"Solche Gaumenfreuden darf man sich ruhig auch mal mittags gönnen…"
Geschrieben am 28.04.2024 2024-04-28 | Aktualisiert am 28.04.2024
"Beste Qualität"
Geschrieben am 24.03.2024 2024-03-24
"Gelungener Wildfang beim kulinarischen Frühlingserwachen zu Neupotz"
Geschrieben am 12.11.2023 2023-11-12 | Aktualisiert am 12.11.2023
"Ein Fisch namens „Zanda“…"
Geschrieben am 06.05.2023 2023-05-06 | Aktualisiert am 06.05.2023
"Panierte Erinnerungsküche in einer dunklen Zeit"
Geschrieben am 20.04.2023 2023-04-20 | Aktualisiert am 20.04.2023
"Faycal Bettioui verlässt die Krone: Start mit neuem Namen und verändertem Konzept"
Geschrieben am 22.01.2023 2023-01-22
"Gekonnt verfeinerte Landhausküche, die geschmacklich mal wieder so richtig in die Vollen ging"
Geschrieben am 14.10.2022 2022-10-14
"Gutbürgerliches Kleinod auf der Neupotzer „Paniermeile“ neu entdeckt"
Geschrieben am 19.02.2022 2022-02-19 | Aktualisiert am 19.02.2022
In den Hardtwald geht man, wenn man sich etwas Besonderes gönnen möchte, ohne dabei die eigene kulinarische Komfortzone zu verlassen – und das im bestbürgerlichen Sinne. Dass nach wie vor sein bei Rheinzabern gelegenes Zweitlokal namens „Gehrleins Alte Mühle“ nur als Landhauskaffee genutzt wird, hat die allseits bekannten personellen Gründe. Wir hoffen seit geraumer Zeit auf eine Wiedereröffnung und sind diesbezüglich sehr gespannt, ob sich da nochmal etwas tut.
Die Tatsache, dass sich unsere Kleine unter der Woche bis zum Nachmittag in der KiTa austobt und ich dienstags schon relativ früh zu Hause bin, erlaubt es meiner Frau und mir, hin und wieder einen Mittagslunch zu zweit einzunehmen. Zugegeben, seit der Geburt unserer Tochter ist das eine recht seltene Angelegenheit geworden. Auch weil an einem Dienstagmittag nur wenige gute Einkehradressen in unserer Region zu Tisch bitten.
Da auch meine Frau von Martin Gehrleins Kochkünsten stets begeistert ist, nutzten wir letzten Dezember gleich zweimal die Chance auf ein entspanntes „Lunch-Date“ im Hardtwald, wo der sympathische Fernsehkoch aus „Kaffee oder Tee“ seit fast 20 Jahren das Sagen hat. Unseren Tisch reservierte ich ein paar Tage im Voraus, was auch ratsam ist, denn der Laden brummt nach wie vor. Und das nicht nur am Abend.
Vom nasskalten Dezemberwetter ging es rein in die behagliche, holzvertäfelte Stube, wo uns neben der Chefin hinter dem Tresen – die Frau von Martin Gehrlein leitet hier seit Jahren den Service auf sehr herzliche Art und Weise – ein neuer Kellner begegnete. Irgendwie kam mir der sympathische junge Mann bekannt vor. Später stellte sich heraus, dass er vor etlichen Jahren an „meiner“ Schule in Wörth seine Mittlere Reife erlangt hatte. Man sieht sich halt doch immer zweimal im Leben…
Wir waren gespannt, welche Leckereien das mit Bedacht zusammengestellte Speisenangebot für uns bereithalten würde. Die Karte ließ dann auch nicht lange auf sich warten und uns wurde schnell bewusst, dass Genosse Spätherbst beim Gehrlein’schen Köchelverzeichnis ein gehöriges Wörtchen mitreden durfte. Wer den Küchenchef kennt, weiß dass dieser auch gerne Produkte aus der näheren Umgebung verwendet und sich in den allermeisten Fällen – von ein paar in Dauerschleife laufenden „Unterschriftsgerichten“ einmal abgesehen – von den Jahreszeiten seinen Speisenplan diktieren lässt.
Bereits bei der abwechslungsreichen Auswahl an Vorspeisen geriet ich doch arg in Entscheidungsnot. Gebackene Süßkartoffelterrine mit Kalbszunge an rotem Zwiebelsalat klang bereits ziemlich „extraordinaire“, wohingegen die Kombi aus Maronencrèmesüppchen und geröstetem Rindertartar geradezu verblüffte. Keine einfache Aufgabe, da sich ein Vorabschmankerl köstlicher las als das andere.
Während meine holde Gattin beim ersten Besuch den bunten Herbstsalat mit karamellisierten Nüssen (8 Euro) für sich entdeckte, wagte ich mich vorweg an das Beuschel-Ragout mit Gänseleber, Kartoffelknödel, Molkebrösel und Schnittlauch (14 Euro). Eine Woche später zog meine Herzensdame dann frech die Maronensuppe mit Rinderrösttartar (8 Euro), während ich der Pasta mit frischem Trüffel (19 Euro), die mir der nette Servicemann zuvor als Tagesempfehlung souffliert hatte, anheimfiel.
