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Nach dem Commami ist dies bereits der zweite Panasiate, der sich in der Pfälzer Weinhochburg am Haardtrand niedergelassen hat. Die Nachfrage nach trendigem Asia-Food frei von regionaler Identität und kulinarischer Authentizität scheint ungebrochen. Um die vorwiegend jüngere Klientel zu ködern, reichen schicke Food-Fotos auf Insta und Co. sowie ein ansprechend designter Internetauftritt, der die Neugier zu wecken vermag, wohl aus.
Wir wollten herausfinden, ob bei so viel Fusion im asiatischen Angebot nicht am Ende die Konfusion auf dem Teller regieren würde. Und so ging unser Wörther Gaumenvierer an einem Montagabend Mitte März auf panasiatische Entdeckungsreise. Wir hatten vorsorglich reserviert und obwohl unser präsidiales Oberhaupt kein wirklicher Fan der Asiaküche ist (und wohl auch nie werden wird) schlenderten wir nach erfolgreicher Parkplatzsuche gut gelaunt in Richtung Stadtzentrum.
Von außen machte der Laden einen gefälligen Eindruck. Die Beliebtheit der Farbe Grau scheint bei solchen Gemischt-Asien-Gastros auch weiterhin ungebrochen zu sein. Hier fasste sie nicht nur die Fensterfront der Außenfassade auf nüchtern-moderne Weise ein, sondern fand sich auch drinnen – jedoch in wesentlich dunklerem Ton – an den Wänden wieder.
Außenfassade
Ein lässig-lockeres, gewollt schummriges Ambiente empfing uns im Inneren des Ikigai, dessen namentliche Bedeutung sich salopp mit dem Gefühl, etwas zu haben, für das es sich lohnt, morgens aufzustehen, übersetzen lässt. Wer für solch einen Lebenssinn eine vietnamesische Nudelsuppe oder lauwarme Reisnudeln mit Topping nach Wahl benötigt, der kann hier – nach erfolgreicher Bettflucht – täglich ab 11.30 Uhr aufschlagen und sich nebenbei noch diverse Rohfischpreziosen einverleiben.
Ganz schön viel Philosophie (oder Marketing…?) für uns gestandene Kulinaristen, die ihre lebenswerten Genussmomente auch ohne zeitgeistiges „Stäbchenfutter“ gerne miteinander teilen. An diesem Abend begrüßte uns ein leicht konfus wirkender Servicemitarbeiter und führte uns nach Durchsicht seines Reservierungsbuchs in die hintere Abteilung des dunkel gestrichenen Etablissements.
Industriell angehauchte Gemütlichkeit
Dort machten wir es uns an einem der blanken Holztische so gemütlich es eben ging, denn unsere gut gepolsterten Sitzbänke luden aufgrund ihrer fehlenden Rückenlehnen nur bedingt zu einer entspannten Sitzhaltung bei.
Darkroom mit Stil
Egal, wir hatten schließlich kein Wellness-Wochenende im Onsen-Spa gebucht, sondern hatten ausreichend Hunger im Gepäck um die munter bebilderte Speisenkarte des Asiatempels auf Nem, Tempura und „fliegende Nudeln“ zu prüfen.
Die von der Decke baumelnden Hängelampen tauchten unseren Tisch in gelbes Licht, was den gemachten Bildern wenig zuträglich war. Da ich zwei Tage zuvor mein Smartphone geschrottet hatte, half mir einer der Kollegen aus und stellte sein Handy bereitwillig in den Dienst des Chronisten. Ein Dankeschön an dieser Stelle an ihn, denn eine Rezi ohne Bilder ist wie Schampus ohne Blubber (wie man nicht nur an der Weser zu sagen pflegt).
Unsere durstigen Kehlen verlangten nach Flüssigem, das wir bei einer der emsig agierenden Servicekräfte nach Durchsicht des überschaubaren Angebots postwendend in Auftrag gaben. Wenig später landeten eine tiefblaue Flasche Mineralwasser der Marke Aqua Morelli (0,75l für urbane 5,90 Euro), ein halber Liter Warsteiner Pilsener vom Fass (4 Euro) und ein Ginger Ale (0,2l für 2,90 Euro) als liquide Vertreter ihrer Art auf unserer Tischplatte. Wasser und Bier wurden später noch nachgeordert.
