Ich gehe gern und gut essen und schreibe auch darüber. Rein privat, aus Spaß und nicht kommerziell.
Vorwiegend, aber nicht nur, besuchen wir sogenannte Gourmet-Restaurants und reisen dafür auch gezielt durch Deutschland und ins europäische Ausland.
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Bewertungs-Statistik
Insgesamt 103 Bewertungen 137370x gelesen 2537x "Hilfreich" 2513x "Gut geschrieben"
Besucht am 18.08.2018Besuchszeit: Abendessen 3 Personen
Rechnungsbetrag: 96 EUR
Hoch im Norden. Ganz weit hoch im Norden. Danach kommt nur noch Dänemark. Eine Freundin ist nach Flensburg gezogen und nach nahezu 20 Jahren ist das also die Gelegenheit, mal wieder Fördeluft zu schnuppern.
Die gastronomische Landschaft, die etwas gehobene zumal, ist allerdings arg überschaubar. Ein paar Kilometer entfernt in Glücksburg gibt es mit Dirk Luthers „Meierei“ ein großartiges Zweisterne-Restaurant, das wir vor 3 Jahren schon einmal besucht hatten. Gerne hätten wir einen Abend dort verbracht. Die sommerlichen Schließzeiten verhindern dies indes. Also den Online Guide Michelin befragt – er weist exakt 1 (in Worten ein!) Restaurant für Flensburg aus. Ein Burgerrestaurant. Der Michelin ist auch nicht mehr, was er mal war.
Also geben wir unser kulinarisches Schicksal ganz in die Hände unserer Freundin und vertrauen ihrer Empfehlung, die „Jessens's Fischperle“, hübsch gelegen an der Hafenpromenade, als das beste Fischrestaurant der Stadt preist. Zugegeben: sie ist mit dem Inhaber persönlich befreundet, aber tatsächlich scheint die Reservierungssituation diesen Ruf zu bestätigen.
Für den folgenden Tag um 18 Uhr – eine Zeit, die ich für gewöhnlich mit Altersheim-Abendmahlzeiten verbinde – ist nur noch mit Ach und Krach etwas zu bekommen, danach sowieso nicht mehr. Selbst die mittlerweile etwas arg frische Terrasse füllt sich zu dieser Zeit erheblich. Wir bevorzugen den Aufenthalt im Warmen und sind etwas konsterniert, als wir zu dritt an einem Tisch von etwa 60 x 60 cm maximal platziert werden. Gemütlich ist anders.
Der Service ist flott, effizient und leidlich freundlich. Die Karte ist üppig mit mehr als 70 Positionen, dazu noch einige Tagesempfehlungen auf der Tafel. Dass der Fisch frisch ist, will ich in dieser Lage glauben, nicht nur, weil es in der Karte ausdrücklich vermerkt ist. Lediglich Garnelen würde man als TK zukaufen. Soll mir recht sein – hatte ich eh nicht vor zu bestellen.
Ich starte mit der friesischen Bouillabaisse. Die bietet exakt das, was die Karte verspricht. Reichhaltige Fischeinlage, Krabben und eine Gemüsebouillon. Optisch macht das allerdings nicht viel her. Mit Bouillabaisse verbinde ich halt doch immer noch eine eher rot von Krustentieren und Safran gefärbte intensive Fischsuppe. Irgendwie habe ich das wohl mit der Gemüsebouillon überlesen. Der Fisch ist in Ordnung, die Suppe fettig und geschmacksarm. Auch die hausgemachte Aioli kann da nichts retten. Sie ist ebenso schwachbrüstig wie die Suppe und so weit von einer Rouille entfernt wie die Sonne vom Mond.
Meine bessere Hälfte gönnt sich hausgebeizten Lachs mit Orangensenf und Rösti als Vorspeise. Beim Kräuterrührei vermisse ich die Kräuter und ein zusätzliches Salatbouquet macht dies zu einer ausgewachsenen Mahlzeit. Wir ahnen, dass es bei diesen Portionen unter Umständen problematisch werden könnte, mehr als einen Gang zu bestellen. Ansonsten ist an dem Gericht nicht viel auszusetzen.
Für mich geht es weiter mit Flensburger Pannfisch. Das sind im wesentlichen vier Fischfilets, die recht ordentlich gebraten sind. Identifizieren kann ich sie nicht wirklich, angesagt werden sie auch nicht. Dazu gibt es Wirsing in einer guten Senfsauce, etwas kross gebratenen Speck, erneut Rührei (was haben die hier nur andauernd mit so viel Eiern??) und einer unmotivierten Scheibe Wassermelone als Deko. Separat im Schälchen noch Bratkartoffeln, die mit Speck und Zwiebeln gebraten sind. Das ist wahrlich kein Teller für Cholesterinfanatiker. Mein Kardiologe wäre not amused...
Mein Mann hat Lust auf den Flensburger Heringsschmaus. Neben einem Brathering, Matjesfilet nach Hausfrauen Art und Bismarck-Hering finden sich noch Rote Bete und Bratkartoffeln auf dem reichhaltig bestückten Teller. Ach ja – und eine unmotivierte Scheibe Wassermelone. Auch hier ist die Qualität nicht zu beanstanden, aber nach dem Lachsteller muss sich auch der kräftige Mahlzeiten erprobte beste Ehemann der Welt mächtig anstrengen, nichts zurück gehen zu lassen.
Unsere Freundin, von Haus aus eine eher schmale Esserin, begnügt sich nach dem Verzicht auf die Vorspeise mit der norddeutschen Spezialität einer Gambarettipfanne. Heißt das wirklich so? Auf diversem Grillgemüse mit Parmesan finden sich eine Handvoll Garnelen. Im Schälchen dabei etwas Süßkartoffelgratin, das etwas arg pampig mit Käse überbacken ist. Ach ja – und eine unmotivierte Scheibe Wassermelone. Ich habe das nicht probiert, aber angeprickelt hat es mich alles schon optisch nicht. Unsere Freundin war aber – leidlich – zufrieden.
Nachtisch geht nach diesen Mengen ohnehin nicht mehr. Aber die Karte bietet sowieso nur allerlei Belangloses zwischen diversen Eisgerichten und Roter Grütze. Da ist man mit einem Schnaps, der in diesem Fall auf's Haus geht, deutlich besser bedient.
Getränketechnisch ist man hier mit Bier deutlich besser aufgehoben als mit Wein. Warum ich in Flensburg allerdings Bitburger trinken muss, muss ich wohl nicht verstehen.
Das war also die Fischperle, das vermeintlich beste Fischrestaurant Flensburgs. Dass ich hier keine gourmetmäßige Raffinesse erwarten würde, war mir schon klar. Und gegen rustikale, deftige Küche habe ich auch gar nichts einzuwenden. Trotzdem hat mich das hier ziemlich unbefriedigt zurück gelassen. Den Gerichten hätte etwas Beschränkung schon gut getan. So war es einfach nur viel. Ordentlich ja, aber vor allem viel. Das macht dann irgendwann einfach keinen rechten Spaß. Und was soll die bescheuerte Wassermelone bei nahezu jedem Gericht?
Atmosphärisch war das leider auch nur ein sehr eingeschränktes Vergnügen. Abgesehen vom viel zu kleinen Tisch, den wir erst mal leer räumen mussten, um überhaupt alle drei Hauptgerichte zu platzieren, verströmt das Restaurant eine seltsame Mischung aus Kantine und Kombüse.
Der nächste Besuch in Flensburg kommt also definitiv erst wieder, wenn in Glücksburg kein Urlaub mehr ist. Da findet sich dann auch die richtige Perle.
Hoch im Norden. Ganz weit hoch im Norden. Danach kommt nur noch Dänemark. Eine Freundin ist nach Flensburg gezogen und nach nahezu 20 Jahren ist das also die Gelegenheit, mal wieder Fördeluft zu schnuppern.
Die gastronomische Landschaft, die etwas gehobene zumal, ist allerdings arg überschaubar. Ein paar Kilometer entfernt in Glücksburg gibt es mit Dirk Luthers „Meierei“ ein großartiges Zweisterne-Restaurant, das wir vor 3 Jahren schon einmal besucht hatten. Gerne hätten wir einen Abend dort verbracht. Die sommerlichen Schließzeiten verhindern... mehr lesen
3.0 stars -
"Fische für Bauarbeiter" tischnotizenHoch im Norden. Ganz weit hoch im Norden. Danach kommt nur noch Dänemark. Eine Freundin ist nach Flensburg gezogen und nach nahezu 20 Jahren ist das also die Gelegenheit, mal wieder Fördeluft zu schnuppern.
Die gastronomische Landschaft, die etwas gehobene zumal, ist allerdings arg überschaubar. Ein paar Kilometer entfernt in Glücksburg gibt es mit Dirk Luthers „Meierei“ ein großartiges Zweisterne-Restaurant, das wir vor 3 Jahren schon einmal besucht hatten. Gerne hätten wir einen Abend dort verbracht. Die sommerlichen Schließzeiten verhindern
Besucht am 02.06.2018Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 256 EUR
Auf der Liste reizvoller touristischer Ziele hat es Mannheim bei mir bisher nicht weit nach oben geschafft. Die Quadratestadt hat sich mir vor allem durch die pragmatische, wenn auch eigenwillige Straßenbezeichnung der Innenstadt eingeprägt, die nur aus bloßen Buchstaben besteht. Nüchterne Sachlichkeit pur für recht trostlose, aber typische Nachkriegsarchitektur.
Irgendwie passt zu dieser Skurrilität eine weitere Besonderheit, die schon länger deutlich mehr mein Interesse geweckt hatte. Von den fünf Sternerestaurants der Stadt befinden sich drei entweder im Kaufhaus (Opus V und Corange) oder in einer Einkaufspassage. Dort, im Foodcourt des „Stadtquartier Q6 Q7“, befindet sich das „Emma Wolf“, benannt nach der Großmutter des Küchenchefs Dennis Maier, der zuvor in Juan Amadors „Sra Bua“ in Frankfurt für die Küche verantwortlich zeichnete.
Von außen signalisiert das „Emma Wolf“ mit einigen Außenplätzen erst mal etwas Größe, aber die sind vermutlich eher für das schnellere Mittagsgeschäft gedacht. Der eigentliche Restaurantraum ist ziemlich klein, im Bistrostil eingerichtet und grenzt direkt an die offene Küche an. Alles irgendwie sehr ungewohnt für ein (Casual) Fine Dining Erlebnis, aber nicht ungemütlich.
Die Karte beschränkt sich klugerweise auf eine überschaubare Anzahl von à la Carte Gerichten (je 3 Vorspeisen 13-17€, Zwischengerichte 15-19€, Hauptgerichte 21-36€ und Desserts 11-12€) oder ein Menü von 3 – 5 Gängen 54 – 85€, wobei hierbei das Gedeck und Tafelwasser inbegriffen sind.
Wir entscheiden uns für das Menü mit einer kleinen Änderung, weil mich im Zwischengang die Taube anlacht, was kein Problem darstellt.
Zum Apéritif schickt die Küche einen Kartoffelchip mit Gurke und einer deutlich mit Knoblauch abgeschmeckten Karottencreme. Einfache Zutaten, trotzdem raffiniert.
Als Amuse Bouche gibt es erneut eine Kombination recht einfacher Zutaten. Tomate, Gurke und Schaum vom griechischen Joghurt ist vor allem durch die Gurke ausgesprochen würzig, aber gleichzeitig auch sehr erfrischend, was uns angesichts der sommerlichen Außentemperaturen sehr gelegen kommt.
Es ist Spargelzeit und zum Beginn des Menüs setzt Dennis Maier diesen in einen leicht asiatischen Kontext. Als Garnitur dienen Kräuter und Wakame-Algen, die eher für die Optik sind, aber nicht entscheidend zum Geschmack beitragen. Großartig und dominierend ist hingegen der Yuzu-Nussbuttersud, den der Service angießt. Hier vereinen sich reichhaltiger Buttergeschmack mit säuerlicher Yuzu und beides passt hervorragend zum Spargel. Toller Start!
Weiter geht es mit hauchdünn geschnittenen Calamaretti, nur leicht ansautiert und sehr zart mit einem Sud von Erbsen und frischen Erbsen sowie Tagliasca-Oliven. Mir als Erbsen-Fan hätten es gerne ein paar mehr Exemplare sein dürfen. Meinem allerliebsten Mann, der Erbsen nicht zu seinem allerliebsten Gemüse zählt, waren es zu viele. Wie man's macht...
