Kochen ist für mich eine Freude. Essengehen eine Leidenschaft. Das muss nicht immer auf höchstem Niveau sein. Auch ehrliche Hausmannskost oder kleinere Leckereien aus aller Welt können kulinarisch den Tag erhellen. Bei Restaurant-Kritik habe ich dann auch am "Darüber-Schreiben" gefallen gefunden. Der Wechsel zu GastroGuide eine logische Folge nach all der negativen Entwicklung dort. Als Südpfälzer kenne ich mich in der dortigen Gastrolandschaft auch ein wenig aus, bin aber immer froh, wenn ich über regionale Tellerränder schauen kann. Die asiatische Küche hat es mir dabei besonders angetan.
Kochen ist für mich eine Freude. Essengehen eine Leidenschaft. Das muss nicht immer auf höchstem Niveau sein. Auch ehrliche Hausmannskost oder kleinere Leckereien aus aller Welt können kulinarisch den Tag erhellen. Bei Restaurant-Kritik habe ich dann auch am "Darüber-Schreiben" gefallen gefunden. Der Wechsel zu GastroGuide eine logische Folge nach all... mehr lesen
Bewertungs-Statistik
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Besucht am 23.02.2022Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 31 EUR
Dass dieser Satz auch für die Abendstunden gilt, war mir nach dem Besuch eines relativ neuen Burgerladens in der Gemeinde Langen (nördlich von Bremerhaven) bewusst geworden. Langen ist eine von 16 Ortschaften, aus denen die Stadt Geestland besteht. Mit seinen ca. 11500 Einwohnern ist es doch um einiges größer als das Fleckchen Imsum, in dem ich für drei Tage einquartiert war. Nach den beiden an Fischvergnügen nicht gerade armen Abenden zuvor, gelüstete es mich nach einem Kontrastprogramm für auf kaltem Entzug befindliche Karnivoren.
Mein Favorit und sicherlich der Geheimtipp für BBQ-Freunde in dieser Gegend, das Cutter‘s Ribhouse im ehemaligen Laubenpieper in Bremerhaven, hat derzeit nur samstagabends (und das auch nur alle 14 Tage) geöffnet. Ein überaus freundlicher Pitmaster erklärte mir die eingeschränkten Öffnungszeiten am Telefon. Die unsichere Coronalage, eine selbstauferlegte Kurskorrektur beim gastronomischen Konzept sowie die begrenzten personellen Kapazitäten würden eine Öffnung unter „Normalbedingungen“ derzeit nicht erlauben.
Gut, dann musste eben Plan B greifen und ich folglich wieder zum Smartphone. Der „Nyce Guy“ am anderen Ende der Leitung sicherte mir einen Platz in Langens neuer Burger-Bowl-Bar zu. Diese existiert seit dem 9.September 2021 in den ehemaligen Räumlichkeiten des „Kaliméra“, einem griechischen Lokal im Langener Lindenhof-Center. Nichts in dem verklinkerten, von coolem Industriedesign geprägten Anwesen erinnert mehr an eine griechische Ouzo-Taverne. Außenansicht
Da ließ man scheinbar gehörig den Presslufthammer kreisen, um das Innere des Lokals komplett umzukrempeln.
Drinnen empfing mich eine lange nicht mehr erlebte Betriebsamkeit. Ja, es war richtig was los bei den netten Burgerbuddies aus Langen. Und das unter der Woche. Studenten/Innen, Best Ager, Familien und Touristen bildeten einen bunten Querschnitt, der sich durch unterschiedlichste Gesellschaftsschichten zog. Bereits am Eingang wurde der erforderliche Impfnachweis kontrolliert. Ein Zweiertisch vor der Fensterfront war dann ebenso schnell eingenommen.
Da saß ich nun und genoss – und das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen – den Trubel um mich herum. Ich saugte das an die Zeit vor Corona erinnernde Gastro-Gewimmel förmlich in mir auf, denn es fühlte sich so verdammt „normal“ an. Spätestens beim Schoppen „Nyce Guys Pale“ vom Fass (0,5l für 4,50 Euro) waren die letzten pandemischen Umstände aus dem Kurzzeitgedächtnis gespült. Außerdem bewirkte die gut ge“lager“te Hopfenkaltschale das, was sie bei mir immer bewirkt: mein Appetit verwandelte sich in handfesten Hunger. Das Nyce Guys Pale (Hausbier)
Ich durchstöberte die vorbildlich laminierten Seiten der Speisenkarte, die allesamt in einem zum Ringbuch umfunktionierten Klemmbrett steckten. Erstmal einlesen...
“Zeitgeist meets Hygienevorschriften!“ Andere Zeiten, andere Meriten. Egal, ich blätterte mich mit „högschder“ Konzentration durch das „nice“ (neudeutsch) gestaltete Kompendium an Burgern, Bowls, Salaten und Fingerfood.
Nebenbei staunte ich als bekennender „Juncker der Provinz“ nicht schlecht über so viel gelebte Urbanität in dem von der Geest geformten Land. Graue Betonwände, klobige Industrielampen und jede Menge Bistromobiliar im „Used-Look“ hätte ich eher im benachbarten Bremerhaven erwartet. Der Gastraum im Industrial-Shabby-Look Die Leseecke ohne Bücher
Der schummrig beleuchtete Barbereich wurde von einer raumtrennenden Grasbüschelbarriere separiert. Schummrige Barkulisse
Das üppige Grün stand der ansonsten recht puristisch eingerichteten Burgerbutze gut zu Interieur und ließ den Gastraum etwas lebendiger wirken. Blick auf die "grünen" Raumtrenner
Statt mich über das Fehlen von frischfrittiertem Stint zu echauffieren, beschied ich mich vorweg mit einer Portion Chicken Wings (8,50 Euro), um mich dann ganz auf meine selbstauferlegte Hot’n’Cheese-Burger-Experience (damals noch 9,90 Euro) zu konzentrieren. Zu dem Geflügel-Sixpack gab es noch eine cremig-rauchige Chipotle-Sauce gratis dazu. Die knusprigen Sechs
Dann bediente sich Häuptling „Fettiger Finger“ ungeniert an dem knusprigen Frittiergut, das schnell als gewöhnliche Convenience-Ware enttarnt war. Die Chicken Wings im Detail
Dazu passte irgendwie das gut „reinlaufende“ Helle (übersetzt wohl eher „Bleiche“), das sich viel zu schnell leerte.
Dann folgte das mit einem medium gegrillten 200g-Patty ausgestattete „Scharf-und-Käse-Fleischbrötchen“. Was auf Deutsch klingt wie ein Sehnsuchtsgericht aus ostalgischen HO-Gaststätten, war in Wirklichkeit ein äußerst stattliches Exemplar niedersächsischen Bulettenbaus. Das „Scharf-und-Käse-Fleischbrötchen“
Zwischen den leicht angegrillten Buns lauerten neben der saftigen Fleischeinlage scharfe Jalapeños, würziger Cheddar und ein dicker Klecks hausgemachter Chili-Cheese-Sauce. Als vegetabiles Alibi fungierten krause Blätter vom Lollo rosso. The first cut is the deepest...mein Burger im Anschnitt
Keine Frage, das war keine Diätkost für Kalorienzähler, sondern eine zünftige Stärkung nach den getätigten 20000 Schritten (gefühlt) auf dem Deich. Auf die obligatorische Pommes-Beilage hatte ich leider verzichtet. Leider, weil mir beim Anblick der „Classic fries“ am Nachbartisch dann doch der Zahn tropfte. Egal, manchmal ist ja weniger mehr, was sich in meinem Fall als grober Unfug herausstellen sollte. Denn an jenem Abend (und auch an dem bald folgenden in Bremen…) war nämlich „mehr“ mehr.
Deshalb sah ich mich dazu veranlasst, meinem zuvor bestellten IPA von Maisel & Friends (0,33l-Flasche für 3,30 Euro) mit ein paar Onion Rings (4,90 Euro) kulinarisch Gesellschaft zu leisten. Hausgemachte Onion Rings mit Feuersauce
Die waren dann definitiv selbstgemacht, was mir die unterschiedliche Größe der in Bierteig ausgebackenen Zwiebelringe verriet und später beim netten Plausch mit dem Geschäftsführer bestätigt wurde. Die dazu bestellte Hot-Fire-Sauce machte ihrem Namen alle Ehre und heizte mir zum Schluss nochmal so richtig ein. Die Onion Rings aus der Nähe
Mit gut gemachten Burgern liegt der gemeine Fleischesser ja nie falsch. Kulinarisch betrachtet war der letzte Abend meines Solo-Trips vielleicht kein besonders wertvoller, aber einer mit hohem Wohlfühlcharakter. Und das reicht ja manchmal auch.
Liebe „Nyce Guys“ aus Langen, ihr macht mit eurem Laden ganz viel richtig, denn ihr füllt eure Gläser mit anständigem Bier und verköstigt eure Klientel mit schmackigen, teilweise sehr einfallsreich kreierten Burgern. Da ihr auch Schüsseln mit gesundem Powerfood in petto habt, wird auch der ein oder andere Gesundheitsapostel eure Wege kreuzen. Die Preise, die ihr dafür abruft, sind für das Gebotene absolut im Normbereich. Auch euer Servicepersonal ist schwer auf Zack und weiß, wie man mit seinen Gästen umgeht. Hipsterallüren sucht man hier jedenfalls vergeblich und das ist auch gut so.
Nun war ich gespannt, auf den bevorstehenden Väterabend in der „Hansestadt mit Herz“. Das dortige Treffen mit einem guten Futterfreund würde sicherlich in eine ganz andere Richtung gehen.
Wein oder nicht Wein? – Welch‘ überflüssige Frage!
Dass dieser Satz auch für die Abendstunden gilt, war mir nach dem Besuch eines relativ neuen Burgerladens in der Gemeinde Langen (nördlich von Bremerhaven) bewusst geworden. Langen ist eine von 16 Ortschaften, aus denen die Stadt Geestland besteht. Mit seinen ca. 11500 Einwohnern ist es doch um einiges größer als das Fleckchen Imsum, in dem ich für drei Tage einquartiert war. Nach den beiden an Fischvergnügen nicht gerade armen Abenden zuvor, gelüstete es mich nach einem Kontrastprogramm für auf kaltem... mehr lesen
Nyce Guys
Nyce Guys€-€€€Restaurant, Bar04743 9498552Debstedter Straße 5, 27607 Geestland
4.0 stars -
"A burger a day keeps the hunger away!" marcO74Dass dieser Satz auch für die Abendstunden gilt, war mir nach dem Besuch eines relativ neuen Burgerladens in der Gemeinde Langen (nördlich von Bremerhaven) bewusst geworden. Langen ist eine von 16 Ortschaften, aus denen die Stadt Geestland besteht. Mit seinen ca. 11500 Einwohnern ist es doch um einiges größer als das Fleckchen Imsum, in dem ich für drei Tage einquartiert war. Nach den beiden an Fischvergnügen nicht gerade armen Abenden zuvor, gelüstete es mich nach einem Kontrastprogramm für auf kaltem
Geschrieben am 02.04.2022 2022-04-02| Aktualisiert am
02.04.2022
Besucht am 22.02.2022Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 30 EUR
Der auflandige Wind schob die letzten Regenwolken über die Wurster Nordseeküste. Ein typischer Tag mit durchwachsenem Übergangswetter. Morgens startete ich mit einer fast schon obszön leckeren, lauwarmen Fischfrikadelle von Fisch-Feinkost Kathmann aus dem benachbarten Langen (Geestland) in den Tag.
Ein Spaziergang zum Ochsenturm am Imsumer Friedhof, der sich auf einer Warft knapp hinter dem Seedeich befindet und den Blick hinüber zur Silhouette das Containerterminals Bremerhaven freigibt, ließ mich meine Korrekturpflichten für ein paar Stunden bewusst vernachlässigen.
Gegen Abend rief ich in der Wremer Fischerstube an und erfragte einen Tisch. Frau Wolters, die Chefin vom Gasthaus Wolters – Zur Börse hatte mir tags zuvor den Tipp gegeben. Eine solide Fischküche bei freundlichen Gastgebern würde mich dort erwarten. Bereits das Telefonat bestätigte mir letzteres. Ich machte mich also erneut auf den Weg nach Wremen. Diesmal ging es aber näher an die Küste.
Die Wremer Fischerstube befindet sich nämlich direkt hinter dem Deich, keine 200 Meter vom Wremer Kutterhafen entfernt. Hier auf der windgeschützten Lee-Seite des „Wremer Tiefs“ steht der schmucke Klinkerbau, der seit dem Frühjahr 2021 von neuen Betreibern geführt wird.
Sein neuer Inhaber ist der Bosnier Sakib Hasanspahic, der zuvor 20 Jahre auf dem Restaurant-Schiff „Seute Deern“ tätig war. Die ab dem Jahre 2005 als Bestandteil der Gesamtanlage Deutsches Schifffahrtsmuseum unter Denkmalschutz stehende hölzerne Bark sank im August 2019 infolge eines Schiffsbrands im Alten Hafen von Bremerhaven. Im letzten Jahr wurde der geschichtsträchtige Dreimaster dann kostenintensiv abgewrackt. Für Herrn Hasanspahic war der Abschied von „seinem Schiff“ kein leichter, wie aus den Berichten der Regionalpresse zu entnehmen war.
Umso erfreulicher, dass ihm und seiner Mannschaft in der Wremer Fischerstube ein Neuanfang gelungen ist. In Zeiten von Corona sicherlich keine Selbstverständlichkeit. An der kulinarischen Ausrichtung des Lokals hat man ganz bewusst nicht viel geändert. Nach wie vor wird hier in erster Linie auf eine gutbürgerliche Fischküche gesetzt.
Jedoch finden sich auch ein paar Fleischklassiker sowie einige wenige vegetarische Gerichte im überschaubar gehaltenen Speiseangebot wieder. Ergänzt wurde das Standardprogramm von vier Tagesempfehlungen. Darunter auch der fangfrische Stint, der hier scheinbar als saisonale Delikatesse gilt.
In der geräumigen Fischerstube fühlte ich mich sofort gut aufgehoben. Auf dem gut gepolsterten Holzstuhl saß es sich recht bequem. Ausreichend Platz zu den Nachbartischen war ebenfalls vorhanden. An diesen war man bereits mit den Hauptgängen beschäftigt. Ein gemischtes Publikum, das sich zum Großteil aus Paaren mittleren und höheren Alters zusammensetzte, ließ sich handfeste Deftspeisen in üppigen Portionen servieren. Gastraumimpression 1
Mein Blick richtete sich auf den Ausschanktresen, überflog die dezente Küstenfolklore sowie die gerahmten nautischen Karten an den Wänden ehe er an einem beeindruckenden Modell eines Segelschiffs – hätte auch eine Miniatur der „Seute Deern“ sein können – hängenblieb. Das Schiffsmodell als Blickfang
Dieses war direkt neben dem Eingang platziert und mir bereits beim Betreten der Gaststube aufgefallen. Das Lokal machte jedoch nicht den Eindruck einer von Dekokitsch überladenen Seemannsklause. Gastraumimpression 2
Ganz im Gegenteil. Alles wirkte sehr sauber und aufgeräumt. Der über mir an der Wand angebrachte Flachbildschirm lieferte grelle Live-Bilder vom benachbarten Kutterhafen. Von der Decke baumelnde Hängeleuchten spendeten angenehm helle Lichtverhältnisse. Gastraumimpression 3
Keine Frage, der mit rustikalem Holzmobiliar ausgestattete Gastraum hatte seine gemütlichen Ecken. Und das trotz seines etwas nüchtern wirkenden Fliesenbodens. Gastraumimpression 4
Gleich zu Beginn prüfte einer der beiden äußerst beflissen agierenden Kellner meinen Impfstatus. Er bediente mich in der Folgezeit ohne Fehl und Tadel. Die Freundlichkeit von Herrn Kulic schien echt, was ein netter Plausch an der Theke kurz vor Feierabend – ich blieb mal wieder bis zum Schluss – noch bestätigen sollte.
Auf die Kartenlektüre folgte eine kleine Flasche Mineralwasser der Marke „Magnus“ (0,25l für 2,30 Euro) sowie ein frisch gezapftes Haake-Beck Kräusen (0,4l für 4,20 Euro). Kein Wässerchen konnte mein Kräusen trüben
Nach dem opulenten Mahl am Vorabend wollte ich es diesmal etwas ruhiger angehen lassen. Aber eine Wremer Krabbensuppe (6,20 Euro) durfte es in Anbetracht der unmittelbaren Nachbarschaft zum Kutterhafen vorweg schon sein.
Auch wollte ich es an diesem Abend auf eine ordentliche Miesmuschelei ankommen lassen. Die - laut Karte - nach mediterraner Art zubereiteten Schalentiere (15,50 Euro) waren zusätzlich mit Aioli und Baguette ausgestattet. Auf die Knoblauchtunke verzichtete ich dankend, würde sie mir doch nur unnötig im Magen liegen.
Das Krabbensüppchen hatte neben einer ordentlichen Granateinlage auch in Rädchen geschnittenen Frühlingslauch zu bieten. Das Wremer Krabbensüppchen
Mit etwas Sahne hatte man die Küstenterrine auf Geschmackskurs gebracht ohne dabei ein allzu erschlagendes Argument aus ihr zu machen. Das war zwar keine filigrane Bisque für Feingaumen, aber eine solide abgeschmeckte Offensive gegen den angestauten Hunger vom Tage. Insofern bereute ich meine Vorspeisenwahl zu keiner Sekunde und freute mich auf den zweiten Teil des Meerestiermedleys.
Die Muscheln wurden in einem großen Emaille-Topf an den Tisch gebracht. Ein Topf voller Muscheln
Beim Lüpfen des Deckels entwich ein von Weißwein und Gewürzen kündender Meeresduft, dessen Aromenfülle mich leicht benebelte. So richtig mediterran roch das aber nicht. Mit Hilfe einer großen Schöpfkelle füllte ich mir den ersten Teller und war erstaunt über den – was ihre Zubereitungsart betraf – so nicht erwarteten Abstecher ins Rheinische. Nun mündet ja der Rhein bekanntlich in die Nordsee und deshalb beharrte ich auch nicht auf dem in der Karte angekündigten mediterranen Charakter des Muscheltopfs.
Ja es war ein Topf und keine Schüssel. Und dieser musste erst einmal geleert werden, was gar keine so leichte Aufgabe darstellte. Denn der Weißwein-Gemüse-Sud, in dem die in ihren Schalen versteckten Weichlinge badeten, hatte leider zu viel Salz abbekommen. Ich mag ja würzige Tunken sehr, aber hier hatte sich wohl der schwerverliebte Koch beim Abschmecken der Muschelbrühe etwas zu sehr am natürlichen Habitat der dunkelschaligen Protagonisten orientiert. Erste Portion
Mit Brotes Hilfe konnte ich die erste Attacke der „Meerestiersole“ auf meine Papillen noch kontern. Dann aber musste ich mich geschlagen geben und konzentrierte mich fortan ausschließlich auf den Verzehr des reichlich vorhandenen Muschelfleisches. Manchmal muss man eben Prioritäten setzen. Zweite Portion
Um die Würze komplett vom Gaumen zu wischen, orderte ich noch eine Crème brulée (1,80 Euro) im Miniaturformat. Diese kam mit karamellisierter Kruste und den typischen Vanille-Pünktchen in ihr putziges Weckgläschen, das schnell ausgelöffelt war. Crème brulée im Weckglas
30 Euro wechselten danach ihren Besitzer. Herr Kulic erklärte seinem interessierten Gast die bereits erwähnten Umstände der „freundlichen Übernahme“ der Wremer Fischerstube. Die Kritik bezüglich der salzlastigen Muscheltunke nahm er professionell entgegen und versprach deren Weiterleitung in Richtung Küche. Gerne durfte ich mich auch im zweiten großen Gastraum noch umsehen und ein paar Bilder schießen. Dieser schien komplett renoviert worden zu sein und wirkte sogar noch ein wenig gemütlicher. Der andere Gastraum
Draußen war es indes recht ungemütlich. Der „Hans“ zog blank und mich fast vom Deich. Gut gesättigt und um eine sehr würzige Geschichte aus dem Muscheltopf reicher ging es schließlich mit dem Auto wieder zurück nach Imsum zur Ferienwohnung.
Am nächsten Tag lief ich bei strahlendem Sonnenschein den von Radfahrern und Spaziergängen gerne genutzten Deichweg nach Wremen (und wieder zurück). So gesehen bescherte mir der auflandige Wind vom Vorabend einen echten Traumtag an der Wurster Nordseeküste. An der Fischerstube kam ich sogar nochmal vorbei. Blick vom Deich: vorne die Stube, dahinter Wremen! Außenansicht am Tag darauf Außenansicht am Tag darauf
Mein Bedarf an Fisch war zu diesem Zeitpunkt gut gedeckt, weshalb ich am Abend die „Burgernähe“ bei den Nyce Guys suchte. Wie es mir dort erging, davon wird der nächste Bericht erzählen.