Unsere Drinks
Bei der Auswahl der Gerichte taten wir uns wesentlich schwerer, denn allein die mannigfaltigen Kombinationsmöglichkeiten bei den warmen Vor- und Hauptspeisen waren nichts für Entscheidungsneurotiker. Curry, Bun, Udon und Co. wurden dabei nach Lust und Laune mit den üblichen Fleisch- und Krustentieringredienzien durchdekliniert, was ja bei den allermeisten Asialäden gängige Praxis ist.
Nach dem Motto „sharing is caring“ bestellten wir munter drauflos. In Reispapier gewickelte vietnamesische Frühlingsrollen („Nems“) mit Morcheln und Schweinefleischfüllung (4,90 Euro), mit Tempuragarnelen, Reisnudeln, Salat und Erdnüssen gefüllte Sommerrollen („Goi Cuon“, 5,90 Euro) sowie die in der Pfanne gebratenen Gyoza-Teigtaschen (5,90 Euro) brachten ausreichend Futter für die Finger unters vorspeisende Volk.
Ein Kollege traute sich sogar die Kokossuppe („Coco Love Soup“) zu. Diese war mit Hühnerbrust, Champignons, Cherrytomaten und Okraschoten verfeinert und duftete schwer nach Thailand. Um das „Rollenverhalten“ des Ikigai besser kennenzulernen, ergänzten wir den Vorspeisenreigen durch ein paar Tempura Mini Rolls, die mit ihrer scharfen Thunfisch- und Schnittlauchausstattung auf den putzigen Namen „Spicy Tekka“ (8,50 Euro) hörte.
Die Nems gerieten wirklich knusprig. Ob sie tatsächlich hausgemacht waren, wie in der Karte angepriesen, war infolge ihres Fritteusenkontakts nicht wirklich zu schmecken, lag aber bei genauerer Inspektion ihres von Glasnudeln, Karotten, Schweinehack, Morcheln und Strohpilzen dominierten Innenlebens ziemlich nahe. In die klare, süß-säuerliche Sauce gedippt ein durchaus schmackiger Auftakt.
Da "Nem" ich mir eins...
Zu den frisch gerollten Reispapierzylindern namens „Goi Cuon“ wurde ein von geröstetem Sesam betreuter Hoisin-Kokos-Dip gereicht, der zumindest einen der Kollegen am Tisch in Sommerlaune versetzte. Mir waren die hierbei verwendeten Salatblätter (Rauke/Rucola) etwas zu welk, um die mit Minze, Erdnüssen, Reisnudeln und Knuspergarnele gefüllten Rollen über den grünen Klee zu loben.
Da rollte er schon auf uns zu...der Sommer
Die Kokossuppe schien ihrem Vertilger zu munden,
Coco loves soup, loves Huhn, loves...
während wir unter viel zu dick aufgetragener „Snow-Sauce“ (wahrscheinlich eine Miso-Mayo) die in acht Häppchen zerteilte Tempura-Rolle vermuteten.
Where's the fish???
Warum muss der gemeine Panasiate sein Sushi immer so zukleistern? Eine Frage, die uns auch der Besuch im Ikigai nicht beantworten konnte. Mir hätte zu der scharf angemachten Thunfischfüllung etwas Sojasauce mit untergerührtem Wasabi vollends gereicht, um die Papillen in Wallung zu bringen.
Die kurz in der Pfanne geschwenkten, mit einem Schälchen Sweet-Chili-Sauce servierten Hot Gyoza entschädigten dann wieder für den zuvor erlebten Saucen-Overkill beim Fritteusen-Sushi. Aber auch hier ließ sich nicht definitiv klären, ob die Teigtaschen wirklich hausgemacht waren. Geschmeckt haben sie uns jedoch um einiges besser.
Mauldäschle Asia-Style
Zwei der Kollegen ließen sich bei den Hauptgängen auf die „Flugnudeln“ ein. Da musste man beim Servieren derselben ordentlich in Deckung gehen. Spaß beiseite, die sogenannten „Flying Noodles“ waren in Wirklichkeit eher „Hanging Noodles“, die man auf einen dünnen Holzstab gesteckt hatte, damit die gelockte Mie-Nudel-Frisur in das dafür vorgesehene Schälchen wallen konnte (und den darunter befindlichen „Wildkräutersalat“ nahezu komplett verdeckte).
