"Betreutes Trinken in Mannheim Teil 1: Wenn im Herzen des Jungbuschs ein italienischer Rotwein auf eine spanische Tapas-Platte trifft, dann sollte man beides teilen…"
Geschrieben am 21.01.2024 2024-01-21 | Aktualisiert am 21.01.2024
"Ganz was neues aus Korea"
Geschrieben am 12.01.2024 2024-01-12
Einem alkoholaffinen Plauderabend bei deftigen Kleinspeisen stand also nichts mehr im Wege. Dass uns diese sommerliche Länderküchenexkursion über Spanien nach Peru führen sollte, stand zu Beginn noch gar nicht fest. Nur den Ort des genüsslichen Geschehens schien die lebende Waldhoflegende von langer Hand geplant zu haben.
Der redselige „Aperitifling“ schleppte mich nämlich ins angesagte Hafenviertel Jungbusch. Nein, nicht in das dort ebenfalls beheimatete Rotlichtviertel – dies konnte ich gerade noch abwenden –, sondern in einen in zeitgemäßer Optik erscheinenden Trendschuppen, von dem er im Vorfeld Gutes gehört hatte.
Die Rede ist vom seit Februar 2020 in der Böckstraße ansässigen Restaurant Sonrisas, das hinter einer trutzigen Sandsteinfassade und mit einem Lächeln im Namen auf seine jüngere Klientel wartet.
Einladende Sandsteinfassade außen
Hier wird eine von Alltagssorgen befreiende Redundanzküche „rund ums Mittelmeer“ geboten, die nicht nur auf urlaubsreife Häppchenesser und vorglühende Cocktailkomplizen wartet, sondern auch plattenweise dem angesagten Food-Sharing-Trend huldigt. Da wundert es auch nicht, dass die Betreiberin mit dieser durchaus zeitgeistigen Attitüde nicht medial hinterm Berg halten möchte.
Die auf Bildern im Internet sehr herzlich wirkende Inhaberin des mit lauschiger Hinterhofterrasse ausgestatteten Lokals, Isabelle Kapelakis, war an jenem Abend nicht zugegen. Zumindest wurden wir nicht von ihr bedient. Auch ob Küchenchef Marc Pettler selbst an diesem warmen Sonntagabend am Herd stand, kann ich im Nachhinein nicht sagen, gehe aber mal davon aus.
Den Service wuppte eine junge weibliche Aushilfskraft, die zwar einen freundlich-netten Eindruck auf uns machte, aber nicht so recht mit der Materie be- bzw. vertraut war, wie wir bei kleineren Nachfragen – und die hat ein echter Daueresser meistens – aus ihren wenig hilfreichen Antworten schlussfolgern konnten.
Egal, draußen auf der Hinterhofveranda saß es sich eigentlich ganz kommod. Schade nur, dass dort die Tische so dicht nebeneinanderstanden. Man wollte wohl den wenigen Platz der Freifläche möglichst optimal ausnutzen. Nun gut, dann kamen wir wenigstens mit unseren Nachbarn schnell ins Gespräch.
Ob das dem auf Zweisamkeit bedachten Pärchen neben uns gefiel? Keine Ahnung, denn sommerlicher Rotweingenuss und Empathie für zurückhaltende „Techtelmechtler“ geht bei gesprächigen Schluckspechten selten Hand in Hand.
Auf dem Weg ins Sonrisas hatten wir uns mittels Gersten- bzw. Weizensaft noch etwas mehr Hunger „angehopft“. Im selbsternannten „Aperitivo-Place-To-Be“, so stand es jedenfalls im Willkommenstext auf der aus einem Flammkuchenbrett gezimmerten Speise- und Getränkekladde, war uns dann eher nach Wein zumute.