Der auflandige Wind schob die letzten Regenwolken über die Wurster Nordseeküste. Ein typischer Tag mit durchwachsenem Übergangswetter. Morgens startete ich mit einer fast schon obszön leckeren, lauwarmen Fischfrikadelle von Fisch-Feinkost Kathmann aus dem benachbarten Langen (Geestland) in den Tag.
Ein Spaziergang zum Ochsenturm am Imsumer Friedhof, der sich auf einer Warft knapp hinter dem Seedeich befindet und den Blick hinüber zur Silhouette das Containerterminals Bremerhaven freigibt, ließ mich meine Korrekturpflichten für ein paar Stunden bewusst vernachlässigen.
Gegen Abend rief ich in... mehr lesen
4.0 stars -
"Gutbürgerliche Geschichten aus dem Muscheltopf – nicht nur deftig, sondern auch ziemlich heftig!" marcO74Der auflandige Wind schob die letzten Regenwolken über die Wurster Nordseeküste. Ein typischer Tag mit durchwachsenem Übergangswetter. Morgens startete ich mit einer fast schon obszön leckeren, lauwarmen Fischfrikadelle von Fisch-Feinkost Kathmann aus dem benachbarten Langen (Geestland) in den Tag.
Ein Spaziergang zum Ochsenturm am Imsumer Friedhof, der sich auf einer Warft knapp hinter dem Seedeich befindet und den Blick hinüber zur Silhouette das Containerterminals Bremerhaven freigibt, ließ mich meine Korrekturpflichten für ein paar Stunden bewusst vernachlässigen.
Gegen Abend rief ich in
Besucht am 21.02.2022Besuchszeit: Abendessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 45 EUR
Mit dem Nordseebad Wremen verbindet mich der erste gemeinsame Urlaub mit meiner Frau vor rund sieben Jahren. Nach dem Motto „Back to the Roots“ planten wir in bester Erinnerung an diesen hübschen Flecken an der Wurster Nordseeküste unsere erste längere Fahrt mit dem Töchterchen.
Als wir dann endlich bei den Schwiegereltern in Bremen ankamen, wollten wir sie von der „beklemmend“ langen Zeit im Maxi-Cosi erlösen und disponierten kurzerhand um. Die letzte Etappe in Richtung Küste trat ich dann alleine an. Meine Frau blieb zusammen mit der Kleinen in Bremen bei ihren Eltern, die nicht nur ihr Enkelkind sehr vermisst hatten.
Natürlich hätten wir unsere Ferienwohnung in Imsum, einer rund 1000 Einwohner zählenden Ortschaft nördlich von Bremerhaven, auch absagen können. Da ich aber noch eine Menge Arbeiten zu korrigieren hatte, würde ich bei meinem dreitägigen Solo-Trip keinen rechten Grund zur Langeweile haben. Außerdem hielt nach den heftigen Stürmen wieder sonniges Wetter Einzug, was sicher den ein oder anderen Deichspaziergang ermöglichen würde.
Über die Verpflegung am Abend machte ich mir nach vollzogener Einquartierung Gedanken. Ein einziges Restaurant listete der Guide Rouge in meiner Nähe. Das mit einem Bib Gourmand ausgezeichnete Gasthaus „Zur Börse“ von Björn und Inge Wolters im rund 6 km entfernten Nachbarort Wremen. Und zufällig hatten die an jenem Dienstagabend auch noch geöffnet. Ein kurzer Anruf genügte und nach einem netten Plausch mit der Chefin war mein Abendessen gesichert. Abends vorm Gasthaus Wolters
Die Informationen auf deren Homepage steigerten meine Vorfreude auf die feine Fischküche, mit der sich Küchenchef Björn Wolters einen guten Ruf „erkocht“ hat. Viel Stammklientel konnte ich an den Nachbartischen ausmachen. Das wunderte mich nicht, denn die Art und Weise wie man hier seine Gäste umsorgt, ist von einer fürsorglichen Herzlichkeit geprägt, die man heute nicht mehr so häufig antrifft.
Frau Wolters empfing mich als einzigen Einzelgast des Abends und checkte verordnungskonform meine aktuelle Impflage. Dann bekam ich einen Platz vor der Theke zugewiesen. Ich hatte den letzten freien Tisch ergattert und freute mich einfach nur auf was Leckeres vom Flossentier.
In den beiden gemütlichen Gasträumen, die durch eine offene Glastür miteinander verbunden waren, war mächtig was los. Frau Wolters und zwei jüngere Mädels schmissen gutgelaunt den Service und was sie da so an die einzelnen Tische brachten, sah sehr verlockend aus. Mein zentraler Thekenplatz war also keineswegs ein zugiger „Katzentisch“ für misanthropische Alleinverzehrer, sondern eine Beobachtungswarte von Rang, die außerdem das Kommunizieren förderte. Tisch mit bester Aussicht
Ich genoss die interessanten Ein- und Ausblicke auf das gastronomische Geschehen um mich herum. Da waren zum Beispiel die beiden jungen Mädels, die Frau Wolters im Service unterstützten. Sie werkelten mal alleine, mal gemeinsam hinter dem Tresen. Eine von ihnen schien noch nicht so lange im Service zu arbeiten bzw. auszuhelfen. Sie wurde jedoch mit viel Verständnis von Frau Wolters und der anderen, erfahreneren Bedienung eingelernt.
Am Nachbartisch hatte gerade eine Familie den Geburtstag ihrer im Grundschulalter befindlichen Tochter gefeiert. Dies fiel mir allerdings erst auf als sie gegangen waren. Luftschlangen und andere bunte Deko lagen noch als Reste des Festes auf dem Tisch. Wer sich so viel Mühe mit den kleinen Gästen gibt, wird auch die großen nicht enttäuschen. Beruhigende Gedanken, die mir schon vor dem ersten Bissen versicherten, hier goldrichtig zu sein.
Zumal auch das gemütliche Ambiente zum Verweilen einlud. Jede Menge dunkles Holz umgab mich. Die Bistrotische, von in die Decke eingelassenen Spots ins rechte Licht gerückt, waren allesamt mit frischen Schnittblumen ausgestattet. Außer einem antik anmutenden Kerzenständer sowie den üblichen Salz- und Pfeffermühlen, wirkten sie recht puristisch eingedeckt. Ein übergeworfener Tischläufer aus Leinen hellte die hölzerne Tischplatte zusätzlich auf. Alles wirkte sehr sauber und es ließ sich auf den einfachen Holzstühlen mit bequem gepolsterter Unterlage gut aushalten. Der rechte Gastraum
Da saß ich nun inmitten des ehemals als Viehbörse – daher der Name des Lokals – dienenden Anwesens im Ortskern von Wremen und fühlte mich verdammt gut aufgehoben. Ich war zwar alleine bei den Wolters aufgeschlagen – das kennen und können andere GG-Genossen sicher besser als ich –, aber ich fühlte mich keineswegs allein. So oft es eben passte, tauschte ich mich mit der Chefin des Hauses aus, gab Feedback zu den Speisen und versuchte, ihr ein paar Ausgehtipps für die kommenden beiden Abende zu entlocken. Denn zu meinem großen Entsetzen musste ich feststellen, dass die „Börse“ an den beiden Folgetagen geschlossen hatte.
Aus dem kulinarischen Fortsetzungsklassiker „An drei Abenden durch die Karte!“ wurde leider nichts. Also musste es beim Erstversuch klappen. Apropos klappen, die Speisenkarte hielt ich mittlerweile in den Händen und klappte sie bedächtig auf. Die erste Seite erzählte von der 300 Jahre (!) alten Vergangenheit der Gastwirtschaft, die reich an Geschichte und Geschichten zu sein schien. Was hier einem französischen Marodeur Anfang des 19.Jahrhunderts aus reiner Notwehr passiert sein soll, beunruhigte mich nicht im Geringsten, hatte ich doch viel Friedlicheres als dieser im Sinn.
Eine Seite weiter folgte die komplette Aufschlüsselung der Lieferanten. Das Gemüse bezog man teilweise von Hobbygärtnern aus der Umgebung, Frischfisch und Krustentiere ließ man sich von Krabben Böger aus Wremen liefern. Das Fleisch von Wasserbüffel, Rind (Galloway und Schwarzbuntes Niederungsrind) und Färse stammte von Tieren, die auf den Salzwiesen der Region weideten.
Reh, Hase und Wildschwein sagten beim Anblick der hiesigen Jäger ein letztes Mal „Gute Nacht!“. Pilze, Beeren, Bärlauch, Hagebutten und Holunderblüten sammelte man weitgehend selbst. Der Verzicht auf Geschmacksverstärker passte in das von Regionalität und Komplettverwertung geprägte Küchencredo. Das las sich alles sehr vertrauenserweckend und machte mal Appetit.
Dieser wurde durch das Studium der Speisenlektüre noch verstärkt. Mein Hunger war groß. Drei Gänge durften es an diesem Abend schon sein. Die Entscheidung für das dreigängige Fischmenü (34,50 Euro), das aus einer Fischsuppe, auf der Haut gebratenem Wolfsbarschfilet und gratinierten Beeren zum Dessert bestand, fiel mir dementsprechend leicht. Auch Rumpsteak, Filet vom Weiderind und Rehragout in Waldpilzsauce konnten da mein Fischverständnis nicht erschüttern.
Bei den Getränken hielt ich mich an Wasser – kleine Flasche Tönissteiner (0,25l für 2,60 Euro) – und Wein. Erfreulicherweise wurde nahezu jeder Flaschenwein auch offen ausgeschenkt. Auf mein Bedauern, dass ausgerechnet der Sauvignon Blanc „Collage“ vom Weingut Hammel & Cie aus Kirchheim (nördlich von Bad Dürkheim) nicht glasweise zu haben war, reagierte man mit nordischer Nonchalance.
„Gerne machen wir Ihnen eine Flasche für ein Gläschen auf. Um den Rest kümmern wir uns dann morgen an unserem Ruhetag selbst.“ Frau Wolters erfüllte mir umgehend meinen fast schon asketisch anmutenden Weißweinwunsch. Die Chefin wusste halt, wie man Gäste verwöhnt.
Das Viertel Sauvignon Blanc (5,40 Euro) aus der heimischen Pfalz war ein besonders elegantes Tröpfchen, reifte doch der mit schönem Säurespiel und reichlich zartem Schmelz ausgestattete Weiße jeweils zur Hälfte im Holzfass und im Edelstahltank.
Bis zur Fischsuppe vertrieb ich das erste Magenknurren mit zwei vorweg gereichten Brotaufstrichen und einem kleinen Körbchen frischer Backwaren. Besonders das Griebenschmalz wirkte - mit ein wenig Pfeffer und Salz versehen - auf dem fluffigen Baguette wahre Wunder. Aber auch der Kräuterquark konnte was. Griebenschmalz und Kräuterquark zum Auftakt
Ich versuchte mich beim Stullenschmieren in Zurückhaltung zu üben, was jedoch spätestens beim danach servierten Amuse komplett misslang. Das in einer kleinen Terrine versteckte Grünkohlcrèmesüppchen war aber auch derart fein abgeschmeckt, dass die restlichen Brotscheiben für Stippdienste draufgingen. Grünkohlcrèmesüppchen als Amuse
Auf das Süppchen folgte der erste Gang des Menüs, die vor Schuppentiereinlage strotzende Meeresterrine. Ihre klare Brühe duftete mir wie eine würzig-frische Nordseebrise entgegen. In kleine Stücke geschnittene Wolfsbarsch-, Schollen- und Limandesfilets bekamen von ein paar Garnelen und ausgelösten Miesmuscheln Gesellschaft. Die Nordmann-Bouillabaisse
Sellerie, etwas Knoblauch, Zwiebel und Weißwein fungierten zwar dezent im Hintergrund, verliehen jedoch der gut ausbalancierten Bouillabaisse von Nordseefischen eine wunderbar aromatische Note. Mit ein paar Scheiben Knoblauchbaguette – ganz „oldschool“ mit selbstgemachter Knoblauchbutter bestrichen – war das ein Auftakt nach Maß. Oldschool Knobi-Brot
Die Fischsuppe löffelte sich wunderbar leicht aus der weißen Porzellantasse. Auch von der Portion her war sie perfekt bemessen. Sie erwies sich als gelungener Appetizer für die bald folgenden, saftigen Wolfsbarschfilets. Von ihnen lagen bald darauf drei schmalere Exemplare in gebratener Perfektion auf meinem Teller. Alle hatten sie eine herrlich krosse Haut, saftiges weißes und grätenfreies Fleisch sowie eine wohltuende Würze gemein. Nicht nur den Umgang mit Salz schien Küchenchef Björn Wolters zu beherrschen. Die drei Wolfsbarschfilets
Unter dem Bratfischhorizont lauerte ein mit Sahne verfeinertes Gemüse-Ragout, dessen Protagonisten noch reichlich Biss hatten. Es bestand im Wesentlichen aus Zuckerschoten, Lauchringen, Tomatenwürfeln und Erbsen. À part wurde mir noch ein Extraschälchen davon spendiert – getreu dem Motto „In der Börse ist noch kein Pfälzer verhungert!“. Die Gemüse-Beilage
Ebenfalls separat kam die Bandnudelbeilage auf den Tisch. Bandnudeln à part
Von dem behutsam zubereiteten Hauptgang ließ ich nichts, aber auch rein gar nichts zurückgehen. Ganz im Gegenteil, wären fünf Fischfilets auf dem Teller gelegen, hätte ich auch diese geschafft, so köstlich fielen die knusprigen Filetstücke vom Wolfsbarsch aus. Endlich fühlte ich mich so richtig an der Küste angekommen. Nochmal die Filets vom Wolfsbarsch
Nach meinem Hauptgericht trat es dann doch ein: das recht ungebeten daherkommende Sättigungsgefühl. Doch halt – der süße Abschluss stand ja noch bevor! Die überbackenen Beeren, die meine Mutter früher zu besonderen Anlässen mit einer Mascarponecreme, zu Pulver geriebenen Löffelbiskuits und etwas Kirschwasser kredenzte, hatten bei mir schon damals einen gewissen Lieblingsdessertstatus inne.
Hier kamen sie mit einer schaumig-leichten, für meinen Geschmack etwas zu süßen Holunderblüten-Sabayone daher. In dieser tummelten sich jede Menge weiche Biskuitwürfel. Statt der gefrorenen Waldfrüchte von damals, schauten frische Blau- und Himbeeren unter der süffigen Masse hervor. Ein sicheres Indiz, dass man es mit der Regionalität hier auch nicht übertrieb. Zusammen mit der Kugel Vanille-Eis genossen, ergab das einen schönen Kalt-Warm-Kontrast. Die Fruchtsäure der reifen Beeren verlieh der warmen Süßspeise die nötige Frische. Kann denn Schaumcrème Sünde sein? Die gratinierten Beeren
Nach diesem „Beerendienst“, den ich mir selbst erwiesen hatte, erklärte ich meine Nahrungsaufnahme endgültig für beendet. Völlerei gilt ja bekanntlich als die süßeste Todsünde der Welt. Insofern nahm ich mir vor, am nächsten Abend Buße zu tun, was jedoch nur teilweise gelang.
Man empfahl mir die Wremer Fischerstube, ein gutbürgerliches Lokal direkt hinterm Deich und in unmittelbarer Nähe zum kleinen Wremer Fischereihafen. Von Frau Wolters verabschiedete ich mich mit einem herzlichen „Dankeschön!“ und auch ein wenig Wehmut, da ich gerne hier nochmal eingekehrt wäre. Beim nächsten Wremen-Besuch ist die „Börse“ der Wolters Pflicht. Dann natürlich mit meinen beiden Mädels im Schlepptau.
Mit dem Nordseebad Wremen verbindet mich der erste gemeinsame Urlaub mit meiner Frau vor rund sieben Jahren. Nach dem Motto „Back to the Roots“ planten wir in bester Erinnerung an diesen hübschen Flecken an der Wurster Nordseeküste unsere erste längere Fahrt mit dem Töchterchen.
Als wir dann endlich bei den Schwiegereltern in Bremen ankamen, wollten wir sie von der „beklemmend“ langen Zeit im Maxi-Cosi erlösen und disponierten kurzerhand um. Die letzte Etappe in Richtung Küste trat ich dann alleine an.... mehr lesen
Gasthaus Wolters - Zur Börse
Gasthaus Wolters - Zur Börse€-€€€Restaurant, Partyservice047051277In der Langen Straße 22, 27639 Wurster Nordseeküste
5.0 stars -
"Wer eine feine Fischküche bei herzlichen Gastgebern sucht, ist hier genau richtig!" marcO74Mit dem Nordseebad Wremen verbindet mich der erste gemeinsame Urlaub mit meiner Frau vor rund sieben Jahren. Nach dem Motto „Back to the Roots“ planten wir in bester Erinnerung an diesen hübschen Flecken an der Wurster Nordseeküste unsere erste längere Fahrt mit dem Töchterchen.
Als wir dann endlich bei den Schwiegereltern in Bremen ankamen, wollten wir sie von der „beklemmend“ langen Zeit im Maxi-Cosi erlösen und disponierten kurzerhand um. Die letzte Etappe in Richtung Küste trat ich dann alleine an.
Geschrieben am 19.03.2022 2022-03-19| Aktualisiert am
19.03.2022
Besucht am 17.02.2022Besuchszeit: Abendessen 3 Personen
Rechnungsbetrag: 177 EUR
Prolog…
Ich kenne die Zeiskamer Mühle schon seit vielen Jahren. Aber nur vom Hörensagen. Das liegt zum einen an ihrer Lage. Das idyllisch gelegene Hotel-Restaurant befindet sich etwas außerhalb des rund 2200 Einwohner zählenden „Zwiebel- und Gemüsedorfs“ Zeiskam, in das es mich nur noch sehr selten verschlägt.
Damals, vor 30 Jahren war das ganz anders. Mit 18 rannte ich öfter in „Zäääskäm“ rum, war zwar kein Sänger in ner Rock’n’Roll-Band, aber meine damalige Freundin kam aus dem Ort. In der „Mühle“ - wie die Einheimischen ihr bestes Haus am Platz gerne nennen -, sind wir dennoch nie eingekehrt. Als Schüler der Mainzer Studienstufe (MSS), der kurz vorm Abitur stand, war mir diese Pfälzer Traditionsadresse schlichtweg zu fein (damals spießig) und auch zu teuer.
Als ich vor ein paar Jahren dann mit dem Rad öfter in der Ecke unterwegs war, führte mich der beliebte „Kraut- und Rüben-Radweg“ mehrfach knapp am schmucken Anwesen der Familie Küspert vorbei. Aber eine Einkehr in Radfahrerklamotten – die Zeiskamer Mühle hatte seit jeher den Ruf eines besseren Lokals – hielt ich für unangemessen.
Ein weiterer Grund, warum ich hier noch nie zuvor aufschlug, lag an den weit auseinandergehenden Meinungen über die dortigen Küchenleistungen. Vertrauliche Pfälzer Gaumenscouts meinten gar, dass das Gebotene in keinem Fall sein Geld wert wäre…
Da den Propheten im eigenen Land noch nie das allerbeste Zeugnis ausgestellt wurde und einer unserer „Food-Fellas“ die „Mühle“ zu seinen gutbürgerlichen Favoriten zählt, ließ ich es an einem Donnerstagabend Mitte Februar in Begleitung zweier Genusskollegen auf einen Selbstversuch ankommen. Ohne das Fazit vorwegzunehmen, möchte ich anmerken, dass es zwar kein billiger Spaß wurde, aber in Sachen hausmannsköstlicher Horizonterweiterung ein durchweg gelungener Abend.
Die Mühlengeschichte(n)…
Die Zeiskamer Mühle ist seit über 100 Jahren im Besitz der Familie Küspert. Bis ins Jahr 1972 fungierte sie als Getreidemühle. Anfang der 70er Jahre wurde eine kleine Einkehrstube installiert, welche die eigentliche gastronomische Geburtsstunde der Zeiskamer Mühle im Jahre 1976 einleitete. 10 Jahre später kam ein kleiner Hotelkomplex mit 17 Zimmern hinzu, der im Jahr 2008 großzügig erweitert wurde. Außerdem entstand ein komplett neuer Restaurantbereich mit neuer Küche und einer holzvertäfelten Wohlfühloase für Genießer, der sogenannten Mühlenstube. Die Mühlen-Historie im Überblick
Maik und Timo, die Söhne der Gründers Ernst Küspert, leiteten zu dieser Zeit bereits gemeinsam die Geschicke der „Mühle“. Timo Küspert hatte in der Küche das Sagen, während sich sein Bruder Maik in erster Linie für den Hotelbetrieb verantwortlich zeichnete. Doch leider verhinderten innerfamiliäre Differenzen den gemeinsamen Weg. 2020 verließ Timo Küspert schließlich die Zeiskamer Mühle. Seitdem heißt der Küchenchef Jens Rasp, der die bewährten Hausrezepte in Ehren hält und zusammen mit seinem Team eine bodenständige Frischeküche mit modernen Einflüssen auftischt.
