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Denn seit meinem letzten Bericht vom Juni ist in meinem Neupotzer Lieblingsrestaurant so einiges passiert. Es ist erfreulich zu beobachten, wie Kerstin und Faycal Bettioui ihr Restaurant sukzessive weiter entwickeln. Neben einer behutsamen Verkleinerung der Speisenauswahl (nur noch sechs verschiedene Gerichte, die à-la-Carte oder als Menü angeboten werden) wurde auch das Platzangebot im Gastraum etwas reduziert. Die Qualitäts- bzw. Kreativitätsschraube wurde im Gegenzug noch etwas angezogen. Zusätzlich gab es ein paar Auffrischungen beim Interieur und auch beim Personal hat sich was getan.
Der Thekenbereich wurde komplett renoviert und dem puristisch-zeitlosen Ambiente des Gastraumes angeglichen. Damit wurde auch der letzte altbackene Rest vergangener Gastwirtschaftstage stilsicher modernisiert und aus dem schlicht-reduzierten Ambiente verbannt. Bequeme Polsterstühle im skandinavischen Stil haben mittlerweile Einzug gehalten. War man hier früher schon recht komfortabel gesessen, so hat sich dieser Umstand dank des neuen Mobiliars noch ein wenig verbessert. Ein großer Spiegel lässt den Gastraum nun optisch ein wenig größer erscheinen. Die Kunst an den Wänden ist nahezu komplett verschwunden. Dafür bieten die akkurat angerichteten „Tellergemälde“ aus der Kronen-Küche mehr als adäquaten Ersatz.
Alles wirkt noch ein wenig fokussierter und mehr auf den Punkt gebracht, als in den Jahren zuvor. Diese Reduktion auf das Wesentliche, die sich in der modern-kreativen Zubereitung frischer und qualitativ hochwertiger Produkte widerspiegelt, tut der Krone unheimlich gut und lässt erahnen, dass man mit einer solch ambitionierten Herangehensweise noch lange nicht am Ende der kulinarischen Fahnenstange angelangt ist. Also, liebe Gourmets und Gerne-Esser: hier geht noch einiges! Und das wird sicher auch den Herren vom roten Buch der Gastronomie auffallen.
Auch im Servicebereich konnte die Krone eindeutig zulegen. Neben Herrn Fischer, dessen professionelle Herangehensweise uns noch vom letzten Besuch in sehr positiver Erinnerung war, hat man mit Herrn Echle noch einen zweiten Profi gewinnen können. Zusammen bilden die beiden ein Serviceduo der Oberklasse (kein Kalauer!), das mit dezidierten Ansagen, kompetenter Weinberatung und einer guten Portion Humor die Gourmandisen aus Faycal Bettiouis Küche bugsiert und dabei seine Gäste sehr aufmerksam und umsichtig verwöhnt. Hier setzt die Krone Maßstäbe in Sachen niveauvoll-seriöser Bedienung, wie sie auch der in der Südpfalz nicht so häufig vorkommt.
Eine Flasche Mineralwasser (0,7l für 5 Euro) für den Durst, ein Gläschen Pfälzer Wermut (7 Euro) von Önologenpapst Stefan Dorst und seinen Consorten sowie ein knarztrockener Riesling Sekt (6 Euro) zum „Warmup“. Aus dem mittlerweile angewachsenen Flaschenweinrepertoire, das viel Namhaftes aus der Pfälzer VDP-Liga (u.a. Knipser, Kuhn, Rebholz und Christmann) bereithält, wählten wir einen kräftigen Roten. Der reinsortige 2014er Cabernet Sauvignon „Kirchenstück“ von Erwin Stachel (Flasche für 42 Euro) aus Maikammer zählt ohnehin zu meinen heimischen Rotweinfavoriten. Auch wenn wir die Flasche nicht ganz leer bekamen, so überzeugte uns dieser edle Tropfen vom ersten Schluck an und konnte das orientalisch angehauchte Überraschungsmenü (59 Euro pro Person), das uns sechs Gänge lang erfreute, adäquat begleiten. Wer sagt eigentlich, dass man nicht auch zu Fisch einen leckeren Roten genießen kann? Ach ja, ich kenne da einen…
Und so saßen wir plötzlich im Feinschmeckerabteil des kulinarischen Orient-Express, der uns in sechs Stationen bzw. Gängen von Neupotz nach Nordafrika entführte. Gang für Gang genossen wir Faycal Bettiouis Interpretation einer zeitgemäßen, diesmal orientalisch angehauchten „Kreuzüberküche“, die mit konstant hohem Produktniveau für viele positive, teilweise auch überraschende Erlebnisse am Gaumen sorgte. Denn der Chefkoch lässt die Einflüsse seiner marokkanischen Heimat sehr subtil in seine Gerichte mit einfließen und schafft mit sicherer Hand kleine, aromatische Brückenschläge auf seinen bewusst reduziert wirkenden Tellern. Nichts wirkt hier überladen oder unnötig verkompliziert. Um es gleich vorweg zu nehmen: auf so eine schmackhafte Entdeckungsfahrt hatten wir gehofft. Aber was dann kam, war schlichtweg sensationell.
