"Durchschnittliche Tapa-Ware zu recht sportlichen Preisen"
Geschrieben am 29.10.2024 2024-10-29 | Aktualisiert am 29.10.2024
"Poke Bowls & Mehr"
Geschrieben am 29.10.2024 2024-10-29
"Update 2024"
Geschrieben am 29.10.2024 2024-10-29
Winterpause von Ende Oktober 2024 bis März 2025.
Ein kurzer Anruf genügte und Inhaberin Nicole Weigold versicherte mir, dass dieser auch an ihrem neuen Standort, dem nostalgischen Gasthaus Zum Halbmond, Gültigkeit besäße.
Das altehrwürdige Gasthaus Zum Halbmond (Außenansicht)
Und so machte ich mich zusammen mit einem Kollegen von der Wörther Gaumen-Gang auf, um mit den „Öffentlichen“ in die Domstadt zu gelangen.
Unser aus Klima- und Führerscheinschutzgründen durchaus berechtigtes Verkehrsvorhaben wurde jedoch wegen Verspätung und Zugausfall am Wörther Bahnhof jäh beendet noch bevor es so richtig begonnen hatte. Also doch im Wagen des Volkes nach Speyer, dem Ort, an dem große Kaiser und Kanzler begraben liegen. Und an dem sich auch so mancher Oberprimat bzw. -primaner seine humanistische Bildung ergaunert haben soll…
Das altehrwürdige Fachwerkhaus aus dem Jahr 1702, in dem einem seit Anfang März dieses Jahres das Speisenangebot ziemlich spanisch vorkommt, befindet sich in der Nikolausgasse und damit in unmittelbarer Nähe zum prächtigen Kaiserdom.
Spanische Küche würde man hier nicht vermuten...
Wir hatten Glück, dass wir einen der wenigen freien Parkplätze am vorgelagerten Edith-Stein-Platz ergattern konnten.
Im Noche Mediterranea war mächtig viel los und ohne Reservierung hätten wir an diesem sonnigen Freitagabend sicherlich unverrichteter Dinge weiterziehen müssen. So aber wies uns der spanische Oberkellner einen Tisch in der Ecke des vorderen Gastraumes zu. Ein guter Platz, saßen wir doch nicht ganz so mittendrin im Getümmel.
Die Speisenkarten wurden uns umgehend gereicht. Wir informierten Juan, unseren Servicematador, der auch locker Carlos hätte heißen können, dass wir im Besitz dreier GG-Gutscheine à 25 Euro wären. Dieser versicherte sich bei seiner Chefin, ob die ausgedruckten Zettel denn wirklich gegen Ess- und Trinkbares eingetauscht werden könnten. Sie taten es.
Und wir taten es auch, nämlich den Abend mit einem gut gekühlten Bier eröffnen. Mein Kollege gönnte sich zum Einstieg ein Heidelberger Helles (0,5l für 4,90 Euro), während ich das Estrella de Galicia aus der Flasche (0,33l für 3,90 Euro) bevorzugte.
Wenn schon Tapas, dann doch bitte mit authentischer Flüssigware zum Eingrooven, so mein auf Ganzheitlichkeit ausgerichteter kulinarischer Ansatz für diese Einkehr. Bezüglich unseres Gerstensaftkonsums sei an dieser Stelle erwähnt, dass es nicht die einzigen Biere des Abends bleiben sollten.
Dann orderten wir munter drauflos. Aus dem reichhaltigen Tapas-Angebot wählten wir altbekannte Klassiker aus dem Topf, dem Grill oder der Fritteuse. Albondigas (Hackfleischbällchen in Tomatensauce, 9 Euro) gehen ja bekanntlich immer. Und Bacalao (Kabeljau, 9 Euro) vom Grill hat auch noch keinem so wirklich geschadet.
Auch die kleinen, über offenem Feuer gebrutzelten Tintenfische (Chipirones, 9 Euro) wurden in den auf Vielfalt bedachten Bestellkanon mitaufgenommen. Genau wie die Gambas à la plancha (12 Euro), auf die wir nicht verzichten wollten/konnten.
Klar, mussten es auch noch ein paar Stockfischkroketten (8 Euro) sein. Genau wie sie gehörten auch die panierten Calamares à la Romana (9 Euro) zum Pflichtprogramm für den mediterran angehauchten Redundanzesser. Wer will schon frittatenlos zusehen, wenn am Nachbartisch vorsätzlicher Meeresfrüchtemissbrauch betrieben wird.
Ach so ja, die Frittierkartoffeln mit zerstörten Spiegeleiern (Huevos Rotos con Patatas, 7 Euro) wurden angeblich auch von uns beiden bestellt. Genau wie die knusprigen Lagrimas de Pollo (panierte Hähnchenbruststreifen, 9 Euro), die nun wahrlich nicht auf dieser Speyerer „Tapa-Ware-Party“ fehlen durften.
Da ja 75 Euro freundlicherweise von Gastroguide übernommen wurden, schöpften wir bei den spanischen Vorspeisenportionen kräftig aus dem Vollen. Das war auch ratsam, denn die einzelnen Appetithäppchen machten ihrem Namen alle Ehre und waren demzufolge recht übersichtlich portioniert. Mit ca. vier Tapas pro Person sollte man im Noche Mediterranea schon kalkulieren, um danach nicht hungrig den nächsten Dönergrill anzusteuern.