Das Gericht ist nicht besonders komplex, aber originell komponiert und einfach gut.
Beim Zwischengang teilen sich die Wege. Für meinen Mann folgt im Menü das Secreto vom Iberico-Schwein mit Pak Choi. Die Consommée vom Schwein ist sehr kräftig und weist deutliche Noten von Knoblauch und Pfeffer auf.
Für mich gibt es die perfekt gegarte Taubenbrust mit Tonkabohnenpüree in einer tollen, intensiven Jus. Hanfsamen sorgen für Crunch. Das ist optisch und geschmacklich top. Ich bin ausgesprochen glücklich, mich für diesen Gang entschieden zu haben.
Etwas untypisch gibt es im Hauptgang Fisch und zwar den nicht allzu häufig anzutreffenden Knurrhahn. In letzter Zeit begegnet uns immer häufiger Salat als warme Gemüsebeilage. So auch hier mit dem Romanasalat, bei dem wieder die Hanfsamen etwas Crunch beisteuern. Anders als im ersten Moment angenommen, ist das Gericht insgesamt recht kräftig, was unter anderem auch an der würzigen Paprikacreme und der Safransauce liegt.
Optisch stimmig präsentiert sich das Dessert, das sinnigerweise „Pretty in Pink“ betitelt ist. Eine veritable Orgie in rosa kombiniert Himbeeren, Rote Bete und Mascarpone. Die Rote Bete bleibt ziemlich dezent und eher auf der süßen Seite. Wo sich die angekündigte Kaktusfeige verbirgt, ist nicht genau auszumachen. Ich schätze, dass sie in Kombination mit Himbeeren im Sorbet verarbeitet ist. Kann aber auch ganz anders sein. In jedem Fall ist dies ein guter und leckerer Abschluss.
Wer hätte gedacht, an diesem ziemlich ungewöhnlichen Ort so ein klug durchdachtes Menü zu bekommen? Dennis Maiers Küche verzichtet auf allzu große Extravaganzen, ist einfach zugänglich und bietet doch eine ganze Reihe Raffinessen. Die Garzeiten stimmen, hier wird mutig abgeschmeckt und dass es nicht immer teuerste Zutaten braucht, um etwas Originelles zu kreieren, ist ein weiterer positiver Effekt.
Erfreulich auch das Preisniveau, das sich in der Weinkarte fortsetzt. Zwar ist das Angebot sehr überschaubar, was möglicherweise den eingeschränkten Platzmöglichkeiten geschuldet ist, aber fündig werden sollte man trotzdem.
Der Service ist freundlich und so locker professionell, wie man es an diesem Ort erwartet. Wir sind die letzten Gäste und können der Küche beim Saubermachen zusehen. Beim Digestif sinnieren wir über den schönen Abend und dass es manchmal nicht darauf ankommt, wo man isst. Auch ein Foodcourt kann offenbar solche Perlen hervorbringen. Man muss sich halt auch nur mal an etwas mutigere Konzepte wagen.
Dass man es ausgerechnet in Mannheim in Q7 oder O5 findet, ist dann aber fast die eigentliche Überraschung.
Auf der Liste reizvoller touristischer Ziele hat es Mannheim bei mir bisher nicht weit nach oben geschafft. Die Quadratestadt hat sich mir vor allem durch die pragmatische, wenn auch eigenwillige Straßenbezeichnung der Innenstadt eingeprägt, die nur aus bloßen Buchstaben besteht. Nüchterne Sachlichkeit pur für recht trostlose, aber typische Nachkriegsarchitektur.
Irgendwie passt zu dieser Skurrilität eine weitere Besonderheit, die schon länger deutlich mehr mein Interesse geweckt hatte. Von den fünf Sternerestaurants der Stadt befinden sich drei entweder im Kaufhaus (Opus V... mehr lesen
Emma Wolf since 1920
Emma Wolf since 1920€-€€€Restaurant01632931718Q6/Q7, 68161 Mannheim
4.0 stars -
"Überraschung im Quadrat" tischnotizenAuf der Liste reizvoller touristischer Ziele hat es Mannheim bei mir bisher nicht weit nach oben geschafft. Die Quadratestadt hat sich mir vor allem durch die pragmatische, wenn auch eigenwillige Straßenbezeichnung der Innenstadt eingeprägt, die nur aus bloßen Buchstaben besteht. Nüchterne Sachlichkeit pur für recht trostlose, aber typische Nachkriegsarchitektur.
Irgendwie passt zu dieser Skurrilität eine weitere Besonderheit, die schon länger deutlich mehr mein Interesse geweckt hatte. Von den fünf Sternerestaurants der Stadt befinden sich drei entweder im Kaufhaus (Opus V
Besucht am 26.05.2018Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 514 EUR
Das Äußere lässt nicht immer unbedingt auf das Innere schließen. Im Hochparterre eines recht nüchtern wirkenden Bürokomplexes in der Hamburger Hafencity deutet außer einem dezenten Schriftzug an der Tür erst mal nicht all zu viel auf ein Gourmetrestaurant hin.
Tatsächlich aber eröffnet sich beim Betreten ein luftiges Ambiente mit einem dominierenden Olivenbaum in der Mitte des Raums und linker Hand in einem Glaskubus die einsehbare Küche.
Alles wirkt hier sehr hochwertig. Zalto-Gläser, bequeme Lederdrehstühle, die blanken Tische akkurat ausgeleuchtet, so als habe man sich hier von vornherein auf viele abfotografierte Teller eingestellt. Ich beschwere mich nicht. Auch nicht über die Aussicht auf die in der Ferne liegende Elbphilarmonie von meinem Platz aus.
Dieses Ambiente bietet die Bühne für Matteo Ferrantino, gebürtiger Apulier, der über viele Jahre Küchenchef an der Seite von Dieter Koschina in der zweifach besternten „Vila Joya“ an der portugiesischen Algarve war. Offenbar hat ein wohlhabender Stammgast ihn von dort in den deutschen Norden locken können mit der Mission, den kühlen Hanseaten südländisches Flair auf die Teller zu zaubern.
Im „Bianc“ hat der Gast die Wahl zwischen einem Marktmenü in 4, 5 oder 6 Gängen zu 90€, 110€ bzw. 130€ oder einem Menü „Emotion“ in 9 Gängen (150€), das im wesentlichen aus dem Marktmenü mit zusätzlichen Gängen besteht. Ein vegetarisches Menü wird ebenfalls angeboten in 4, 5 oder 6 Gängen (75€, 95€, 115€). Wir entscheiden uns für das Menü „Emotion“ mit Weinbegleitung.
Und schon bald steht ein fröhlich gelaunter Chef am Tisch, begrüßt uns mit „Ich bin Matteo“ und baut eine bunte Armada von kleinen Grüßen vor uns auf, die allesamt sehr verheißungsvoll aussehen.
Eine strahlend grüne Granny Smith Gazpacho überrascht mit einer Meerrettichnote, das auf Eis gelagerte Radieschen mit einem sehr prägnanten Büffelbutterton und die Austernperle mit Imperial-Kaviar mit einer verblüffenden Ähnlichkeit zu eben jener, die wir gerade zuvor in München hatten. Ganz herausragend das Tartar im Cornet. Das haben wir wahrlich schon oft in anderen Restaurants gehabt, aber selten so gut wie hier. Dieses Tartar ist außergewöhnlich gut gewürzt.
Optisch schön, aber geschmacklich etwas blass bleibt der Oktopus, der vor allem von der frittierten Unterlage dominiert ist. Sehr fein hingegen die Entenleber auf einem Mango-Macaron und die hauchdünne Tortilla mit Krabben, ebenso wie das elegante Parmesan-Sandwich.
Das Brot wird im „Bianc“ in einer Papiertüte serviert. Es ist ein luftiges Focaccia, das der Geschichte nach, die der Service oder wahlweise auch Ferrantino selbst gern erzählt, so ist, wie er es als Kind von seiner Mutter zur Schule mitgegeben bekommen hat. Dazu gibt es hervorragende, locker aufgeschlagene und gewürzte Büffelbutter und Oreganoblüten.
Das Menü startet mit einem kunstvollen arrangierten Ensemble aus Thunfisch, einer falschen Paprika, die mit Ziegenfrischkäsecreme gefüllt ist sowie zahlreichen anderen Elementen. Der Thunfisch bleibt dabei eher im Hintergrund, was ich ein wenig schade finde, auch wenn das Gesamtgeschmacksbild schon gefällig ist.
Separat gibt es noch eine falsche Olive, die man sinnvollerweise erst am Ende essen sollte. Sie enthält einen sehr konzentrierten Olivensaft, der einen ordentlichen mediterranen Nachhall hinterlässt.
Mit dem nächsten Gang erreicht uns einer der Höhepunkte des Abends, jedenfalls für mich. Artischocke, gebraten, roh, mariniert und als Creme, Burrata und Kapern sowie ein süffiger Sud katapultieren einen alleine schon in den Süden. Die ausgezeichneten Anchovis dazu setzen markante Salzspitzen. Das ist so schlüssig, so harmonisch und transportiert ein so klares Bild vor Augen, dass mir nichts einfällt, was man daran besser machen könnte.
Sehr reduziert geht es weiter mit einem Langostino auf weißem Spargel und einem Sud von Olivenöl und Limette. Das hat eine so ausgeprägte Säure, dass es dringend den dazu gereichten Riesling vom Karthäuserhof braucht, um das abzupuffern.
Vor allem in der spanischen Küche ist die Kombination von Land und Meer eine weit verbreitete. Matteo Ferrantino spielt das ebenfalls sehr gekonnt aus mit einem Steinbutt in toller Qualität, Sepia als leicht gegartes Tartar, in das Erbsen eingearbeitet sind und Schweinekinn. Die Sepiajus dazu unterstreicht den kräftigen Charakter des Gerichtes. Das gefällt mir sehr gut und stellt auch in der Menüabfolge eine logische Steigerung dar.
Einen aromatischen Gang zurück geht es mit dem Hummerreis und Steinpilzen. Ausdrücklich nicht als Risotto ausgewiesen, hat es dennoch ein wenig den Charakter, wobei mir der Reis einen winzigen Tick zu fest ist. Das dürfte aber Geschmackssache sein. Insgesamt ist das sehr harmonisch und mild.
Die Fleischgänge läutet die Miéral-Perlhuhnbrust ein, der Ferrantino erneut etwas aus dem Meer an die Seite stellt. Die Jakobsmuschel ist ebenso wie das Perlhuhn sehr zart. Eigelbcreme sowie Mais geben mit der kräftigen Jus sehr passende Mitspieler. Irritiert sind wir von den falschen Gnocchi, die uns viel zu weich sind. So sehr uns manche Molekularspielerei durchaus noch Spaß macht, erschließt sich hier der Sinn nicht. Auch wenn es das Gericht vielleicht in eine zu traditionelle Richtung geschoben hätte, wären uns ein paar klassische Gnocchi an dieser Stelle passender erschienen. In Summe trotzdem ein guter Gang.
Und auch beim Ibérico Schwein, das zwar relativ fest, aber dennoch zart ist, kombiniert Ferrantino noch einmal Krustentier mit Fleisch. Drei Stücke eines stattlichen Carabineros sowie Chorizo und eine Tomatencreme sind ausgesprochen würzig, was durch die stark einreduzierte Jus noch unterstrichen wird. Die Kombination geht sehr gut auf und vor allem das tolle Saucenhandwerk begeistert mich auch bei diesem Gang wieder.
Beim ersten Dessert beeindruckt, wie auch bei vielen vorherigen Gängen, bereits die Präsentation, die im „Bianc“ ganz maßgeblich auch vom verwendeten Geschirr mit beeinflusst ist.
Auf einem schaumig aufgeschlagenen, sehr üppigen Joghurt sind Himbeeren in Variationen drapiert. Der dazu gereichte Rhabarber unterstreicht den frischen und säuerlichen Charakter. Das ist abwechslungsreich und bietet im Zusammenspiel mit dem welligen, roten Glasteller eine faszinierende Optik.
Mit Erdbeeren als Eis, Gelee, Ganache und Creme sowie Kokos als Panna Cotta, pur und als geeiste Perlen findet das Menü seinen stimmigen Abschluss. Bergamotte ist nur ganz leicht herauszuschmecken, Basilikum ebenfalls nur sehr dezent. Das ist elegant und zeugt von erkennbar hohem Aufwand. Das wichtigste aber ist natürlich, dass es auch sehr gut schmeckt.