„Gleich drei Grüße auf einmal! – Das geht nun wirklich nicht.“ Nicht nur werbegeschädigte Freunde des Küchengrußes wären bei den zeitgleich servierten, appetitanregenden “Überraschungseiern“ ins Schwärmen geraten. Die gebackenen Ziegenkäse-Kissen in Filo-Teig wurden von aromatischem Thymian-Honig kongenial ergänzt. Säuerlich-frische Anchovis lagen auf einem „Mini-Toast“ und erhielten von einer dünnen Scheibe Rettich zusätzlichen Drive am Gaumen. Und dann lagen da ja noch zwei orientalisch-gewürzte „Maurische Spieße“ neben einer nach Koriander und Kreuzkümmel duftenden Dipsauce...
Uns boten die drei einfallsreich in Szene gesetzten Aufmerksamkeiten zu Beginn ein erstaunlich breitgefächertes Geschmacks- und Texturenspektrum. Von süßlich-bitter (Honig) über cremig (Ziegenkäse), knusprig (Filo-Teig), säuerlich-salzig (Anchovis), knackig-frisch (Rettich) bis hin zu würzig-mürbe (Spieße) war alles vertreten. Und das Erstaunliche dabei war, dass sich das alles in der Summe wie selbstverständlich zusammenfügte. Die ersten Vorboten reüssierten als delikate Volltreffer und steigerten unsere Neugierde auf die kommenden Genüsse.
Den Menü-Auftakt machten zwei stattliche Exemplare perfekt gebratener Jakobsmuscheln. Der Einfluss des Orients lag in Form eines Häufchens buntem Couscous auf dem Teller. Ein frisch-würziger Saucen-Streifen zog als aromatische Koriander-Schneise quer über das Porzellan. Beim Couscous sorgten halbierte Cocktail-Tomaten in verschiedenen Rottönen, weiße und violette Blumenkohl-Stückchen und gelbe Blüten für ein farbenfrohes Potpourri, das mit seiner morgenländischen Milde die beherzt gewürzten Muscheln geschmacklich gut einfing. Ein erster großer Gang, der uns gleich einmal zeigte, wo hier geschmacklich der Hammel hing. Und das, obwohl er eben nicht die ausgetretenen Lamm-Tajine-Couscous-Pfade nachstapfte, sondern seine nordafrikanischen Akzente sehr dezent - und quasi aus dem Hinterhalt - einstreute.
Auch beim zweiten Gang kam der Protagonist aus dem Meer. Drei hochsaftige Scheiben feinster Yellowfin-Thunfisch fanden sich terrassenartig angerichtet und noch fast roh auf aromatischem Paprika-Gemüse wieder. Letzterem verhalfen die Gewürze des Orients zu mehr Gaumenkitzel. Links und rechts flankiert von zwei farblich aufeinander abgestimmten Mousse-Nocken. Der orange-roten Paprikacrème lag ein fast schwarzer Tapenadehügel gegenüber. Ein paar gelbe und grüne (Geschmacks-)Tupfer rundeten den wunderbar süffigen zweiten Gang auch farblich adäquat ab. Die vollmundigen Thunfischtranchen schmolzen förmlich auf der Zunge. Hier traf ein qualitativ erstklassiges Hauptprodukt (Thunfisch) auf handwerklich perfekt verarbeitete Basiszutaten (Paprika und Olive). Heraus kam ein Teller, der in sich stimmig wirkte, da er sowohl süßlich-herbe als auch frische Noten gekonnt miteinander verband. Auch bei diesem Gang setzte sich der bereits zuvor eingeschlagene Weg in Form zurückhaltend eingesetzter Orientalik fort. Der Pfälzer Cabernet Sauvignon nahm das kulinarische Armdrücken mit dem Fischgang an und konnte einmal mehr überzeugen.
