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In dessen Anwesen residiert seit nunmehr 15 Jahren die Familie Albers, die mit ihrem Gasthaus Zum Winzer eine äußerst ambitionierte Form des Gutsausschanks betreibt. Im bereits 1768 erbauten Gemäuer wartet Küchenchef Dirk Albers mit einer mediterran inspirierten Regionalküche auf. Zusammen mit seiner Frau Christina, die den Service leitet, führt er ein liebevoll eingerichtetes Restaurant, das von bodenständiger Eleganz geprägt ist. Ein Ort des Wohlfühlens, des Ankommens, des Genießens.
Mein letzter Besuch lag zwar schon ein paar Jahre zurück, aber an das leckere, perfekt medium gebratene Bürgermeisterstück vom Rind kann ich mich bis heute noch erinnern. Nun zählt Maikammer nicht gerade zu meinem kulinarischen Einzugsgebiet. Umso schöner, dass ein Mitglied unseres Gourmetclubs dieses Kleinod an der Weinstraße für einen genussvollen Abend zu viert auswählte und mit dem „Winzer“ mein kulinarisches Gedächtnis auffrischte.
Parkplatzprobleme gab es erfreulicherweise keine. Nur ein paar Gehminuten vom Lokal entfernt standen genügend Möglichkeiten zur Verfügung – und das im Herzen von Maikammer. Der kulinarische Monat November begrüßte uns schon am Rundbogen des Eingangstors zum Hof mit den Worten „Leckereien von der Martinsgans“. Selbst der beleuchtete Schaukasten war herbstlich dekoriert und beherbergte einen sorgfältig angelegten Überblick des aktuellen Speisenangebotes. Falstaff und Meininger-Verlag waren sich anscheinend auch einig, dem „Winzer“ ihre Empfehlung auszusprechen. Entsprechende Auszeichnungen kündeten davon.
Durch den malerischen Innenhof erreichten wir linkerhand die nicht minder schön anzusehenden Sandsteinarkaden, unter denen es sich im Sommer bestimmt ganz lauschig genießen lässt. Drinnen empfing uns ein Gastraum, dessen heimelige Gemütlichkeit uns warm entgegen strömte. Ebenso warm und herzlich fiel die Begrüßung durch Frau Albers und der sehr beflissen wirkenden männlichen Servicekraft an ihrer Seite aus. Unser Vierertisch befand sich im vorderen Bereich des Raumes, unweit des Ausschanktresens. Wir hatten vorsorglich reserviert, was an diesem Abend gar nicht nötig gewesen wäre. Ich schätze mal, dass knapp die Hälfte der Plätze belegt war.
Zwischen Ankunft und Inspektion der Speisenkarte blieb noch genug Zeit, um das traute Ambiente des „Winzers“ genauer zu studieren. Umgeben von hellem, naturbelassenem Holz saß es sich ganz vortrefflich auf bequem gepolsterten Stühlen, die zur gediegenen Landhausoptik der liebevoll dekorierten Gaststube gut passten. Der helle Stabparkettboden kontrastierte mit den weißgestrichenen Wänden und Decken. Hier und da hingen ein paar farbenfrohe Blumen- und Blütenbilder in Acryl von der Freiburger Künstlerin Kathrin Leinfelder, die hier bis Mitte November einige ihrer Werke ausstellte. Auch die Beleuchtung erschien uns stimmig. Die Spots von der Decke erhielten indirekte Lichtverstärkung von ein paar sorgsam eingesetzten Wandstrahlern.
Auf unserem rustikalen Holztisch befanden sich auf der strahlend weißen Tischdecke hübsch gefaltete Stoffservietten, Einfachbesteck sowie bauchige Wassergläser in vierfacher Ausführung. Eine flackernde Kerze sorgte für zusätzliche Tischwärme, während das putzige Herbststräußchen in seiner gläsernen Vase ein paar grüne Akzente setzte.
Ich schielte schon hinüber zur raumtrennenden Holzkommode mit der beachtlichen Sammlung an Hochprozentigem darauf, entschied mich aber spontan für einen alkoholfreien Holunder-Bitter-Lemon-Cocktail (5,50 Euro) als Aperitif. Sein Name „LH 2013 arrived“ klang wie ein gerade gelandeter Lufthansa-Flug. Mit frischer Minze, Zitrone und Eis war das ein frisch-fruchtiger Auftakt, der den Abend schwungvoll einleitete. Nachdem nun auch ein paar Flaschen Mineralwasser (Teinacher medium aus der bauchigen 0,75l-Flasche für 4,80 Euro) den Tisch bevölkerten, nahmen wir die Speiseliteratur ins Visier.