Das kostet in der Summe dann doch deutlich mehr als ein zweigängiges, aus Vor- und Hauptspeise bestehendes Essen im gutbürgerlichen Lokal um die Ecke, bietet aber auch eine wesentlich größere Vielfalt auf den Tellern bzw. in den Schälchen. Dennoch kann ich hier nicht von einem guten Preis-Genuss-Verhältnis sprechen. Dafür waren die Spanien-Schmankerl dann doch zu knapp bemessen für die aufgerufenen Preise.
Bevor ich mich über die einzelnen Leckerbissen spanischer Provenienz auslasse noch ein paar Worte zu den Räumlichkeiten. Diese machten auf uns einen sehr gepflegten Eindruck. Warum manche Tische mit weißem Leinen überzogen waren und bei anderen auf hüllenlose, blanke Holzoptik gesetzt wurde, erschloss sich mir nicht.
Ich gehe davon aus, dass man das einfache, aber durchaus wertige Bistromobiliar vom Vorbesitzer bzw. -pächter übernommen hat. Außer dem Essen, deutete nämlich nichts im Gastraum auf die hier servierten spanischen Kleinigkeiten hin. Einen hübsch gekachelten Barbereich mit kalten Preziosen hinter Glas suchten wir vergeblich. Echtes Taperia-Feeling konnte da kaum aufkommen.
Eine Taperia stelle ich mir innen drin anders vor...
Zum adrett wirkenden Interieur – gefliester Terrakottaboden, strahlend weiße Wände – hätte wohl eher gutbürgerliche Regionalkost in Form von Pfälzer Saumagen auf Weinsauerkraut gepasst.
Gutbürgerliche Gasthaus-Atmosphäre
Aber egal, auch ohne mediterranes Flair um uns herum verwandelte sich die aus hellem Holz gezimmerte Tischplatte schon bald in eine pittoreske Landschaft herzhafter Kleinspeisen wie man sie mittlerweile nicht nur im Südwesten Europas zu schätzen weiß.
Vorweg grüßte uns die Küche mit einem gut abgeschmeckten Paprikadip und ein paar Scheiben Weißbrot.
Paprika-Dip und Brot vorweg
Die einfache Aufbackware ließ sich mit Hilfe der schmackigen Crème deutlich aufwerten. Da hatte ich mir schon deutlich schlechtere Aufstriche auf die Stulle geschmiert.
Die knusprig frittierten Hühnerstreifen eröffneten nach etwas längerer Wartezeit – kein Wunder bei der hohen Auslastung des Lokals – den bunten Tapas-Reigen.
Lagrimas de Pollo - Hühnertränen aus der Fritteuse
Zusammen mit ein paar Spritzern Zitrone waren die krossen Panierfinger vom Huhn durchaus essbar. Wobei bei diesem Snack aus der Fritteuse die rösche Textur dem kaum wahrnehmbaren Fleischgeschmack deutlich den Rang ablief.
Chicken Nuggets auf spanische Art
Mit den in Tomatensauce schwimmenden Albondigas wurden dann ein paar kulinarische Kindheitserinnerungen auf süffige Art und Weise zum Leben erweckt.
Hackbällchen in Tomatensauce
Die Hackbällchen hatten – wie in Spanien so üblich – eine ganz feine Zimtnote, die sich wiederum mit dem würzigen Tomatensugo gut vertrug. Kein Wunder also, dass die vier kleinen Ibero-Bulletten so schnell verputzt waren.
Von den gerade mal fünf frisch dem Grill entnommenen Garnelen gewöhnlicher Sortierung war ich dann aber doch etwas enttäuscht.
Garnelen vom Grill
Für den Preis von 12 Euronen hätte ich da entweder etwas größere Exemplare oder ein paar mehr auf dem Teller erwartet. Geschmacklich ließen sie zwar keine Wünsche offen, aber dieses mickrige Schalentierensemble stimmte einen fast schon melancholisch.
Nur mit etwas Salz und Pfeffer gewürzt sowie mit ein paar Tropfen Zitrone aufgefrischt, war das ein recht puristisches (und auch sehr kurzes) Meeresfrüchtevergnügen, bei dem das süßlich-jodige Krustentieraroma nach seiner Befreiung aus dem Panzer zwar voll zur Geltung kam, aber leider auch viel zu schnell wieder vorbei war.
Zeitgleich wurden die Stockfischkroketten
Niedliche Stockfischkroketten
und der gegrillte Kabeljau „angespült“.
Bacalao der saftigen Art
Beides absolut würdige Vertreter ihrer Art. Das Fischfilet lag keineswegs totgebraten, sondern noch schön saftig auf der dunklen Keramik, auf der es sich auch ein mit gutem Essig angemachtes, gemischtes Salatbouquet bequem gemacht hatte. Bei diesem Gericht kamen mir die aufgerufenen 9 Euro ausnahmsweise wie ein echter Schnapper vor.
