete Tischgenosse läutete mit eben jener sein süßes Finale ein. In der schicken, dunklen Keramik warben diverse gezuckerte Kakaoerzeugnisse um den höchsten Kalorienanteil und den schokoladigsten Geschmack. Dabei kam das süße Suchtmittel in gefrorener Form als Eis, in cremiger als Pudding, in gebackener als Brownie sowie in dunklen und weißen Perlen in den Napf und hatte neben den unterschiedlichen Schokoarten auch texturell einiges zu bieten.
Der Kollege fand es klasse und wir alle waren uns am Ende einig, dass sich die Fahrt nach Neustadt – vom kollegial-freundschaftlichen Miteinander einmal ganz abgesehen – in kulinarischer Hinsicht mehr als gelohnt hatte.
Manchmal sind es die einfachen Dinge, die – wenn sie auf den Punkt und aus guten Grundprodukten zubereitet werden – großes Gaumenglück bewirken. Und das heißt nicht, dass mir das gehobenere, 9-gängige Grillmenü, das ja aus der gleichen Küche kommt, nicht auch den Samstagabend retten könnte. Mittäter – gerne auch im Plural – gesucht!