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Auf dem Weg zur Bahnhaltestelle Hülben befallen mich schlagartig Hunger und Durst. Die Idee, an der Tanke oder im Discounter etwas zum Mitnehmen zu kaufen, widerstrebt mir gewaltig. Wie durch ein Wunder taucht hier das Ristorante Primavera auf. Die Lage ist zugegebenermassen alles andere als malerisch: direkt am Kreisverkehr des Ortseingangs, dazu neben einer gut frequentierten Tankstelle auf der einen Seite und der (wieder viel befahrenen) Strecke der Schönbuchbahn auf der anderen Seite. Doch klingt das Hinweisschild „Gartenwirtschaft hinter dem Haus“ nicht vielversprechend?
Vorher werfe ich erst noch mal einen Blick in die erstaunlich grosszügigen Gasträume: rustikale Steinfliesen, dunkles Mobiliar, weinrote Akzente. Jedoch kein einziger Gast. Der Patron parliert geschäftig am Telefon, weist mir jedoch den Weg zum Aussenbereich (einmal ums Haus herum). Was sich hier „Gartenwirtschaft“ nennt zeigt kein Fitzelchen Grün und ist etwas triste und steril hinten ans Haus gebaut. Direkt davor verläuft eine Fläche, die als Radschnellweg genutzt wird, dahinter gleich die Bahnlinie. Mein Eintreffen sorgt für eine kleine Aufregung. Offenbar hat man mit keinen Gästen gerechnet, erst recht nicht im Aussenbereich. Die Servicedame feudelt schnell Tisch und Stühle trocken, entschuldigt sich mehrmals und verweist auf das unsichere Wetter.
Mit der Speisekarte wird mir auch das Tagessessen annonciert (Geschnetzeltes mit Reis und Beilagensalat), doch ich beschliesse, das zu bestellen, wonach mir etwa einmal im Jahr der Sinn steht: eine profane Pizza. Neben Fisch, Fleisch, Pasta und Salaten scheint darin auch das Hauptgeschäft zu bestehen. Es finden sich aussergewöhnlich benannte, wahrscheinlich haustypische Varianten wie „Pizza Dumme Ziege“ (Speck, Zwiebeln, Ziegenkäse, Tomaten, Käse) oder „Pizza Ai Mari E Monti“ (frische Champignons, Shrimps, Tomaten, Knoblauch) oder welche, deren Namensgeber vermutlich die Kinder des Patrons oder die ehemaligen Küchenhelfer sind: Giulio, Laura, Luca, Claudio… Übermütig wähle ich die Pizza „Tanja“ (9,00 Euro), weil meine Nichte so heisst.
Nach einer gefühlten Viertelstunde wird meine Bestellung schon an den Tisch gebracht, begleitet von weiteren Entschuldigungen und Erklärungen, dass die Gäste gerade gar nicht draussen sitzen wollen, aber sich das Wetter jetzt offenbar doch gut entwickle etc. pp. Ohne ein Pizzaspezialist zu sein, muss ich sagen: dieses Exemplar mundet mir aussergewöhnlich gut. Auf einem voluminösen, hohen, sehr hefelastigen Unterbau (eher nichts für Fans von krossen, dünnen Teigen) versammeln sich Zwiebeln, Kapern, schwarze Oliven, Artischocken und ziemlich viel Käse und glücklicherweise nicht allzu viel Tomate. Das entspricht voll meinem Geschmack. Schmeckt und sättigt unglaublich. Den Plan, mir die Hälfte einpacken zu lassen, verwerfe ich dann doch. Allerdings benötige ich am Ende doch noch eine Verdauungshilfe. Der Averna (3,00 Euro) wird eisgekühlt in einem kältebeschlagenen Glas serviert, wie es sich gehört. Gerne hätte ich meine Pause noch geruhsamer ausklingen lassen, mit Blick auf die vorbeiflanierenden Passanten und vorüberrasenden Radfahrer und die Fahrt aufnehmende Schönbuchbahn, doch die Mittagsöffnungszeiten enden um 14 Uhr. Trotz vielleicht etwas trister Lage erscheint die Aussenterrasse wie frisch saniert: helle Steinfliesen, neues Mobiliar (die vermeintliche Holzplatte des Tisches besteht aus Metall) und eine transparente Balkonbrüstung aus Glas. Wenn man sich noch einige Pflanzen dazuphantasiert, könnte es gemütlich werden, vor allem in der Mittagssonne. Etwas störend ist allerdings das permanente Geschirr- und Töpfeklappern aus der Küche. Verwundert umso mehr, als dass ich offenbar der einzige Gast bin.
Während meines abschliessenden Toilettengangs wird auch schon das Licht im ganzen Haus gelöscht, so dass ich im Dunkeln tapere. Fliesen im Toskana-Stil und weinrote Keramik kann ich allerdings noch wahrnehmen. Zweispältig bleiben meine Gefühle zum Abschluss. Wieso waren keine weiteren Gäste zu sehen? Florieren vielleicht eher der Abhol- und Lieferservice? Und noch ein weiterer Wermutstropfen: der voluminöse Hefeteig hat bei mir für nachhaltiges Sodbrennen gesorgt.