Jede dieser vier Vorspeisen war ihre Bestellung absolut wert. Das feine Joghurtdressing aus dem Hause Gehrlein adelte das frische Blattgrün meiner Frau, das von Knack und Knusper aufgewertet wurde.
Herbstlicher Salatteller
Die Röstaromen des kurz in der Pfanne angerösteten Rindertartars setzten sich mit der süßlichen Kastaniensuppe, die zusätzlich von etwas Frühlingszwiebel aufgefrischt wurde, ins beste Benehmen.
Geröstetes Rindertartar zur Keschdesupp
Das rohe, würzig angemachte Rindfleisch markierte dabei den perfekten Gegenpart zur fein abgeschmeckten, erdigen Herbstterrine. Die Begeisterung meiner Gattin war da durchaus nachvollziehbar.
Aus der Terrine grüßte Toni Maroni...
Die lustige, einem dicken Steinpilz nicht unähnliche Konstruktion aus einem fluffigen Kartoffelknödel, cremiger Gänseleber und gut gebutterten Molkebröseln, thronte über dem schmackig-süffigen Lungen-Ragout, das mit seiner präsenten Essigsäure und der knackigen Gemüsebrunoise meine frankophile Seite hervorragend bediente.
Beuschel-Ragout mit Gänseleber und Kartoffellnödel
Der Teller lebte von den Kontrasten „süß-sauer“ bzw. „cremig-fest“. Und noch wichtiger: er beinhaltete eine zum Porzellan Sauberlecken animierende Sauce, die meine erste Erfahrung in Sachen Lungenragout zu einer durchweg positiven machte. Würde ich bei Martin Gehrlein sofort wieder bestellen, keine Frage.
Auch die mit frisch darüber gehobeltem Trüffel übernobelte Pasta, an der ich mich eine Woche später delektierte, war von einer gehörigen Portion Überschmeck gesegnet.
Pasta mit Trüffel geht immer!
Dieses nicht übersahnte, von feiner Trüffelwürze dominierte Nudelnest hatte durchaus das Potential, einem kalten, trüben Herbsttag den kulinarischen Mittelfinger zu zeigen.
Solche Tagesempfehlungen darf man nicht ablehnen...
Bei meinen Hauptgängen warf ich bei beiden Besuchen die Angel aus. Klar, dass ich auf das panierte Zanderfilet (21 Euro) – das erklärte Lieblingsgericht meiner verstorbenen Mutter – nicht verzichten wollte. Zumal man mir gerne den serienmäßig dazu servierten Kartoffelsalat durch hausgemachte Karoffelkrapfen ersetzte.
Der panierte Zander mit Kartoffelkrapfen
Mein liebster Backfisch kam wie immer ausreichend gewürzt unter Fischmesser und Gabel. Außen knusprig, innen Geschmack! Gleiches galt für die zarten Nobelkroketten, die, in die separat mitgelieferte Schale mit Remouladensauce getunkt, sogar noch mehr „konnten“. Manchmal braucht es gar nicht viel, um glücklich satt zu werden.
Panierte Hommage an meine verstorbene Frau Mama...
Eine Woche später sollte es dann aber ein wenig ausgefallener zugehen, was mir den gebratenen Seeteufel mit gegrilltem Fenchel, Zuckerschoten, Chorizo und selbstgemachten Gnocchi (33 Euro) einbrachte. Für diesen Teller hatte die Küche sichtlich mehr Aufwand betrieben.
Seeteufel mit gegrilltem Fenchel, Zuckerschoten und Chorizo an Safran-Beurre-Blanc
Die unter reichlich Zuckerschoten-Gestrüpp und bissfest gegrilltem Fenchel versteckten Stücke vom Seeteufel lagen im perfekten Gargrad in den hübsch geriffelten Tiefen der schicken, dunklen Keramik. Ein Teller, der bereits durch seine Optik beeindruckte.
Einwandfreier Fischteller!
Die aufgeschäumte, mit etwas Safran veredelte Beurre-Blanc fiel mal wieder zum Niederknien fein aus. Die angebratenen Chorizo-Scheiben sorgten mit ihrer würzigen Schärfe für die richtige Portion Heftigkeit auf der Platte, denn sie verliehen dem prinzipiell auf Aromenharmonie ausgelegten Fischgericht ein paar interessante (weil pikante) Ecken und Kanten. Spätestens da fiel auf, mit welchem Feingefühl Martin Gehrlein die einzelnen Elemente auf dem Teller zueinander in Bezug setzte.
Das alles jedoch völlig unverkrampft und ohne wirklich herauszufordern. Weit weg von allzu kräftigen Gaumenattacken wie man sie beispielsweise von Christian Knefler aus der auf gleichem Niveau köchelnden Weinstube Brand (Frankweiler) her kennt. Dass dazu die selbstproduzierten, kurz zuvor in der Butterpfanne gebrutzelten Gnocchi eine mehr als gute Figur abgaben, wusste ich als Freund fachmännisch zubereiteter Kartoffelbeilagen sehr zu schätzen.