Die Ankunft
Pünktlich um 19 Uhr trafen wir am Parkplatz auf den dritten Gaumenhelden im Bunde, den hier regelmäßig ein- und ausgehenden „Futtersucher“ aus Böbingen. Der unser Schlemmerquartett komplettierende „Vierte Mann“, den sie nicht nur in Wörth den „Präsidenten“ nennen, fehlte leider aus familiären Gründen an diesem Abend. Auf zur Mühle!
Ich näherte mich ehrfurchtsvoll dem stimmungsvoll beleuchteten, sehr gepflegt erscheinenden Anwesen, durchschritt zusammen mit meinen beiden kulinarischen Komplizen den geschichtsträchtigen Torbogen und warf einen kurzen Blick auf den Schaukasten mit der zweiseitigen Speisenkarte, deren reduziertes Angebot ich ja bereits online studiert hatte. Die zwei museumsreifen Traktoren, die u.a. den Innenhof schmückten, sorgten für Aufsehen. Traktoren-Museum im Innenhof
Sie standen im krassen Gegensatz zum sehr modern wirkenden, komplett verglasten Empfangs- bzw. Eingangsbereich des Hotel-Restaurants. Da geht's rein... Verglaster Empfangs- und Eingangsbereich Das Drumherum
Bereits die Hotellobby vereinte Tradition und Moderne. Viel helles, wertiges Holz wechselte sich mit klaren Formen ab. Für Ruhesuchende standen bequeme Fauteuils bereit. Im Foyer
Kinder hätten bei der liebevoll gestalteten Spielecke große Augen gemacht. An der Rezeption wurden wir freundlich in Empfang genommen. Gemäß den geltenden „Impfstatuten“ wurden unsere Nachweise kontrolliert. Danach führte man uns an der holzvertäfelten, außerordentlich geschmackvoll eingerichteten Weinstube vorbei Blick von der Weinstube in Richtung Foyer
und bat uns links in die rustikale Mühlenstube abzubiegen, wo ein in weißes Leinen gehüllter Tisch auf uns wartete. Impression aus der Mühlenstube
Neben der Mühlen- und der Weinstube existiert noch ein wesentlich eleganter eingerichteter Gastraum, der bis zu 80 weiteren Personen Platz bietet und häufig zu feierlichen Anlässen genutzt wird. Von hier aus blickt man auf die vorgelagerte, überdachte Sommerterrasse, auf der es sich während der Freiluftsaison sicherlich ganz idyllisch tafeln lässt. Die grünen Queichtalwiesen befinden sich schließlich nur einen Steinwurf entfernt.
Die komplett von hellem Holz eingerahmte Mühlenstube versprühte fast schon alpenländisches Flair. Pfälzer Landgasthausidylle pur
Mit ihren gemütlichen Ecken und kleinen Nischen präsentierte sich der verwinkelt wirkende Gastraum als atmosphärisches Sinnbild rustikaler Gemütlichkeit. Die Mühlenstube besteht aus vielen gemütlichen Ecken
Wer hier nicht sofort entschleunigt, ist selber schuld oder mag generell keine hölzernen Wohlfühlstuben, die Wohnzimmerstimmung verbreiten. Entspannte Atmosphäre
Die Stoffservietten waren zu Bischofsmützen gefaltet, das Einfachbesteck und die Wassergläser auf Hochglanz poliert. Allein optisch machte unser zusätzlich von kleinen Brottellern, Pfeffer- und Salzstreuern sowie überschaubarer Deko bevölkerte Tisch einen äußerst adretten Eindruck. Hinsetzen - wohlfühlen!
Von der kultivierten Umgebung auf angenehmste Art und Weise beeindruckt, widmeten wir uns den gereichten Speisen- und Getränkekarten.
„…was wollen wir trinken…?“
Die wohlsortierte Aperitif-Auswahl ließ uns gleich beherzt zugreifen. Ich gönnte mir den „Mühlentraum“ (8,50 Euro), einen mit Holunderblütensirup und Waldfrüchten versetzten Riesling-Sekt (vom Weingut Karl Pfaffmann), der als Edel-Hugo nicht gerade schüchtern bepreist war. Der Mühlentraum-Aperitif
Mein Kollege wollte es dagegen etwas mondäner angehen lassen und entschied sich für den „falschen“ Kir Royal (7,50 Euro) einen mit Riesling-Sekt aufgegossenen Johannisbeerlikör. Tischgenosse Nr. 3 begnügte sich hingegen mit einem alkoholfreien Gesöff (6,50 Euro), bei dem der Farbe nach Orangensaft die Hauptrolle spielte.
Für die Flasche Bellaris Classic wurden urbane 7,50 Euro abgerufen, der halbe Liter Lord-Pils von der nahegelegenen Bellheimer Brauerei schlug mit satten 5 Euro zu Buche. Ein Euro pro Deziliter Bier ist in der Pfalz schon eine Ansage. Die stramme Getränkekalkulation setzte sich auch bei der gut bestückten Weinkarte fort. Der offen ausgeschenkte QbA-Riesling vom VDP-Neuwinzer Johannes Jülg aus Schweigen belief sich auf hochfaktorisierte 8,50 Euro pro Viertel.
Mein Tischnachbar minderte seinen Preis auf 4,30 Euro, da er sich mit einem Achtel dieses eleganten Pfälzer „Säuretiers“ zufriedengab. Meinen Hauptgang begleitete später ein Achtel von der Incognito-Cuvée des Ausnahmewinzers Philipp Kuhn aus Laumersheim, für die ich die 4,50 Euro gerne investierte. Sie waren sehr gut angelegt, erfüllte doch der mit weicher Tanninstruktur ausgestattete 14-Prozenter alle Ansprüche eines kraftvollen (Ge-)Samtpakets ohne die roten Beerenfrüchte zu vernachlässigen.
Noch ein paar Anmerkungen zur Weinkarte. Die begeistert mit ihren acht glasweise ausgeschenkten Rotweinen, den beiden Rosés und den zwölf offenen Weißen auch das flaschenscheue „Gesindel“. Für Bouteillen-Buddies der 0,75l-Klasse gibt es aber auch genügend guten „Stoff“, um die vergorenen Früchte der Haardt und der Südpfalz zu „ersüffeln“. Viele Winzer von Rang und Namen sind vertreten und erfreulicherweise hat man auch ein paar große Lagen (Forster Ungeheuer, Kirschgarten oder Kastanienbusch) am Start. Außerdem fährt man mit dem Syrah und der Cuvée X bzw. XR vom Weingut Knipser aus Laumersheim auch hochtourig im „roten Bereich“.
Die kulinarischen Vorhüte…
Von der übersichtlichen Auswahl an Vorspeisen sprachen mich die Bio-Seawater-Riesengarnelen mit Garnelenchips, hausgemachter Cocktailsauce und Blattsalat (17,50 Euro) am meisten an. An der anderen Tischseite hatte man sich hingegen für das Vitello tonnato (14,50 Euro) entschieden. Die Vorspeisen folgten zeitnah auf eine schmackige Paprikacrème, die man uns zusammen mit einem Brotkörbchen zum Amuse reichte. Paprikacrème für den ersten Hunger
Die drei perfekt gebratenen, sehr saftigen Garnelenschwänze lagen angenehm gewürzt, komplett entdarmt und ohne Schale auf dem Teller. Als Kontrast zum weichen Fleisch der Meeresbewohner fungierten die Krabbenchips. Die Riesengarnelen im Detail
Sie lieferten ausreichend Knusper, während die fein abgeschmeckte Cocktailsauce mit wahrnehmbarer Fruchtessignote punktete und der subtilen Süße der Krustentiere mit genügend Säure und Würze begegnete. Für vegetabile Erfrischung sorgte ein behutsam angemachter Blattsalathügel, dessen wohlschmeckendes Essig-Öl-Dressing dem Teller zusätzlichen Schwung verlieh. In der Summe ergab das eine abwechslungsreiche Vorspeise, die vollends überzeugte und nicht zu arg sättigte. Riesengarnelen als Vorspeise
Das Vitello tonnato, das sich der Herr neben mir gönnte, machte aber auch keinen schlechten Eindruck. Herrlich mürbes, dünn aufgeschnittenes Kalbfleisch lauerte unter einer sämigen Thunfischsauce. Anscheinend hatte man das von der Kalbsschulter oder Kalbskeule verwendete Fleisch schonend in Wein und Brühe gegart, was seine saftige Textur erklärt hätte. Vitello tonnato
Der rosafarbene Kalbfleischteppich wurde von ein paar Kapern und Cocktailtomaten flankiert. Rein optisch stach hingegen das saftige Grün seiner Rucola-Frisur hervor. Mein Kollege bezeichnete diesen italienischen Antipasti-Klassiker als gelungenen Gaumenausflug ins ferne Piemont. Mehr Lob geht eigentlich kaum.
Da unsere Hauptgänge zusätzlich mit einem kleinen Beilagensalat gesegnet waren, folgte dieser in dreifacher Ausführung auf die Vorspeisen. Der Beilagensalat
Der mit delikatem „Mühlendressing“ angemachte, grüne Zwischengang präsentierte sich knackig frisch. Er war mit ein paar gerösteten Kürbis- und Sonnenblumenkernen, rohen Paprikastücken, der obligatorischen Tomaten- und Gurkendreingabe sowie etwas Kresse garniert. Noch ein Beilagensalat
Dies ergab ein stimmig arrangiertes „Blattwerk“, dessen fachmännisch angerührte Salatsauce auf Essig-Öl-Basis mit etwas Sauerrahm verfeinert wurde. In Brotes Namen wurde auch der letzte Tropfen dieser Leckertunke aufgesaugt.
Hausmannskur mit kleinen Schatten…
Bei den Hauptgerichten setzten wir auf gutbürgerliche Redundanz. Meine beiden Kollegen hatten das Cordon Bleu und das Wiener Schnitzel (beide jeweils 26,50 Euro) von der schwäbisch-hällischen Bio-Kalbshüfte zu ihren Panadedisziplinen erklärt. Meine beiden stattlichen Filetstücke vom Pfälzer Landschwein (auch 26,50 Euro) badeten dagegen in feiner Rahmsauce und waren mit sautierten Kräutersaitlingen geschmückt. In der Pfanne geschwenkte Butterbrösel zierten die separat dazu gereichten, hausgemachten Spätzle frisch aus der Presse, Spätzle (self-pressed)
während sich der Rest der Truppe an knusprigen Pommes frites labte.
Zart – zärter – Hüfte vom Biokalb! Sowohl der Schnitzelschwelger als auch sein Cordon-Bleu-Komplize gegenüber lobten die butterzarte Textur ihrer panierten Hausmannsklassiker. Gut, für 26,50 Euro hätte man beide Teller vielleicht etwas liebevoller anrichten können, denn die gelieferten Hauptspeisen kamen optisch doch recht hausbacken - hauspaniert trifft es noch eher - rüber. The Wiener!
Doch bei der Qualität der verwendeten Zutaten und deren handwerklich einwandfreier Zubereitung gab es nichts auszusetzen.
Das Wiener steckte in leicht soufflierter Panade und glänzte wie frisch durch die Pfanne gewandert. Fluffig-lockeres Panierstück
Beim Anblick des Cordon Bleus wurde ich zunächst etwas melancholisch, hinterließ doch die einsame, darunter begrabene Karotte einen ziemlich freudlosen Eindruck. Cordon "Tristesse"
Das zusammengerollte Käse-Schinken-Kalbsstück geriet dann allerdings saftig bis zum geht nicht mehr. Die à part im Schälchen dazu gereichten Pommes frites bedeuteten reinste Knusperfreude in Stäbchenform. Gute Convenience schmeckt ja manchmal besser als hausgemachte Durchschnittsware.
Bei meinen vor Schweinesaft strotzenden Filetstücken hatte die mit etwas Cognac verfeinerte Rahmsauce bereits beim Servieren eine leichte Haut gebildet. Filet vom Pfälzer Landschwein
Da hätte die Wartezeit unterm Salamander ruhig etwas kürzer ausfallen dürfen. Geschmacklich war die sämige, mit knackigen Karotten und kurz angebratenen Kräutersaitlingen bestückte Tunke gänzlich ohne Fehl und Tadel. Da bewies die Küche ihr Händchen fürs Abschmecken. Vielleicht wäre sie mir ein wenig dünnflüssiger lieber gewesen. Das ist sicherlich High-End-Gejammere, aber bei dem abgerufenen Preis darf ein solches auch erlaubt sein. Trotzdem mundete mir der von erdiger Sämigkeit kündende Teller vom mürben Feinschwein und hatte ein weit vorangeschrittenes Gefühl der Sättigung zur Folge.
Dieses ignorierend, ließ ich mich doch tatsächlich noch zu einem süßen Abschluss hinreißen. Die Überredungskünste des „Mühlenmäzens“ neben mir verleiteten mich schließlich zur Völlerei. Der hier zum Inventar zählende Kollege hatte nämlich schon vor dem ersten Bissen des Abends die Schoko-Mousse-Variation (12,50 Euro) als Pflichtnachtisch für sich proklamiert und hätte sie mir nur zu gerne gegönnt. Ich beschied mich hingegen mit dem „kleinen Mühlendessert“, einer süßen Überraschung von Patissier Stephan, die original mit einem Espresso geliefert werden sollte. Auf Letzteren verzichtete ich dankend und war gespannt, was man mir an seiner statt aufs Porzellan legen würde.
Gelungener Abschluss in Süß
Mit einem frischen Früchtemix (Mango, Kiwi, Erd-, Him- und Heidelbeeren), der die kalte Jahreszeit kurz vergessen machte, wurde die mit etwas Schokocrumble aufgeknusperte Mousse-Trilogie an meinen Tischnachbarn geliefert. Die Schoko-Mousse-Trilogie
In den drei stattlichen Nocken wurde dunkle, weiße und Vollmilch-Schokolade der Marke „Original Beans“ (beste Schweizer Ursprungsware) verarbeitet. Ein durchweg fluffig-cremiges Unterfangen, das aus dem gestandenen Pädagogen - in puncto Nachtischbewältigung - einen regelrechten Mousse-ter-Schüler machte. Schoko-Mousse von vorn
Wie freundlich von der Küche, dass man den vorgesehenen Espresso durch eine etwas kleinere Nocke vom dunklen Schokomousse ersetzt hatte. Da sagte ich nicht nein. Genauso begeistert war ich von dem mit formidablen Rotweinsorbet gefüllten Mini-Cornet. Davon hätte ich eine ganze Spritztüte voll verputzen können (wenn auch vielleicht nicht mehr am selbigen Abend…). Das Mühlendessert
Bei der im Glas servierten Panna Cotta hatte sich der Vanille-Grieß am Boden abgesetzt. Dem feinen Aroma schadete dies nicht. Marinierte Ananasjulienne brachte zusätzlich ein wenig Frische und Säure ins Spiel. In Anbetracht der hier vorherrschenden, gehobenen Preispolitik waren die hierfür investierten 5 Euro ein regelrechtes Schnäppchen.
Anspruch und Wirklichkeit…ein Fazit
Ja, es war ein richtig schöner Abend in der urgemütlichen Mühlenstube. Wir fühlten uns dort sehr gut aufgehoben, auch wenn die uns bedienende Servicedame in etwas freudloser Pflichterfüllung ihren Job verrichtete. So richtig warm wurden wir nicht mit ihr. Da fehlte der überspringende Funke, der einen ordentlichen von einem herzlich-zugewandten Dienst am Gast unterscheidet.
Ein weiterer kleiner Schwachpunkt stellte die Anrichtung unserer Teller dar. Wenn ich bedenke, was jeder von uns an diesem Abend an Geld auf den Tisch legte, hätte ich mir an dieser Stelle etwas mehr Kreativität gewünscht. Dass man gutbürgerliche Hausmannskost deutlich einfallsreicher aufs Porzellan bringen kann, wissen ja nicht nur die Gäste des Neupotzer Restaurants Hardtwald zu schätzen.
Und noch was zu den Preisen. Ja, die waren und sind in der Zeiskamer Mühle schon immer etwas höher als in vergleichbaren Lokalitäten mit ähnlicher Küche. Dennoch sollte man trotz aller Ambition den Standort in der Südpfälzer Kraut- und Rübenprovinz nicht vergessen. Klar, füllt sich der Laden, allein wegen dem guten Beherbergungsangebot vor Ort, fast wie von selbst. Hotel-Restaurants haben da ja einen gewissen Vorteil.
Aber ob man wirklich 7,50 Euro für eine Flasche Wasser und 9 Euro für ein Viertel Pfalzwein als Deckungsbeiträge abrufen muss, stelle ich in Kenntnis preisgünstiger regionaler Alternativen in Frage. Vielleicht bin ich da aber auch zu sehr vom dörflich geprägten Preisgefüge gastronomisch sozialisiert worden.
Die Qualität der Zutaten und das herrliche Ambiente können die etwas höher kalkulierten Speisen sicher rechtfertigen. Aber ich kenne diverse Landrestaurants in der Umgebung, die bekommen das preisgünstiger und auch kreativer hin. Deshalb zählt die Zeiskamer Mühle auch nicht zu meinen favorisierten Einkehradressen. Aber für einen gemütlichen Abend mit kulinarisch Gleichgesinnten und gutem Wein kann man dort schon mal aufschlagen.
Prolog…
Ich kenne die Zeiskamer Mühle schon seit vielen Jahren. Aber nur vom Hörensagen. Das liegt zum einen an ihrer Lage. Das idyllisch gelegene Hotel-Restaurant befindet sich etwas außerhalb des rund 2200 Einwohner zählenden „Zwiebel- und Gemüsedorfs“ Zeiskam, in das es mich nur noch sehr selten verschlägt.
Damals, vor 30 Jahren war das ganz anders. Mit 18 rannte ich öfter in „Zäääskäm“ rum, war zwar kein Sänger in ner Rock’n’Roll-Band, aber meine damalige Freundin kam aus dem Ort. In der „Mühle“... mehr lesen
4.0 stars -
"Familiär geführtes Pfälzer Traditionshaus, das sich seine auf hoher Produktqualität basierende Gutbürgerlichkeit auch fürstlich entlohnen lässt" marcO74Prolog…
Ich kenne die Zeiskamer Mühle schon seit vielen Jahren. Aber nur vom Hörensagen. Das liegt zum einen an ihrer Lage. Das idyllisch gelegene Hotel-Restaurant befindet sich etwas außerhalb des rund 2200 Einwohner zählenden „Zwiebel- und Gemüsedorfs“ Zeiskam, in das es mich nur noch sehr selten verschlägt.
Damals, vor 30 Jahren war das ganz anders. Mit 18 rannte ich öfter in „Zäääskäm“ rum, war zwar kein Sänger in ner Rock’n’Roll-Band, aber meine damalige Freundin kam aus dem Ort. In der „Mühle“
Besucht am 15.02.2022Besuchszeit: Mittagessen 1 Personen
Rechnungsbetrag: 18 EUR
Mitte Februar verschlug es mich zur Mittagszeit mal wieder ins schmucke Städtchen an der Queich. Warum nicht mal den wohlverdienten pädagogischen Mittagsschlaf gegen ein paar Sushi-Happen eintauschen? So die kulinarische Frage, die ich mir beim Ansteuern des Koza - der „Mutter“ aller Pfälzer Panasiaten – stellte. Mittlerweile haben sich die in Speyer und Landau hinzugekommenen Ableger des Asialadens gut etabliert – ein weiterer soll in Heidelberg in Planung sein. Die von Haßloch ausgehende Erfolgsstory ist beeindruckend und hier auf GG detailliert nachzulesen.
Wo früher zu seligen „Al-Parco-Zeiten“ runde Teigfladen an Sparfüchse gegen ein Entgelt (oder Endgeld?) von lediglich 5 DM ausgegeben wurden, wird seit April 2018 roher Fisch in allen erdenklichen Variationen kredenzt. Daneben setzt man auf thailändische Curries, vietnamesische Pho und „bun“te Reisnudel-Klassiker aus der Schüssel. Blick in Richtung Theke, rechts gehts in die Küche rein
Im Inneren des wertig eingerichteten Gastraums war nicht mehr viel los. Graue Wände - wertige Einrichtung
Das Mittagsgeschäft schien bereits vollzogen. Vier Studentinnen tauschten sich über Sinn und Unsinn ihrer jeweiligen Studieninhalte am Nachbartisch aus. Ein weiterer Alleinesser beäugte mich „borgsam“. Urbanes Ambiente
Eine männliche Bedienung reichte mir nach der Prüfung meines erforderlichen Impfgrades die reichhaltige Speisefibel. Zum Standardprogramm, das man auf der übersichtlich gestalteten Koza-Homepage nachlesen kann, wurden drei Lunchpakete zur Mittagszeit geschnürt. Als Späteinkehrer freute ich mich übrigens über die großzügige Öffnungsbereitschaft, die hier erst um 15 Uhr endet.