Die hängende Pastalocken von Neustadt mit Mango-Ente
Der kulinarische Sinn hinter dieser panasiatischen Pasta-Inszenierung wollte sich mir nicht so recht erschließen, aber lustig sah das Ganze natürlich schon aus.
Flugnudeln mit Jakobsmuscheln
Der gegenübersitzende Foodfella hatte sich sein Nudeltoupet von einer stattlichen Portion Jakobsmuscheln (17,50 Euro) begleiten lassen, während mein flugvieh-affiner Nebenmann auf saftige Tranchen von der Ente (15,90 Euro) setzte.
Saftige Tranchen von der Entenbrust
Beide Gerichte einte eine cremige Mango-Sauce mit gewokter Gemüseeinlage. Die exotische Fruchttunke wäre mir zu viel des Süßen gewesen, aber der Entenbrustvernichter konnte gar nicht genug davon bekommen. Immer wieder beruhigend, dass die Geschmäcker so unterschiedlich sind.
Der dritte Kostgänger in unserer Runde hatte sich für die gewokten Udonnudeln mit Rindfleisch, Paprika, Zucchini, Zwiebeln und Karotten (15,50 Euro) entschieden. Das als „Udon im Schwarzwald“ (??) in der Karte betitelte Pfannengericht wurde von einer Soja-Balsamico-Reduktion süffig unterfüttert und machte vom Aussehen her einen properen Eindruck. Wie man auf diesen ungewöhnlichen Namen kam, war nicht nachzuvollziehen, zumal weder Schinken noch Kirschtorte darin Verwendung fanden.
Udo(n) im Schwarzwald
Meinem Kollegen missfiel die Konsistenz seiner „Glottertal-Spaghetti“. Für den Al-Dente-Aficionado aus der Pfalz war es nämlich die erste Udon-Erfahrung und wahrscheinlich auch die letzte, denn die weichen japanischen Nudeln waren überhaupt nicht so sein Ding. Vom Geschmack her ging der Teller für ihn jedoch in Ordnung.
Auch eher semi-zufrieden war ich mit der dünnen Scheibe vom Thunfisch (14,90 Euro), die von reichlich Wokgemüse und der „Ikigai Deluxe Sauce“ – als besondere Empfehlung des Küchenchefs in der Karte angepriesen – flankiert wurde.
Der Thunfisch auf Wokgemüse
Gargrad und Qualität des Meeresräubers ließen doch etwas zu wünschen übrig. Ich mag ein Thunfischsteak jedenfalls lieber, wenn es nicht komplett durchgebraten ist. Der Gemüseanteil meines Tellers hatte hingegen noch ordentlich Biss, aber was an der auf Sojabasis gründenden „Deluxe Sauce“ so luxuriös sein sollte, war für meine Papillen nicht nachzuschmecken.
Zum Dessert gönnte ich mir noch eine leider viel zu süß geratene, hausgemachte Passionsfrucht-Limonade (5,90 Euro). Wenigstens die darin enthaltene Minze sorgte für ein wenig Erfrischung.
Insgesamt war dies aus meiner Sicht ein eher durchwachsener Besuch ohne große kulinarische Highlights, geschweige denn Überraschungen. Gut, die Mango-Sauce begeisterte meinen Kollegen und auch die Hoisin-Kokos-Sauce zu den frisch gewickelten Sommerrollen hatte was. Die Pastaperücken sahen witzig aus und auch die Wokgerichte waren beileibe keine geschmacklichen Totalausfälle. Aber der Kick am Gaumen blieb leider aus.
Bleibt als Fazit nur anzumerken, dass man auch im Ikigai – wie bei nahezu allen panasiatischen Läden – ein viel zu großes kulinarisches Feld beackert. Die eierlegende Wollmilchpasta reicht da nicht aus, um gustatorisch für Furore zu sorgen. Und so bleibt mir nur das abschließende Urteil: klingt alles gut, sieht auch ganz hübsch aus, ist aber geschmacklich austausch- und somit eigentlich auch verzichtbar.