Das war ein sehr starker Auftritt, den Matteo Ferrantino mit diesem Menü hingelegt hat. Es gab in der Tat keinen schwachen Gang, dafür einige starke Höhepunkte wie die Artischocke, den Steinbutt oder das Ibérico Schwein. Wo andere Spitzenköche sich und dem Gast häufig beweisen wollen, dass sie Einflüsse aus allen möglichen Kulturen in ihre Gerichte einfließen lassen können, was dann mitunter zu einer Verwischung des eigenen Profils führen kann (wenn auch nicht muss!), ist die Linie im „Bianc“ ganz klar und eindeutig. Wir befinden uns am Mittelmeer. Mal mehr in Italien, mal mehr in Spanien, ab und zu auch an der Côte d'Azur und ein wenig Portugal schimmert hier und da sicherlich auch durch. Aber die Bilder, die Matteo Ferrantino vermittelt, zaubern in der Tat immer südliche Assoziationen hervor. Und damit muss man konstatieren, dass die Mission wohl gelungen ist.
Die Weinbegleitung konnte zwar mit bekannten Namen (Gauby, Wassmer, Benoit Ente, Filipa Pato) glänzen, dort jedoch mit überwiegend jüngeren und einfacheren Weinen. Was teilweise irritierte, war der Service hierzu. Häufig gab es zur Erklärung einen Probeschluck, dann wurde nachgeschenkt, mitunter aber blieb es bei dem, was zu Beginn eingeschenkt war und das eben mengenmäßig dann doch recht knapp ausfiel, weil es unserer Meinung nach eben doch noch der Probierschluck war. Nun erwarten wir bei 8 verschiedenen Weinen nicht üppig eingeschenkte Gläser, aber hier fiel es einfach zu inkonsistent aus. Das blieb dann aber auch schon das einzige, das am Service zu bemängeln wäre. Ansonsten ist man hier ausgesprochen herzlich unterwegs.
Auch Matteo Ferrantino selbst ist sehr präsent. Im Restaurant gibt er den charmanten Gastgeber, ist sich für kein Foto zu schade, selbst wenn Gäste nahezu aufdringlich ihre Handykameras an die Durchreiche am gläsernen Pass halten. Nach einem halben Jahr scheint er seinen Platz in der Hansestadt gefunden zu haben. Auch ein TV-bekannter Koch, der an diesem Abend mit größerer Gruppe den Weg ins „Bianc“ findet, wird wie ein alter Freund begrüßt. Er scheint angekommen zu sein. Und man kann nur hoffen, dass er bleibt. Denn seine Küche ist eine echte Bereicherung. Nicht nur für Hamburg.
Das Äußere lässt nicht immer unbedingt auf das Innere schließen. Im Hochparterre eines recht nüchtern wirkenden Bürokomplexes in der Hamburger Hafencity deutet außer einem dezenten Schriftzug an der Tür erst mal nicht all zu viel auf ein Gourmetrestaurant hin.
Tatsächlich aber eröffnet sich beim Betreten ein luftiges Ambiente mit einem dominierenden Olivenbaum in der Mitte des Raums und linker Hand in einem Glaskubus die einsehbare Küche.
Alles wirkt hier sehr hochwertig. Zalto-Gläser, bequeme Lederdrehstühle, die blanken Tische akkurat ausgeleuchtet, so als... mehr lesen
5.0 stars -
"Der Süden ist im Norden angekommen" tischnotizenDas Äußere lässt nicht immer unbedingt auf das Innere schließen. Im Hochparterre eines recht nüchtern wirkenden Bürokomplexes in der Hamburger Hafencity deutet außer einem dezenten Schriftzug an der Tür erst mal nicht all zu viel auf ein Gourmetrestaurant hin.
Tatsächlich aber eröffnet sich beim Betreten ein luftiges Ambiente mit einem dominierenden Olivenbaum in der Mitte des Raums und linker Hand in einem Glaskubus die einsehbare Küche.
Alles wirkt hier sehr hochwertig. Zalto-Gläser, bequeme Lederdrehstühle, die blanken Tische akkurat ausgeleuchtet, so als
Besucht am 23.06.2018Besuchszeit: Abendessen 6 Personen
Rechnungsbetrag: 1000 EUR
Da es noch mindestens anderthalb Monate dauert, bis ich meinen Bericht zum kulinarischen Gipfeltreffen mit den Kollegen Borgfelder und Carsten1972 sowie ihren charmanten Frauen, auf meinem Blog veröffentliche (5 andere Besprechungen sind noch vorher dran), habe ich mich entschieden, meinen Text schon mal vorab hier zu posten. Das macht den direkten Vergleich zu Carstens Rezi vielleicht doch etwas leichter. Andererseits, so hat es mir auch mein Mann gesagt, müsste ich eigentlich gar nichts mehr schreiben, weil Carsten den Abend hinreichend und ausgesprochen treffend besprochen hat.
Aber ich kann's ja doch nicht lassen. Also hier mein Bericht:
Die Szenerie muss dem Service schon etwas skurril vorgekommen sein. Da reserviert eine Gesellschaft von drei Paaren ausgerechnet an dem Tag, als die deutsche Fußballnationalmanschaft gegen Schweden um das Überleben der WM-Vorrunde kämpft, einen Tisch und wird auch den gesamten Abend über das Restaurant mangels weiterer Gäste für sich behalten. Bei jedem Gang fallen mindestens vier Smartphones heuschreckenartig über das Servierte her, noch ehe die Ansage abgeschlossen ist. So ist das, wenn eine Gruppe von Hobbykritikern essen geht. Der Service nimmt es erfreulich entspannt, wofür ihm im Nachhinein noch Dank gebührt.
Die WeinBasis ist also unser Ziel. Unser letzter Besuch liegt, obwohl in unserer Heimatstadt gelegen, erschreckenderweise auch schon wieder zwei Jahre zurück, so dass ich neugierig bin, ob oder was sich wohl verändert haben mag. Die Karte beschränkt sich auch weiterhin auf ein Menü von 3 bis 6 Gängen(49 – 83Euro), dessen Gerichte auch einzeln bestellt werden können. Ergänzt wird das Angebot von einigen wenigen, vor allem vegetarischen, à la Carte-Alternativen.
Sebastian Wilkens, Wein-Mastermind und Mitinhaber, ist heute Abend nicht anwesend. So ist es an seiner Vertretung, uns darüber aufzuklären, dass es keine Weinkarte (mehr) gibt. Nachdem wir uns alle für das Komplettmenü entschieden haben, ist dies ein Dämpfer, denn natürlich erwartet man von einer Weinbar schon ein wenig Orientierung, um zu wissen, in welchen Regionen, auch preislich, man sich bewegt und ob es vielleicht irgend etwas gibt, auf das man spontan Lust haben könnte. So fühlen wir uns doch ein wenig eingeengt in unseren Möglichkeiten. Und jedes Mal nach dem Preis zu fragen, ist bei aller vorgenommenen Trinkabsicht, auch irgendwie blöd.
Nun denn – wir lassen uns davon nicht die Laune vermiesen, denn schließlich haben wir uns auf diesen Abend in dieser erstmaligen Konstellation und lange geplant, sehr gefreut.
Als erste Einstimmungen serviert Dennis Thies, der für die Küche verantwortlich zeichnet, ein Rindertartar mit einem Gel von Gewürzgurken und Kapern. Dazu ein paar Selleriestangen mit einer Tomatencreme sowie ein Kartoffelkissen, das mit einer BBQ-Creme gefüllt ist. Das ist alles sehr ordentlich gemacht, wobei mir das Beef Tartar aufgrund seiner Aromenvielfalt am besten gefällt.
Ganz ausgezeichnet dann das würzig, saftige Blutwurstbrot. Natürlich stellt man immer gerne Vergleiche mit dem Blunzenbrot aus dem „Steirereck“ in Wien an. Das ist ungerecht, denn dort gibt es die Mutter aller Blunzenbrote, ein Brot, das definitiv zu keinem Gang passt, aber für sich alleine so unfassbar köstlich ist, dass es alleine die Reise schon wert wäre. Auch das „Horváth“ in Berlin serviert ein Blunzenbrot. Kein Wunder, wenn man mal im „Steirereck“ gearbeitet hat. Die Version von Dennis Thies ist anders, aber auch sehr gut. Und es verdient erst mal sowieso Lob, diese schöne Idee adaptiert zu haben.
Optisch ganz stark dann der erste Gang, der vegetarisch ausfällt und Sellerie in den Mittelpunkt stellt. Flankiert von einem Onsenei, das mit seiner Cremigkeit alle übrigen Zutaten schön verbindet, ergibt sich ein abwechslungsreiches Texturspiel. Der Trüffel bleibt dabei recht dezent, was vermutlich auch daran liegt, dass diese helle Art Sommertrüffel häufig nicht viel Geschmack mitbringt. Dennoch in Summe ein sehr schöner Einstieg.
Vegetarisch geht es weiter mit einer Pilzkrokette auf einer Pilzcreme. Am Tisch angegossen wird dann eine sehr intensive Waldpilz-Essenz. Das ist Umami-Power pur und auch wenn die Krokette selbst etwas zurückhaltend bleibt, gefallen mir die Einzelkomponenten schon. Schließlich liebe ich Pilze und die Herstellung einer intensiven Pilzbouillon weiß ich aus eigener Erfahrung zu schätzen, denn das kann schon sehr aufwändig sein. Allerdings leidet hier für mein Empfinden die Optik doch arg sehr, denn nach dem Angießen vermischt sich alles zu einer relativ unschönen, unhomogenen und trüben Brühe. Mit ein wenig Feintuning oder einer veränderten Präsentation kann man aus dieser ansonsten guten Idee sicher mehr rausholen.
Wir befinden uns am letzten offiziellen Spargel-Wochenende und so finden sich im folgenden Gang Spargel und Austernpilze als sehr schöne Gemüsekombi zum, für meinen Geschmack, relativ festen Zander. Der Gargrad war am Tisch recht unterschiedlich getroffen. Ich hätte mir meinen etwas glasiger gewünscht. Geschmacklich sehr gut die Zitronen-Thymian-Hollandaise, die hier als Espuma kommt und natürlich extrem fluffig ist. Liegt es daran, dass ich bei Spargel wohl doch zu sehr Traditionalist bin, dass ich eine luftige, aber eben auch noch leicht fließende Sauce bevorzuge? Am Geschmack des Espumas gab es, wie gesagt, nichts zu meckern. Aber anders wäre eben auch schön gewesen.
Uneingeschränkt schön dann der Hauptgang mit Havelländer Apfelschwein, das super saftig gegart ist. Der kleine Würfel vom Bauch ist kross und so, wie es sein muss. Auch die Beilagen passen: Karottenröllchen mit Karottencreme und eine geräucherte Creme von Aubergine. Der besondere Clou aber ist die tiefgründige Jus, die durch Limette eine angenehm, leichte fruchtige Note bekommt.
Als Übergang zu den Süßspeisen gibt es gut gereiften Brie de Meaux mit einer intensiven Trüffelfüllung und Rotweinschalotten. Das ist eine klassische Kombination, die auch hier gut aufgeht und mit Shisokresse und dem krossen Brotchip schöne Mitspieler bekommt. Der schwache Sommertrüffel muss auch hier noch mal ran, kann aber erneut nur ein wenig zur Optik beisteuern.
Als Pré-Dessert darf ein bisschen Show sein. Im Glas ein Gurkensorbet mit ein paar Gurkenstückchen und einem Zitronengrassud – das stellt sich als sehr erfrischend heraus. Der Effekt wird aber unterstützt durch die am Tisch angegossene Flüssigkeit, die das Trockeneis zum Wabern bringt. Normalerweise nichts, was einen noch groß hinterm Ofen hervor locken würde. Aber, siehe da, hier gibt es tatsächlich eine Überraschung, denn mit dem Eisnebel breitet sich auch ein Geruch von Zitronengras aus, der den Geschmack auch olfaktorisch unterstützt.
Auch beim abschließenden Dessert darf es noch mal ein wenig effektvoll zugehen. Die mit Kokosnussschaum gefüllte Schokokugel wird am Tisch mit einer warmen Kokos-Rum-Milch übergossen und schmilzt postwendend. Das Pina Colada Sorbet ist köstlich und bietet den kühl erfrischenden Kontrast zur warmen Sauce.
Drei feine Petits Fours runden ein Menü ab, das mir gut gefallen hat. Dennis Thies' Küche ist moderat kreativ, handwerklich anspruchsvoll und legt Wert auf eine reizvolle Präsentation, die an der ein oder anderen Stelle ein wenig Finetuning vertragen könnte. Die Kleinigkeit beim Gargrad des Zanders ist in der Gesamtbetrachtung zu vernachlässigen.