Neben einer Reihe interessanter Aperitif-Alternativen (Lillet, Erdbeer Aperol, Winzersekt und Co.) listete die erste Seite vier verlockend klingende Vorspeisen wie beispielsweise gebratene Jakobsmuscheln mit Kürbis-Risotto, rotem Spitzkohl und Hummer-Pernod-Schaum (13,80 Euro) sowie zwei Suppen (Kürbis und Steinpilz). Bei den Hauptgerichten gab man sich saisonal. Der Monat November stand ganz im Zeichen der Martinsgans. Diese wurde als Brust oder Keule zusammen mit den obligatorischen Kartoffelknödeln, Rotkohl, glacierten Maronen und einem Schmorapfel mit Preiselbeerfüllung (23,80 bzw. 22,80 Euro) angeboten. Ergänzt wurden die Saisonempfehlungen von Rehgulasch (21,80 Euro), dessen Fleisch aus dem Niederwildrevier von Franz-Gustav Winkler aus Böbingen (Pfalz), also aus freier Wildbahn, stammte.
Die übrigen Hauptspeisen klangen nicht minder lecker. Neben rein Vegetarischem, wie etwa Kürbis-Risotto mit gratiniertem Kartoffeltörtchen und gebackenen Austernpilzen (15,80 Euro), standen mit Wiener Schnitzel vom Kalb (18,50 Euro) und geschmorten Rinderbäckchen (18 Euro) primär Vertreter der klassisch-gutbürgerlichen Fleischküche auf dem Speiseplan. Medaillons vom Hirschkalbrücken, eine Meeres-Trilogie (Zander, Jakobsmuschel, Garnele) sowie das Rückensteak vom argentinischen Weiderind (23,80 Euro) komplettierten die durchdacht zusammengestellte Auswahl an Leckereien aus der besseren Landhausküche. Wobei das Hirschkalb mit 27,80 Euro das teuerste Gericht auf der Karte markierte.
Wir bestellten munter drauflos. Gebratene Jakobsmuscheln sowie je zweimal Kürbis- und Steinpilzcremesüppchen sollten den Genussreigen eröffnen. Zu den Hauptaufgaben zählten Wiener Schnitzel, Rinderbäckchen, Brust von der Martinsgans und Rehgulasch. Letzteres gedachte ich mir einzuverleiben. Als passende Weinbegleitung wählten wir die 2013er Cuvée Autumnus vom Hausweingut Dengler-Seyler. Die 24 Euro waren für die aus Spätburgunder, Frühburgunder und Merlot vinifizierte Trouvaille gut angelegt. Zumal ihr 18-monatiger Barriqueausbau für ordentlichen Feinschliff gesorgt hatte.
Generell finde ich die Idee, im eigenen Gutsausschank hochwertige Speisen zur Weinauswahl anzubieten, wunderbar. So lernt man einen Teil der hier vinifizierten Kreszensen unter realen Genussbedingungen kennen. Nun muss jedoch erlaubt sein zu sagen, dass selbst ein solch etabliertes Weingut wie Dengler-Seyler kein so umfangreiches Weinsortiment besitzt, um den gerne auch mal über den Tellerrand blickenden Weinkenner restlos zufrieden zu stellen. Schade, dass zu den ambitionierten Gerichten von Chefkoch Dirk Albers nur gutseigene Rebsäfte ausgeschenkt werden. Ein Manko, das leider in etlichen Restaurants, die von Winzern verpachtet werden, einen limitierenden Faktor darstellt.
Noch bevor die erste Suppe aufgetragen wurde, grüßte die Küche mit einem kleinen Feldsalat, der von seidiger Entenbrust getoppt wurde. Die dünne Tranche vom geräucherten Federvieh schmolz förmlich auf der Zunge. Zusammen mit der würzigen Essigsäure des Dressings, den knackigen Croutons und den knusprigen Speckwürfeln war das ein erster kulinarischer Fingerzeig, in welch deftige Richtung uns die Küche vom ehemaligen Schiffskoch der Bundesmarine an diesem Abend führen würde.
Mein Kollege gegenüber ließ es mit gleich zwei Vorspeisen so richtig krachen. Er wollte seine Steinpilzcremesuppe etwas später als Zwischengang genießen und startete mit einem farbenfrohen Vorspeisenteller, bei dem drei stolze Vertreter aus der Gattung der Pecten im Zentrum der dunklen Keramik weilten. Umgeben von schlonzigem Kürbis-Risotto, fluffigem Hummer-Pernod-Schaum und aromatischem roten Spitzkohl (eine aus Spitz- und Rotkohl gekreuzte Neuzüchtung, Anm.) sah das schon richtig klasse aus. Der Gute ließ mich probieren und mich beeindruckte besonders das harmonische Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten auf seinem Teller.