Speisen- und Getränkekladde "Elsässer Art"
Eine gut gekühlte Flasche Weißburgunder vom Buhl‘schen Reichsrat stand für faire 26,90 Euro auf der Weinliste. Bei den Temperaturen ein durchaus feinfruchtiger Durstlöscher. Ob er – wie in der Karte vermerkt – tatsächlich als einer der besten Weißburgunder der Pfalz durchgeht, vermag ich nach wie vor stark zu bezweifeln.
Kollege Daueresser, dem selbst im Hochsommer kein Rotwein zu schwer erscheint, liebäugelte indessen mit einer samtweichen Infarktbremse aus Süditalien, die unsere spanische Sharing-Platte, für die wir uns nach reiflicher Überlegung entschieden hatten, begleiten sollte.
Es handelte sich dabei um einen Primitivo Sasseo von der Masseria Altemura aus Apulien, der mit 29,90 Euro nicht nur seinem Kalkulationsfaktor 3 voll gerecht wurde, sondern auch einen ganz passablen Terrassenwein abgab.
Ging gut in die Blutbahn!
Natürlich wurde dieser von unserer nicht sonderlich weinerfahrenen Bedienung viel zu warm eingeschenkt. Aber ein Flaschenkühler war schnell besorgt und so ließen sich dann auch die fruchtig-würzigen 14,5% in Rot genießen. Der dazu bestellten Flasche Mineralwasser für urbane 6,90 Euro kam dabei sowohl eine durstlöschende als auch eine verdünnende Rolle zu.
An dieser Stelle möchte ich noch ein paar Anmerkungen zum hier gebotenen Speiseprogramm machen. Der Schieferaufsteller auf unserem Tisch kündete von einer vegetarischen Auswahl an Antipasti, Spaghetti mit Safran-Garnelen-Ragout und Hähnchenbrust auf griechische Art. Aha, da ging es also schon bei den Empfehlungen kreuz und quer durch Europas Süden.
Blättert man in der Futterfibel im Ringbuchformat (klar, was sonst…), so stößt man zunächst auf ein gutes Dutzend Vorspeisen spanischer und italienischer Provenienz. Chorizo, Salsiccia, Bruschetta und Co. warten hier auf Gäste mit kleinerem Hunger oder mit Lust auf eine große Auswahl zum Teilen. Das Bisschen „Pflichtgrün“ in Form von Salaten ist schnell überblättert, ehe man mit Pilzrisotto, Spaghetti AO, Piccata Milanese und cremiger Polenta auf südländische Hausmannsklassiker trifft.
Darüber hinaus stellt man aus verschiedenen Vor- und Hauptgerichten sogenannte „Sharing Platten“ für zwei Personen zusammen. Bei diesem mediterranen Teil&Tafel-Konzept lassen sich unterschiedliche Leckereien aus Spanien, Italien, Griechenland, Vegetarien und Veganien (liegen die beiden letztgenannten „Länder“ wirklich am Mittelmeer?...) auf rustikalen Holzplatten zu zweit genießen.
Da wir an diesem Abend noch eine zweite Einkehr im Hinterkopf hatten – der gute Ruf der Premiumbuletten von der „19ten Straße“ hatte die Neugier des Pfälzers geweckt –, kam uns eine solche Platte zum Teilen gerade recht. Die spanische Variante sagte uns dabei am meisten zu. Für nicht gerade schüchterne 46,50 Euro bot sie einen bunten Reigen gängiger Tapas von Aioli bis Patatas Bravas. Wir waren gespannt, ob die Jungs aus der „Lächel-Küche“ auch bei uns für gute Stimmung auf den Tellern sorgen würden.
Wobei diese infolge unseres Rotweinkonsums mit zunehmender Dauer tatsächlich immer besser wurde. Der Dauerkalauer im schwarzen AMG-Petronas-T-Shirt lieferte Pointen auf bewährtem Fips-Asmussen-Niveau. Klar wurde da verbal auch mal ein wenig über die Stränge geschlagen, aber so what! Im Monnemer Jungbusch simma halt all ä bissel Bülent ;-)
Als der Rotwein schon richtig am Stammhirn anklopfte, brachte unsere Bedienung die iberische Vesperplatte nach Art des Hauses. Also ran an das güldene Besteck aus dem Kasten und losgelegt.