Ein kritisches Wort muss ich aber doch noch mal zum Weinkonzept machen. Natürlich ist es immer möglich, sich vertrauensvoll in die Hände eines Sommeliers zu begeben. Das macht vor allem dann Spaß, wenn man den Sommelier kennt und der wiederum die Vorlieben des Gastes. Bei sechs unbekannten Gästen wird das schwer. Bis auf den großartigen Chardonnay vom Weingut Scheu aus Schweigen und die Riesling Auslese von Molitor konnte mich kein Wein wirklich vom Hocker reißen. Schwarzriesling aus Württemberg wird für mich auch nicht dadurch besser, dass Pinot Meunier auf dem Etikett steht. Zugegebenermaßen gab es am Tisch aber auch Freunde dieses eher leichten Rotweins. Zwar wurden uns über den Abend immer mal wieder 2,3 Flaschen zur Auswahl präsentiert, aber ich will mir ja nicht den ganzen Weinkeller auf den Tisch stellen lassen, bis ich das Passende gefunden habe. Und irgendwann stimmt man als Gast dann diesem oder jenem Vorschlag zu – auch, weil man den Betrieb nicht ewig aufhalten möchte. Es bleibt aber das unbefriedigende Gefühl, letztlich nicht das Beste, auf das man Lust haben könnte, bekommen zu haben.
Am Weinschrank suchte sich ein Teil der Tischgesellschaft noch einen gereiften Riesling aus, der tatsächlich einfach nur noch drüber und tot war. Die Flasche wurde fairerweise auch nicht berechnet. Aber generell gleicht die Weinauswahl mehr einem Blindflug und dass man nie wirklich weiß, außer man fragt explizit, wie das Ganze dann auf der Rechnung erscheint, halte ich aus Gästesicht auch für bedenklich und überdenkenswert.
Der ausgelassenen Stimmung tat dies keinen wirklichen Abbruch. Das Last Minute Tor von Toni Kroos hat zumindest die Fußballfans am Tisch noch mal kurzfristig jubeln lassen. Wie wir heute wissen, haben wir dennoch wohl nicht viel verpasst. Das Abendessen in der WeinBasis war jedenfalls deutlich unterhaltsamer.
Da es noch mindestens anderthalb Monate dauert, bis ich meinen Bericht zum kulinarischen Gipfeltreffen mit den Kollegen Borgfelder und Carsten1972 sowie ihren charmanten Frauen, auf meinem Blog veröffentliche (5 andere Besprechungen sind noch vorher dran), habe ich mich entschieden, meinen Text schon mal vorab hier zu posten. Das macht den direkten Vergleich zu Carstens Rezi vielleicht doch etwas leichter. Andererseits, so hat es mir auch mein Mann gesagt, müsste ich eigentlich gar nichts mehr schreiben, weil Carsten den Abend hinreichend... mehr lesen
4.0 stars -
"Top Gesellschaft, schönes Essen, befremdliches Weinkonzept..." tischnotizenDa es noch mindestens anderthalb Monate dauert, bis ich meinen Bericht zum kulinarischen Gipfeltreffen mit den Kollegen Borgfelder und Carsten1972 sowie ihren charmanten Frauen, auf meinem Blog veröffentliche (5 andere Besprechungen sind noch vorher dran), habe ich mich entschieden, meinen Text schon mal vorab hier zu posten. Das macht den direkten Vergleich zu Carstens Rezi vielleicht doch etwas leichter. Andererseits, so hat es mir auch mein Mann gesagt, müsste ich eigentlich gar nichts mehr schreiben, weil Carsten den Abend hinreichend
Geschrieben am 16.07.2018 2018-07-16| Aktualisiert am
16.07.2018
Das 3 Sterne Restaurant "La Vie" sowie das Schwesterrestaurant "TastyKitchen" haben am 15. Juli ihren Betrieb eingestellt. Mit der ausschließlichen Ausrichtung der Georgsmarienhütte Holding GmbH als Gesellschafter des "La Vie" auf Stahlherstellung und-verarbeitung habe man sich entschlossen, das Engagement in der Sternegastronomie zu beenden.
"Das la vie und die Stadt Osnabrück waren in den vergangenen 12 Jahren meine Heimat. Ich habe hier gemeinsam mit meinem Team all das erreicht, was ich mir immer erträumt habe und möchte mich daher nicht nur bei meiner Mannschaft, sondern auch bei der Georgsmarienhütte Holding GmbH, den Osnabrückern und Gästen aus aller Welt bedanken. Es war eine unglaubliche Reise, die nun zu Ende geht", so Thomas Bühner.
Das 3 Sterne Restaurant "La Vie" sowie das Schwesterrestaurant "TastyKitchen" haben am 15. Juli ihren Betrieb eingestellt. Mit der ausschließlichen Ausrichtung der Georgsmarienhütte Holding GmbH als Gesellschafter des "La Vie" auf Stahlherstellung und-verarbeitung habe man sich entschlossen, das Engagement in der Sternegastronomie zu beenden.
"Das la vie und die Stadt Osnabrück waren in den vergangenen 12 Jahren meine Heimat. Ich habe hier gemeinsam mit meinem Team all das erreicht, was ich mir immer erträumt habe und möchte mich daher nicht nur bei meiner Mannschaft, sondern auch bei der Georgsmarienhütte Holding GmbH, den Osnabrückern und Gästen aus aller Welt bedanken. Es war eine unglaubliche Reise, die nun zu Ende geht", so Thomas Bühner.
La Vie
La Vie€-€€€Sternerestaurant0541331150Krahnstraße 1-2, 49074 Osnabrück
stars -
"Betrieb eingestellt" tischnotizenDas 3 Sterne Restaurant "La Vie" sowie das Schwesterrestaurant "TastyKitchen" haben am 15. Juli ihren Betrieb eingestellt. Mit der ausschließlichen Ausrichtung der Georgsmarienhütte Holding GmbH als Gesellschafter des "La Vie" auf Stahlherstellung und-verarbeitung habe man sich entschlossen, das Engagement in der Sternegastronomie zu beenden.
"Das la vie und die Stadt Osnabrück waren in den vergangenen 12 Jahren meine Heimat. Ich habe hier gemeinsam mit meinem Team all das erreicht, was ich mir immer erträumt habe und möchte mich daher nicht nur
Besucht am 24.03.2018Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 346 EUR
Im Grunewald geht es ruhig zu. Hat man erst mal das lebhafte Zentrum der Hauptstadt um ein paar Kilometer verlassen, werden die Häuser größer und die Straßen leerer. Nun gut, die israelische Botschaft sorgt an der nächsten Straßenecke durch permanenten Polizeischutz für etwas Belebung. Aber ansonsten bietet nur das regelmäßige Klackern, das aus der provisorischen Tennishalle dringt, eine unablässige Geräuschkulisse. Ansonsten passiert hier scheinbar nicht viel. Inmitten dieser ruhigen Umgebung liegt die Villa, die auch zum Tennisverein gehört und die eines der besten Restaurants Berlins beherbergt.
Hier kocht Sonja Frühsammer, seit 2014 mit einem Michelin-Stern ausgezeichnet, ihr Mann Peter, in den Achtziger Jahren ebenfalls mit einem Stern dekorierter Koch kümmert sich um die Gäste und ist für seinen Weinkeller bekannt. Bemerkenswert ist diese Aufgabenteilung schon, denn es ist sicher nicht selbstverständlich, dass ein guter Koch zurück steckt, wenn er feststellen muss, dass seine Frau offenbar das größere Talent von beiden ist. Aber die Rollenverteilung scheint gut zu funktionieren, denn Peter Frühsammer fühlt sich sichtlich wohl als charmanter Gastgeber.
Dass wir an diesem Abend, in diesem Ambiente und in diesem Stadteil keine Extravaganzen und avantgardistischen, geschweige denn nordischen Tellerspielereien zu erwarten haben, ist uns klar. Aber dieser Berlin-Besuch ist ja kulinarisch ohnehin ein wenig der modernisierten Klassik gewidmet.
In „Frühsammers Restaurant“ gibt es ein Menü, das man wahlweise als Überraschungsmenü oder nach Ansage bekommen kann. Standardmäßig sind hierbei 5 Gänge vorgesehen, die mit verschiedenen Grüßen und dem Tischwasser mit 99 Euro berechnet werden. Aufstockung oder Reduzierung sind möglich und finden sich mit jeweils 10 Euro auf der Rechnung.
Wir entscheiden uns für 6 Gänge als Überraschung und die vielfach gelobte Weinbegleitung.
An diesem Samstagabend sind wir nahezu die ersten Gäste. Zügig werden die ersten Snacks serviert. Eine Joghurtsphäre mit Olive, eine Panna Cotta von Topinambur mit Haselnüssen und ein Tomatenbaiser mit Ziegenkäse machen sich gut zum Apéritif, wobei der Tomatenbaiser aufgrund des ausgeprägten Geschmacks bei mir den besten Eindruck hinterlässt.
Es folgt ein Amuse Bouche, das Kopfsalat als Mousse und roh geschnitten mit Radieschen und Rauchmandeln präsentiert. Finde ich die Idee, so etwas einfaches wie Kopfsalat mit einer Hauptrolle zu versehen noch sympathisch, ist mir die Ausführung dann doch etwas zu einfach. Die Mousse ist gut, der Rest einfach zu simpel. Eine verbindende oder kontrastierende Vinaigrette oder Sauce hätte hier für etwas Spannung sorgen können.
Klassischerweise gehören im „Frühsammers“ immer auch drei Süppchen zu den offiziellen Grüßen der Küche. Heute sind es Cremesuppen von Kohlrabi und Steckrübe sowie eine ganz fabelhafte Lammconsommée, die tadelloses Handwerk erkennen lässt.
Wir sind im Grunewald. Da darf man durchaus die üblichen verdächtigen Luxusprodukte erwarten. Und wir werden nicht enttäuscht. Zum Beginn des Menüs gibt es Entenstopfleber als Terrine mit Apfel und Sellerie. Das Gericht ist eher frisch angelegt, die Terrine gut gemacht und abgeschmeckt, aber mir tendenziell zu warm und zu weich. Der dazu gereichte griechische Wein vom Weingut Chatzigeorgiou ist mir zudem fast zu süß.
Hummer darf auch nicht fehlen. Er kommt in einer recht subtilen Version mit Kohlrabi und Puntarelle. Letztere habe ich, soweit ich mich erinnern kann, das erste Mal auf dem Teller. Der Kopf ist sehr knackig und hätte vielleicht noch einen Tick länger gegart sein können. Aber der Gang hat durchaus etwas frühlingshaftes.
Vom Grunewald geht es direkt ans Mittelmeer mit einem fabelhaften Stück vom Rochenflügel, der mit normalem und Bronzefenchel sowie konfierten Tomaten und einem nur leicht gebundenen Sud viel südliches Flair atmet.
Weiter geht es mit einem Bärlauch-Acquerello-Risotto, das sich unter einer massiven Menge Parmesanschaum versteckt. Der Schaum ist erstaunlich standfest und dürfte als molekulare Spielerei bei dem ein oder anderen noch Eindruck machen. Hier finde ich ihn etwas arg überdimensioniert. Das Risotto selbst allerdings ist schlotzig und cremig, also genau so, wie es sein soll.
Im Hauptgang steht exzellent gegarter Lammrücken im Mittelpunkt. Fregola Sarda, Pak Choi und Artischocken fügen sich recht unauffällig ein. Die Jus dazu ist intensiv und kräftig mit schönem Glanz. Lediglich die Artischockenchips schmecken etwas zu sehr frittiert. Aber insgesamt ist dies ein schöner, klassischer Gang mit einem tollen Hauptprodukt.
Als Pré-Dessert schickt die Küche ein ganz vorzügliches Sauerampfereis mit Apfelstückchen und einem Apfelschaum. Das ist an dieser Stelle eine willkommene säuerliche Erfrischung, bevor es mit dem eigentlichen Dessert noch einmal deutlich klassischer wird.
Nougatmousse, Himbeeren und Buttermilcheis gehen eine harmonische Verbindung ein. Hier eckt nichts an, soll es auch nicht. Handwerklich ist das sauber gemacht, geschmacklich kann man auch nichts dagegen sagen, aber es bleibt halt auch ein bisschen beliebig.