Best Gnotschis ever!
Bei der geschmorten Gänsekeule mit Rotkraut, Maronen, Preiselbeer-Apfel und Kartoffelknödel (28 Euro), für die sich bei der ersten Einkehr meine Herzensdame entschieden hatte, trumpfte das Küchenteam aber mal so richtig „geil“ auf. Auf einem rustikalen Holztablett wurden ihr diverse, akkurat zubereitete „Keulenkollegen“ in kleinen Schälchen serviert.
"Keulenkollegen" unter sich
In der einen thronte stolz ein weiterer Kartoffelknödel der Marke Eigenbau – schließlich sollte Frau auch satt werden. Aus der anderen grüßten glasierte Maronen, die ebenfalls von einer gehörigen Portion Mut zur Sättigung kündeten.
Herbstliche Entourage zur Gänsekeule
Eine gehaltvolle Gänsejus durfte da natürlich nicht fehlen. Die knusprig-zarte Keule vom edlen Herbstgeflügel wollte schließlich ausreichend süffig unterfüttert werden.
Gänsekeule auf Rotkraut mit Kartoffelknödel und Preiselbeer-Apfel
Wobei dies auch ohne separaten Beiguss funktioniert hätte, da das im besten großmütterlichen Sinne geköchelte Rotkraut und die von leichter Sahnesauce überzogenen Rosenkohlröschen keine Liquiditätsprobleme auf der Keramik zuließen.
Gans klasse!
In der Summe ergab das ein äußerst abwechslungsreiches Gänse-Erlebnis, das nicht nur von seiner akkurat in die Schalen gebrachten Beilagen-Vielfalt lebte, sondern bei dem auch die Fleischqualität und die handwerklich tadellose Zubereitung des Protagonisten stimmte. Meine Frau jedenfalls genoss ihre einzige Gänsekeule der längst abgelaufenen Saison in vollen Zügen. Bei der üppigen Portion musste ich ihr allerdings ein wenig helfen. Aber ein fürsorglicher Ehemann, der tut ja immer, was er kann...
Auch bei ihrem vegetarischen Herbstteller, dem gegrillten Hokkaido-Kürbis mit Ziegenkäse, Maronen, Rosenkohl, Datteln und Endiviensalat (20 Euro), welchen sie sich die Woche darauf schmecken ließ, hatte sie nicht das Geringste auszusetzen.
Vegetarisches Tête-à-tête von Kürbis und Ziege
Ganz im Gegenteil, sie war von den verschiedenen Aromen, Konsistenzen und Temperaturen dieses farbenfroh zusammengebastelten Tellers mit klarem Saisonbezug sehr angetan.
Für einen Veggie-Teller schon sehr spannend arrangiert
Nicht minder entzückt waren wir von den beiden Desserttellern, die wir uns hier im Abstand von einer Woche teilten. Hier zeigte die Pâtisserieabteilung auf beeindruckende Art und Weise, dass auch sie ihr Handwerk versteht.
Mascarponebombe an Portweinbirne mit High-End-Schokosorbet
Da wurde eine fluffige Mascarponemousse in weiße Kuvertüre gepackt, eine mit Schokoganache gefüllte Birne zuvor fachmännisch in Portwein ertränkt und ein intensives Schokoladensorbet komplett ohne Milchanteil auf die dezent gecrumblete Keramik gebracht.
Helmut-Kohl-Gedächtnis-Dessert
Dagegen wirkte die Nocke Sauerrahmeis, an der sich meine Frau zu schaffen machte, regelrecht bescheiden.
Eine Nocke Sauerrahmeis kann dir hier den Tag retten!
Deutlich exotischer ging es eine Woche später beim Maracujatörtchen mit marinierter Ananas, Schokocrumble und hausgemachtem Kokoseis zu.
Exotisch ging das Mahl zu Ende...
Auch diesen sauber zubereiteten, süßen Abschluss wussten wir sehr zu schätzen.
Das Maracujatörtchen mit Gefolge
Auch die Tatsache, dass diese beiden süßen Leckereien mit jeweils nur 10 Euro zu Buche schlugen, spricht für die gastfreundliche Attitüde dieses durch und durch sympathischen Landrestaurants.
Ohne Übertreibung lassen sich unsere beiden „ohne Anhang“ getätigten Besuche im Dezember als uns persönliches, kulinarisches „Herbsterwachen“ bezeichnen. Unseren kindfreien Dienstagmittag nutzten wir in der Folge noch ein paar Mal, um in trauter Zweisamkeit zu speisen. Seltsamerweise schafften wir es seitdem nicht mehr, in unserem Neupotzer Lieblingslokal aufzuschlagen. Keine Ahnung warum, denn solche Gaumenfreuden darf man sich ruhig auch mal mittags gönnen…