Nun wurde es fleischiger, denn die Wachtel wird in der marokkanischen Küche sehr geschätzt. Auf dem akkurat angerichteten Teller befand sie sich in zweifacher Ausführung. Einmal als herrlich mürbe, mit leicht zimtig schmeckender Jus überzogene Wachtelbrust. Klein, aber sehr fein, so das einhellige Urteil am Tisch. Etwas ungewöhnlicher für den Pfälzer Gaumen, aber nicht minder reizvoll, fiel die mit confiertem Wachtelfleisch gefüllte Mini-Pastilla aus. Diese knusprige, von Filo-Teig ummantelte Umami-Bombe kam mit etwas Puderzucker und Zimt bestreut aus der Küche. Liebe auf den ersten Biss. Die pikante Fleischfüllung, die knusprige Hülle und die leichte Süße ergaben zusammen einen wunderbar tiefgründigen Geschmackseffekt, der von einem fruchtig-süßen Stück Feige sowie ihrem Confit noch verstärkt wurde. Ganz starker Teller mit nachhaltiger Wirkung im Gaumengedächtnis seiner Genießer.
Bei Gang Nr. 4 wurden Erinnerungen an den gebratenen Seeteufel vom letzten Besuch im Mai wach. Diesmal lag eine saftig kompakte Tranche vom Kabeljau auf angenehm dezenter Curry-Sabayon. Die leicht pikante Ras-el-Hanout-Würze des festfleischigen Fischfilets wurde von den beiden vegetabilen Mitstreitern auf dem Teller geschmacklich passend eingerahmt. Eine perfekt gegarte, noch leicht bissfeste Mini-Zucchini, die mit zarter Blüte dem heißen Dampf entnommen war, sowie ein süßlich-milder Karottencrème-Streifen sorgten für eine gelungene Balance zwischen rustikaler Breite und filigranem Feinsinn.
Beim folgenden Gang, dem pochierten Kalbsfilet, goss der Küchenchef am Tisch die intensiv duftende Kalbsjus neben das mürbe, von orientalischer Würzmischung ummantelte Prachtstück. Auch hier wieder ein aromatisch voll aufgeladener Teller, der jedoch keineswegs über die Stränge schlug. Schon der Klecks vom tadellos abgeschmeckten, schmelzigen Auberginenpüree war zum Reinlegen. Der arabische Klassiker „Baba Ganoush“ ließ grüßen. Zusammen mit einem erdigen Stück von der Roten Beete und einem leicht bitteren Blatt Radicchio ein eher puristisch konzipierter Fleischgang, dessen bewusste Reduktion auf klare Aromen ein äußerst wohlschmeckendes Kleinkunstwerk entstehen ließ. So geht charakterstarke Produktküche: ohne viel Schnickschnack und Gourmetgedöns punktgenau und stimmig auf den Teller gebracht. Chapeau!
Und was Süßes zum Naschen hatte die Bettioui-Brigade ja auch noch auf Lager. Wie eine Art gebackener Flan lag ein cremig-softer „Kuchenkeil“ neben fruchtig-säuerlichem Pfirsichsorbet. Ein paar Saucentupfer von der Passionsfrucht und zwei vollreife Pfirsichstücke (keine plattgedrückten aus Paraguay!) rundeten den gelungenen Nachtischgang ab.
Als süße Mignardisen wurden uns kurz vor der Verabschiedung noch zwei mit Vanille-Crème gefüllte Macarons spendiert. So endete dieser facettenreiche, marokkanisch angehauchte Soulfood-Abend genauso wohlschmeckend wie er begann. Klare, kontrastreiche Aromen zeichnen Faycal Bettiouis Kochstil aus. Bei seinen zupackenden Kreationen setzt er auf füllige Geschmacksbilder und texturelle Abwechslung. Das gelingt, macht Eindruck und ist der richtige Schritt zum Sprung aufs nächst höhere Level. Das exzellente Preis-Genuss-Verhältnis möchte ich eigentlich gar nicht mehr erwähnen, da es sich schon herum gesprochen hat und die Chance auf einen der wenigen Plätze immer geringer zu werden scheint.