Die Petits Fours bieten das bekannte Dreierlei aus Marshmellow (Joghurt), Gelee (Blutorange) und Trüffel (karamellisierte Kondensmilch). Zum Kaffee gibt es noch einen Kaffeeespuma und eine Biskuitstange.
Auch diese süßen Kleinigkeiten sind einwandfrei und gut schmeckend. Schade, dass die Wartezeit auf den Kaffee allerdings so lange dauerte, dass die Petits Fours es nicht mehr bis dahin geschafft haben.
Leider war der Service auch den Abend über nicht ganz ruckelfrei. Nicht, was die Freundlichkeit angeht. Da gab es von der Begrüßung bis zur Verabschiedung nichts auszusetzen. Was häufiger nicht funktioniert hat, war die Abstimmung zwischen Küche und Service. Zu oft wurde der Wein erst gebracht, wenn die Teller schon auf dem Tisch standen. Dadurch sind dann auch die Erklärungen zur Weinbegleitung vielleicht etwas kürzer und gehetzter ausgefallen.
Peter Frühsammers Weinbegleitung wurde an verschiedenen Stellen immer sehr gelobt, weshalb auch wir uns entschlossen haben, gar nicht erst einen Blick in die Weinkarte zu werfen, sondern uns gleich ganz in seine Hände zu begeben. Am Ende hat uns die Auswahl nicht völlig überzeugt. Die Weißweine waren überwiegend einfacherer Natur, insgesamt eher frisch und im Edelstahl ausgebaut. Hier hätte ich mir durchaus zum Rochen zum Beispiel etwas Kräftigeres gewünscht. Der Rosso di Montalcino zum Hauptgang war in Ordnung, aber auch da hätte ich mir persönlich vielleicht etwas kantigeres und weniger gefälliges gewünscht.
Und irgendwie charakterisiert das den Abend ganz gut. In der Grunewalder Villa war es nett und gefällig. Das Essen von Sonja Frühsammer war sorgfältig zubereitet und eher subtil, denn laut komponiert. Aber unterm Strich blieb es auch ein wenig mainstreamig. An der ein oder anderen Stelle hätte ich mir mal ein lautes Ausrufezeichen gewünscht, sei es beim Essen oder beim Wein.
Als wir wieder in der Innenstadt sind, bin ich fast froh über den Lärm und die Hektik des Molochs Berlin. Grunewald ist mir doch zu ruhig.
Im Grunewald geht es ruhig zu. Hat man erst mal das lebhafte Zentrum der Hauptstadt um ein paar Kilometer verlassen, werden die Häuser größer und die Straßen leerer. Nun gut, die israelische Botschaft sorgt an der nächsten Straßenecke durch permanenten Polizeischutz für etwas Belebung. Aber ansonsten bietet nur das regelmäßige Klackern, das aus der provisorischen Tennishalle dringt, eine unablässige Geräuschkulisse. Ansonsten passiert hier scheinbar nicht viel. Inmitten dieser ruhigen Umgebung liegt die Villa, die auch zum Tennisverein gehört und die... mehr lesen
Frühsammers Restaurant · Tennisclub Grunewald
Frühsammers Restaurant · Tennisclub Grunewald€-€€€Catering, Biergarten, Sternerestaurant03089738628Flinsberger Platz 8, 14193 Berlin
4.0 stars -
"Gediegen im Grunewald" tischnotizenIm Grunewald geht es ruhig zu. Hat man erst mal das lebhafte Zentrum der Hauptstadt um ein paar Kilometer verlassen, werden die Häuser größer und die Straßen leerer. Nun gut, die israelische Botschaft sorgt an der nächsten Straßenecke durch permanenten Polizeischutz für etwas Belebung. Aber ansonsten bietet nur das regelmäßige Klackern, das aus der provisorischen Tennishalle dringt, eine unablässige Geräuschkulisse. Ansonsten passiert hier scheinbar nicht viel. Inmitten dieser ruhigen Umgebung liegt die Villa, die auch zum Tennisverein gehört und die
Besucht am 24.03.2018Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Als ich an diesem Abend zum ersten Mal das „Adlon“ betrete, kann ich eine gewisse Anspannung nicht verleugnen. Nicht nur habe ich vor, im Gourmet-Restaurant des ersten Hauses am Platze zu speisen, ach was, im wohl bekanntesten Hotel der Republik - nein, es ist auch das Restaurant mit der wohl renommiertesten Aussicht, die man sich vorstellen kann, dem Blick aufs Brandenburger Tor. Natürlich nur, wenn man auch einen entsprechenden Tisch hat. Wir haben einen in der Bibliothek, wo die Fenster nicht bodentief sind und wenigstens die Quadriga zu sehen ist, wenn man sich ein wenig streckt.
Die der Historie des Hauses geschuldete Ehrfurcht legt sich bereits bei der Begrüßung, die betont herzlich ausfällt. Und auch der übrige Service unter dem charmanten Maître Oliver Kraft, der 2016 aus dem Leipziger „Falco“ hierher wechselte, agiert erfreulich unprätentiös. Ich hätte das jetzt an diesem Ort durchaus viel formeller erwartet.
Von Hendrik Ottos Küche habe ich, außer einigen Berichten, die ich im Vorfeld natürlich gelesen habe, keine rechte Vorstellung und gehe also mit weitgehend jungfräulicher Erwartung in diesen Abend.
Die Amuses werden alle gleichzeitig serviert und sind, neben einigen feinen Blätterteigstangen, im wesentlichen etwas größere, mit den Fingern zu essende Happen.
Besonders in Erinnerung bleibt mir dabei ein Chip mit einem Exotic-Eis und Hummermayo sowie ein Estragonsalat, unter dem sich ein Wachtelei verbirgt und das im Mund erst relativ spät seine Cremigkeit zur herben Kräutrigkeit entfaltet. Ein weiterer Snack wird als Apfelkäse angekündigt, worunter ich mir nicht viel vorstellen kann. Er ist mit Lardostreifen umwickelt und bietet zumindest ein schönes Spiel mit unterschiedlichen Texturen.
Gleiches gilt auch für einen weiteren Gruß, den ich allerdings noch weniger in seinen Zutaten erinnere. Ingwer ist noch hängen geblieben. Der Rest verschwamm schnell in der langen Ankündigung aller Einzelbestandteile sämtlicher Amuses. Gut geschmeckt hat's aber allemal.
Dagegen nahm sich das in Sake marinierte Radieschen mit Chiasamen und Sesam relativ brav aus. Hat aber auch geschmeckt.
Das Brot wird effektvoll in einer Schale mit Steinen und Kräutern serviert. Spannender allerdings finde ich die mit Kräutern und Blüten aromatisierte Butter und noch mehr die köstliche Trüffelmayonnaise.
Nach diesen detailverliebten Einstimmungen überrascht die Vorspeise ins Menü mit einer unerwartet reduzierten Präsentation. Unter recht dezent schmeckendem, hauchdünnen Ananaspapier findet sich eine fein abgeschmeckte Gänselebercreme. Das ist eine schöne Abwechslung zu den üblichen Terrinen oder gebratenen Versionen. Mit den eingelegten Feigen und dem Feigensud gerät alles aber etwas süß mit einem nahezu weihnachtlichen Touch. Das Gericht schmeckt gut, wirkt aber für mich auch bald ein wenig eindimensional. Der Wein, eine wunderbare 1992 Riesling Auslese von J.B.Becker aus dem Rheingau, der man ihr Alter so gut wie nicht anmerkt, liefert die so dringend benötigten Säureakzente.
Auf gewisse Art ebenso reduziert, aber auch irgendwie klassischer präsentiert sich der nächste Gang. Ein confierter Langustino von fabelhafter Qualität paart sich mit Staudensellerie und Fenchel und einem sehr guten, intensiven Bouillabaisse-Fond.
Wunderschön ist der folgende Teller mit einer perfekt gegarten Seezunge und einem Arrangement von Kopfsalat, der mit Schalotten, Aioli, und Blumenkohl ganz leicht gefüllt ist. Dazu gibt es zwei sehr aromatische Cremes. Der angekündigte Lakritz ist für mich nicht zu schmecken, aber darüber bin ich auch nicht so traurig. Lakritz gehört nicht unbedingt zu den Zutaten, die ich besonders mag oder die in anderen Gerichten bei mir größeren Eindruck gemacht haben. Das Spiel aus kalt und heiß funktioniert dafür ausgezeichnet. Ich notiere mir hierzu im Fazit ein kurzes und knappes „toll“.
Wie sehr die Küche von Hendrik Otto zu überraschen weiß, zeigt sie mit dem Norwegischen Lachs, der erneut mit allen, wie auch immer gearteten, Erwartungen bricht. Das glasig gegarte Stück kommt mit einer Auflage von Rapssaat und Pfeffer auf einer Dillcreme. That's it. Purismus pur. Null Schnickschnack, null Tupfen, nichts weiter. Ein wunderbares Produkt, ausgezeichnet zubereitet und gewürzt. Das ist ganz ausgezeichnet.
Der à part servierte Dim Sum im würzigen Sud ist ohne Frage sehr gut, irritiert aber auch, denn es will sich kein Zusammenhang zum Lachs herstellen. Er wirkt mehr wie eine Fingerübung, mit der Hendrik Otto en passant sagen will: „Schaut her, asiatisch kann ich auch.“
Betrachte ich beide Gerichte separat und nicht als eine zusammengehörige Komposition, ist jedes für sich ausgezeichnet.
Vielleicht sollte der Dim Sum aber auch als Überleitung zum gebackenen Schweinekinn dienen. Der kommt mit gepufftem Wildreis für den Knusper und glasierten Roscoff-Zwiebeln. Das ist sehr würzig und kräftig. Dass es dazu einen Salat aus Spinat, Rucola, Koriander und Nüssen gibt, ist eine so simple wie kluge Entscheidung, weil es den Gang automatisch leichter erscheinen lässt.
Auf die Taube im Hauptgang freue ich mich natürlich besonders, weil dies mein Lieblingsfleisch ist. Allerdings werde ich mit der Brust nicht vollständig glücklich, denn sie ist etwas sehnig. Kann passieren und ist auch nur partiell, aber es trübt den Gesamteindruck etwas. Sehr schön dafür die gefüllte Keule, die originell und würzig in zwei Knöchelchen eingefasst ist. Der Sellerie in relativ großem Stück und der wilde Brokkoli sowie die tiefe Currysauce unterstreichen den eher klassischen Charakter dieses Gerichtes.
Als Übergang zum Käsegang gibt es die Interpretation eines bayrischen Klassikers. Obatzta mit einem Weißbiergelee und Rettich auf einer Brezel liefern einen leicht bitteren, aber typischen Gesamtgeschmack.
Obwohl ich einen schönen Käsewagen sehr zu schätzen weiß, freue ich mich regelmäßig fast noch mehr über kreativ zubereitete Käsegänge. Hendrik Otto schafft dies mit einem meiner Lieblingskäse, dem Fourme d'Ambert mit geeistem Quark und Rosinen, getrocknet und püriert. Das ist würzig und süß gleichermaßen und mit den getrockneten Apfelscheiben ist dies nicht nur ein schöner Gang, sondern auch eine gelungene Überleitung zur süßen Abteilung.
Hier trennen sich am Tisch die Wege, denn abweichend vom vorgesehenen Dessert im großen Menü entscheide ich mich für das etwas frischer klingende Dessert aus dem kleinen Menü.
Nicht nur optisch präsentiert sich das eindrucksvoll. Hier ist alles stimmig: Joghurt, Milchreme als eine Art Panna Cotta, Himbeere und weiße Schokolade gehen mit den getrockneten Rhababerstreifen eine erfrischende, leicht säuerlich harmonische Liaison ein.
Mein Mann geht den etwas weniger sicheren Weg und entscheidet sich für die Schokoladenmousse mit Lorbeereis und etwas Salat aus Zaunerbse und Blutampfer. So extravagant das klingt, so stimmig geht das letztlich auf und markiert ein gekonntes Dessert zwischen Traditionalismus und Modernismus.
Die Petits Fours fallen relativ traditionell aus mit einer Schwarzwälder Kirsch-Interpretation, einer Käsekuchencreme und einer weißen Schokoladenganache mit Rosmarin. Das ist alles sehr fein gearbeitet.
Am Tisch wird dann noch ein Miniguglhupf mit Grand Marnier flambiert. Ein Auszug von Tee und Orangen liefert Saftigkeit, ein Basilikum-Zitrusschaum überdeckt zwar alles optisch, aber nicht geschmacklich. Schöner Abschluss!
