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Interieur
Der Gault Millau listet das Haus erstmals in seiner 1989er-Ausgabe mit 13 Punkten und vermerkt launisch: „Seit Franz Kellers Bistro geschlossen ist, gehen die Schickis in den Alten Wartesaal und die Mickis hierher – oder umgekehrt.“ Immerhin gesteht man damals schon zu, dass aus kulinarischer Sicht das „Moisssonnier“ bei dieser Wahl den Vorzug bekommen sollte. Die Küche wird als klassisch, ländlich, unprätentiös, aber engagiert zubereitet beschrieben. Nun, heute würde man Eric Menchons Küche mit dieser Umschreibung sicher nicht mehr gerecht werden.
Es brauchte noch bis zur Ausgabe 1992, bis dann auch beim Gault Millau die Post abging und statt Plattitüden das kreative Potential des Duos Menchon / Moissonnier erkannt und gefeiert wurde.
Irgendwann in dieser Zeit muss es wohl auch gewesen sein, dass wir das erste Mal dort zu Besuch waren. Schon damals waren die Gerichte detailliertest beschrieben, die Grenzen zwischen Vorspeisen und Hauptgerichten fließend und ein Menü gab es nicht. Letzteres hat sich geändert, alles andere nicht. Genau so wenig wie die quirlige Atmosphäre, der jungenhafte Charme des scheinbar nicht alternden Patrons oder die zahlreichen Teller pro Gericht, die der Service dann doch immer irgendwie geschickt auf den kleinen Tischen unterbringt. Es war damals Liebe auf den ersten Blick und Biss. So köstlich, ungewohnt und in unkonventionellem Ambiente hatten wir bis dahin kaum irgendwo gegessen. Solche Liebesgeschichten dauern dann bei mir auch immer lange an und sind ein guter Anlass, die eigene Liebesgeschichte, die ein wenig länger andauert als die des „Le Moissonnier“ zu feiern. Nicht zum ersten Mal zelebrieren wir hier also unseren Jahres- und mittlerweile auch Hochzeitstag und lassen das Wochenmenü beiseite und wählen jeweils à la Carte.
Das Amuse Bouche fällt erfahrungsgemäß immer etwas zurückhaltend aus, so als wolle die Küche bewusst noch Raum zum Hochschalten der Gänge haben. Und so ist der geräucherte Aal, in einer kleinen Sülze gearbeitet und mit etwas Salat und Kopfsalatcreme angerichtet vor allem leicht und charmant.
Amuse Bouche: Geräucherter Aal, Kopfsalatcreme
Von gewohnt ausgezeichneter Qualität die Brotauswahl und Butter.
Neben den Kreativgerichten gibt es auf der Karte seit jeher einige wenige Klassiker wie Austern, die südfranzösische Fischsuppe oder die Foie Gras. Mit letzterer startet mein Mann in sein Menü. Die Terrine sehr traditionell und schmelzig zubereitet mit feinem Gewürztraminer-Gelee und einem kleinen Salat und Brioche.
Unsere eigene Entenleberpastete, Gewürztraminer-Gelee...
Für mich geht es mit dem Meerhecht los, der zum einen recht puristisch mit einer Beurre Blanc kommt, die etwas würziger ausfällt, was ich dem Marc d'Irouleguy zuschreibe, mit der sie aromatisiert ist.
Separat betört eine Variation von verschiedenen Zwiebeln. Perlzwiebeln, Roscoff, rote und weiße sowie eine Soubise, die klassische Zwiebelsauce, deklinieren das Thema elegant durch. Zusammen mit der Comté-Creme ergibt sich ein angenehm fülliges Geschmacksbild.
Umami liefert der zweite Teller à part, der mit einer intensiven Champignon-Essenz mit Sellerie und Totentrompeten aufwartet. In Summe ist das eine sehr schöne erdige Einfassung für den perfekt gegarten Fisch.
Meerhecht-Filet pochiert und gebraten in Piment d'Espelette auf Beurre Blanc mit Marc d'Irouléguy
Zwiebel-Variation
Gegrillter Sellerie und Consommé von Champignons
Der rote Thunfisch im nächsten Gang ist kurz angebraten und neben gegrillten Frühlingszwiebeln mit einem leichten Crunch versehen. Der eigentliche Star in diesem Gang ist für mich aber der Teller mit den Kürbisravioli, die mit Krebsfleisch gefüllt sind und denen eine intensive, tiefgründige Krustentierjus angegossen wird.
Als frisches Element dient ein Salatröllchen mit Nordseekrabben.
Filets vom roten Thunfisch kurz angebraten mit Zitrus-Schaum und gegrillten Frühlingszwiebeln
Dünner Kürbis-Raviolo gefüllt mit Taschenkrebsfleisch und Frischkäse auf Schalentier-Jus
So gut der Thunfisch auch ist: in der internen Tischwertung macht meine Wahl hingegen das eindeutige Rennen. Betitelt als „Comme une Bouillabaisse légère“ kommen sauber aufgereiht Petersfisch, Drachenfisch und Kaisergranat in ausgezeichneter Qualität und Garung mit einer leichten, aber deswegen nicht weniger klasse schmeckenden Bouillabaisse.
À part und ganz minimalistisch ein dünn aufgeschnittener Oktopus, der vom Grillen ein ganz zartes Raucharoma mitbekommen hat und etwas kräftige Rindersauce.
Um den ersten Platz als Hauptdarsteller in diesem Ensemble kämpft auch noch das Panini vom geräucherten Butterfisch mit, der nicht nur eine tolle krosse Hülle als Textur liefert, sondern mit diversen Cremes für sich genommen bereits ein eigenständiges Gericht sein könnte.