Schon der erste Anblick gemahnte zur Vorsicht, denn da war vieles Fett, was glänzte.
Diese Platte kam uns spanisch vor!
Die mächtigste Ración stellten die mit Schale sautierten Patatas Bravas dar. Diese waren großzügig mit einer geräucherten Paprika-Aioli benetzt.
Die zu braven Patatas
Die schmeckte sogar richtig gut, während es den Brat- bzw. Frittierkartoffeln doch arg an Salzwürze mangelte. Was anscheinend beim Kochen vergessen wurde, wurde kurz vorm Servieren in kristalliner Form darüber gestreut. Leider nur in homöopathischer Menge.
Die in Knoblauchbutter getränkten Baguettescheiben waren schön kross, aber halt auch entsprechend fettig.
Knusprig-fettiges Knobi-Baguette
Gleiches galt für die Datteln im Speckmantel, die mir recht „convenience-ionel“ vorkamen.
Datteln im Speckmantel...Allerwelts-Tapa!
Die kurz frittierten Pimentos de Padrón gingen voll in Ordnung, aber auch die hätten etwas mehr Fleur-de-Sel-Würze vertragen. Schade, dass der Chorizo-Anteil unserer Tapas-Platt so gering ausfiel. Denn gerade die fand ich überaus lecker. Wem der Fettgehalt dieses Fingerfutters nicht reichte, konnte sich ungeniert aus der Aioli-Schale bedienen.
Highlight der iberischen Brettljause waren die in einer pikanten, mit roten Zwiebeln, Knoblauch und frischen Kräutern verfeinerten Tomatensauce schwimmenden White Tiger Garnelen ordentlicher Sortierung.
Garnelen in pikanter Tomatensauce
Einziges Manko war auch hier die recht überschaubare Portionsgröße der in einer putzigen gusseisernen Minipfanne servierten Meeresfrüchte.
Mittlerweile hatte sich unser netter Freisitz mit Blick auf grün berankte Sichtschutzzäune aus Holz und hinterhöfische Backsteinfassaden ziemlich geleert.
Mannheimer Hinterhofromantik pur!
Ähnlich erging es auch unserem Primitivo aus Apulien. Auch bei der spanischen Tapas-Platte blieb nicht viel übrig. Aus etwas Aioli und ein paar Kartoffelschnitzen rekrutierte sich der kümmerliche Anstandsrest.
Dem Herrn Daueresser und mir erging es derweil wie der nimmersatten Raupe aus dem Kinderbuch von Eric Carle. Denn wir futterten uns durch eine Handvoll Pimentos, ein Garnelenpfännchen, vier kleine Chorizo-Würste, ein halbes Dutzend Datteln im Speckmantel, vier Scheiben Knoblauchbrot, ein Schälchen Aioli und einen ansehnlichen Bratkartoffelhügel…aber satt waren wir noch immer nicht.
Zeit also, die Rechnung zu verlangen und den Ort der iberischen Vorspeisung zu verlassen. Der zweite Teil unseres kulinarischen Duathlons durch den Mannheimer Jungbusch verlief zwar äußerst unerwartet. Aber doch um einiges schmackhafter. Und außerdem hatten wir ja noch nichts getrunken…
Ein kleiner Nachtrag noch. Als wir uns die Rechnung genauer anschauten, fiel uns auf, dass dort ein Trinkgeld von 3,70 Euro (rund 4% des Gesamtbetrages) bereits als Position aufgeführt wurde. Habe ich in der Art und Weise auch noch nicht erlebt. Ist das in Mannheim so üblich? Maestro Collini übernehmen Sie!