Auf der ersten Seite wartete gleich das erwähnte Angebot zum Mittagstisch. Ich hatte die Wahl zwischen dem „Herrn der Rinder“, „Game of Sushi“ und „Harry Potter und dem Veganer von Askaban“. Keine Ahnung, welche „Chineasten“ hier für die semi-kreativen Namensergüsse beim Benennen der Mittagsgerichte zuständig waren, aber Namen sind ja bekanntlich nicht nur in der Gastronomie Schall und Rauch.
Hinter dem Rinderherren verbarg sich das einzige warme Hauptgericht auf der Lunchkarte. Mariniertes Roastbeef mit Reis, Soja-Schalotten-Sauce und Wildkräutersalat (11,20 Euro) klang ja schon mal recht ordentlich. Für Sushi-Spieler warteten eine in 8 Scheiben zerteilte Inside-Out-Rolle, die vorher mit Tempura-Garnele, Gurke und Frischkäse gefüllt wurde sowie die gleiche Anzahl an Lachs-Makis für faire 12 Euro.
Wen es lieber ins vegane Hogwarts verschlug, konnte sich auf Mango, Gurke und Avocado Makis in jeweils 8facher Ausfertigung freuen. Für 8,80 Euro ein gänzlich fischloses Sushi-Erlebnis für Flossenverweigerer.
Ich war hin und hergerissen. Einerseits hatte ich schon längere Zeit kein Sushi mehr genossen. Andererseits hatte ich Lust auf etwas Warmes im Bauch. Kalter Fisch hat bei mir Mitte Februar nicht unbedingt Hochkonjunktur. Ich blätterte durch die Standardkarte und mir gefiel so langsam der Gedanke, mich an diesem Mittag zweigängig zu sättigen.
Unter dem verdauungsanregenden Begriff „Digestion Thai“ versteckte sich eine Thai-Nudelsuppe auf Kokosmilchbasis. Digestion Thai
Zusätzlich zur Gemüseeinlage konnte man zwischen Hähnchen, Garnelen, Lachs und Tofu wählen, um die mit Koriander und Frühlingszwiebeln aufgefrischte Aromenterrine kulinarisch zu erweitern.
Ich wählte die Hühner-Variante für 6,50 Euro bevor ich zum „Game of Sushi“ mit den Chopsticks klappern (gehört ja bekanntlich zum Handwerk…) durfte. Die Thai-Curry-Suppe mit Huhn diente mir dabei als Vorspeise, während die Sushi-Häppchen den später servierten Hauptgang darstellten.
Die Getränkefrage beantwortete sich fast wie von selbst. Im Rahmen des Mittagsangebots war das kleine Fläschchen Mineralwasser der Marke Aqua Morelli nämlich im „Lunch-Paket“ enthalten.
Die mit genau der richtigen Dosis roter Curry-Paste veredelte Kokos-Gemüse-Suppe mit Hähnchenfetzen und Reisnudeln im Tagliatelle-Stil überraschte auf sehr angenehme Weise. Thai-Nudelsuppe auf Kokosbasis
Zunächst fiel die Terrine nicht allzu sämig aus. Ich persönlich mag sie nämlich etwas dünnflüssiger lieber. Und dann war da dieser betörende Duft nach Kreuzkümmel, Koriander und Zitronengras. Allein dafür hatte sich die Fahrt nach Landau bereits gelohnt.
Auch die durchaus präsente Schärfe meiner Thai-Suppe überzeugte auf ganzer Linie. Keine Frage, der Inhalt dieser Schüssel heizte zweifellos ein, hinterließ aber kein schmerzendes Gaumenfeuer, das die darin schwimmenden Protagonisten geschmacklich neutralisierte. Das wäre auch gar nicht angebracht gewesen, denn Brokkoli und Möhre wurden in leicht bissfester Konsistenz wahrgenommen, während Kartoffeln und Reisnudeln dem ersten Hunger Paroli boten.
Mit dem frischen Koriander – ich liebe ihn! –, der knackigen Frühlingszwiebel on Top sowie dem saftigen Hühnerklein hatte die Löffelspeise auch texturell einiges zu bieten. So gesehen eine durchweg stimmige Angelegenheit – und zwar bis ins kleinste „Dethail“.
Zeitnah folgten die auf einem länglichen Oval angerichteten Sushi-Happen. Über die mit viel Salatgurke – nicht gerade mein Lieblingsgemüse – aufgefrischten Inside-Outs hatte man reichlich Saucenkleckse gequetscht. A Mittagslunch called "Game of Sushi"
Chili-Mayonnaise, Unagi- und Mango-Curry-Dip machten aus meiner mit frittierter Garnele gefüllten Reisrolle ein ziemlich „übersoßtes“ Unterfangen. Inside-Out mit Tempuragarnele, Gurke und Frischkäse...und gaaanz viel Sauce!
Schade, denn damit raubte man sowohl dem gesäuerten Reis als auch seinem Innenleben jegliche Chance auf geschmackliche Entfaltung. Übersoßtes Rollenverständnis
Die mit Lachs gefüllten Maki blieben glücklicherweise vom Saucen-Overkill à la Koza verschont. Die Lachsmakis
Zusammen mit etwas in Sojasauce aufgelöstem Wasabi und ein wenig eingelegtem Ingwer genossen, war das zwar kein Kreativsushi von der stets lächelnden Verblüffungstheke, jedoch lag den saftigen Nori-Lachs-Bissen zumindest ein solides „Rollenverständnis“ zugrunde.
Auf meine zaghaft vorgetragene Anregung, zukünftig vielleicht etwas sparsamer mit dem Spritzbeutel umzugehen, reagierte die Bedienung leicht irritiert. Ich hätte es ja im Voraus sagen können, dass ich keine Saucen zum Sushi mag. Nun gut, der Grundsatz „Weniger ist mehr!“ war im Koza noch nie das oberste Küchen-Credo. Und ein opulentes Dip-Saucen-Graffiti gehört ja mittlerweile bei nahezu allen Panasiaten zum bunten Ton. Vielleicht könnte man aber den Einsatz der schweren Pfützen wenigstens in der Beschreibung der Gerichte in der Speisenkarte vermerken. Oder man lässt sie gleich ganz weg.
Apropos weg. Als letzter Mittagsgast wünschte ich der hungrigen Service-Mannschaft noch einen guten Appetit, denn diese ließen sich gerade das Personalessen schmecken. Dann tauschte ich das urban-schicke Grau der Koza-Wände gegen den bewölkten Februar-Himmel vor der Tür. Die formidable Thai-Suppe hatte mir den Tag gerettet. Das Sushi-Erlebnis fiel dagegen etwas ab. Dennoch keine unerfreuliche Einkehr, wie mir mein gutes Bauchgefühl bestätigte. Gerne wieder, aber dann mit weniger „Dipness“ bitte...
Mitte Februar verschlug es mich zur Mittagszeit mal wieder ins schmucke Städtchen an der Queich. Warum nicht mal den wohlverdienten pädagogischen Mittagsschlaf gegen ein paar Sushi-Happen eintauschen? So die kulinarische Frage, die ich mir beim Ansteuern des Koza - der „Mutter“ aller Pfälzer Panasiaten – stellte. Mittlerweile haben sich die in Speyer und Landau hinzugekommenen Ableger des Asialadens gut etabliert – ein weiterer soll in Heidelberg in Planung sein. Die von Haßloch ausgehende Erfolgsstory ist beeindruckend und hier auf GG... mehr lesen
Restaurant Koza
Restaurant Koza€-€€€Restaurant06341266739Ostbahnstraße 27, 76829 Landau in der Pfalz
4.0 stars -
"Panasiatische Snacks ohne Reue, aber mit etwas zu viel „Dipness“ serviert..." marcO74Mitte Februar verschlug es mich zur Mittagszeit mal wieder ins schmucke Städtchen an der Queich. Warum nicht mal den wohlverdienten pädagogischen Mittagsschlaf gegen ein paar Sushi-Happen eintauschen? So die kulinarische Frage, die ich mir beim Ansteuern des Koza - der „Mutter“ aller Pfälzer Panasiaten – stellte. Mittlerweile haben sich die in Speyer und Landau hinzugekommenen Ableger des Asialadens gut etabliert – ein weiterer soll in Heidelberg in Planung sein. Die von Haßloch ausgehende Erfolgsstory ist beeindruckend und hier auf GG
Geschrieben am 12.02.2022 2022-02-12| Aktualisiert am
12.02.2022
Besucht am 19.01.2022Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 51 EUR
Wörth und so…
Ein knappes halbes Jahr wohnen wir mittlerweile in Wörth am Rhein. Das ehemals kleine Fischerdörfchen aus der Zeit vor Johann Gottfried Tulla wurde in den 60er Jahren mächtig auf- und umge“daimlert“. Mit seinen etwas mehr als 18500 Einwohnern (die drei „ausgelagerten“ Ortsbezirke Maximiliansau, Büchelberg und Schaidt mitgerechnet) steht es heute in mehrfacher Hinsicht gut da.
Die Anbindung zum badischen „Klassenfeind“ könnte dank S-Bahn und sanierter Rheinbrücke gar nicht besser sein. Und auch der nach dem Konzept von Albert Speer jr. errichtete Ortsteil „Dorschberg“, der sich auf ehemaligem Bienwald-Gelände befindet, löst alle Versprechungen zentral-funktionaler Nahversorgung fußläufig ein. Kindergärten, Schulen, Arztpraxen und Frisöre können hier locker per pedes erreicht werden. Auch kulturell geht hier „ä bissel was“, wenn nicht gerade eine Pandemie sämtliche Veranstaltungen zu Nichte macht.
Unser gastronomisches Angebot vor Ort.
In gastronomischer Hinsicht gestaltet sich das Angebot - trotz ein paar neu hinzugekommener Pizza- und Pastaoptionen - recht übersichtlich. Da freut es einen schon, dass die Ende November 2021 geschlossene Turnerstube (im Ortsteil Maximiliansau) – ich berichtete hier auf GG – Anfang Februar mit neuem Pächter an den Start gegangen ist.
Neben einigen Bastionen gutbürgerlicher „Haureinschaufelei“ (Kaminstubb, Bajazzo), diversen asiatischen Wokgefährten und dem ein oder anderen freundlichen Italiener um die Ecke (Osteria Romano, Oro di Barone), sind es vor allem die Grillstätten des griechischen Fleischfressertums, die sich nach wie vor einer gewissen Beliebtheit erfreuen.
Das El Greco in Max‘au habe ich zur Mittagszeit zweimal besucht. Das war ganz ordentlich, aber irgendwie auch nichts Besonderes, weshalb ich keinen Bericht darüber verfasste. Vom Kalimera bei der Bienwaldhalle wurde mir abgeraten. Laut meinem Informanten soll das Lokal gegenüber seinem Vorgänger (Amadeus hieß das Lokal damals, Anm.) merklich nachgelassen haben.
Das Restaurant Neo in der Max’auer Kirchgasse wäre mit seinem grundsoliden Pasta-, Fisch-, und Fleischangebot sicher eine verlässliche Anlaufstelle für Freunde mediterraner Tellergerichte. Ein Lunch vor ein paar Jahren bestätigte dies. Aber da läuft man vom Dorschberg nicht eben mal grad so hin.
Wörths erstes Haus am Platz: ein Deutsch-Grieche im Bayerischen Hof.
Wesentlich näher gelegen und für uns deutlich leichter erreichbar ist der Bayerische Hof in der Ottstraße. Dank der aufwendigen Renovierung vor wenigen Jahren präsentiert sich das Traditionsgasthaus heute als die Wörther Vorzeigeadresse schlechthin. Sie wird seit einiger Zeit von der Familie Jäger geführt. Inhaber Andreas Jäger schob bereits Küchendienst bei besagtem Amadeus an der Bienwaldhalle und hat die dort erworbene Grillkompetenz auf seine neue Wirkungsstätte übertragen. So erklärt sich die deutsch-griechische Ausrichtung des Bayerischen Hofs.
Epikur, quasi der Laotse Griechenlands, war es, der um die 300 vor Christus den ein oder anderen Sinnspruch von sich gab. Unter anderem behauptete er steif und fest (wahrscheinlich nach dem Verzehr einer sättigen Mahlzeit…), dass die Wurzel aller Vergnügen ein zufriedener Magen sei. Nun, da wollte auch der Wörther Kollege unseres Schlemmerclubs nicht widersprechen und machte einen Tisch bei Familie Jäger an einem kalten Mittwochabend Mitte Januar klar.
Auch wenn bei mir das Verlangen nach gebrutzelten Fleischhügeln in den letzten Jahren tendenziell eher abgenommen hat, so gelüstet es mich doch ab und an nach dem griechischen Karnivoren-Katechismus, der wohl in 90% der in Deutschland operierenden Hellashütten seine Anwendung findet. Besonders in den Wintermonaten, wenn der heimische Balkongrill ein traurig-erkaltetes Schattendasein fristet, darf es auswärts auch mal wieder etwas fleischiger zugehen.
Das gemütlich eingerichtete Innere.
Nach freundlich-jovialer Begrüßung durch den Sohn des Hauses, der sich für den Service verantwortlich zeigte, hielten wir auch bald die mit den üblichen Verdächtigen gefüllte Futterfibel in unseren Händen. Noch vor deren Lektüre fiel mir das hübsch gestaltete Interieur des Gastraumes ins Auge.
Wir saßen recht kommod im vorderen Abteil des Lokals, das an jenem Abend spärlich gefüllt war. Weiter hinten tafelte eine größere Gesellschaft in einem zweiten Gastraum, der etwas kleiner war und wie eine Art Separée für Feierlichkeiten wirkte. Dementsprechend lebhaft ging es dort zu.
Bei uns herrschte hingegen eine fast schon tiefenentspannte Atmosphäre, die herrlich entschleunigend wirkte. Beim genaueren Betrachten der Räumlichkeit fiel mir die wertige Einrichtung des Etablissements sehr positiv auf. In ganz Wörth gibt es wahrscheinlich keinen exquisiteren „place-to-dine“, so mein erster Gedanke. Der Raum atmete die gediegene Rustikalität eines schmucken Landgasthofes. Gemütliches Ambiente
Grundsolides, adrettes Bistromobiliar der bequemeren Sorte bevölkerte unseren Ort der Einkehr. Die aus hellem Holz geschnitzten Tischplatten schauten keck unter ihrem weißen Leinenüberzug hervor. Dunkles Holzlaminat am Boden kontrastierte mit den hellen Holzverkleidungen der Wände. Wo das helle Holz fehlte, wurden diese von großformatigen Schwarz-Weiß-Fotographien mit historischen Bildern der Karlsruher Hoepfner-Brauerei dekoriert. Da wusste man gleich, woher die Jägers ihren Gerstensaft bezogen. Aber Hoepfner gehört ja schließlich nicht zum Schlechtesten, was Baden so zu bieten hat. Der hübsch renovierte Gastraum
Eine nachträglich eingebaute Schallschutzdecke – mein Gegenüber wusste über sämtliche Umbaumaßnahmen bestens Bescheid – sorgte für eine wohltuende Akustik. „Leuchtarmige Banditen“ spendeten als Wandleuchten im Schreibtischlampen-Look angenehmes Licht von oben. Ergänzt von ein paar Hängeleuchten im Vintage-Design.
Ein paar Kunstblümchen steuerten dezidierte Farbakzente bei. Papierservietten, Einfachbesteck, Kerzenglas und der mittlerweile häufig anzutreffende Plastikaufsteller für die Luca-App seien an dieser Stelle als die restlichen Elemente der Tischlandschaft erwähnt. Alles gepflegt und sauber. Und vor allem: kein Schnörkel zu viel.
Das Hellas-Handout für Eingefleischte.
Wesentlich üppiger präsentierte sich hingegen das Speisenangebot. Tzatziki, Taramas und Chtipiti fehlen wohl in keinem griechischen Antipasti-Portfolio. Dass sich dort neben Bauern-, Gyros- und Calamaris-Salat auch ein waschechter Straßburger Wurstsalat tummelte, liest man so auch nicht auf jedem Hellas-Handout. Aber egal, kam für uns ja eh nicht in Betracht. Wo Elsassinatoren mit Käse und Vinaigrette verfeinerte „cervelas“ verputzen, weiß mittlerweile jeder Grenzgänger.
Sage und schreibe 15 verschiedene warme Vorspeisenpositionen listete das umfangreiche Repertoire der „Jägersmänner“. Und nahezu alles schien vorher mit genügend Grillfeuer in Kontakt gekommen zu sein. Gegrillte Meeresfrüchte, Grillgemüse (Champignons und Zucchini) und natürlich auch die gegrillten grünen Schoten hatte man ins Vorspeisenbataillon berufen.
Auch bei den Hauptgerichten ging man kulinarisch auf Nummer sicher. Mit fleischgewordenen Deftigkeiten von Lamm, Rind, Schwein und Pute spricht man naturgemäß ein Publikum an, das Experimenten gegenüber eher abgeneigt ist und nach festen Vorstellungen entsprechend beliefert werden möchte. Platten für zwei Personen in drall bemessenen Portionen dürfen da nicht fehlen. Ansonsten wird aufgespießt bis sich die Metallstäbe biegen.
Der Anteil gutbürgerlicher Fleischmannskost schlug mit einem guten Dutzend deutscher Profangerichte zu Teller. Da wurde schweinern geschnitzelt und argentinisch gerumpsteakt. Selbst Pute für bewusste Hellfleischesser hatte man auf der Kartenkladde verzeichnet. Wer da nicht das passende Stück Tier zum nonvegetarischen Mindset findet, der ist mit falschen Vorstellungen hier aufgeschlagen.
Die Qual der Wahl.
Da die gebratenen Hypotenusen und die sautierten Katheten wohl gerade aus waren, musste mein Gegenüber auf den bei 9.Klässern noch heute sehr beliebten Pita-Gyros (oder war es sein Namensvetter?) verzichten und orderte aus der illustren Fleischfülle eine kleine Portion Kleingehäckseltes vom Schweinehügel. Zwar ohne Fladenbrot, aber mit Tzatziki und Beilage nach Wahl und für 11,50 Euro nicht unverschämt bepreist.
Nun muss man wissen, dass dieser gestandene Gasthausgänger häufig an den von ihm selbst auferlegten Portionen scheitert. Eine weise Entscheidung also, von der ich mich nicht im Geringsten beeinflussen ließ. Leider.
Vorweg einigten wir uns auf die mit pikanter Knoblauchcrème verfeinerten Peperoni „from the grill“ (5,90 Euro). Wer möchte schon mit frischem Atem den Heimweg von einer Gyrosschenke antreten? Meine Wahl fiel nach langem Hin- und Herüberlegen auf den Mix-Teller (17,90 Euro), der mit Gyros, Rump- und Schweinesteak sowie einem Souvlaki-Spieß wirklich alle Karnivorensünden in sich vereinte.
Als Beilage durften es ruhig mal wieder Kroketten sein. Ja genau, die aus frostigem Tiefschlaf fritteus erweckten Kartoffelzylinder nach DIN-Norm kamen mir gerade recht. Auch mein Gegenüber setzte auf bewährte Frittierware und beschied sich mit einer Portion Kartoffelchips, dem gastrogriechischen Surrogat für ehrliche deutsche Bratkartoffeln. Aber wer sich lieber die Pommes scheibchenweise zuführt, der kann auch hier bedenkenlos zugreifen. TK-Chips
Getrunken wurde an diesem Abend ausschließlich frisch gezapftes Hoepfner-Pils. Das machte Sinn, denn der halbe Liter lief hier für freundliche 3,90 Euro aus dem Zapfhahn. Da orderten wir doch gerne noch eins nach.
Dem Hunger keine Chance lassen.
Die grünen Grillfinger begeisterten als vorzüglich mundende Vorweghappen. Die sorgsam aufgereihten Schmurgelschoten kamen mit ordentlicher Grillbräune und einer würzig-pikanten Knobi-Crème auf die Platte ihrer letzten (Oliven-)Ölung. Ein verlässlicher Einstieg, der mit einem Körbchen voller Baguette-Scheiben ausgestattet, auf tunkende Gemüter stieß. Grüne Schmurgelschoten
Der Beilagensalat war mit einem dill-lastigen Allerweltsdressing aus dem Kanister angemacht worden. Er bestand vornehmlich aus geschmacksneutralem Eisbergsalat. Etwas geraspelte Karotte on Top wertete in marginal auf. Immerhin wurde mir kein schlappes Blatt untergeschummelt. Insgesamt war es jedoch ein eher kantinesk anmutender Vertreter seiner Art, der nur zur texturellen Abwechslung diente und kulinarisch keinen nennenswerten Mehrwert beisteuerte. Neutralsalat mit Allerweltsdressing
Unter olympischen Zwiebelringen lag der recht saftig wirkende Mount Gyros meines Kollegen begraben. Gyros - wohlberingt!