Wenn man in ein Restaurant zum ersten Mal geht, zumal wenn es so ein exponiertes ist wie dieses, und keine genaue Vorstellung davon hat, was einen erwartet, dann ist dies ein überraschender und teilweise unerwarteter Abend gewesen. Stilistisch fällt es mir schwer, Hendrik Ottos Küche einzuordnen. Aber irgendwie machte der Abend auch den Eindruck, als wolle sich Otto bewusst einer Schublade entziehen. Sehr reduzierte und teilweise sogar minimalistische Gerichte wechselten sich ab mit detailverliebten und vielschichtigeren Gängen.
Etwas Show durfte zwischendurch auch sein, aber die hielt sich erfreulich in Grenzen.
Alles in allem war dies ein fabelhafter Abend, bei dem der Service auch dazu beigetragen hat, dass man zwischendurch immer mal wieder vergessen hat, in welchem geschichtsträchtigen Haus man sich gerade befindet. Natürlich ist ein Abend hier nicht in der Schnapperabteilung zu bekommen. Aber was man geboten bekommt, ist sein Geld mehr als wert.
Die Weinbegleitung, die auch das Mineralwasser enthält, ist uneingeschränkt empfehlenswert. Sie ist hochklassig und ausgezeichnet abgestimmt auf das nicht immer einfache Menü.
Wir sind alkoholtechnisch gut bedient, aber Hans-Martin Konrad als Sommelier versucht natürlich noch zurecht sein Glück, uns zu einem Digestif zu überreden. Mit welchem Charme er dies tut, hätte belohnt werden sollen, aber wir müssen einfach passen. Dass er eine Wildkirsche vom Weingut Fürst mit den Worten „Adlon oblige – zum Preis eines kleinen Bausparvertrages“ ankündigt, verdient eigentlich schon alleine eine Auszeichnung für entwaffnende Ehrlichkeit. (Den Preis wissen wir allerdings immer noch nicht.)
Aber davon unberührt bleibt, dass dieser Abend großen Spaß gemacht hat, eine fabelhafte Küche mit vielen überraschenden Momenten geboten hat und viel Ehrfurcht vor dem großen Namen des Adlon genommen hat. Sparen wir aufs nächste Mal und freuen uns darauf!
Als ich an diesem Abend zum ersten Mal das „Adlon“ betrete, kann ich eine gewisse Anspannung nicht verleugnen. Nicht nur habe ich vor, im Gourmet-Restaurant des ersten Hauses am Platze zu speisen, ach was, im wohl bekanntesten Hotel der Republik - nein, es ist auch das Restaurant mit der wohl renommiertesten Aussicht, die man sich vorstellen kann, dem Blick aufs Brandenburger Tor. Natürlich nur, wenn man auch einen entsprechenden Tisch hat. Wir haben einen in der Bibliothek, wo die Fenster... mehr lesen
Lorenz Adlon Esszimmer
Lorenz Adlon Esszimmer€-€€€Restaurant, Sternerestaurant+493022611960Unter den Linden 77, 10117 Berlin
5.0 stars -
"Noblesse oblige - weniger förmlich als erwartet und kreativer als gedacht" tischnotizenAls ich an diesem Abend zum ersten Mal das „Adlon“ betrete, kann ich eine gewisse Anspannung nicht verleugnen. Nicht nur habe ich vor, im Gourmet-Restaurant des ersten Hauses am Platze zu speisen, ach was, im wohl bekanntesten Hotel der Republik - nein, es ist auch das Restaurant mit der wohl renommiertesten Aussicht, die man sich vorstellen kann, dem Blick aufs Brandenburger Tor. Natürlich nur, wenn man auch einen entsprechenden Tisch hat. Wir haben einen in der Bibliothek, wo die Fenster
Besucht am 22.03.2018Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 154 EUR
Die Schmach von Córdoba sitzt bei vielen deutschen Fußballfans tief. Gegen Österreich 1978 in der Zwischenrunde der Weltmeisterschaft zu unterliegen und dann auszuscheiden, ist ein Stachel, der auch heute noch weh tut. Wenn ein Österreicher in Berlin eine Weinbar aufmacht und dieses Ereignis der Namensgeber ist, kann man sicher sein, dass dieser Schmerz weiter befeuert wird. Dazu muss man nur auf die Männertoilette gehen, die in einer Dauerschleife mit der Originalmoderation des Spiels aus dem ORF beschallt wird.
Nun bin ich kein ausgewiesener Fußballfan und deutsch-österreichische Animositäten sind mir auch fremd. Ich mag diesen Humor, ebenso wie die Krankl-Devotionalien oder die Möpse an der Wand.
Heute ist die „Cordobar“ eine der bekanntesten und immer noch angesagtesten Weinbars Deutschland, was sicherlich auch mit den Betreibern zu tun hat. Gerhard Retter ist mittlerweile vielen aus der TV-Show „Grill den Henssler“ bekannt. Einen Namen in der Gastronomiewelt hat sich der gebürtige Steirer aber als Sommelier gemacht in der legendären „Aubergine“ von Eckart Witzigmann, später bei Freddy Giradet, Gordon Ramsey und im „Lorenz Adlon“ in Berlin. Als Partner gesellen sich seit 2013 Christoph Ellinghaus, Musiklabel-Chef, und Jan-Ole Gerster, Filmregisseur und Drehbuchautor dazu.
Uns ist klar, dass die „Cordobar“ mehr Weinbar als Restaurant ist und das ist an diesem Tag, nachdem wir bereits ein umfangreiches Mittagessen genießen konnten, auch genau das, wonach uns ist. Dass wir trotzdem zumindest nicht gänzlich ohne Erwartungen kommen, hat auch damit zu tun, dass die Betreiber mit den bisherigen Küchenchefs auch einen gewissen Anspruch dokumentierten. Bis Anfang 2017 setzte in der Küche Lukas Mraz, Sohn des in Wien mit 2 Sternen ausgezeichneten Markus Mraz, den Maßstab. Er kreierte unter anderem die berühmte Blutwurstpizza. Heute hat die Schachtel, in der sie serviert wurde, einen Ehrenplatz an der Wand hinter der Theke. Handschriftlich hat man darauf vermerkt : „R.I.P.“. Wie gesagt: ich mag diesen Humor.
Mraz' Nachfolger wurde der Holländer Waal Stemeberg, der in seiner Vita unter anderem sieben Jahre im 3 Sterne Restaurant „De Librije“ von Jonnie Boer vorweisen kann.
Die Karte listet Kleinigkeiten zum Snacken auf (3-5€) und einige etwas größere Gerichte (ca. 11-19€). Alles ist zum Teilen gedacht, vieles zum mit den Fingern essen. Man bestellt etwas und wenn man Lust hat, später noch etwas. Das läuft hier ganz unkompliziert.
Zu den ersten offenen Weinen, unter anderem einem „Kalk & Kiesel“ von Claus Preisinger, bestellen wir ausgezeichnetes Brot mit einer locker aufgeschlagenen Butter, die mit Yuzu aromatisiert ist. Dazu Kohlrabiröllchen mit Koji-Speck gefüllt und Kamille bestäubt. Das schmeckt würzig, aber etwas undefinierbar. Speck ist nicht explizit auszumachen.
Die Schweineschwarten sind krachend knusprig und mit Tomatenpuder üppig bestäubt. Die Parmesancreme zum Dippen dazu ist recht mächtig, aber zusammen schmeckt das sehr gut.
Aus der umfangreichen Weinkarte mit Schwerpunkten in Deutschland und Österreich entscheiden wir uns für einen Wein aus Südafrika, einen Chenin Blanc von Luddite. Die Karte ist zwar reich bestückt, allerdings im unteren und mittleren Preissegment überwiegend ausgetrunken und man ist dann doch recht schnell im Bereich ab 60 Euro, wenn man etwas halbwegs anspruchsvolleres trinken möchte. Das schränkt den Genuss dann doch ein wenig ein.
Ungetrübt allerdings ist der Genuss der Rippchen, die als nächstes folgen. Sehr zart das Fleisch, köstlich die Marinade mit Nüssen. Separat gibt es einen ebenso lecker abgeschmeckten Spinatsalat.
Nach einer Pause bestellen wir uns noch aus den Snacks die Mungobohnen-Krapfen mit Kartoffeldressing. Sie sind ähnlich wie Falaffel und mit einer guten Schärfe ausgestattet.
Der nächste Gang ist eher enttäuschend. Sepia ist angekündigt mit Chicorée, einem Wienerdressing, unter dem ich mir nichts vorstellen kann sowie mit Anis und Estragon. Beides ist deutlich zu schmecken und auch der Chicorée ist klar erkennbar. Im ersten Moment halte ich die Anordnung der Salatblätter für eine Sepiatube. So täuschend sieht das auf dem Teller aus. Beim Entblättern dann allerdings nur ein klein geschnittener Salat – und kein Tintenfisch. Ich bin irritiert, suche, suche weiter, dann frage ich. Der Service ist so freundlich, mir die Sepie zu zeigen. Sie ist so fein geschnitten, dass man sie kaum mit dem Auge erkennt und nicht wirklich erschmecken kann. Ein klassischer Fehlgriff, wenn man ein warmes Gericht erwartet und einen Tintenfisch, der gebraten oder sonst wie zubereitet, aber zumindest als solcher erkennbar ist.
Trotz der Kleinigkeiten ist der Appetit weitestgehend gestillt, aber Lust auf etwas Süßes ist dennoch da. Zum Obstbrand gönnen wir uns eine Tafel aus der wunderbaren steirischen Schokoladenmanufaktur Zotter, die hier in einer Sonderedition für die „Cordobar“ mit dem Namen „Restalkohol“ gefertigt wird. Der Name spielt zum einen auf die weinhaltige Füllung an, aber auch auf das Motto, das in Neonschrift an der Wand prangt: „Restalkohol is a powerful drug“.
Es war ein schöner Abend in der „Cordobar“. Das Ambiente ist unkonventionell, das Publikum international, der Service freundlich und hilfsbereit. Das Essen ist für eine Begleitung zum Wein in Ordnung, aber nicht weltbewegend. Die Hauptrolle spielt hier definitiv der Wein. Der allerdings ist eher hochpreisig angesiedelt. Das muss aber vielleicht auch so sein, wenn einige Teilhaber und Angestellte in dieser Bar Nahe der Hackeschen Höfe auch etwas verdienen wollen. Es gibt scheinbar genug zahlungskräftiges Publikum, das hier bereit ist, diese Preise zu bezahlen. Ob ich es ein weiteres Mal bereit bin, muss ich noch überlegen. Aber vielleicht ist das ja auch schon die Antwort.
Die Schmach von Córdoba sitzt bei vielen deutschen Fußballfans tief. Gegen Österreich 1978 in der Zwischenrunde der Weltmeisterschaft zu unterliegen und dann auszuscheiden, ist ein Stachel, der auch heute noch weh tut. Wenn ein Österreicher in Berlin eine Weinbar aufmacht und dieses Ereignis der Namensgeber ist, kann man sicher sein, dass dieser Schmerz weiter befeuert wird. Dazu muss man nur auf die Männertoilette gehen, die in einer Dauerschleife mit der Originalmoderation des Spiels aus dem ORF beschallt wird.
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Cordo | Sternerestaurant
Cordo | Sternerestaurant €-€€€Weinstube, Sternerestaurant, Gourmet03027581215Große Hamburger Str. 32, 10115 Berlin
3.5 stars -
"Durchwachsen in Berlins bekanntester Weinbar" tischnotizenDie Schmach von Córdoba sitzt bei vielen deutschen Fußballfans tief. Gegen Österreich 1978 in der Zwischenrunde der Weltmeisterschaft zu unterliegen und dann auszuscheiden, ist ein Stachel, der auch heute noch weh tut. Wenn ein Österreicher in Berlin eine Weinbar aufmacht und dieses Ereignis der Namensgeber ist, kann man sicher sein, dass dieser Schmerz weiter befeuert wird. Dazu muss man nur auf die Männertoilette gehen, die in einer Dauerschleife mit der Originalmoderation des Spiels aus dem ORF beschallt wird.
Nun bin
Besucht am 22.03.2018Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 320 EUR
Mittagesser haben es immer schwerer. Zumindest, wenn man im Sternebereich essen möchte, werden die Möglichkeiten in Deutschland immer eingeschränkter. Wirtschaftliche Notwendigkeiten, Arbeitsschutzgesetze, mangelnde Auslastung und andere Gründe mögen dafür ausschlaggebend und auch nachvollziehbar sein. Trotzdem ist es natürlich bedauerlich, weil gerade mittags der Genuss oft einhergeht mit einer wunderbar entspannten Trägheit und dem beruhigenden Wissen, danach nicht mehr arbeiten zu müssen.