Da ich mich kaum entscheiden kann, welchen der drei Teller ich köstlicher finde, kann ich, wie so oft hier, nur permanent hin- und her probieren. Eine tolle Komposition!
Sankt-Petersfisch, Drachenfisch und isländische Langustine auf Bouillabaisse-Emulsion
Panini von geräuchertem Butterfisch auf Eierschaum und Kapernpaste
Dass auf dem Hauptteller nicht unbedingt immer das feinste Stück vom Tier die Hauptrolle spielen muss, zeigt sich mit den Bonbons vom Limousin-Lammnacken. Gegrillt und geräuchert bringt alleine schon viel Aromatik ins Spiel, aber zusammen mit der Harissa ergibt sich eine wunderbare Würzigkeit.
Der ebenfalls gegrillte Rücken lässt zwar die Kümmel-Marinade nicht wirklich erkennen, bekommt aber mit der schönen Jus einen recht klassischen Anstrich.
Damit es aber nicht nur Fleisch gibt, reicht Menchon noch gepressten, recht festen Couscous, der mit Minz-Joghurt eine leicht arabischen Touch in das Gericht bringt.
Limousin-Lamm gegrillt und mit Wacholder geräuchert, Bonbons vom Lammnacken mit Trockenfrüchten und hausgemachter Harissa
Der Rücken mariniert mit Kümmel und auf Holzkohle gegrillt an Oliven-Bergamotte Puder
Gepresster Couscous und grüner Spargel-Krapfen mit Nanah Minz-Joghurt und gebratenen Kräuterseitlingen
Auf meiner Seite des Tisches wird derweil ein Ensemble aufgebaut, bei dem sich die Frage nach dem Protagonisten ausnahmsweise mal nicht stellt. Auf getoasteten Briochescheiben ist super zart gegrilltes Short Rib mit etwas Foie Gras geschichtet. Mit der großartigen BBQ-Sauce ist alleine diese Kombi schon fabelhaft, dass ich die übrigen Teller fast nicht bräuchte.
Die Polentataler mit gegrilltem Lauch und Parmesan sind relativ mild und holen alles etwas runter, die Crème Brûlée von Mais und Curry ist für die milde Cremigkeit zuständig. Aber alles überstrahlend bleibt das großartige Fleisch.
Rinder-Short-Rib gegrillt und lackiert mit Süßholz auf getoasteter Brioche mit Foie Gras, BBQ Sauce
Weiße Polenta mit Petersiliencreme
Beim Dessert entscheidet sich meine bessere Hälfte wie so oft für das Schokoladige, hier in Form eines Parfaits mit Karamellfüllung auf Crumble. Die karamellisierten Erdnüsse bilden die Brücke zu dem fantastischen Erdnussbutter-Eis, das auf einer Wasabi-Ganache gebettet ist.
Caramelia Schokoladen-Parfait mit Karamellfüllung auf dunklem Schokoladen-Crumble, Erdnüsse karamellisiert auf kantonesische Art, Chouchou von Kakaobohnen-Bruch
Sesam Erdnussbutter-Eis mit Wasabi-Ganache und -Puder
Für mich wird es deutlich fruchtiger. Eine luftige Molke-Mousse harmoniert mit Blaubeergelee, Joghurt und Biskuit-Brösel sehr schön, bleibt aber auch etwas unaufregend. Toll hingegen ist das Espuma vom Cheesecake mit Ahornsirup-Flocken. Das Eis hingegen hat zwar eine ausgezeichnete Konsistenz, lässt aber den Wacholdergeschmack nur dezent erkennen und bleibt deshalb etwas lau.
Ich bin nicht unzufrieden, aber das Dessert auf der anderen Seite ist diesmal der Winner.
Molke Mousse und Schokoladen-Mandel-Biskuit mit Blaubeergelee, Joghurt-Puder und Bienennest-Hippe
Espumas von Cheesecake, Cassis Sirup von der Île d'Orléans, Ahornsirup-Flocken
Zu den unverwüstlichen Klassikern im „Le Moissonnier“ gehören ein Macaron, ein Karamellbonbon und der Orangen-Lolly als Petits Fours, die auch diesmal nicht fehlen dürfen.
Petits Fours
Auch nach 32 Jahren hat das „Le Moissonnier“ nichts von seiner Strahlkraft für mich verloren. Eric Menchons Kreativitätsmaschine läuft unermüdlich weiter. Arabische Akzente geben den Gerichten häufig einen besonderen Kick. Dieses Mal fand ich den Einsatz von Gegrilltem sehr gelungen.
Ob die Satellitenteller in den einzelnen Gängen immer einen direkten Bezug haben müssen, finde ich nicht wichtig. Bei vergangenen Besuchen war nicht immer sofort erkennbar, ob sie eine bewusste Ergänzung oder Kontrastierung sein sollten. Trotzdem machte das Querprobieren und -kombinieren immer schon Spaß.
In diesem Menü empfand ich vieles als sehr stimmig und zueinander gehörend, ob als texturelle und geschmackliche Ergänzung. Ganz herausragend waren hierbei meine „Bouillabaisse“-Interpretation und das Short Rib. Alleine für diese Gänge hätte sich der Besuch bereits gelohnt.
Und genau für diese Erlebnisse, diese Überraschungsmomente, die fabelhaften Produktqualitäten und originellen Zubereitungen komme ich auch weiterhin gerne wieder. So ist das eben mit Liebesgeschichten, die andauern.
Bericht und sämtliche Bilder auch auf tischnotizen.de/le-moissonnier-koeln-2/