Eine Kugel Tzatziki-Sorbet hatte man gleich mitgeliefert. Die erwähnten Kartoffelchips waren separat in einer Schale untergebracht. So trug man trotz aller À-Part-Bemühungen der guten alten Sitte Rechnung, möglichst alles auf einem Teller zu vereinigen. Der kleine Gyrosteller in der Totalen
Das gleiche Anrichtemuster galt auch für mein gemischtes Fleischensemble mit „krokettaler“ Ergänzung. Der Mix-Teller in der Totalen
Schon beim Anblick dieses mächtigen Nachbaus eines mykenischen Fleischtempels wunderte ich mich über meinen leichtsinnigen Bestellermut. Meat-Wall
Da wurde dem zivilisationsmüden Magen-Darm-Trakt zu später Stunde noch eine ganz schöne Mammutaufgabe zugemutet.
Bis auf das kleine Schweinerückensteak, das laut Karte eigentlich von der Lende stammen sollte, stand hier alles gut im Saft. Freunde des knusprigen Gyros wären dagegen wohl etwas enttäuscht gewesen. Das Rumpsteak war zwar knapp jenseits der Medium-Grenze gegart, aber noch nicht zur Staubsohle mutiert. Der Souvlaki-Spieß war in seiner Üppigkeit ein erschlagendes Argument dafür, die Grillsaison doch erst in ein paar Monaten zu eröffnen (bis dieser gänzlich verdaut sein würde). What a Souvlaki!
Was soll ich abschließend sagen? Natürlich war das ein Teller der niederen Herren-Instinkte, den ich aufgrund seiner Ausmaße nur mit Müh‘ und Not vertilgt bekam. Die leicht gesalzenen Kroketten dienten als zusätzliche Füllmasse, um auch die letzten paar Kubikzentimeter vom Magenvolumen noch zuzuspachteln. Los Croquetas
Gut, dass man uns nach dem Essen noch einen Ouzo spendierte. Er verhinderte Schlimmeres. Der Weg zurück mit dem Rad (von Altwörth „hinauf“ zum Dorschberg) fiel mir danach trotzdem schwer.
Fazit.
Wer auf erwartbare Fleischküche in gemütlichem Ambiente Wert legt, der ist bei Familie Jäger im Bayerischen Hof gut aufgehoben. Einen ordentlichen Hunger sollte man allerdings mitbringen, denn die Gerichte sind nicht schüchtern portioniert. Die Preise sind im Schnitt auch nicht höher als bei den umliegenden Fleischtempeln. Und im Sommer kann man es sich draußen im Biergarten gut gehen lassen. Alles Argumente, die uns in den nächsten Jahren sicherlich das ein oder andere Mal vorbeischauen lassen.
Wörth und so…
Ein knappes halbes Jahr wohnen wir mittlerweile in Wörth am Rhein. Das ehemals kleine Fischerdörfchen aus der Zeit vor Johann Gottfried Tulla wurde in den 60er Jahren mächtig auf- und umge“daimlert“. Mit seinen etwas mehr als 18500 Einwohnern (die drei „ausgelagerten“ Ortsbezirke Maximiliansau, Büchelberg und Schaidt mitgerechnet) steht es heute in mehrfacher Hinsicht gut da.
Die Anbindung zum badischen „Klassenfeind“ könnte dank S-Bahn und sanierter Rheinbrücke gar nicht besser sein. Und auch der nach dem Konzept von Albert... mehr lesen
Bayerischer Hof
Bayerischer Hof€-€€€Restaurant07271 9896906Ottstraße 30, 76744 Wörth am Rhein
4.0 stars -
"Erwartbare, deutsch-griechische Fleischküche als wirksame Kampfansage gegen den Hunger" marcO74Wörth und so…
Ein knappes halbes Jahr wohnen wir mittlerweile in Wörth am Rhein. Das ehemals kleine Fischerdörfchen aus der Zeit vor Johann Gottfried Tulla wurde in den 60er Jahren mächtig auf- und umge“daimlert“. Mit seinen etwas mehr als 18500 Einwohnern (die drei „ausgelagerten“ Ortsbezirke Maximiliansau, Büchelberg und Schaidt mitgerechnet) steht es heute in mehrfacher Hinsicht gut da.
Die Anbindung zum badischen „Klassenfeind“ könnte dank S-Bahn und sanierter Rheinbrücke gar nicht besser sein. Und auch der nach dem Konzept von Albert
Geschrieben am 01.02.2022 2022-02-01| Aktualisiert am
02.02.2022
Besucht am 22.01.2022Besuchszeit: Abendessen 8 Personen
Rechnungsbetrag: 307 EUR
…besonders wenn es einen Anlass zum Feiern gibt.
Vorgeschichte.
Der Tag der numerischen Erhöhung meines Lebensalters war neulich ein solcher. Als ewiger „Winterjubilar“, dessen Ehrentag im Januar schon allein wegen der kalten Witterung keine Gartenparty à la Downingstreet zulässt, feiere ich dieses alljährliche Ereignis recht selten in großem Stil. In Gesellschaft meiner besten Freunde jedoch sehr gerne.
Umso schöner, dass uns dieses Jahr die Pandemie keinen Lockdown durch die Rechnung machte und wir zu acht einen entspannten Abend mit gutem Essen, tollen Gesprächen und selbst mitgebrachtem Wein bei meinem Stammitaliener in Landau-Mörzheim verbringen durften.
Die gelungene Generalprobe.
Die Idee für diese kleine Feier im Kreis meiner Vertrauten kam mir ein paar Wochen zuvor. Mit drei Genussspechten im Schlepptau fiel ich Anfang Januar bei den beiden Stefanizzi-Brüdern Marco (Service) und Serafino (Küche) ein. Nicht nur die gewohnt herzliche Atmosphäre dieses kulinarischen Kleinods im Weinort Mörzheim machte diesen Abend zu etwas Besonderem. Es war vor allem die sensationelle, von Meister Serafino zubereitete Antipasti-Platte, die keine Gaumenfragen offenließ. Antipasti-Teller Arancini, Polpette und Co.
Nicht das erste Mal, dass ich hier Vitello, Caprese, Arancini, Bruschetta, Parma, Pulpo und Co. in Form eines üppig bestückten Vorspeisentellers vorgesetzt bekam. Bruschetta und gebackener Blumenkohl im Vordergrund
Ein wunderbar abwechslungsreiches Divertimento bekannter Preziosen, das nicht nur optisch, sondern auch qualitativ keinen Nobel-Italo-Vergleich scheuen musste. Nur war es preislich wesentlich schüchterner kalkuliert. Aber dazu später mehr. Meeresfrüchte im Vordergrund
Wie ich nach dieser opulenten Auswahl an italienischen Leckerbissen noch einen ihrer berühmten Teigfladen – es war eine kleine Pizza Diavola – nahezu komplett verspachteln konnte, ist mir bis heute ein Rätsel. Aber der Teufel steckt ja bekanntlich im Belag. Und dieser war definitiv ein feuriger, der mir mal wieder ganz schön einheizte. Pizza Diavola
Daneben sorgte auch der 2017er Langhe Nebbiolo „Pian delle Mole“ vom Barolo-Girl Giulia Negri aus dem eigenen Bestand für wohlige Wärme und rote Wangen. Langhe Nebbiolo von Giulia Negri
Nicht dass mir die vor Ort angebotenen Weine (Chianti, Montepulciano und andere übliche Verdächtige) nicht zusagen würden, aber so eine 14%-ige Infarktbremse aus dem Hause Negri geht dann doch über den flüssigen Hausgebrauch dieses kleinen Pizza-Paradieses hinaus.
Seidige Tannine, dezentes Holz dank Ausbau im 500-Liter-Tonneau und sein extrem zugänglicher Charakter machten stets Lust auf den nächsten Schluck. Von Serviceleiter Marco fachgerecht dekantiert, genossen wir dieses Musterbeispiel an grundsolider, piemontesischer Unaufgeregtheit zu den gut gewürzten Pizzen bzw. Pastatellern.
Die deftigen Tagliatelle all‘Amatriciana, die sich der Kollege zu meiner Linken gönnte, harmonierten dabei genauso gut mit dem roten Wonnetropfen wie die mit scharfer Salami, frischen Tomaten, Rucola und Parmigiano Pizza „Piu Gusto“ meines Gegenübers. Die mit Parmaschinken, Rucola und Parmesan belegte Pizza "Paradiso" des bekennenden Alkoholverzichters verharrte dagegen erwartungsgemäß in Mineralwasserkorrespondenz. Tagliatelle all‘Amatriciana Pizza Piu Gusto Pizza Paradiso
Dann wurde gefeiert…
Die „Generalprobe“ war also geglückt und so sollte dem gemütlichen Kollegenabend eine kleine Geburtstagsfeier wenige Wochen später folgen. Ich hatte vorab die Anzahl der Personen durchgegeben und die Auflage des Antipastitellers mit dem Küchenchef weitgehend abgeklärt. Ein wenig Spielraum räumte ich ihm dabei gerne ein. Der Mann weiß ja schließlich, was er tut. Auch die Anfrage, ein paar Flaschen aus dem eigenen Keller mitzubringen, wurde wohlwollend akzeptiert. Die berühmte Ruhe vor dem Sturm...
Uns so kam es, dass wir uns zur vereinbarten Uhrzeit im gemütlichen Gewölbekeller der Stefanizzis einfanden. Nach dem warmen Glückwunsch- und Geschenkeregen saßen wir an zwei zusammengerückten Tischen und quatschten uns mächtig in Stimmung. Die Tischgesellschaft beim Verzehr
Der urigen Atmosphäre im Inneren der kleinen Osteria tat das keinen Abbruch. Vielleicht sah man das an den Nachbartischen aufgrund der recht tonangebenden Geburtstagsgesellschaft etwas anders. Aber so what! Zu einer richtigen Feier im Lokal dürfen angeregte Tischgespräche bekanntlich nicht fehlen und von denen gab es an diesem Abend mehr als reichlich.
…und was gab’s zum Trinken?
Nun war es so, dass die meisten der anwesenden Gäste mit dem Auto nach Mörzheim gekommen waren und sie ihren Rückweg selbstverständlich auf die gleiche Weise antreten wollten. Deshalb hielt man sich beim Weinkonsum vernünftigerweise etwas zurück. Das ein oder andere Bierchen der Marke Bitburger wurde dann aber doch gezwitschert. Auch sechs Flaschen Mineralwasser (zu jeweils 5,50 Euro) fielen im Laufe des Abends unserem Durst zum Opfer.
Zum Einstieg wurde ein 2014er Barbaresco von der Cantina del Pino aus dem Piemont entkorkt und anschließend am Tisch fachgerecht dekantiert. Das ließ sich Hausherr und Serviceleiter Marco Stefanizzi nicht nehmen und zelebrierte das Umfüllen in die bauchige Glaskaraffe mit italienischem Charme. Diesen feinen, komplett aus Nebbiolo-Trauben der Cru-Lage „Ovello“ gekelterten Tropfen, von dem nur 6000 Flaschen jährlich abgefüllt werden, hatte ich von einem bekannten Online-Weinhändler aus Saarwellingen erworben. Der Barbaresco Ovello von der Cantina del Pino
Er wurde von dem im März 2020 verstorbenen Ausnahmewinzer Renato Vacca vinifiziert und war ein super eleganter Vertreter seiner Art. Er zeigte sich schön straff am Gaumen und sparte nicht mit griffigen Tanninen. Seine leicht salzige Mineralität und sein langer Nachhall auf der Zunge beeindruckten gleichermaßen. Keine Frage, das war ein richtig komplexer Stoff, der da in unseren Gläsern funkelte. Ausgewogene Barbaresco-Nostalgie, die den Abend perfekt einläutete.
Das zweite Fläschchen, das später unsere Hauptgänge korrespondieren sollte, kam aus der Toskana. Genauer gesagt stammte der reinsortige 2015er Syrah aus der „Collezione Privata“ des Weinguts Isole e Olena. Inmitten des Chianti Classico beheimatet, setzt der experimentierfreudige Weinmacher Paolo de Marchi – natürlich hat der Mann in Geisenheim Weinbau studiert, wo denn sonst? – auf würzige Frische und mächtige Frucht. Der reinsortige Syrah-Gigant von Isole e Olena
So auch bei diesem Ausnahme-Syrah, der die reinste Trinkfreude bedeutete. Ein wahres Brett von einem tiefdunklen Roten, der mit seinem perfekt ausbalancierten Frucht-Säure-Gerüst und seiner üppigen, aber nie aufdringlichen Tanninausstattung keinen Vergleich mit den großen Namen der nördlichen Rhône (Côte-Rôtie) zu scheuen brauchte. Ohne Frage war das ganz großes Rotweinkino, das ich bei nächster Gelegenheit dringend nachordern sollte.
Antipasti fantasti!
Da auf jeden am Tisch ein großzügig bemessener Antipastiteller wartete, vertagten wir die À-la-Carte-Bestellungen und machten diese vom verbliebenen Resthunger abhängig. Eine gute Entscheidung, zu der uns der Servicechef riet. Denn, was uns wenig später als Vorspeisenportion an den Tisch gebracht wurde, hätte jeder Hauptgerichtsverspeisung gut zu Porzellan gestanden. Der Vorspeisenteller
Auf jedem Teller befand sich eine bemerkenswerte Menge an mediterranen Köstlichkeiten, die einen abwechslungsreichen Querschnitt durch die italienische Vorwegküche zogen. Antipasti-Variation
In Olivenöl mariniertes Grillgemüse (Zucchini, Paprika), ein gratinierter Champignonkopf, butterzartes Rindercarpaccio mit würzigem Parmesan, Blumenkohl in Backteig, Parmaschinken mit Melone, mit frischer Zitronenvinaigrette angemachter Meeresfrüchtesalat aus zartem Pulpo, ausgelösten Miesmuscheln und einer gepanzerten Crevette, fluffige Polpette (Hackbällchen) und natürlich ein cremiges Vitello tonnato sorgten zusammen mit frisch gebackener Focaccia für zufriedene Gesichter am Tisch. Antipasti-Teller im Detail Antipasti-Teller im Detail
Und das alles für sage und schreibe 22,50 Euro pro Teller. In Anbetracht der durchweg schmeckbaren Produktfrische und der liebevollen Zubereitung der verschiedenen Antipasti-Klassiker war das mehr als nur ein Schnäppchen. Wahrscheinlich war es ein Freundschaftspreis. Kein Wunder, beruht doch unser Verhältnis seit über 20 Jahren auf ehrlicher Wertschätzung und gegenseitiger Sympathie. Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle an die Stefanizzi-Brüder für diese kleine kulinarische Italien-Reise. Auch sie hat den Abend zu etwas Besonderem gemacht.
Wer hat Angst vorm zweiten Gang?... Niemand!
Die ersten Anzeichen von Sättigung ignorierend, orderten wir uns einmal quer durch das Standardprogramm der Osteria. Zwei Portionen Miesmuscheln (jeweils 14,90 Euro) – einmal in Tomaten-, einmal in Weißweinsud – fanden ihre bereitwilligen Abnehmer. Auch ein Italienischer Salat (10 Euro) stand auf unserem Bestellzettel. Der Mann neben mir gönnte sich die Spaghetti Aglio Olio (10 Euro), während mit der kleinen „Alessio“ (11 Euro), der kleinen „Paradiso“ (13,50 Euro) und einer „Mamma Mia“ in Normalgröße (12 Euro) auch der beliebtesten Konfektionsspeise der Welt Tribut gezollt wurde. Pizza Alessio
Für alle Pizzen aus dem Hause Stefanizzi gilt schon seit etlichen Jahren die Formel: (Dünner, knuspriger Boden + saftiger Belag + richtige Ofenhitze) mal Kompetenz des Pizzaiolos im Quadrat = Wonnefladen, der die Frische und Natürlichkeit der italienischen Küche auf schmackigste Art und Weise zum Ausdruck bringt. Mehr - aber auch nicht weniger - gibt es über die prachtvollen Runderzeugnisse italienischer Backtradition im Grunde nicht zu berichten. Für mich sind sie nach wie vor die Referenz in der Südpfalz.
Wer sich gerne an appetitlichen Pizzafotos labt, dem empfehle ich die Fotoabteilung des Lokals hier auf GG. Sie hat sich im Laufe der letzten Jahre zu einer eindrucksvollen Teigfladengalerie gemausert. Wer da keine Lust auf die deftig belegten Schlemmerscheiben bekommt, dem ist in dieser Hinsicht eh nicht mehr zu helfen bzw. hat Gluten, Lactose oder beides zusammen.
Ich tat mich übrigens an einer Portion Miesmuscheln, die in würzigem Tomatensud badeten, gütlich. Die überhaupt nicht miesen Muscheln!
Die mit italienischen Kräutern und einem Schluck Weißwein verfeinerte Tunke schmeckte derart köstlich, dass ich selbst im wohlgesättigten Zustand noch diverse Focaccia-Stücke hineintunkte und mit einem Ausdruck von Glückseligkeit verspeiste. Rien ne va plus…
Es war absehbar, dass es keinen am Tisch nach einem abschließenden Dessert gelüstete. Nicht dass hier das hausgemachte Tiramisu keine süße Sünde wert wäre. Es ging schlicht und ergreifend nichts mehr hinein in die wackere Mangiare-Mannschaft meines Vertrauens. Lediglich ein paar flüssige Verdauerle wurden digestivierend in Betracht gezogen. Unser spendabler Gastgeber hetzte uns schlussendlich die Herren Ramazzotti und Averna in den Hals. Eine nette Geste, die den Abend mit 30%iger Kräuterlaune ausklingen ließ.
Danke!
Welch schöne Auszeit vom tristen, pandemiebeschränkten Alltag. Besonders in Zeiten wie diesen wird einem klar, wie wertvoll und wichtig zugleich es doch ist, gemeinsam mit seinen besten Freunden feiern, genießen oder sich einfach nur gut unterhalten zu können. Wenn dann auch noch feine Speisen, passable Weine und herzliche Gastgeber hinzukommen, kann man ohne Übertreibung von einem nahezu perfekten Abend sprechen. Mein Dank gilt Marco und Serafino Stefanizzi, die diese Feier in die richtigen kulinarischen Bahnen lenkten. Mögen auch für diese fleißigen Gastronomen wieder bessere Tage Einzug halten. Auf meine Unterstützung können sie jedenfalls zählen.
…besonders wenn es einen Anlass zum Feiern gibt.
Vorgeschichte.
Der Tag der numerischen Erhöhung meines Lebensalters war neulich ein solcher. Als ewiger „Winterjubilar“, dessen Ehrentag im Januar schon allein wegen der kalten Witterung keine Gartenparty à la Downingstreet zulässt, feiere ich dieses alljährliche Ereignis recht selten in großem Stil. In Gesellschaft meiner besten Freunde jedoch sehr gerne.
Umso schöner, dass uns dieses Jahr die Pandemie keinen Lockdown durch die Rechnung machte und wir zu acht einen entspannten Abend mit gutem Essen,... mehr lesen
Osteria Piccolo Paradiso
Osteria Piccolo Paradiso€-€€€Restaurant063419692603Mörzheimer Hauptstraße 18, 76829 Landau in der Pfalz
4.5 stars -
"Kleine Paradiese soll man mit Freu(n)den teilen…" marcO74…besonders wenn es einen Anlass zum Feiern gibt.
Vorgeschichte.
Der Tag der numerischen Erhöhung meines Lebensalters war neulich ein solcher. Als ewiger „Winterjubilar“, dessen Ehrentag im Januar schon allein wegen der kalten Witterung keine Gartenparty à la Downingstreet zulässt, feiere ich dieses alljährliche Ereignis recht selten in großem Stil. In Gesellschaft meiner besten Freunde jedoch sehr gerne.
Umso schöner, dass uns dieses Jahr die Pandemie keinen Lockdown durch die Rechnung machte und wir zu acht einen entspannten Abend mit gutem Essen,
Geschrieben am 29.12.2021 2021-12-29| Aktualisiert am
29.12.2021
Besucht am 02.12.2021Besuchszeit: Abendessen 4 Personen
Rechnungsbetrag: 265 EUR
Endlich habe ich es geschafft, mich im exquisiten „Netz“ des Restaurants Spinne zu verfangen. Das von Küchenchef Jörg Friedrich und seiner Lebensgefährtin Christiana Mix (Serviceleitung) geführte gastronomische Kleinod genießt seit mehreren Jahren einen exzellenten Ruf. Sechs Jahre lang hatten sie ihr Publikum im Gimmeldinger „Meerspinnkeller“ des VDP-Weinguts Christmann verwöhnt, bevor sie im April 2016 ihr neues Refugium für Genießer hoch oben im Neustadter Stadtteil Haardt in den Räumlichkeiten des ehemaligen „Haardter Herzels“ eröffneten. Draußen vor dem Tore
Schon von außen versprüht das äußerst idyllisch, direkt am Waldrand gelegene Restaurant mit angeschlossenem Gästehaus einen ganz besonderen Charme, dem man sich nur schwer entziehen kann. Wie man sich wohl auf der lauschigen Terrasse vor dem alten Sandsteingebäude an einem warmen Sommerabend fühlen mag, wenn der Blick auf die Lichter der sich vor einem erstreckenden Rheinebene fällt…? Eine Frage, die ich mir im Rahmen unserer letzten „Clubsitzung“ Anfang Dezember beim Betreten des Anwesens stellte und deren Beantwortung ich mir für den Sommer 2022 fest vorgenommen habe.