Auch in Berlin gab es früher deutlich mehr Adressen im Sternebereich, in denen man diesem Vergnügen frönen konnte. Heute halten hier vor allem Tim Raue und das „Facil“ diese Fahne noch hoch. Letzteres ist heute unser – erstmaliges – Ziel.
Michael Kempf ist seit 2003 Küchenchef im „Facil“ im Mandala Hotel am Potsdamer Platz und wurde 2013 mit dem zweiten Michelin-Stern ausgezeichnet.
Neben dem großen Degustationsmenü bietet das „Facil“ zum Lunch eine Auswahl an Gerichten an, aus denen man sich sein Menü von einem Gang (21€) bis zu mehreren Gängen beliebig zusammenstellen kann. Drei Gänge kosten 51€, jeder weitere 17€. Die Zutaten erscheinen dabei im direkten Vergleich einfacher. Dafür ist der Preis aber eben auch erheblich günstiger.
Als wir im Hotel ankommen, hat sich ein letzter Schneeregenschauer über Berlin ergossen und das helle, lichtdurchflutete Ambiente im Glaskubus mit ringsum angrenzendem, japanisch anmutendem Garten vermittelt ein hohes Maß Behaglichkeit an diesem ungemütlichen Tag.
Die Küche grüßt mit einer Rühreicreme mit Safran und Haselnüssen. Dazu gibt es einen Petersilienchip mit Himbeerkaviar. Letzterer bleibt sehr zurückhaltend. Dafür weist die Creme eine pointierte Schärfe auf, die meines Erachtens von Piment d'Espelette herrührt. Ein schlotziges und köstliches Vergnügen.
Ich starte mit dem Ceviche vom Wolfsbarsch. Das ist erwartungsgemäß ein leichter und frischer Gang. Der Fenchel sehr knackig, Blutorange und die ansonsten nicht so von mir geschätzte Banane liefern eine angenehm fruchtige Note und etwas Cremigkeit. Schönes Kontrastprogramm zum Wetter draußen.
Deutlich besser zur Jahreszeit passt die Vorspeise meines Mannes. Kalbszunge und Milz präsentieren sich mit einer ordentlichen Deftigkeit, wobei sich die dezent abgeschmeckte Zunge nur schwer gegen die würzige Milz in ihrer blutwurstähnlichen Konsistenz behaupten kann. Petersiliencreme und – öl und Zitrone steuern zumindest etwas gegen die Schwere des Gerichts.
Eine weitere grundsätzlich deftige Spezialität wird von Michael Kempf sehr fein interpretiert. Die Einlage für den Borschtsch, fein geschnittenes Rindertartar, Rote Bete in Konsistenzen, Dill und Lachforellenkaviar geben die eleganten Mitspieler für die am Tisch angegossene und recht dünnflüssige Suppe, die mit ihrer Würzigkeit einen schönen Kontrapunkt liefert. Lediglich Vorsicht sollte man beim Essen walten lassen, denn es herrscht erhöhte Kleckergefahr.
Beim Fischgang wähle ich wieder die etwas subtilere Variante mit dem in Nussbutter gegarten Saibling. In einem von Liebstöckel dominierten Sud mit ein paar Kartoffelwürfelchen und Saiblingskaviar kann der glasig gegarte Fisch perfekt glänzen und braucht keine lauten Mit- und Gegenspieler. Sehr schön.
Es ist zwar nicht wirklich beabsichtigt, aber irgendwie ergibt es sich halt heute so, dass mein Mann erneut wieder das entschieden würzigere Gericht wählt. Der Felsenoktopus ist zart, hat aber deutliche Röstaromen und bekommt mit Artischocken und breiten Bohnen ganz mediterrane Begleiter. Der tomatige Sugo ist unter anderem aus dem Kopf des Tintenfisches gezogen und unterstreicht den Charakter der Würzigkeit ganz vorzüglich. Während draußen das Berliner Grau dominiert, haben wir hier das Mittelmeer in seiner schönsten Form auf dem Teller.
Bei der geschmorten Kalbsschulter wird es jetzt auch bei mir mediterran. Das butterweich gegarte Fleisch wird flankiert von einer Moussakacreme und frittierten Kapern. Dazu gibt es eine Harissa-artige Paste, die eine angenehme Schärfe beisteuert. Die Schulter ist vielleicht nicht das edelste Stück vom Kalb, aber es ist perfekt zum Schmoren geeignet und macht sich in dieser Form auch in einer Zweisterneküche prächtig.
Gleiches gilt auch für den Schweinenacken auf der anderen Seite des Tisches. Auch hier ist das Fleisch sehr zart und geschmackvoll. Misobohnen kommen als Creme, der Brokkoli überwiegend in Form getrockneter bzw. frittierter Blätter. Gefällt mir gut, aber nicht so sehr wie meine Wahl.
Mit den Desserts setzt der Lunch auf Gerichte, die sich auch im großen Abendmenü bzw. der à la Carte Auswahl finden und sie geben einen eindrucksvollen Eindruck davon, was einen hier wohl im Degustationsmenü erwartet.
Für mich darf es ein mit Apfelstücken gefülltes Nougattörtchen sein, auf dem ein Sorbet vom Granny Smith platziert ist. Daneben gibt es noch säuerlich fruchtige Elemente durch ein mildes Zitroneneis und Kaviar von der Zitrone.
Mein Mann entscheidet sich für die etwas gewagter klingende Kombination aus Roter Bete, Petersilie und Schokolade. Die Rote Bete ist hierbei in verschiedenen Texturen gearbeitet, als Kaviar, als Sphäre und Gelee. Das fabelhafte Petersilieneis ist nicht aufdringlich kräutrig, sondern wirkt nahezu fruchtig mit einer ganz leichten herb-säuerlichen Note. Ein Joghurtsponge neutralisiert das Ganze und die Schokoladenmousse führt das Ganze wieder zurück in klassische Gefilde.
Beide Desserts sind von ganz außergewöhnlicher Güte und markieren in ihrer Kreativität und handwerklichen Ausführung für mich die Höhepunkte in diesem Menü.
Ein Yuzu-Törtchen, eine Buchweizen-Praline und ein Birnen-Sorbet beenden ein sehr angenehmes Mittagessen. Ob die Gerichte etwas einfacher und weniger komplex konzipiert sind wie im großen Degustationsmenü, können wir nicht beurteilen. An diesem Donnerstag ist das Haus sehr gut besucht und, soweit ich das beurteilen kann, wurde an allen Tischen aus dem Lunch-Angebot gewählt. Die Desserts lassen aber erahnen, dass hier am Abend womöglich noch etwas filigraner gearbeitet wird.
Aber auch so ist das Niveau, vor allem angesichts des aufgerufenen Preises, ganz erstaunlich und dieser Lunch sicherlich eine der angenehmsten und stilvollsten Möglichkeiten, in der Hauptstadt den Mittag zu verbringen. Daran hat auch der tadellose und ausnehmend freundliche Service seinen entscheidenden Anteil. Aber auch er kann es nicht verhindern, uns irgendwann wieder ins feucht-kalte Berlin zu schicken. Schade eigentlich.
Mittagesser haben es immer schwerer. Zumindest, wenn man im Sternebereich essen möchte, werden die Möglichkeiten in Deutschland immer eingeschränkter. Wirtschaftliche Notwendigkeiten, Arbeitsschutzgesetze, mangelnde Auslastung und andere Gründe mögen dafür ausschlaggebend und auch nachvollziehbar sein. Trotzdem ist es natürlich bedauerlich, weil gerade mittags der Genuss oft einhergeht mit einer wunderbar entspannten Trägheit und dem beruhigenden Wissen, danach nicht mehr arbeiten zu müssen.
Auch in Berlin gab es früher deutlich mehr Adressen im Sternebereich, in denen man diesem Vergnügen frönen konnte. Heute... mehr lesen
Facil · Gourmetrestaurant · Mandala Hotel
Facil · Gourmetrestaurant · Mandala Hotel€-€€€Sternerestaurant030590051234Potsdamer Str. 3, 10785 Berlin
5.0 stars -
"Gourmet Lunch Oase am Potsdamer Platz" tischnotizenMittagesser haben es immer schwerer. Zumindest, wenn man im Sternebereich essen möchte, werden die Möglichkeiten in Deutschland immer eingeschränkter. Wirtschaftliche Notwendigkeiten, Arbeitsschutzgesetze, mangelnde Auslastung und andere Gründe mögen dafür ausschlaggebend und auch nachvollziehbar sein. Trotzdem ist es natürlich bedauerlich, weil gerade mittags der Genuss oft einhergeht mit einer wunderbar entspannten Trägheit und dem beruhigenden Wissen, danach nicht mehr arbeiten zu müssen.
Auch in Berlin gab es früher deutlich mehr Adressen im Sternebereich, in denen man diesem Vergnügen frönen konnte. Heute
Besucht am 05.02.2018Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 140 EUR
Treffen sich ein Bremer und ein Hannoveraner in Köln beim Griechen. Klingt wie ein ungelenker Witz – ist aber genau so passiert und beschreibt einen überaus netten Abend.
Aufgrund recht später Ankunft in der Domstadt musste eine Lokalität gefunden werden, die auch um 21 Uhr noch Essensgäste annimmt, über angemessene Weinauswahl verfügt und in Hotelnähe am Rhein gelegen ist. Also auf zum Griechen der etwas schickeren Art im Rheinauhafen, unweit der berühmten Kranhäuser.
Schon das Ambiente im „Limani“ verzichtet auf jeglichen folkloristischen Kitsch. Die Karte verzeichnet keine endlose Auflistung von Hellas- bis Odysseus-Platten, sondern weist eine große Auswahl an Mezedes auf, also tapas-ähnlichen Gerichten in mal mehr, mal weniger großen Portionsgrößen, dazu einige Hauptgerichte und auf einer separaten Tafel noch etliche Tagesempehlungen.
Geriet die Reservierung am Telefon noch eher spröde, werden wir bei Ankunft ausgesprochen freundlich und charmant begrüßt und den Abend über begleitet.
Da uns heute nur nach Kleinigkeiten ist, wählen wir aus den Mezedes und von der Tageskarte eine Vorspeise. Wir sind entdeckungsfreudig und starten mit einem griechischen Sekt, der mich entfernt an einen Muskateller-Sekt erinnert. Zwar als brut deklariert, mir aber trotzdem ein wenig zu süß. Aromatisch aber erstaunlich lecker.
Auch mit dem Weißwein bleiben wir in Hellas, wenngleich die für ein griechisches Restaurant durchaus beachtliche Karte auch einiges bemerkenswertes aus Deutschland listet. Aber die Wahl fällt auf einen Viognier „Eclectique“ von der Domaine Skouras, kräftig und in französischer Eiche ausgebaut, aber nicht übermäßig fett. Hätte ich nicht erwartet, so etwas gutes aus Griechenland im Glas zu haben.
Die Küche bringt die Gerichte wie aufgetragen in zwei Gängen. In der ersten Partie erreicht uns ein sehr gutes Erbsenpüree, das seinen Pep vor allem durch gutes Olivenöl und eine reichhaltige Beigabe von Kapern und roten Zwiebeln erhält. Das Brot dazu ist leider ziemlich trocken, wird aber nach Reklamation anstandslos gegen frischeres ausgetauscht.
Erstaunlich gut gebraten die Jakobsmuscheln, die innen noch leicht glasig sind und eine schöne knusprige Panade haben. Dazu gibt es eine sehr gut abgeschmeckte Currysauce mit Belugalinsen. Entbehrlich – vor allem für den Bremer Freund - sind die halbierten Cocktailkirschtomatenhälften und für uns beide die überflüsssige Balsamicomalerei. Aber das ändert nichts daran, dass die Produktqualität und Zubereitung der Muscheln ausgezeichnet sind.
Von der Tageskarte wählen wir eine reguläre Vorspeise und sollen damit wirklich belohnt werden, denn das Carpaccio vom getrockneten und geräucherten Txogitxu ist wirklich von fabelhafter Qualität. Satt in der Farbe, würzig und hocharomatisch im Geschmack. Ein paar Tropfen Olivenöl reichen hier eigentlich völlig. Aber die paar Späne Hartkäse und der Rucolasalat tun auch nicht weh.
