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Was ich da noch nicht wusste, beim alten Bräuhaus handelt es sich um die Lindenberger Traditionsgaststätte schlechthin. Der Einband der Speisenkarte verriet mir die bewegte Geschichte des altehrwürdigen, von der Familie Seeger geführten Gasthauses, das zu den ältesten im Ort zählt und in dem bis 1920 noch Bier gebraut wurde. Schon kurios, dass im hinteren Hof des Bräuhauses Ende des 19.Jahrhunderts eine Kneipp’sche Badeanstalt errichtet wurde. Bei deren Eröffnung war Kräuterpfarrer und Wasserdoktor Sebastian Kneipp selbst zugegen, so die Überlieferung. Ich war gespannt, ob uns die Portionen auch ganzheitlich ansprechen und mit hohem Heilpflanzenanteil auf dem Teller landen würden.
Die schwül-warme Witterung ließ uns an einem Tisch im von übermannshoher Vegetation umfriedeten Biergarten Platz nehmen. Der immer dunkler werdende Himmel kündete von einer herannahenden Gewitterfront. Die Chancen auf einen dauerhaften Verbleib im Freien schwanden deshalb von Minute zu Minute.
Nachdem ich die Werbeseite für das in dieser Region zu Recht nicht sonderlich beliebte Meckatzer Bier geflissentlich überblättert hatte, wurde der essenzielle Teil der Speisenkarte näher in Augenschein genommen. Zwei Suppen und vier verschiedene Salate eröffneten noch etwas schüchtern die Palette bodenständiger Spezialitäten aus der Region, eher auf den Folgeseiten ein wahres Fest für Fleischesser zelebriert wurde. Schnitzelvariationen, gegrillte Putenkost, Roastbeefvergnügen und Brauhausspecials deuteten auf paradiesische Zustände für ausgewiesene Fleischvernichter hin. Fünf vegetarische Teller und dreimal Fisch richteten sich dagegen etwas kleinlaut an die Fraktion der Verzichter.
Der Wärme trotzend bestellte ich vorneweg eine Tasse Brätstrudelsuppe (3,90 Euro). Eine süffiges Meckatzer (die Halbe „Weiss-Gold“ für 3,30 Euro) und eine Traubensaftschorle (0,2l für 2,50 Euro) wurden jedoch von der jungen, ihre Sache sehr gut machenden Bedienung zuerst an den Tisch gebracht. Als Hauptgerichte standen das Altbayrische Schnitzel (17,50 Euro), das mit seiner Kruste aus frischem Meerrettich, Senf und Käse mein Interesse weckte, sowie die für meine Begleitung mittlerweile schon obligatorischen Allgäuer Kässpätzle (10,90 Euro) schnell fest. Bei beiden Gerichten war zudem ein Beilagensalat im Preis inbegriffen. Dennoch hielten wir uns die Option auf einen hausgemachten Kaiserschmarren zum Nachtisch offen.
Die klare, mit ordentlich Schnittlauch versehene Brühe wurde im Einweckglas serviert. Die eingerollten, mit einer delikaten Brätfüllung ausgestatteten Pfannkuchen hatte man scheibchenweise in den heißen Brodem gegeben. Schon der erste Löffel kündete von übertriebenem Salzgebrauch. Der schmeckbare Einsatz von „Verstärkern“ verriet, dass wohl Mama Maggi in der Küche den Kochlöffel schwang. Die Brätstrudelscheiben hatten gegen die omnipräsente Brühwürfelwürze leider keine Chance und kamen geschmacklich nicht zur Entfaltung. Schade, so hatte ich mir den kulinarischen Auftakt im Allgäu nicht vorgestellt.
Was danach folgte, entschädigte für den eher dürftigen Suppenauftakt. Der Beilagensalat kam als großer Salatteller incognito und hatte ein ganz schön pfeffriges Joghurtdressing zu bieten. Radieschen, Gurken, Zwiebeln, Paprika und Tomaten werteten nicht nur optisch das von pikanter Dressingtunke überzogene Blattwerk auf. Weniger wäre hier sicherlich mehr gewesen, denn das Gegenteil von „gut“ ist ja bekanntlich „gut gemeint“. Egal, der Salat schmeckte auch mit Soßenoverkill, denn die Zutaten waren frisch und der Hunger groß.