Schon zu ihren Gimmeldinger Zeiten hatte ich einen Besuch beim kongenialen Gastronomenpaar Friedrich/Mix auf meiner kulinarischen To-Do-Liste vermerkt. Dazu kam es leider nie. Das große Angebot an guten Einkehradressen im Raum Neustadt führte mich zwar ins Moro nach Gimmeldingen, in die Eselsburg nach Mußbach, ins Esszimmer in der Neustadter Altstadt und auch in die im gleichen Ortsteil Haardt gelegene Quetschekuche Stubb ein paar Straßen weiter bzw. drunter, doch in die Spinne verschlug es mich bisher noch nie. Und das, obwohl ich nun wahrlich kein Arachnophobiker bin.
Nach den letzten, eher von gutbürgerlich-deftiger Hausmannskost geprägten Zusammenkünften unseres Gaumenquartetts (Bauer’s Stuben in Venningen, Carls Wirtshaus in Karlsruhe), war es mir gewissermaßen ein Anliegen, die drei anderen Genusshelden mal in etwas gehobenere – jedoch nicht abgehobene – kulinarische Bahnen zu lenken.
Da bei uns jedes Clubmitglied abwechselnd den Ort des gemeinsamen Verzehrs bestimmten darf und nun der Schreiber dieser Zeilen an der Reihe war bzw. über die Entscheidungsgewalt verfügte, rief ich knapp zwei Wochen vor dem anvisierten Termin in der Spinne an. Ein erster freundlicher Plausch mit der sympathischen Chefin am Telefon machte die Reservierung für vier Personen perfekt. Meine Vorfreude war riesig. Bei den drei übrigen Kulinarkumpanen herrschte dagegen großes Rätselraten.
Der mittlerweile auch auf diesem Portal angemeldete „Futtersucher“ (in Sachen adäquater Kinderverköstigung, Anm.) hatte einen guten Riecher, als er erfuhr, dass wir in Richtung Neustadt unterwegs sein würden. Der ausgebuffte Pfalzkenner hatte doch tatsächlich die Spinne als mögliche Einkehradresse auf dem Radar. Seinen prophezeienden Worten sollten Taten folgen.
Der Einzige in unserer Runde, der stets auf Alkohol verzichtet – hat ihm noch nie geschmeckt (!) –, hatte sich freiwillig zum Fahrer erklärt. Von Wörth aus ging es dann über Böbingen nach Neustadt-Haardt, dessen Steillage für durchdrehende Reifen beim Ergattern des letzten Parkplatzes vor dem Anwesen sorgte.
Ein paar Stufen ging es noch hinauf, dann betraten wir die Räumlichkeiten der Spinne. Bald war Frau Mix zur Stelle und begrüßte uns in ihrer herzlichen Art. Sie kontrollierte unsere Impfnachweise, fragte nach unseren Jacken und Mänteln und führte uns an einem recht "grünen Nebenzimmer" vorbei Das grüne Nebenzimmer
durch den stimmig dekorierten Gastraum Impression aus dem vorderen Gastraum
in ein wunderschön eingerichtetes Sandsteingewölbe, das jede Menge Atmosphäre verströmte. Unser Genussgewölbe
Die in elegantem Weiß erstrahlenden Tische, das indirekt angestrahlte, freigelegte Mauerwerk, die mit hochkarätigen, bereits ausgetrunkenen „Flaschenzeugen“ dekorierten Nischen Längst ausgetrunkene Schätze als Deko
und die von einer Lichtleiste baumelnden Kugelleuchten prägten diesen Ort gediegener Behaglichkeit. Ambiente pur!
Herr Friedrich klärte uns später bei einem netten Gespräch am Tisch darüber auf, dass hier früher die Dynamitstangen für die Sprengungen im nahegelegenen Steinbruch lagerten. Dass wir uns dies ja hätten denken können, da wir vorher selbst die ein oder andere Gaumenexplosion verspüren durften, teilten wir im umgehend mit. Es freute ihn sichtlich und er plauderte noch eine ganze Weile mit uns über die bereits geltenden, sich bald abändernden, aber hoffentlich nicht so lange andauernden Regeln in Pandemiezeiten.
Dass hier die Platzabstände vorbildlich eingehalten wurden, das Restaurant mit Luftfilter ausgestattet war, die Tische nur einmal pro Abend vergeben wurden, das komplette Team der Spinne durchgeimpft war und die 2G+-Regel mit Selbstverständlichkeit eingehalten wurde, sei an dieser Stelle mal erwähnt. Doch selbst die Umsatzeinbußen, die aufgrund des eingeschränkten Platzangebots zwangsläufig sind, schlugen sich nicht auf die Stimmung des Küchenchefs nieder. Ganz im Gegenteil. Er wirkte sehr aufgeräumt und in sich ruhend. So sah jedenfalls kein Gastronom aus, der sich vor der Zukunft allzu große Sorgen machte.
Zurück zum Tisch bzw. den Tischen. In unserem gemütlichen Nebenraum standen gleich deren drei in weißes Leinen gehüllte Exemplare in einer Reihe. Gäste, die sich zur Wandseite niederließen, saßen auf einer komplett den Raum durchziehenden, bequem gepolsterten Wandbank. Ihre Gegenüber durften es sich auf nicht minder komfortablen Polsterstühlen bequem machen. Als wir in den Raum geleitet wurden, waren die ersten beiden Tische bereits besetzt. Zwei Pärchen ließen es sich sichtlich gut gehen. Die letzten freien Plätze wurden dann von uns eingenommen.
Frau Mix, die wohlgemerkt alleine den Service wuppte, hatte im Hauptgastraum einige Tische zu versorgen. Außerdem hatte sie noch das ein oder andere Telefonat zu führen, weshalb sie uns erst mal ein wenig Zeit zum Ankommen ließ. Zum Aperitif durfte es gerne etwas Perlendes sein. Ich fragte höflich nach, ob man denn den rubinroten Sanbittèr - anstatt wie üblich mit Mineralwasser - auch mit Winzersekt aufgießen könne. Kein Problem signalisierte mir unsere Gastgeberin.
Wenig später standen drei gutgekühlte, fruchtig-bittere Sanbittèr-Seccos (0,25l für 7 Euro) vor den durstigen Aperitiflingen. Rubinroter Sanbittèr-Secco
Unser Fahrer ließ sich lieber reines Mineralwasser einschenken. Am Ende kamen wir auf insgesamt vier Flaschen mit sprudelnder Taunusquelle, die mit ihren jeweils 5,80 Euro pro Flasche für ein Lokal von dieser Qualität äußerst kundenfreundlich kalkuliert waren.
Schampusschamanen wären wohl routiniert zum Gläschen Veuve Pelletier Brut übergegangen, während sich Sherryschurken eher am Palo Cortado Reserva von Lustau gütlich getan hätten. Selbst die gemeine Sektdrossel hatte die Wahl zwischen einem waschechten „Kremäng“ de Loire, der zwei Jahre auf der Hefe lag, oder einem Riesling Sekt Brut von Weingut Ohler aus der Gimmeldinger Nachbarschaft. Bereits die kleine, aber fein zusammengestellte Auswahl an Aperitifen machte uns klar, dass hier mit Bedacht und fachkundigem „Schankverständnis“ zu Werk gegangen wurde. Eine Handschrift, die sich später bei der Lektüre der phänomenalen Weinkarte mehr als bestätigen sollte.
Um unseren Entscheidungsprozess in Sachen Speisenwahl etwas „aufzuknuspern“, wurde uns eine Handvoll lilafarbener Kartoffelchips mit schön ausgeprägter Marmorierung auf einer Muschelschale gereicht. Violette Knabberei zum rubinroten Apero!? Welch farbenfroher Start in den Abend. Lila Kartoffelchips
Die Palette an Speisen, die uns geboten wurde, überforderte nicht. Drei Vorspeisen, vier Hauptgänge, ein saisonales Menü im Zeichen der Gans (wahlweise in 3 oder 4 Gängen, aber nur tischweise serviert) sowie ein paar abschließende Verführer in Süß. Mehr war nicht und mehr musste auch gar nicht. Trotzdem war die Entscheidungsfindung kein Selbstläufer. Die gebratene Entenstopfleber mit Pfälzer Pflaume, Avocado, Arabica-Kaffee und Brioche (25 Euro) klang derart spannend, dass ich drauf und dran war, jene zu ordern.
Doch der Suppenkasper in mir setzte sich mal wieder durch. Das Petersilienwurzelsüppchen mit frisch darüber gehobeltem Trüffel (9 Euro) machte knapp das Rennen bei den Vorspeisen. Einer der Kollegen schloss sich meiner winterlichen Terrinenankündigung vorbehaltlos an. Er sollte sich später über seine allererste Trüffelerfahrung noch richtig freuen. Die beiden anderen Kollegen wollten unbedingt im Frischen fischen und entschieden sich vorweg für den marinierten Kabeljau mit bunter Beete und Meerrettichcreme (18 Euro).
Wenn es schon nicht die verlockend klingende Fischvorspeise sein sollte, dann doch wenigstens die von Frau Mix vorgetragene Schuppentierempfehlung des Tages. Ein auf der Haut gebratenes Filet vom Adlerfisch (32 Euro) setzte sich dabei mit Zweierlei vom Blumenkohl ins Benehmen und wurde mit einer kräftigen Pernod-Sauce verfeinert. Wer da nicht bedenkenlos zugreift, ist selbst schuld, zumal Jörg Friedrichs Fischgerichte auf den einschlägigen Portalen und in den regionalen Gastroführern immer wieder mit Lob überschüttet wurden. Ich bestellte also den „Catch of the Day“ und – wie sich später herausstellen sollte – tat ich sehr gut daran.
Meine Kollegen wollten es beim Hauptgang fleischiger angehen lassen. Gleich zweimal wurde nach Brust und Keule von der Oldenburger Freilandgans (34 Euro) mit allem rotkrautig maronierten Kartoffelkloß-Pipapo verlangt. Den zentralen Gang des Gänsemenüs konnte man nämlich auch à-la-carte erfragen. Außerdem kam unser Fahrer nicht umhin, vom Rinderfilet „Boeuf de Hohenlohe“ mit Maisvariation, Paprikacoulis und Rotweinjus (32 Euro) zu naschen. Wer mitgezählt hat, weiß nun, dass wir uns – bis auf den vegetarischen Hauptgang (Kürbisravioli) und die gebratene Entenstopfleber – das gesamte Speisenrepertoire von Maître Friedrich an den Tisch bringen lassen wollten. Gerade bei Erstbesuchen ist eine kulinarische Querschnittsgarantie kein Nachteil.
Eigentlich wollten wir uns aus der großen Auswahl an Flaschenweinen einen feinen Tropfen aussuchen. Da wir aber, was die Korrespondenz betraf, sowohl bei den Vorspeisen, als auch den Hauptgerichten weit auseinanderlagen, gingen wir dann doch lieber den Weg des glasweisen Ausschanks. Und so kam es, dass mir Frau Mix ein Achtel von der Cuvée „R“ vom VDP-Weingut Mosbacher aus Forst (5 Euro) kredenzte.
Die feine Cuvée aus Spätburgunder und Merlot hatte trotz ausreichendem Holzkontakt noch genug dunkle, von einem seidigen Tanningerüst getragene „Beerenkräfte“, um mit dem kraftvollen Suppengang auf Gaumenhöhe zu korrespondieren.
Doch zuvor sollten uns ein paar Knabbereien die Wartezeit ein wenig verkürzen. Man reichte uns zwei Sorten vom hausgemachten Brot. Eines mit Oliven, was generell nicht so mein Fall ist, und ein unglaublich wohlschmeckendes Malzbrot. Dazu gesellten sich ein Schälchen gesalzene Butter und eines mit einem luftigen Kräuterdip. Zwei Sorten Brot mit Salzbutter und Kräuterdip
Der erste kleine Hunger wurde quasi stullenweise des Tisches verbannt. Besonders das etwas dunklere Malzbrot fand bei uns großen Anklang. Seine süßlich duftende Krume war uns definitiv kein Korn im Auge, sondern ein fluffig-röstiges Beispiel für tadellos ausgeführte Backwerkskunst. Herr Friedrich war anscheinend ein echter Allrounder. Unser Favorit: das Malzbrot
Bevor ich gleich zu den kleinen Aufmerksamkeiten aus der Küche komme, noch ein paar Worte zu dem von Frau Mix zusammengetragenen Kellerkompendium. Auch wenn wir aus besagten Gründen keine Flasche orderten, so blätterte ich mich durch eben jenes und kam aus dem Staunen nicht raus. Neben einem „gerüttelt Maß“ an Champagner – ich zählte ein gutes Dutzend Bouteillen (u.a. Roederer, Mött, Taittinger und Wöff) – und Winzersekt aus der Nahe und natürlich der Pfalz, machte man sich die Mühe, die gelisteten Weiß- und Rotweintrauben kapitelweise kurz vorzustellen.
Man konzentrierte sich auf des Pfälzers Lieblingsrebe, den Riesling, von welchem allein an die 40 (!) verschiedenen Positionen auf den gemeinen Weißweinzombie einprasselten. Die GGs (Großen Gewächse) gar nicht mitgezählt. Aber auch neben dem „König der Weißweine“ gab es viel Spannendes zu entdecken. Ein Chenin Blanc vom benachbarten Weingut Zeter (Neustadt-Haardt), ein Auxerrois aus dem Holzfass vom Weingut Schwaab aus Maikammer und ein Grauburgunder „sur lie“ (= auf der Hefe) vom VDP-Winzer Georg Mosbacher aus Forst, um nur einige der außergewöhnlichen Trouvaillen hier mal zu nennen.
Auch für Freunde des roten Rebsaftes war bestens gesorgt. Die kräftig-würzige Cabernet Sauvignon / Merlot Cuvée „S“ vom Weingut Bernhart aus Schweigen wurde für faire 48 Euro angeboten. Ein Wein, für den man schon im Laden gute 22 Euro locker machen muss. Der aber jeden Cent wert ist, wie eine vorweihnachtliche Flaschenleerung letztens ergab.
Dass man hier noch den 2011er Heiligenberg Syrah vom 2014 leider verstorbenen Ausnahmewinzer Joachim Hollerith aus Maikammer im Keller hat, überrascht sicherlich nicht nur Verehrer des dichten roten Stoffes. Aber auch andere Prachtstücke, wie beispielsweise den mächtig-konzentrierten Aalto aus der Ribera del Duero oder den saftigen Châteauneuf-du-Pape von Château Mont-Redon, findet man nicht allzu oft auf deutschen Weinkarten. Und zu solch konsumentenfreundlichen Preisen schon dreimal nicht.
Soviel Weinsimpelei musste an dieser Stelle mal sein. Keine Frage, diese Flaschenweinfibel war ein wahres Fest für jeden Rebsaftaficionado. Ich kenne Leute aus Bremen und Rheine, die würden da wohl beherzt zugreifen. Und niemand könnte es ihnen verübeln…
Zurück zu den Amuses. Die steckten allesamt in den Löchern sogenannter Seepocken. Diese an zusammengeklebte Muscheln erinnernden Meeresgebilde haben nicht nur in Aquarien ihre Daseinsberichtigung, auch zur Präsentation kleiner Speisen eignen sie sich hervorragend. Amuses in der Seepocke
In unserem Falle war das eine mit Auberginenpüree gefüllte Filoteigflöte (=Cornet), die von einem cremigen Avocado-Dip getoppt wurde, sowie ein herrlich nach Orient schmeckendes Falafelbällchen, das auf einem kleinen Holzspieß steckte.
Ideal zum Aus-der-Hand-essen oder auf Deutsch gesagt: lecker Fingerfood zum Reingrooven. Besonders das luftige Auberginenhörnchen ist mir positiv in Erinnerung geblieben. Eine dezente Säure (wahrscheinlich von der Zitrone) machte diese hervorragend abgeschmeckte Miniatur zu einem ersten kleinen Gaumenerlebnis. Auberginenpüree in der Filoteigflöte
Ein klarer Fingerzeig in Richtung Mut zur Säure, wie ich ihn aus der französischen Küche kennen und schätzen gelernt habe. Na, das ging ja gleich mal gut los.
In unserer Zeitkapsel namens „Gewölbekeller“ war die Stimmung bestens. Zumindest an unserem Tisch. Das mit reichlich Hautevolee-Gehabe ausgestattete Pärchen am Nachbartisch rümpfte bei der redlichen Cuvée Gaudenz vom Weingut Knipser aus Laumersheim die etwas zu hochragende Weinnase. Solche „gehaltlosen Weine“ würde man höchstens zum Kochen verwenden.
Gut, dass wenigstens meine Rotwein-Cuvée vom unqualifizierten Geschwätz der „Expertin“ vom Nebentisch nicht sauer wurde. Egal, wir ließen uns die gute Laune nicht vermiesen. Dafür war dieses Clubtreffen vor Weihnachten im Kreis der vier Wörther Foodfellas einfach zu gelungen.
Vorhang auf für unsere Vorspeisen. Erdig-würzig duftete mir das Petersilientraumsüppchen entgegen. Aromatisch dicht, aber wunderbar dünnflüssig abgebunden. Jeder einzelne Löffel war mir ein Fest. Ein unglaublich tiefgründig schmeckendes Terrinenerlebnis, deren Verfeinerung durch die Trüffelspäne den letzten Kick am Gaumen bedeutete. Suppenchef Friedrich hatte in der Küche ganze Pürierarbeit geleistet, keine Frage. Petersilientraumsüppchen mit Trüffel
Neben mir türmte sich der vorher bei 50 Grad Sous-vide gegarte Kabeljau des Kollegen. Säure (Marinade), Frische (Ringelbeete, Kräuter) und erdige Würze (Pilze) trafen hier auf einen butterzarten Meeresbewohner. Eine alle Ingredienzien aromatisch umarmende, nicht zu scharf geratene Meerrettichcreme lauerte im Inneren der lauwarm servierten Fischvorspeise, die schon rein optisch eine gewisse französische Leichtigkeit ausstrahlte. Filigranbau vom Kabeljau
Zweifellos ein Gang bei dem Jörg Friedrichs „Haardt Cuisine“ seinem französischen Vorbild die Honneurs machte. Meine Kollegen waren begeistert von ihrem tadellos zubereiteten Vorweggericht, das auch meinen Geschmack getroffen hätte. Nochmal der marinierte Kabeljau
Noch vor dem Hauptgang bat ich Frau Mix, mir einen geeigneten Weißwein auszusuchen. So kam ich zu einem Achtel 2020er Sauvignon Blanc Fumé (4,50 Euro) vom Weingut Mosbacher aus Forst. Kein grasgrüner Sauvignonstandard, sondern ein eher cremiger, von reifen Aromen geprägter Vertreter seiner Zunft. Mein Weißwein zum Fisch
Gut eingebundenes Holz – auch Mosbacher vertraut auf französische Eiche – und eine samtige Textur am Gaumen ließen mich meine kleine Weinreise an die Pfälzer Loire antreten. Beste Bedingungen also für die baldige Ankunft des Adlerfischs.
Der dann auch nicht mehr lange auf sich warten ließ. Die beiden mit krosser Haut und noch leicht glasigem Fleisch perfekt in Szene gesetzten Filets waren auf seidiges Blumenkohlpüree, etwas Blumenkohlbrunoise und eine mit Pernod verfeinerte Nage gebettet. Letztere war aus dem Fond der Karkassen gewonnen und präsentierte sich als wunderbar harmonisch ausbalancierte Fischsauce, die nach allen Regeln der Kochkunst, doch ohne jegliche Krawallhuberei daherkam. Adlerfisch an Zweierlei vom Blumenkohl in köstlicher Nage
Ein lebensfroh leuchtender Teller voller Süffigkeit, bei dessen Nebendarstellern man allerdings keine Angst vor Kalorien haben sollte. Reiner Feinschmeckerspaß mit einem Protagonisten von herausragender Qualität. Französische Klassik mit Charakter.