Merke: auch bei der Tapas-Verkostung wird gerne mit gemischten Kalkulationen operiert, wenn auch wie hier am oberen Limit. Nach den spärlichen, aber soliden Fischkroketten wurden uns vier in Tuben und Füßchen zerteilte Kleinkalmare serviert.
Chipirones à la plancha
Die handwerklich top gegrillten Kopffüßer dufteten herrlich nach Kräutern und waren von angenehm weicher Konsistenz. Auch bei ihnen sorgte ein wenig Zitronensaft für eine noch intensivere Meeresbrise am Gaumen.
Von diesen frischen Squids hätte ich mir noch den ein oder anderen Burschen einverleiben können, zumal sie auch in Sachen Produktqualität komplett überzeugen konnten. Leider aber in der Menge nicht. Nun gut, kulinarisch betrachtet befand sich Speyer zumindest für die Zeit des Verzehrs unserer vier zu klein geratenen Kopffüßer direkt an der Mittelmeerküste. Für Sättigung waren dann halt eben andere Teller zuständig. Darauf doch bitte ein weiteres Estrella de Galicia, por favor!
Der Stern Galiziens erstrahlte hell im Glas....
Wie gut sich zerhackte Spiegeleier auf frittierten Kartoffeln machen, weiß auf der iberischen Halbinsel auch jeder, der gerne deftig frühstückt. Auch sie wurden in einer gebogenen Dachziegelkeramik serviert und gerieten dank dem noch flüssigen Dotter zu einer süffig-knusprigen Angelegenheit.
Zerstört die Eier, aber lasst ja die Kartoffeln in Ruhe!
Ob man für diesen Wareneinsatz jedoch stolze 7 Euro verlangen muss, wage ich zu bezweifeln (auch wenn ich keinerlei Kenntnis von der Höhe der Pacht habe…).
Mit einem kärglichen Häuflein panierter Tintenfischringe endete unsere illustre Tapas-Degustation zwar auf recht banale, aber dank dem Einsatz frischer Ware auf durchaus zufriedenstellende Art und Weise.
Calamares à la Romana
Klar, war da fast alles Fett, was glänzte. Aber mit ein wenig Zitrone…na, ihr wisst schon.
Irgendwie passte danach noch eine Crema Catalana (7,50 Euro) zu unserem auf Komplettsättigung ausgerichteten Mindset. Jene ließen wir uns aber mit zwei Löffeln liefern und teilten sie wie wahre Gaumenbrüder das tun.
Der in der typischen Tonschale servierte Katalanenpudding hatte eine äußerst stabile Karamellschicht vorzuweisen. Bei ihr hatte es man es mit dem Einsatz des Gasbrenners zur Karamellisierung ein wenig übertrieben, was uns die bitter-süßen, dunklen Flecken an der Zuckerdecke verrieten.
Crema Catalana mit Brandflecken
Die darunter befindliche, lockere Vanillecrème glich die herben Noten nur mit Mühe wieder aus. Das geht besser, liebe Freunde der mediterranen Nacht!
Auf der Heimfahrt waren sich mein Kollege und ich ziemlich schnell einig, dass man für solche Allerwelts-Tapas – den gegrillten Kabeljau und die kleinen Tintenfische mal ausgenommen – nun wirklich nicht extra nach Speyer fahren müsse. Zumal die dafür aufgerufenen Preise – selbst mit Kaiserdom-Zuschlag – als recht sportlich zu bezeichnen sind.
Da hätte es schon eines außergewöhnlichen Ambientes und/oder eines deutlich präsenteren Servicechefs bedurft, um geflissentlich über die stramm bepreisten, aber doch ziemlich überschaubaren Portionen hinwegzurezensieren. Für knapp über 100 Euro zu zweit erwarte ich dann doch mehr – und das meine ich nicht in Bezug auf die gebotene Vielfalt, sondern tatsächlich mal in Bezug auf die Menge.
Wer hier zwischen 25 und 30 Euro für drei gewöhnliche Tapas ausgibt, muss definitiv noch was nachschieben, um einigermaßen gesättigt den Halbmond zu verlassen. Und das kann es ja auch nicht sein. Dass es beim Tapas-Genuss auch deutlich preiswerter (und auch wesentlich kreativer) geht, hat mir der Urlaub in Valencia vor rund einer Woche drastisch vor Augen geführt.
Gut, Speyer liegt jetzt nicht in Spanien und die allgemeinen Kosten und Ausgaben sind bei uns deutlich höher als auf der iberischen Halbinsel, was sich selbstverständlich auch in einem höheren Preisniveau widerspiegelt. Aber auch hierzulande möchte der zahlende Gast für sein gutes Geld neben einer ordentlichen Qualität zumindest auch eine Chance auf Sättigung haben, wenn er ein Speiselokal betritt.
Im „Tapas & Meer“, meinem leider nicht mehr existenten „Lieblingsspanier“ im südpfälzischen Zeiskam, schloss sich Genuss und Saturierung ja auch nicht aus. In diesem Sinne sollte das „Noche Mediterranea“ noch ein wenig nachsteuern, um für zufriedenere Gäste zu sorgen.