Die dazu bestellten Pommes Frites, obwohl mit Oregano und Paprikagewürz angekündigt, bleiben nicht nur farblich ziemlich blass, sondern sind auch insgesamt etwas laff.
Das war in der ersten Runde bis auf Kleinigkeiten schon mal sehr erfreulich, so dass wir uns auf die zweite Rutsche freuen. Wirklich positiv hervorheben muss man an dieser Stelle den reibungslosen Ablauf. Das Essen kommt genau so wie besprochen, Wartezeiten werden abgefragt, Wein nachgeschenkt. Gerade bei Tapas & Co. wird ja gerne der Tisch auch mal gleich voll gestellt oder so gebracht, wie die Küche es halt gerade fertig hat. Hier läuft das sehr rund.
In der zweiten Halbzeit dann ein erster Dämpfer. Der gegrillte Oktopus ist von bemerkenswerter Zähheit. Das haben die beiden Nordlichter schon deutlich zarter auf dem Teller gehabt.
Überraschend schmackhaft hingegen die Zucchini-Fenchelbällchen, die mit einer weichen und fluffigen Konsistenz und sehr aromatischer Füllung punkten. Die warme Schafskäsesauce ist zurückhaltender, als man es erwarten möchte, passt aber vielleicht gerade deshalb gut zu den kleinen Gemüsefrikadellen. Sehr schön.
Die halbierten Cocktailtomaten werden zur Verhinderung schwererer Traumata schnell aus dem Blickfeld des Bremers entfernt.
Da Hannover in der Beziehung nicht so wählerisch ist, werden sie auch auf dem nächsten Teller gleich entsorgt, der ansonsten einen Souvlaki-Spieß vom Lamm mit recht milder Ingwer-Korianderwürze bietet, einen recht trockenen und geschmacksarmen Pita-Teigfladen sowie einen wiederum sehr schönen Salat aus marinierten Zwiebeln und – wie wir uns eigentlich sicher sind – Radicchio statt des ausgewiesenen Fenchels.
Beim ersten Anschnitt des Fleisches sind wir erneut sehr angetan, denn es ist wunderbar rosa geraten. Trotzdem bleibt es leider ziemlich zäh, was nicht dem Koch, wohl aber der Fleischqualität zugeschrieben werden muss. Passiert manchmal, kann man wohl nur schwer erkennen.
Mit dem abschließenden Stifado vom Kaninchen sind wir hingegen wieder völlig versöhnt. Auch wenn die beiden Fleischstücke durchaus unterschiedlichen Zartheitsgrad aufweisen, ist hier geschmacklich mal gar nichts auszusetzen. Eine leichte Zimtnote umweht den kleinen Hoppler in seiner leichten Rotweinsauce mit den Perlzwiebeln. Hier wurde mit viel Feingefühl abgeschmeckt.
Gut gesättigt und auch angesichts der fortgeschrittenen Zeit verzichten wir auf ein Dessert. Das war ein sehr erfreulicher Abend – nicht nur wegen des spontanen Nordlichtertreffens in der Domstadt, sondern auch, weil das „Limani“ eine durchweg gute Leistung abgeliefert hat. Hier wird griechische Küche ohne den üblichen Fleischberg-Charakter praktiziert. Fisch- und Gemüsegerichte haben hier einen sehr gleichberechtigten Platz und werden abwechslungsreich kombiniert und weitestgehend gut zubereitet. Dass das ein oder andere Teil mal etwas zu trocken oder zu zäh geriet, ist sicher verbesserungswürdig, kann den insgesamt aber positiven Eindruck nicht schmälern.
Im Sommer verfügt das „Limani“ über eine schöne – und stets gut besuchte – Terrasse, auf der man quasi auf Tuchfühlung zum Rhein sitzt.
Auch wenn wir an diesem Abend nur aus der Mezedes-Karte gewählt haben, habe ich keinen Zweifel, dass auch die regulären Hauptgerichte, die den ein oder anderen Schlenker am Mittelmeer außerhalb Griechenlands zulassen, ebenso empfehlenswert sind.
Vor nicht zu langer Zeit war ich einige Meter weiter im Rheinauhafen in einem Restaurant, das gerne Geschichten schreiben wollte von mediterraner Küche. Dort geriet das für mein Empfinden lieblos und uninspieriert. Vielleicht sollte man sich mal beim „Limani“ anschauen, wie das auch authentischer funktioniert.
Treffen sich ein Bremer und ein Hannoveraner in Köln beim Griechen. Klingt wie ein ungelenker Witz – ist aber genau so passiert und beschreibt einen überaus netten Abend.
Aufgrund recht später Ankunft in der Domstadt musste eine Lokalität gefunden werden, die auch um 21 Uhr noch Essensgäste annimmt, über angemessene Weinauswahl verfügt und in Hotelnähe am Rhein gelegen ist. Also auf zum Griechen der etwas schickeren Art im Rheinauhafen, unweit der berühmten Kranhäuser.
Schon das Ambiente im „Limani“ verzichtet auf jeglichen folkloristischen... mehr lesen
4.0 stars -
"Guter Grieche mit Rheinblick" tischnotizenTreffen sich ein Bremer und ein Hannoveraner in Köln beim Griechen. Klingt wie ein ungelenker Witz – ist aber genau so passiert und beschreibt einen überaus netten Abend.
Aufgrund recht später Ankunft in der Domstadt musste eine Lokalität gefunden werden, die auch um 21 Uhr noch Essensgäste annimmt, über angemessene Weinauswahl verfügt und in Hotelnähe am Rhein gelegen ist. Also auf zum Griechen der etwas schickeren Art im Rheinauhafen, unweit der berühmten Kranhäuser.
Schon das Ambiente im „Limani“ verzichtet auf jeglichen folkloristischen
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Die gastronomische Landschaft, die etwas gehobene zumal, ist allerdings arg überschaubar. Ein paar Kilometer entfernt in Glücksburg gibt es mit Dirk Luthers „Meierei“ ein großartiges Zweisterne-Restaurant, das wir vor 3 Jahren schon einmal besucht hatten. Gerne hätten wir einen Abend dort verbracht. Die sommerlichen Schließzeiten verhindern dies indes. Also den Online Guide Michelin befragt – er weist exakt 1 (in Worten ein!) Restaurant für Flensburg aus. Ein Burgerrestaurant. Der Michelin ist auch nicht mehr, was er mal war.
Also geben wir unser kulinarisches Schicksal ganz in die Hände unserer Freundin und vertrauen ihrer Empfehlung, die „Jessens's Fischperle“, hübsch gelegen an der Hafenpromenade, als das beste Fischrestaurant der Stadt preist. Zugegeben: sie ist mit dem Inhaber persönlich befreundet, aber tatsächlich scheint die Reservierungssituation diesen Ruf zu bestätigen.
Außenansicht
Für den folgenden Tag um 18 Uhr – eine Zeit, die ich für gewöhnlich mit Altersheim-Abendmahlzeiten verbinde – ist nur noch mit Ach und Krach etwas zu bekommen, danach sowieso nicht mehr. Selbst die mittlerweile etwas arg frische Terrasse füllt sich zu dieser Zeit erheblich. Wir bevorzugen den Aufenthalt im Warmen und sind etwas konsterniert, als wir zu dritt an einem Tisch von etwa 60 x 60 cm maximal platziert werden. Gemütlich ist anders.
Der Service ist flott, effizient und leidlich freundlich. Die Karte ist üppig mit mehr als 70 Positionen, dazu noch einige Tagesempfehlungen auf der Tafel. Dass der Fisch frisch ist, will ich in dieser Lage glauben, nicht nur, weil es in der Karte ausdrücklich vermerkt ist. Lediglich Garnelen würde man als TK zukaufen. Soll mir recht sein – hatte ich eh nicht vor zu bestellen.
Ich starte mit der friesischen Bouillabaisse. Die bietet exakt das, was die Karte verspricht. Reichhaltige Fischeinlage, Krabben und eine Gemüsebouillon. Optisch macht das allerdings nicht viel her. Mit Bouillabaisse verbinde ich halt doch immer noch eine eher rot von Krustentieren und Safran gefärbte intensive Fischsuppe. Irgendwie habe ich das wohl mit der Gemüsebouillon überlesen. Der Fisch ist in Ordnung, die Suppe fettig und geschmacksarm. Auch die hausgemachte Aioli kann da nichts retten. Sie ist ebenso schwachbrüstig wie die Suppe und so weit von einer Rouille entfernt wie die Sonne vom Mond.
Unsere Friesische Bouillabaisse
Meine bessere Hälfte gönnt sich hausgebeizten Lachs mit Orangensenf und Rösti als Vorspeise. Beim Kräuterrührei vermisse ich die Kräuter und ein zusätzliches Salatbouquet macht dies zu einer ausgewachsenen Mahlzeit. Wir ahnen, dass es bei diesen Portionen unter Umständen problematisch werden könnte, mehr als einen Gang zu bestellen. Ansonsten ist an dem Gericht nicht viel auszusetzen.
Hausgebeizter Lachs
Für mich geht es weiter mit Flensburger Pannfisch. Das sind im wesentlichen vier Fischfilets, die recht ordentlich gebraten sind. Identifizieren kann ich sie nicht wirklich, angesagt werden sie auch nicht. Dazu gibt es Wirsing in einer guten Senfsauce, etwas kross gebratenen Speck, erneut Rührei (was haben die hier nur andauernd mit so viel Eiern??) und einer unmotivierten Scheibe Wassermelone als Deko. Separat im Schälchen noch Bratkartoffeln, die mit Speck und Zwiebeln gebraten sind. Das ist wahrlich kein Teller für Cholesterinfanatiker. Mein Kardiologe wäre not amused...
Flensburger Pannfisch
Mein Mann hat Lust auf den Flensburger Heringsschmaus. Neben einem Brathering, Matjesfilet nach Hausfrauen Art und Bismarck-Hering finden sich noch Rote Bete und Bratkartoffeln auf dem reichhaltig bestückten Teller. Ach ja – und eine unmotivierte Scheibe Wassermelone. Auch hier ist die Qualität nicht zu beanstanden, aber nach dem Lachsteller muss sich auch der kräftige Mahlzeiten erprobte beste Ehemann der Welt mächtig anstrengen, nichts zurück gehen zu lassen.
Flensburger Heringsschmaus
Unsere Freundin, von Haus aus eine eher schmale Esserin, begnügt sich nach dem Verzicht auf die Vorspeise mit der norddeutschen Spezialität einer Gambarettipfanne. Heißt das wirklich so? Auf diversem Grillgemüse mit Parmesan finden sich eine Handvoll Garnelen. Im Schälchen dabei etwas Süßkartoffelgratin, das etwas arg pampig mit Käse überbacken ist. Ach ja – und eine unmotivierte Scheibe Wassermelone. Ich habe das nicht probiert, aber angeprickelt hat es mich alles schon optisch nicht. Unsere Freundin war aber – leidlich – zufrieden.
Pikante Gambaretti - Pfanne
Nachtisch geht nach diesen Mengen ohnehin nicht mehr. Aber die Karte bietet sowieso nur allerlei Belangloses zwischen diversen Eisgerichten und Roter Grütze. Da ist man mit einem Schnaps, der in diesem Fall auf's Haus geht, deutlich besser bedient.
Getränketechnisch ist man hier mit Bier deutlich besser aufgehoben als mit Wein. Warum ich in Flensburg allerdings Bitburger trinken muss, muss ich wohl nicht verstehen.
Das war also die Fischperle, das vermeintlich beste Fischrestaurant Flensburgs. Dass ich hier keine gourmetmäßige Raffinesse erwarten würde, war mir schon klar. Und gegen rustikale, deftige Küche habe ich auch gar nichts einzuwenden. Trotzdem hat mich das hier ziemlich unbefriedigt zurück gelassen. Den Gerichten hätte etwas Beschränkung schon gut getan. So war es einfach nur viel. Ordentlich ja, aber vor allem viel. Das macht dann irgendwann einfach keinen rechten Spaß. Und was soll die bescheuerte Wassermelone bei nahezu jedem Gericht?
Atmosphärisch war das leider auch nur ein sehr eingeschränktes Vergnügen. Abgesehen vom viel zu kleinen Tisch, den wir erst mal leer räumen mussten, um überhaupt alle drei Hauptgerichte zu platzieren, verströmt das Restaurant eine seltsame Mischung aus Kantine und Kombüse.
Der nächste Besuch in Flensburg kommt also definitiv erst wieder, wenn in Glücksburg kein Urlaub mehr ist. Da findet sich dann auch die richtige Perle.