Hatten sie es zuvor mit ihrem marinierten Kabeljau betont leichtfüßig angehen lassen, schlugen sie nun „gans“ andere Töne an. Beim heiligen Martin, war das eine opulente Gänsemahlzeit. Brust und Keule des Oldenburger Freilandviehs lagen, von knusprig glänzender Haut überzogen, neben zwei fluffigen, mit Butterbrösel getoppten Kartoffelknödeln. Maronen, Rotkraut und Gänsejus bildeten die alles andere als kleinlaute Entourage. Gans schön mächtig!
Ein vorweihnachtlicher Winterküchenklassiker, dem es an nichts fehlte. Und außerdem eine echte „Pälzer Portion“, die sich resolut dem Magerwahn entgegenstemmte. Knusperhaut meets Gänsejus...hmmmm!
Mit der logischen Folge, dass die beiden Geflügelgenossen gut zu kämpfen hatten. „Adieu, Mousse au Chocolat!“ hörte ich sie schon vor dem Dessert die Gaumensegel streichen.
Ein weiterer appetitanregender Hingucker war das mit diversen Maisdeklinationen servierte Edelstück vom Hohenloher Weiderind. Allein die vom roten Wein verdunkelte Jus hätte mich zum unverhohlenen Tellerauslecken angestiftet. Boeuf de Hohenlohe - wie man sieht eine gänzende Idee
Natürlich wurde das Fleisch im gewünschten Gargrad geliefert. Polentaquader, Maisgemüse, Popcorn, Maispüree und gedämpfte Babymaiskolben bildeten einen süßlich-sättigenden Gegenpol zum tiefgründigen Beiguss. Mais in Variationen zum Rind
Der Fleischversteher, der sich dieses Prachtexemplar einverleibte, schwelgte in bester Saucenlaune vor sich hin. Auch dieser Teller war eine technisch makellose Verneigung vor der klassischen Kochkunst und eine wahre „Entente cordiale“ aus Süße und Würze, die zudem mit einem harmonischen Spiel verschiedenster Maistexturen überzeugte. Kann man anders machen, aber kaum besser!
So ganz ohne etwas Süßes am Gaumen wollten wir uns dann aber doch nicht verabschieden. Während der werte Biertrinker zu meiner Rechten – er hatte sich doch klammheimlich einen halben Liter Leikeim Pils (4 Euro) einschenken lassen – lieber auf Hochprozentiges in Form eines Grappas („Antica Cuvée“ zu 6,90 Euro) zurückgriff, Der Grappa des Kollegen
wurde mit zwei herrlich luftigen Nocken vom Kokossorbet (jeweils 3,50 Euro) das süße Finale eingeläutet. Eine Nocke Kokossorbet als süßes Finale (man beachte das Spinnennetz...)
Für mich war das der perfekte Abschluss eines in jeglicher Hinsicht gelungenen Abends. Das sahen meine drei Genusskameraden übrigens ganz genauso, weshalb ich – und das mache ich recht selten – die volle Punktzahl in allen fünf GG-Kategorien vergebe. Den Weg „auf die Haardt“ zu Frau Mix und Herrn Friedrich werde ich im nächsten Jahr bestimmt noch einmal antreten. Wahrscheinlich im Sommer und mit zwei Mädels am Start.
Endlich habe ich es geschafft, mich im exquisiten „Netz“ des Restaurants Spinne zu verfangen. Das von Küchenchef Jörg Friedrich und seiner Lebensgefährtin Christiana Mix (Serviceleitung) geführte gastronomische Kleinod genießt seit mehreren Jahren einen exzellenten Ruf. Sechs Jahre lang hatten sie ihr Publikum im Gimmeldinger „Meerspinnkeller“ des VDP-Weinguts Christmann verwöhnt, bevor sie im April 2016 ihr neues Refugium für Genießer hoch oben im Neustadter Stadtteil Haardt in den Räumlichkeiten des ehemaligen „Haardter Herzels“ eröffneten.
Schon von außen versprüht das äußerst idyllisch, direkt... mehr lesen
Restaurant Spinne
Restaurant Spinne€-€€€Restaurant, Gästezimmer063219597799Eichkehle 58, 67433 Neustadt an der Weinstraße
5.0 stars -
"Ein rundum gelungener Abend bei sehr sympathischen Gastgebern" marcO74Endlich habe ich es geschafft, mich im exquisiten „Netz“ des Restaurants Spinne zu verfangen. Das von Küchenchef Jörg Friedrich und seiner Lebensgefährtin Christiana Mix (Serviceleitung) geführte gastronomische Kleinod genießt seit mehreren Jahren einen exzellenten Ruf. Sechs Jahre lang hatten sie ihr Publikum im Gimmeldinger „Meerspinnkeller“ des VDP-Weinguts Christmann verwöhnt, bevor sie im April 2016 ihr neues Refugium für Genießer hoch oben im Neustadter Stadtteil Haardt in den Räumlichkeiten des ehemaligen „Haardter Herzels“ eröffneten.
Schon von außen versprüht das äußerst idyllisch, direkt
Geschrieben am 19.12.2021 2021-12-19| Aktualisiert am
19.12.2021
Besucht am 19.11.2021Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 56 EUR
…fühlt sich der Gast gleich alarmiert!
Eine zugegeben recht banale Floskel, die jedoch auf Lokale mit asiatischer Küche durchaus zutreffen kann. Dass sie sich an einem Freitagnachmittag Mitte November in der Karlsruher Amalienstraße bewahrheiten sollte, konnten wir im Vorfeld ja nicht ahnen. Im guten Glauben hatte ich einen Tisch für zwei Personen reserviert. Ein nahezu leerer Gastraum bescheinigte mir später die Absurdität meines Reserviergebarens.
Ich traf mich zum wiederholten Male mit einem GG-Kollegen zum Lunch. Diesmal waren in dem von außen als Weinstube getarnten Chinarestaurant Wangji zugange. Seit März 2020 gibt es diesen unscheinbaren Chinatempel in der Nähe des Mühlburger Tores, an dem ich bestimmt schon gefühlte zwanzigmal vorbeigefahren bin ohne davon jemals Notiz zu nehmen.
Kaum hatte ich den Shumaischuppen entdeckt, war der Eintrag hier auf GG natürlich oberste Rezensentenpflicht. Herr Oparazzo zeigte sich interessiert an einem erneuten Mittagessen, war es doch ein paar Wochen (oder waren es Monate?) zuvor beim Rüppurrer „Chinaladen mit Y“ ganz erträglich.
Die Zeiten von Zechprellerei, vulgären Tischmanieren und anstößigen Witzen auf Kosten des Servicepersonals bzw. der anderen Gäste gehören ja Gott sei Dank seit ein paar Jahren (oder waren es Monate?) der Vergangenheit an. Gastroguerilla war gestern! Heute nimmt man sich da eher gegenseitig und ohne Anstrengung in Sittenhaft.
Ein Wort noch zu dem freundlichen Verzehrveteran aus dem nördlichen Schwarzwald. Der Oparazzo wirkt - nach seinem äußeren Erscheinungsbild zu urteilen - wenig großväterlich. Man kann es kaum glauben, dass sich dieser Best-Ager bereits im Rentenalter befindet, so jugendlich schelmisch kommt der sympathische Genusskurstädter daher.
Keine Frage, vom Humor her surfen wir auf der gleichen Welle, was eine angeregte Tischkonversation mit ihm quasi unvermeidlich macht. Ich freute mich deshalb auf unser erneutes Lunchdate, auch wenn mir die überstandene Arbeitswoche ganz schön zugesetzt hatte und ich das ein oder andere Sekundenschläfchen auf der Fahrt von Wörth nach Karlsruhe gerne abgehalten hätte.
Die hohen Parkplatzgebühren an der Amalienstraße geflissentlich ignorierend stellte ich des Volkes Wagen in kurzer, fußläufiger Distanz zum Wangji ab. Kalter Wind blies mir um die Ohren. Also nix wie rein in die nicht ungemütlich wirkende Hühnerherzhütte im gutbürgerlichen Gewand. Draußen vor dem Tore
Natürlich war er mal wieder vor mir da. Da brauchte es wieder eine gut funktionierende Ausrede des in dieser Hinsicht nie verlegenen Futterfreundes von der linken Rheinseite. Verkehr und Baustellen in und um Karlsruhe sowie der Stau auf der A65 lassen Pünktlichkeit in dieser Region eh zur reinen Glückssache avancieren.
Ich erkannte ihn sofort, besetzte er doch gleich den ersten Tisch im vorderen Bereich des langgezogenen Gastraumes, dessen alter Kachelofen wohl noch aus der Zeit von Prasses Kaiserplatzl – einer badischen Weinstube par excellence – herrührte. Skurrile Asiakulisse
Auch das viele dunkle Holz vergangener Tage (Deckenverkleidung, Stützpfeiler, Sitzmöbel) hatte man anscheinend kritiklos übernommen. Eine Art gastronomischer Denkmalschutz wehte durch anachronistisch anmutendes Gebälk. Der nostalgische Gastraum
Aber wie sagt der kulinarisch versierte Angelsachse: „Don’t judge the cook by its cutter!“. Spätestens als wir die Speisenkarten in Händen hielten, war klar, dass dies kein gewöhnlicher Ente-Süß-Sauer-Chinese sein würde. Dafür klangen die Gerichte in der umfangreichen Futterfibel viel zu ungewöhnlich – um nicht zu sagen abenteurlich. Die Anwesenheit vieler Asiaten werteten wir als weiteres Indiz für die Zubereitung authentischer Chinakost.
Dennoch hätte uns die Einhaltung der gängigen Hygieneregeln nicht gestört. Unterbesetzung hin oder her. Da sollte man keine Abstriche machen, wenn es um die gewissenhafte Kontrolle des Impfstatus und die ordnungsgemäße Registrierung (per Luca-App) der Gäste geht. War hier leider nicht der Fall und wurde von uns am Schluss auch höflich moniert. Ausflüchte seitens der Servicedame halfen uns da wenig weiter. Eine Bitte: lernt etwas daraus, Leute! In eurem Heimatland würdet ihr mit der Einstellung garantiert auch nicht durchkommen. Unsere Servicedame war nie auf Zack, aber immer am Handy (verdeckt)
Der hell gekachelte Fliesenboden und die weißen Kunststofftischdecken ließen die heimelige Weinstubennostalgie schnell in den Hintergrund treten. Sterile, dafür aber leicht abwaschbare Tischkultur, die den hochglänzenden PVC-Charme einer Uni-Mensa versprühte. Die anwesenden Studenten aus Fernost schienen es gewöhnt zu sein.
Den Schoppen Höpfner-Pils (3,80 Euro) brauchte ich dringend, um runter- bzw. anzukommen. Mein Kollege hatte da bereits einen alkoholfreien Gerstensaft (2,80 Euro) aus der gleichen örtlichen Brauerei am Start.
Was er vor meinem Erscheinen noch so alles gesoffen haben könnte, ist schwer zu sagen. Klar, war der Typ heiter drauf, was aber eher auf sein sonniges Gemüt zurückzuführen war, als auf eine alkoholbasierte Druckbetankung am späten Vor- bzw. frühen Nachmittag.
Eine fast schon groteske Aktion in puncto Dienst am Gast lieferte unsere Servicedame nach Abschluss des Bestellvorgangs ab. Sie brachte uns nämlich gut gelaunt die zweite Speisenkarte – wahrscheinlich die, mit den richtig guten Sachen drin. Gut, dass wir uns da bereits entschieden hatten. Das ersparte uns die Qual einer noch größeren Auswahl.
Aus purer Dankbarkeit beließen wir es natürlich bei den vorher georderten Gerichten. Nicht auszudenken, wenn das ein paar Minuten zuvor getätigte Bonierritual (natürlich per Handy) durch kurzfristige Änderung unserer Abmachungen ad absurdum geführt worden wäre. „Herr, lass Hirn regnen!“ – steht zwar so nicht in der Bibel, liegt einem aber bei solchen Erlebnissen gerne mal auf der Zunge…
Das Speisenangebot, das sich auf der Homepage als „Ideenort für den hungrigen Magen“ präsentiert, war mir viel zu umfangreich. Allzu viele „Ideen“ über die Frische der verwendeten Zutaten wollte ich an dieser Stelle gar nicht verschwenden. Über einen QR-Code konnte man sich übrigens eine deutlich ansehnlichere Version der Karte auf seinem Handy betrachten.
Dem Publikum, das ohne moderne Technik hier speiste, stand lediglich die abgegriffene Laminierversion des schlecht kopierten Küchenprogramms in Schwarzweiß zur Verfügung. Eine Liste voller Kuriositäten. Nicht nur kulinarisch, sondern auch was die Rechtschreibung und die Grammatik anging.
Vorneweg herrschte am Tisch gedämpfte Einigkeit, was uns drei verschiedene Dim-Sum-Gerichte einbrachte. Darunter waren recht nichtssagende Shumai (3,90 Euro), die anstatt der typischen Schweinehack-Shiitake-Füllung eine langweilige Garnelenmasse in sich trugen. Keine Ahnung, ob die selbst gemacht waren. Geschmeckt haben sie jedenfalls nach nicht besonders viel. Shumai mit Garnele aber ohne Geschmack
Besser mundeten uns die gebratenen Jiaozi (4,90 Euro). Die hatten wesentlich mehr Bumms in ihrer Teigtasche versteckt. Ein Schälchen chinesischer Essig zum Reindippen wurde ihnen an die Seite gestellt. Erst dachten wir, es handele sich um Balsamico, was unsere Bedienung dann aber schnell klarstellte. Die würzigen „Asiamauldäschle“ konnten was, keine Frage. In Kombination mit der Säure vom Essig besuchten sie zwar keine gehobene, aber doch eine bessere Dim-Sum-Schule. Jiaozi mit China-Essig und mit Geschmack
Die Jiaozi mit Garnelen (4,90 Euro) entpuppten sich als klassische Har Gau. Gedämpfte chinesische Krabbenklößchen, die nicht nur nach Convenience aussahen, sondern auch genauso schmeckten. Am Gaumen hinterließen sie auch keinen nachhaltigen Eindruck. Schade, Dumpling-Ziel auch bei der Vorspeise Nr. 3 nicht erreicht. Nachdämpfen als kulinarische Ordnungsmaßnahme kam leider nicht in Betracht. Har Gau aus de Dutt!
Schon optisch machte der von mir georderte Schweinebauch mit Chili (12,90 Euro) nicht viel her. Eine regelrechte Enttäuschung für den gemeinen Scharfesser. Die grüne Paprika, die man hier großzügig den leicht pikanten, sehr dünn geschnittenen Schweinebauchfetzen beigemengt hatte, wollte nicht so recht zünden. Grüne Paprika an Schweinebauch
Essbar war dieses banale Wokgericht dennoch, wenn auch etwas einfallslos arrangiert und nicht nur räumlich mehrere hundert „Li“ von der Rüppurrer Yangda-Version entfernt. Zudem mit knapp 13 Euro auch nicht gerade schüchtern kalkuliert. Gewokter Schweinebauch der harmlosen Sorte
Gut, hätte ich drüber hinweggesehen, wenn wenigstens der Reis einen soliden Eindruck gemacht hätte. Hat er aber nicht, wie man ja bereits der Überschrift entnehmen konnte. Erst in der Küche ruiniert, dann ungeniert dem Gast serviert! Den hätten wir in der Tat bei jedem Schnellchinesen um die Ecke mit mehr Biss und Aroma aus dem Kocher geschaufelt bekommen. Schlechter als Uncle Ben's
Genauso unspektakulär wie mein Schweinebauchteller kam auch das Lamm mit Kreuzkümmel (14,90 Euro) aufs Porzellan. Lamm mit Kreuzkümmel
Den Zwiebeln fehlte jeglicher Feinschnitt. Anscheinend hantiert man mit den Gemüsebeigaben in der Küche eher grobmotorisch. Das Zwiebellamm
Dafür hatte man sich bei der Verwendung von Kreuzkümmel ganz der Homöapathie verschrieben. Das Fleisch war zwar nicht totgebraten, hätte aber ruhig noch ein wenig mehr Schärfe vertragen. Recht braver Teller mit genug Zwiebeln, um den Bad Herrenalbaner als Heißluftballon zurück in seine Kurstadt schweben zu lassen.
Zum Abschluss gönnten wir uns noch ein paar frittierte Milchkrapfen. Sie waren als „gebratene Milch“ (5,90 Euro) in der Karte ausgewiesen und wurden etwas lieblos auf einer weißen Porzellanschale serviert. Dass zu diesem Zeitpunkt unsere weiße PVC-Tischebene noch von Reiskörnern und Gemüsefitzelchen der vorher verspeisten Hauptmahlzeiten bedeckt wurden, störte unsere Bedienung nicht im Geringsten. Vorne die Reste des Hauptgangs, hinten das Dessert...
Um schnell für saubere Tischverhältnisse zu sorgen, hätte es lediglich eines feuchten Lappens bedurft. Aber der war wohl an diesem Mittag genauso abwesend wie Teile der Servicecrew.
Das leicht pelzige Gefühl am Gaumen, das ich beim Verzehr der leidlich süßen Milchkroketten verspürte, lag wohl an den verwendeten Zutaten. Diese wurden aber nicht verraten. Betriebsgeheimnisse mussten schließlich gehütet werden. Gebratene Milchkroketten
Na dann: Buenos dias, Glutamathias! Und zahlen bitte. Das nächste Lunchdate kommt bestimmt. Ob es allerdings wieder ein Asiaschuppen sein wird, kann ich jetzt nicht garantieren. Wie sagte schon Laotse: „Wang ji mals ni!“. Oder war es einer der chinesischen Studenten, die es sich neben dem Kachelofen bequem gemacht hatten?
Ich merke, es wird Zeit diese kleine Verzehrepisode nun enden zu lassen. Bertolt hilft mir beim Fazit:
Wir standen selbst enttäuscht und sahen betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen.
In diesem Sinne, mal schauen, nach was es uns im neuen Jahr so gelüstet. Die Auswahl in und um Karlsruhe ist ja groß genug. Freue mich bereits jetzt auf das nächste kulinarische Intermezzo mit dem Razzo.
…fühlt sich der Gast gleich alarmiert!
Eine zugegeben recht banale Floskel, die jedoch auf Lokale mit asiatischer Küche durchaus zutreffen kann. Dass sie sich an einem Freitagnachmittag Mitte November in der Karlsruher Amalienstraße bewahrheiten sollte, konnten wir im Vorfeld ja nicht ahnen. Im guten Glauben hatte ich einen Tisch für zwei Personen reserviert. Ein nahezu leerer Gastraum bescheinigte mir später die Absurdität meines Reserviergebarens.
Ich traf mich zum wiederholten Male mit einem GG-Kollegen zum Lunch. Diesmal waren in dem von außen... mehr lesen
2.5 stars -
"Ist der Reis erst ruiniert…" marcO74…fühlt sich der Gast gleich alarmiert!
Eine zugegeben recht banale Floskel, die jedoch auf Lokale mit asiatischer Küche durchaus zutreffen kann. Dass sie sich an einem Freitagnachmittag Mitte November in der Karlsruher Amalienstraße bewahrheiten sollte, konnten wir im Vorfeld ja nicht ahnen. Im guten Glauben hatte ich einen Tisch für zwei Personen reserviert. Ein nahezu leerer Gastraum bescheinigte mir später die Absurdität meines Reserviergebarens.
Ich traf mich zum wiederholten Male mit einem GG-Kollegen zum Lunch. Diesmal waren in dem von außen
Besucht am 04.11.2021Besuchszeit: Abendessen 4 Personen
Rechnungsbetrag: 112 EUR
Dass es unseren Wörther Fresszirkel irgendwann einmal in Carls Wirtshaus verschlagen würde, war mir erst im Nachhinein so richtig klargeworden. Einer von drei „Carls“, nach denen das urban-schicke Bierlokal auf dem ehemaligen Karlsruher Schlachthofgelände benannt wurde, war gebürtiger Mühlburger, erfand das Automobil und stand auch beim Namen unserer Schule Pate. War doch logisch, dass die vier genussfreudigen „Carl-Benzler“ aus Wörth hier mal eine Clubsitzung abhalten würden.
Die Idee dazu hatte unser Youngster, der sich für eine Anfahrt mit dem ÖPNV stark machte. Dies ließ uns von Wörth aus mit dem Zug und später per Straßenbahn in die Karlsruher Oststadt gelangen. Ein Stadtteil, der sich in den letzten Jahren einem starken Wandel unterzog und sich zum kulturellen und kreativen Zentrum – Stichwort: Kreativpark „Alter Schlachthof“ – der Fächerstadt gemausert hat.
Hier zwischen dem Live-Club „Substage“, der Punkrock-Kneipe „Alte Hackerei“ und dem Kulturzentrum „Tollhaus“ trifft sich regelmäßig ein buntes Publikum aus Best-Agern, Junggebliebenen und Studenten, um – wenn nicht gerade eine Pandemie daherkommt – zu schauen, lauschen, zu feiern und zu tanzen. Dass kulturelles Erleben auch Hunger und Durst zur Folge haben kann, ist kein Geheimnis. Vor dem Club- oder Konzertbesuch braucht man schließlich eine ordentliche Grundlage.