Keine zwei Cocktailtomaten später standen auch schon unsere Hauptspeisen vor uns. Bei den in einer ovalen Schale gereichten Kässpatzen wurde nicht an Röstzwiebeln gespart. Ein zugegeben nicht gerade asketisch anmutendes Gericht, dessen eidottergelbe Protagonisten unter einer geschmolzenen Allgäuer Käsemischung begraben lagen. Auch mengenmäßig einer ausgewachsenen Hauptspeisenportion durchaus würdig. Aber hallo, wir sind hier in Bayern!
Apropos Bayern bzw. Altbayern: zwei schweinerne Vertreter altbayrischer Bauart standen, flankiert von einer mächtigen Portion Bratkartoffeln, mitten im Spiegel einer deftigen Bratensoße vor mir und signalisierten ihre Verzehrbereitschaft. Dem wachen Auge des Rezensenten entging dabei nicht das etwas zu lange Verharren des Gerichtes unter dem Salamander, wie unschwer an den leicht verkohlten Stellen der aus Senf, Meerrettich und Käse bestehenden Überbackschicht zu erkennen war.
Gut, nun habe ich auch einmal ein Altbayrisches Schnitzel genossen. Die Bratkartoffeln gerieten tadellos. Auch die Bratensoße bot keinen Grund zur Beanstandung. Das Fleisch unter der dicken Senf-Meerrettich-Haube stammte vermutlich vom Schweinerücken. Leider war es aufgrund der zu dominanten Auflage geschmacklich kaum wahrnehmbar. Da sind mir die soufflierten Semmelbrösel drum herum schon lieber, so mein Fazit dieses etwas zu deftig ausgefallenen Schnitzelexperiments.
Ein aufziehender Gewitterschauer zwang uns schließlich zur Flucht ins Innere des Gasthauses. Wir gerade mitten am Hauptspeisen, als uns erste dicke Regentropfen den Freiluftgenuss vermiesten. Egal mit allem was wir und die Bedienung tragen konnten ging es durch den großen Saal (für Gesellschaften) in die gepflegte Gaststube. Kein Wunder, dass bei der Größe des Anwesens ganze Busgesellschaften locker platziert werden können, so mein Gedanke, als ich die bierseligen Hallen betrat.
Drinnen dominierte hölzerne Rustikalität, die sich an Wänden und Decke widerspiegelte. Das massive Wirtshausmobiliar (Stühle, Tische, Wandbänke) versprühte zusätzlich ländlichen Charme. Der passende Rahmen für Helles vom Fass und Deftiges aus der Pfanne. Draußen goss es mittlerweile wie aus Kübeln, was die heimelige Atmosphäre im Inneren des Bräuhauses noch verdichtete.
Die Idee, noch einen Kaiserschmarren mit beschwipsten Zwetschgen zu zwitschern, entsprang wohl der Bierlaune, die eindeutig auf das Konto des zuvor bestellten Meckatzer Zwickelbieres ging. Definitiv nichts für Anfänger, dieser bernsteinfarbene, trübe Hopfensud, über dessen Spätfolgen am nächsten Tag hier kein Wort verloren wird. Nur so viel sei gesagt: als ich tags darauf im Staufner Haus hoch über Steibis einen Einheimischen vom Meckatzer Zwickel erzählte, schüttelte der nur mitleidig sein Haupt, ehe er in schallendes Gelächter verfiel und daraufhin einen großen Schluck von seinem süffigen Zötler-Bier nahm. Er wusste scheinbar genau, welchen Gerstensaft man in dieser Gegend bevorzugen sollte.
Auch die süße Mehlspeise zum Nachtisch wies keine geringe Portionierung auf. Und so zogen wir doch recht übersättigt von dannen, um noch die letzten paar Anreisekilometer nach Scheidegg zu absolvieren. Für den nächsten Tag waren wir jedenfalls gestärkt genug, um die 1000 Höhenmeter auf den Hochgrat (1834 m) hinauf zu Fuß erledigen zu können, was uns trotz schlechten Wetteraussichten auch gelang. Der Bericht über den Kalorienausgleich am Abend in Oberstaufen folgt.