Die beiden Herren zu meiner Linken hatten sich beide für das Cremesüppchen vom Hokkaido-Kürbis mit Croutons entschieden. Auf ihrem Tellerrand befand sich eine gebratene Pflaume im Speckmantel, die auf einem lilafarbenen Klecks getrüffelten Kartoffelpürees thronte. Den passenden Farbkontrast zum Orange der Kürbissuppe lieferte das lila Kartoffelhäufchen auf dem Tellerrand. Und dass ihnen die Suppe schmeckte, war nicht zu übersehen. Auch ich war sehr zufrieden mit meiner napfigen Vorspeise. Genüsslich löffelte ich mir das selbst eingebrockte, aromatische Steinpilzcremesüppchen aus. Frisch angebratene Exemplare des edlen Speisepilzes schwammen in einer fein abgeschmeckten, mit Sahne abgerundeten Brühe, die genau die richtige Sämigkeit hatte. Ich vermute dass hier entweder mit Pilzfond oder mit dem berühmten Steinpilzpulver der nötige Wumms auf der Zunge erzielt wurde. Vorspeise top – so konnte es weitergehen!
Unsere Laune am Tisch war ausgezeichnet und wir sehnten bereits die von uns georderten Hauptgänge herbei. Diese ließen angenehm lange auf sich warten, so dass uns genügend Zeit zum Verdauen der sättigenden Vorspeisen blieb. Borgis Berliner Lieblingsgastgeberin vom Restaurant „Tulus Lotrek“ sprach letzten in der Zeitschrift „Effilée“ davon, dass Essen etwas ist, in dem man sich wahlbeheimatet, bevor man es sich einverleibt. Ein Gedanke, den ich rückblickend auf unsere Hauptspeisen für sehr treffend halte. Wir gaben uns ganz der Passivität des Genießens hin und waren vom Aufgetragenen ziemlich geflasht.
Der Schnitzelbeschwörer am linken Tischrand jauchzte ob seiner beiden Wiener Exemplare, die keine fiesen Bröselteppiche darstellten, sondern allerfeinste Panierkunst genossen hatten. Eine herrlich krosse, leichte Blasen bildende Panade umhüllte das feine Kalbfleisch. Und auch die Würzung der beiden zarten Vertreter aus der Wiener Küche schien gelungen. Nicht minder eindrucksvoll die außen resche, innen saftige Gänsebrust, die sich mein Nebenmann gönnte. Gewiss kein spektakuläres Gericht, aber mit viel Sorgfalt serviert. Die locker-fluffigen, abgeschmälzten Kartoffelklöße und das aromatische Rotkraut wurden in kleinen Schüsselchen dazu gereicht. Das erdige Maronengemüse, sowie der gefüllte Bratapfel teilten sich mit dem Besten der Martinsgans den Teller. So wäre mir das auch „gans“ recht gewesen. Die Komponenten spielten perfekt ineinander. Da passte einfach alles, Chapeau!
Mein Gegenüber hatte seine etwas kleiner ausgefallene Steinpilzsuppe zum Zwischengang gut weggesteckt. Er gilt in unserem Kreis als wahrer Schmorgerichte-Enthusiast, was seine Freude auf die butterzarten Rinderbäckchen in tief dunkler Rotwein-Schalotten-Sauce erklärte. Zusammen mit den drei Häufchen Kartoffelpüree aus der Spritztüte mit Butterbrösel drauf und gegrilltem Gemüse war das ein grundsolides Herbst…ach was: Wintergericht, bei dem es meinem Kollegen auch ohne viel Rotwein recht warm ums Herz wurde. Es blieb im Übrigen bei der einen Flasche Rotwein an diesem Abend. Der vinophile Genussspecht mit den schwäbischen Wurzeln trank sich zwar noch ein wenig durchs offene Weißweinprogramm, aber ansonsten war es kein Vergleich zu schon im gleichen Kreis erlebten Flaschenweinorgien. Wir übten uns quasi in 13,5%-iger Bescheidenheit…
Auch ich bereute meine Entscheidung für das Rehgulasch nicht. Das kräftige, nicht totgeschmorte Wildfleisch badete in einer dunklen Sauce, von der mir auf Anfrage noch eine Sauciere voll nachgereicht wurde. Die kräftige Tunke harmonierte wunderbar mit der süßen Frucht der Preiselbeeren. Und die dazu gereichten Spätzle schmeckten wie vom Brett geschabt. Was will man mehr?!
Mit dem geeisten Nougat-Parfait (7,50 Euro), das in Gesellschaft von beschwipsten Sauerkirschen den süßen Abschluss bildete, wurde ein angemessener Schlusspunkt unter den Schlemmerabend gesetzt. Nach einem netten Plausch mit dem Küchenchef wurden wir als letzte Gäste des Abends in die Maikammer Nacht entlassen. In der Summe: Klasse Essen, tolle Umgebung, super Gesellschaft! Der nächste Besuch könnte glatt im Sommer 2018 im mediterran gestalteten Innenhof stattfinden. Ich hätte nichts dagegen.