Die Idee, an Ort und Stelle ein familiengeführtes Wirtshaus mit deftiger Schmankerlküche und großer Bierauswahl zu installieren, kam daher nicht von ungefähr. Im Sommer 2015 wurde schließlich Carls Wirtshaus eröffnet. Es genießt seitdem vor allem bei Freunden handwerklich gebrauter Hopfenerzeugnisse einen guten Ruf. Blick von außen
Auf der ansprechend gestalteten Homepage kann man sich zudem über die lobenswerte Küchenphilosophie des „Carls“ informieren. Weniger scheint hier mehr zu sein, weshalb die Auswahl an Gerichten ganz bewusst im überschaubaren Rahmen gehalten wird. Wechselnde Tagesangebote schaffen dabei die nötige Abwechslung. Der weitestgehende Verzicht auf Fertigprodukte klang auf Anhieb sympathisch.
Alles Attribute, die mich mit einem guten Gefühl in das vorwiegend aus Holz, Glas und Beton bestehende Wirtshaus im Karlsruher Kreativpark eintreten ließen. Auch meine drei Mitstreiter waren guter Dinge, dass es dieser Clubsitzung nicht an einer gewissen „Feuchtfröhlichkeit“ mangeln würde. Allein das Carls’sche Bierrepertoire würde uns jeden wohlgehopften Wunsch erfüllen.
Kurzer Check am Eingang, ob denn auch unser Impfstatus den geltenden Vorschriften entspricht. Dann wurden wir zu unserem reservierten Vierertisch geführt. Der Laden brummte ganz schön und ohne Reservierung wäre es eng geworden. Von der Empore drangen bierselige „Anstößigkeiten“, die dann entstehen, wann Glas auf Glas trifft. Blick nach oben zur Empore
In unserem Eck hätte es heimeliger gar nicht zugehen können. Angenehm gedämpfte Wohnzimmer-Atmo mit Kamin, Klavier und nostalgischer Stehlampe ein paar Meter nebendran. Gemütliche Ecken gab es hier zuhauf!
Die etwas schummrigen Lichtverhältnisse waren zwar dem Ambiente zuträglich, gute Foodfotos konnte ich mir jedoch abschminken. Die etwas helleres Licht erzeugenden Hängelampen im schicken Industriedesign hingen leider nicht in unserer Wirtshausnische.
Bequem war es aber. Dank gut gepolsterter Sessel, die unserer gutgelaunten Herrenrunde komfortable Sitzverhältnisse bescherte. Was diese betraf, ging es weiter drüben deutlich ungemütlicher zu. Das bunte Bistrostuhlkarussell drehte sich hölzern um zünftige Tische aus demselben Material. Mal kreisrund, mal rechteckig – aber immer passend zur kernigen Wirtshausstilistik des Hauses. Zeitgemäßes Interieur
Das Speisenangebot lag als aufklappbarer Flyer auf dem Tisch. Vom Vesperbrett mit würzigen Wurstwaren über hausgemachte Maultaschen bis hin zur nach eigenem Rezept hergestellten Bratwurst war das eine nicht überzogen große Auswahl an handfester Hausmannskost, die dem Biertrinker als Grundlage für bevorstehende Hopfenexzesse dienen sollte.
Das umfangreiche Getränkerepertoire ließ sich dagegen in gehefteter Form nachlesen. Zum Standardprogramm gesellte sich noch ein überschaubares Tagesangebot, das neben einem Kürbissüppchen und einem vegetarischen Fladen aus den Steinbackofen – der italienische Sammelbegriff wurde hier anscheinend bewusst umgangen – auch ein kapitales, „gedry-aged-tes“ Schweinekotelett mit Kräuterbutter, Feldsalat und Baguette listete.
Den ersten Bierdurst stillten mein Gegenüber und ich mit jeweils einem halben Liter Augustiner hell für urbane 5,40 Euro. Zum Auftakt ein Augustiner!
Ein wahrlich gut ge“lager“tes Gesöff aus der bayrischen Landeshauptstadt, das mit gerade einmal 5,2% Alkohol aus dem Zapfhahn floss und uns einen milden Aufgalopp bescherte. Die Herren „Verzichtler“ taten sich derweil an einer Flasche Mineralwasser der Marke Viva con Agua in „laut“ (0,75l für 5,80 Euro) gütlich. Für das Fläschchen Bitter Lemon (0,2l-Inhalt) aus dem Hause Thomas Henry wurden 3,80 Euro abgerufen.
Doch zurück zum Gerstensaft. Alkoholgehalt, Stammwürze und Bittereinheiten waren zu jedem Bier in der informativen Hopfenbibel vermerkt. Dazu kamen kleine Beschreibungen zu Aroma, Duft und Aussehen (Farbe, Schaumkrone, etc.). Der Craftbierkamerad aus Solingen hätte seine wahre Freude daran gehabt. Eine hübsch gestaltete Übersicht, welche die unter- von den obergärigen Hopfenhelden zu trennen wusste, wurde gleich mitgeliefert.
Doch die ganz große Vielfalt kam nicht aus dem Fass, sondern wurde flaschenweise angeboten. Die große Auswahl an internationalen Craftbieren war beeindruckend. Auch wurden diese handwerklich gebrauten Sorten ausführlich beschrieben. Besonderheiten, Verkostungsnotizen sowie korrespondiere Speiseempfehlungen konnten zu jedem der gelisteten Aromenbomben im „Handbuch“ nachgelesen werden. Kurzum: ein Eldorado für Bierdrosseln, die auch gerne mal über den Sudkesselrand schauen.
Genug gehopfsimpelt! Auch eine bieraffine Quasselbande lebt schließlich nicht von flüssigem Brot allein. Nach ausgedehnter Einlesezeit wurden einmal das klassische Schnitzel vom Schweinerücken mit Pommes und Bratensoße (12,90 Euro), der mit einem 200g schweren Rindfleischpatty ausgestattete Carlsburger zum Selberbauen (9,90 Euro), das Schweinekotelett im Dry-Age-Format (18,80 Euro) sowie ein Burrito „Meaty“ (14,90 Euro) als abendliche Verköstigungsmaßnahmen getroffen.
Die Pommes zum Burger schlugen mit 3,50 Euro extra zu Buche. Der Beilagensalat zum Schnitzel belief sich auf 3,90 Euro. Beilagensalat
Nun muss ich gleich mal eingestehen, dass die Burrito-Idee von mir stammte. Lange hatte ich keinen dieser Tex-Mex-Klassiker mehr zwischen Messer und Gabel gehabt. Die Kombination aus einer Dinkelmehltortilla und lange geschmortem Pulled Beef machte mich einfach neugierig.
Den guten Rat von Texas-Ranger Earl McGraw aus „From Dusk Till Dawn“ ignorierend – „Diese verdammten Burritos sind allerhöchstens was für zugekiffte Hippies“ (Zitat) – ging ich das Wagnis ein. Zumal als Nebendarsteller ein orientalisch angehauchter Kichererbsensalat und eine hausgemachte Chili Salsa inklusive waren. ...this damn Burrito!
Schon beim Anblick des Burrito-Backsteins war mir klar, dass dieser zusätzlich mit geschmorter Paprika und Tomaten gefüllte Rindfleischklotz ganze Legionen sättigen würde. Das Innenleben des Burrito-Backsteins
Dazu kam noch eine großzügig darauf geklatschte Nocke Schmand, die bereits beim Servieren der Schwerkraft erlag. Selten habe ich in den letzten Jahren eine mächtigere Mahlzeit zu mir genommen. Der Kichererbsensalat war ok. Ihn hätte man, genau wie die Chili(?)-Salsa, etwas beherzter abschmecken können. Vielleicht sogar müssen. Die Komparsen des Tortilla-Trumms waren mir insgesamt zu brav. Auch hier fielen die Nebendarsteller nicht sonderlich auf...
Das aus allen Dinkelteignähten platzende, von langem Einkochen kündende Pulled-Beef-Kissen war derart reichhaltig, dass dem Schnitzelschurken neben mir ein Bissen genügte, um nach dem Verzehr seiner beiden kross frittierten Panierstücke von weiteren „Probierhappen“ abzusehen. Schnitzel Klassik - "Wiener Art"
Außerdem hatten ihm seine beiden saftigen Schweinelappen schon genug zugesetzt. Nur mit Mühe konnte er sich im Beilagen-Battle gegen die Pommes behaupten. Pommes und Bratensoße spielten sich nur im Bild in den Vordergrund
Auch der Kotelettkumpel schräg gegenüber zeigte kein Erbarmen mit seinem gänzlich überforderten Burrito-Buddy und säbelte stattdessen lieber an seinem trockengereiften Schweinekram, der aber auch wirklich zum Anschneiden lecker aussah. Von der Optik her hatte das Kotelett eindeutig die Nase vorn. Da konnten die anderen Fleischteller am Tisch nicht mithalten.
Dem Klemmbausteinspezialisten gegenüber war das Baukastensystem beim Bulettenbrötchen gerade recht, um seine burgerliche Herkunft unter Beweis zu stellen. Aktion "Burgerbau"
Genau wie beim Schnitzelvertilger neben mir, sorgten dicke, nicht gerade schüchtern gesalzene Steakhouse-Pommes für ausreichend Kohlenhydrate. Das Tunken in die à part gereichte Bratensoße garantierte stäbchenweise Sättigung. Ich fand die Soße vom Ansatz her gut. Eine ehrliche Jus, die leider etwas zu verdünnt serviert wurde. Anscheinend ging der Küche an diesem Abend ein wenig der „Saft“ aus.
Dass die beiden Biertrinker am Tisch zum Verzehr ihrer Fleischformationen zwei weitere Halbe benötigten, war keine Überraschung. Mit einem „Grünhopfen-Pils“ der Marke „Hatz“ (0,5l für 5,20 Euro) wurden Burger und Burrito etappenweise hinuntergespült. Das aus eigenem Tiefbrunnen, heimischer Gerste und noch frisch geerntetem Hopfen gebraute „Spezialbier vom Fass“ (Zapfhahn Nr.8 = der, der ständig wechselt) hatte dank ausgeprägter Stammwürze einen intensiven Geschmack, der mich meine Meinung zur rechtsrheinischen Braukunst überdenken ließ.
Nicht gut- sondern übersättigt stimmte ich der Ouzo-Idee eines Tischgenossen zu. Eine zugegeben recht starke Form der „Nachsorge“, die mir nach dem Verzehr des Burrito-Briketts durchaus angebracht erschien. Dann mussten wir aber hurtig unsere Gläser leeren („Lass dich nicht lumpen, mach leer den Humpen!“), um die passende S-Bahn zu erwischen. Wir wollten schließlich zu vertretbarer Zeit den Rhein in Richtung Wörth passieren.
Fazit:
Das Bier schmeckte mir besser als das Essen, aber da lag ich an dem Abend halt mal daneben. Ein solider Burger, ein saftiges Schnitzel und ein rundum gelungenes Dry-Age-Kotelett standen meinem Fleischklumpen im Dinkelteigmantel gegenüber. Mit jedem dieser drei Gerichte, die von den übrigen Mitgliedern unserer Futtertruppe mit Inbrunst verzehrt wurden, wäre ich wohl besser gefahren. Dennoch war es ein lustig-entspannter Abend in einem modernen Wirtshaus, bei dem Ambiente und Bierauswahl positiv herausstachen. Allein die abgegrenzte Speed-Dating-Area, die ich beim Gang zur Toilette passierte, machte mir klar: in den Kneipen meiner Jugend ging es anders zu! ;-)
Dass es unseren Wörther Fresszirkel irgendwann einmal in Carls Wirtshaus verschlagen würde, war mir erst im Nachhinein so richtig klargeworden. Einer von drei „Carls“, nach denen das urban-schicke Bierlokal auf dem ehemaligen Karlsruher Schlachthofgelände benannt wurde, war gebürtiger Mühlburger, erfand das Automobil und stand auch beim Namen unserer Schule Pate. War doch logisch, dass die vier genussfreudigen „Carl-Benzler“ aus Wörth hier mal eine Clubsitzung abhalten würden.
Die Idee dazu hatte unser Youngster, der sich für eine Anfahrt mit dem ÖPNV stark... mehr lesen
3.5 stars -
"Gepflegte Wirtshauskultur bei handfesten Speisen und gutem Bier – das rat‘ ich mir!" marcO74Dass es unseren Wörther Fresszirkel irgendwann einmal in Carls Wirtshaus verschlagen würde, war mir erst im Nachhinein so richtig klargeworden. Einer von drei „Carls“, nach denen das urban-schicke Bierlokal auf dem ehemaligen Karlsruher Schlachthofgelände benannt wurde, war gebürtiger Mühlburger, erfand das Automobil und stand auch beim Namen unserer Schule Pate. War doch logisch, dass die vier genussfreudigen „Carl-Benzler“ aus Wörth hier mal eine Clubsitzung abhalten würden.
Die Idee dazu hatte unser Youngster, der sich für eine Anfahrt mit dem ÖPNV stark
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Mein Favorit und sicherlich der Geheimtipp für BBQ-Freunde in dieser Gegend, das Cutter‘s Ribhouse im ehemaligen Laubenpieper in Bremerhaven, hat derzeit nur samstagabends (und das auch nur alle 14 Tage) geöffnet. Ein überaus freundlicher Pitmaster erklärte mir die eingeschränkten Öffnungszeiten am Telefon. Die unsichere Coronalage, eine selbstauferlegte Kurskorrektur beim gastronomischen Konzept sowie die begrenzten personellen Kapazitäten würden eine Öffnung unter „Normalbedingungen“ derzeit nicht erlauben.
Gut, dann musste eben Plan B greifen und ich folglich wieder zum Smartphone. Der „Nyce Guy“ am anderen Ende der Leitung sicherte mir einen Platz in Langens neuer Burger-Bowl-Bar zu. Diese existiert seit dem 9.September 2021 in den ehemaligen Räumlichkeiten des „Kaliméra“, einem griechischen Lokal im Langener Lindenhof-Center. Nichts in dem verklinkerten, von coolem Industriedesign geprägten Anwesen erinnert mehr an eine griechische Ouzo-Taverne.
Außenansicht
Da ließ man scheinbar gehörig den Presslufthammer kreisen, um das Innere des Lokals komplett umzukrempeln.
Drinnen empfing mich eine lange nicht mehr erlebte Betriebsamkeit. Ja, es war richtig was los bei den netten Burgerbuddies aus Langen. Und das unter der Woche. Studenten/Innen, Best Ager, Familien und Touristen bildeten einen bunten Querschnitt, der sich durch unterschiedlichste Gesellschaftsschichten zog. Bereits am Eingang wurde der erforderliche Impfnachweis kontrolliert. Ein Zweiertisch vor der Fensterfront war dann ebenso schnell eingenommen.
Da saß ich nun und genoss – und das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen – den Trubel um mich herum. Ich saugte das an die Zeit vor Corona erinnernde Gastro-Gewimmel förmlich in mir auf, denn es fühlte sich so verdammt „normal“ an. Spätestens beim Schoppen „Nyce Guys Pale“ vom Fass (0,5l für 4,50 Euro) waren die letzten pandemischen Umstände aus dem Kurzzeitgedächtnis gespült. Außerdem bewirkte die gut ge“lager“te Hopfenkaltschale das, was sie bei mir immer bewirkt: mein Appetit verwandelte sich in handfesten Hunger.
Das Nyce Guys Pale (Hausbier)
Ich durchstöberte die vorbildlich laminierten Seiten der Speisenkarte, die allesamt in einem zum Ringbuch umfunktionierten Klemmbrett steckten.
Erstmal einlesen...
“Zeitgeist meets Hygienevorschriften!“ Andere Zeiten, andere Meriten. Egal, ich blätterte mich mit „högschder“ Konzentration durch das „nice“ (neudeutsch) gestaltete Kompendium an Burgern, Bowls, Salaten und Fingerfood.
Nebenbei staunte ich als bekennender „Juncker der Provinz“ nicht schlecht über so viel gelebte Urbanität in dem von der Geest geformten Land. Graue Betonwände, klobige Industrielampen und jede Menge Bistromobiliar im „Used-Look“ hätte ich eher im benachbarten Bremerhaven erwartet.
Der Gastraum im Industrial-Shabby-Look
Die Leseecke ohne Bücher
Der schummrig beleuchtete Barbereich wurde von einer raumtrennenden Grasbüschelbarriere separiert.
Schummrige Barkulisse
Das üppige Grün stand der ansonsten recht puristisch eingerichteten Burgerbutze gut zu Interieur und ließ den Gastraum etwas lebendiger wirken.
Blick auf die "grünen" Raumtrenner
Statt mich über das Fehlen von frischfrittiertem Stint zu echauffieren, beschied ich mich vorweg mit einer Portion Chicken Wings (8,50 Euro), um mich dann ganz auf meine selbstauferlegte Hot’n’Cheese-Burger-Experience (damals noch 9,90 Euro) zu konzentrieren. Zu dem Geflügel-Sixpack gab es noch eine cremig-rauchige Chipotle-Sauce gratis dazu.
Die knusprigen Sechs
Dann bediente sich Häuptling „Fettiger Finger“ ungeniert an dem knusprigen Frittiergut, das schnell als gewöhnliche Convenience-Ware enttarnt war.
Die Chicken Wings im Detail
Dazu passte irgendwie das gut „reinlaufende“ Helle (übersetzt wohl eher „Bleiche“), das sich viel zu schnell leerte.
Dann folgte das mit einem medium gegrillten 200g-Patty ausgestattete „Scharf-und-Käse-Fleischbrötchen“. Was auf Deutsch klingt wie ein Sehnsuchtsgericht aus ostalgischen HO-Gaststätten, war in Wirklichkeit ein äußerst stattliches Exemplar niedersächsischen Bulettenbaus.
Das „Scharf-und-Käse-Fleischbrötchen“
Zwischen den leicht angegrillten Buns lauerten neben der saftigen Fleischeinlage scharfe Jalapeños, würziger Cheddar und ein dicker Klecks hausgemachter Chili-Cheese-Sauce. Als vegetabiles Alibi fungierten krause Blätter vom Lollo rosso.
The first cut is the deepest...mein Burger im Anschnitt
Keine Frage, das war keine Diätkost für Kalorienzähler, sondern eine zünftige Stärkung nach den getätigten 20000 Schritten (gefühlt) auf dem Deich. Auf die obligatorische Pommes-Beilage hatte ich leider verzichtet. Leider, weil mir beim Anblick der „Classic fries“ am Nachbartisch dann doch der Zahn tropfte. Egal, manchmal ist ja weniger mehr, was sich in meinem Fall als grober Unfug herausstellen sollte. Denn an jenem Abend (und auch an dem bald folgenden in Bremen…) war nämlich „mehr“ mehr.
Deshalb sah ich mich dazu veranlasst, meinem zuvor bestellten IPA von Maisel & Friends (0,33l-Flasche für 3,30 Euro) mit ein paar Onion Rings (4,90 Euro) kulinarisch Gesellschaft zu leisten.
Hausgemachte Onion Rings mit Feuersauce
Die waren dann definitiv selbstgemacht, was mir die unterschiedliche Größe der in Bierteig ausgebackenen Zwiebelringe verriet und später beim netten Plausch mit dem Geschäftsführer bestätigt wurde. Die dazu bestellte Hot-Fire-Sauce machte ihrem Namen alle Ehre und heizte mir zum Schluss nochmal so richtig ein.
Die Onion Rings aus der Nähe
Mit gut gemachten Burgern liegt der gemeine Fleischesser ja nie falsch. Kulinarisch betrachtet war der letzte Abend meines Solo-Trips vielleicht kein besonders wertvoller, aber einer mit hohem Wohlfühlcharakter. Und das reicht ja manchmal auch.
Liebe „Nyce Guys“ aus Langen, ihr macht mit eurem Laden ganz viel richtig, denn ihr füllt eure Gläser mit anständigem Bier und verköstigt eure Klientel mit schmackigen, teilweise sehr einfallsreich kreierten Burgern. Da ihr auch Schüsseln mit gesundem Powerfood in petto habt, wird auch der ein oder andere Gesundheitsapostel eure Wege kreuzen. Die Preise, die ihr dafür abruft, sind für das Gebotene absolut im Normbereich. Auch euer Servicepersonal ist schwer auf Zack und weiß, wie man mit seinen Gästen umgeht. Hipsterallüren sucht man hier jedenfalls vergeblich und das ist auch gut so.
Nun war ich gespannt, auf den bevorstehenden Väterabend in der „Hansestadt mit Herz“. Das dortige Treffen mit einem guten Futterfreund würde sicherlich in eine ganz andere Richtung gehen.
Wein oder nicht Wein? – Welch‘ überflüssige Frage!