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Für mich der optimale Zeitpunkt, um auf dem Gastroportal meines Vertrauens ein mehrteiliges Update in Sachen gehobener Heimatküche zu liefern. Denn erstens können in unsicheren Zeiten wie diesen ein paar anregende Zeilen über die Top-Gastronomien vor der eigenen Haustür nicht schaden. Und zweitens besteht ja durchaus Grund zur Hoffnung, dass wir unseren kulinarischen Sehnsuchtszielen bald wieder einen Besuch abstatten können.
Auch wenn ich über die besseren Häuser meiner Heimat schon genug Worte verloren habe, werde ich in der Folge eine Reihe bekannter Pfälzer Genuss-Enklaven erneut ins Rezensionsvisier nehmen. Zwei ihrer besten Vertreter konnte ich nämlich kurz vor dem „Lockdown“ noch besuchen. Dass dabei mein Lieblingslokal, der Hubertushof in Ilbesheim, den Anfang macht, ist sicherlich kein Zufall.
Es war ein Donnerstagabend im März, der meine Frau und mich in unser „zweites Esszimmer“ ins beschauliche Ilbesheim bei Landau führte. Dort wartete ein Tisch für vier Personen auf uns. Eine Verabredung mit zwei ortsbekannten Feinschmeckern (Ilbesheimer „Gelage-Gang“) sollte uns für lange Zeit den letzten Abend mit Freunden bei Freunden bescheren.
Über die geschmackvoll eingerichteten, geschichtsträchtigen Gasträume, deren anziehendem Charme man schnell erliegt, habe ich bereits detailliert berichtet. Auch der von Sandra Bernhard geführte, herzlich-kundige Service, der mir schon viele tolle Weinentdeckungen einbrachte, blieb in den vorangegangenen Rezensionen nicht unerwähnt.
Nicht zu vergessen, die experimentierfreudige Crossover-Attitüde des Küchenchefs, der mich schon einige Male kulinarisches Neuland betreten ließ, und dem ich es mitunter zu verdanken habe, dass ich mich seit ein paar Jahren mit dem Thema Gastronomie auch schriftlich auseinandersetze. Danke Jochen für deinen regelmäßigen Input und den inspirierenden Austausch mit dir.
Konzeptionell hat sich seit meinem letzten Report aus dem Jahre 2017 wenig geändert. Das bewusst reduziert gehaltene Speiseangebot ist nach wie vor Ausdruck einer saisonal beeinflussten Kreativküche, die dabei ihre regionalen Wurzeln nicht vergisst.
Und Maître Sitters japanisch inspirierte Leidenschaft für Frischfisch im Reis-Algen-Korsett lebt er jeden Dienstagabend gleich rollenweise aus. Auch das mittlerweile schon legendäre Überraschungsmenü, das mittwoch- und donnerstagabends als dreigängige Schlemmerreise spontane Kostgänger wie gestandene Kulinaristen begeistert, genießt seinen festen Platz im Köchelverzeichnis des Herdmeisters.
Sein Standardrepertoire wird dabei um ein paar Tagesempfehlungen vom Klemmbrett erweitert. Diese „Außer-der-Reihe-Gerichte“ – in der Regel zwei Vor- und zwei Hauptspeisen – erfreuen regelmäßig einkehrende Wiederholungstäter und Dauergäste ganz besonders.
Caesarsalad, Ziegenkäse, Bärlauchsüppchen, Kalbszunge, Thunfischtatar mit Knuspergarnele sowie die gebratene Blutwurst vom Ritzmannhof („Sitter‘s Signature“) bildeten eine bunte Mischung appetitlich klingender Vorweg-Gerichte. Bei den Hauptgängen waren es Polentakrapfen, Wolfsbarschfilet, Rindersteak vom Black Angus, Skrei und Sauerbraten aus der Rinderschulter, die für ein ausgewogenes, klug zusammengestelltes Kreuzüberprogramm standen.
Von der Empfehlungskarte lockte ein veritables Kalbskotelett mit frischen Morcheln, Frühlingsgemüse und Brezelknödeln. Doch meine Frau erteilte – wie so oft – dem Ü-Menü (38 Euro) den Zuschlag.
Auf meinen Tellern hätte es an jenem Abend nicht frühlingshafter zugehen können. Mit dem Bärlauchsüppchen mit Lachsfilet und Crème fraiche (12 Euro) wollte ich mir den zu dieser Zeit noch in den Startlöchern befindlichen Lenz aufs Porzellan schöpfen lassen. Gefolgt von einem mit Chorizo, gegrillter Paprika und Graupenrisotto verfeinerten Wolfsbarschfilet (29 Euro). Denn es sind genau diese originellen Kreationen, die den Hubertushof auch über die Grenzen der Südpfalz hinweg bekannt gemacht haben.
Unsere Freunde entschieden sich auch einmal für das Süppchen sowie den mit Nusskruste, Rote-Beete-Tatar und Trüffelvinaigrette veredelten Ziegenkäse (15 Euro) und das gemorchelte Kalbskotelett (34 Euro) auf jungem Gemüse. Nicht die schlechteste Entscheidung, wie ich später beim Anblick der verlockend arrangierten Teller feststellen konnte.
Zum Weißwein des Abends erklärten wir - unter anderem - einen trockenen 2017er Riesling „Vom Buntsandstein“ des VDP-Giganten Ökonomierat Rebholz aus Siebeldingen. Ein mineralisch-spritziger Vertreter seiner Art, dessen glasklare Frische uns in den siebten Rieslinghimmel zu heben vermochte.
Jaja, der Buntsandstein...
Als kleine Einstimmung und zur Vertreibung des ersten Hungers schickte die Küche ein paar delikate Grüße. Zwei Sorten selbstgebackene Brot (Baguette und Roggensauerteigbrot), eine offensiv knoblierte Artischockencreme und ein aromatischer Hummus-Dip zeugten von solidem Handwerk mit genau dem richtigen Maß an raffinierter Würze, um uns einen wohlschmeckenden Aufgalopp zu garantieren. Nebenbei schufen sie eine willkommene Sättigungsgrundlage für den bevorstehenden Weinkonsum.
Der erste Gang des Ü-Menüs sorgte gleich für Aufsehen. Dabei waren die verwendeten Viktualien erstaunlich simpel. Das Pfälzer Landei – und damit meine ich ausnahmsweise mal nicht den Schreiber dieser Zeilen – kam in gebackener Version und ähnelte äußerlich einer wohlgeformten Krokette. Für Spannung auf dem Teller sorgten roh marinierter Rosenkohl mit Haselnüssen, ein paar Tupfer Trüffelmayonaise, Parmesanspäne und crunchige Topinamburchips. Subtile Frische, cremige Würze und feiner Knusper betteten das bei Anschnitt flüssige Back-Ei geschmacklich harmonisch ein. Der erste Überraschungsgang war gelungen und meine Frau restlos begeistert.
Das gebackene Landei
Dagegen wirkte mein Bärlauchsüppchen fast schon spartanisch. War es aber keineswegs. Mit einer köstlicher Lachseinlage, die förmlich auf der Zunge zerging, sowie etwas Crème fraiche wurde die pikante Bärlauchterrine um ein paar cremig-frische Facetten erweitert.
Die Bärlauchsubb mit Lax
Endlich durfte ich mal wieder das so üppig in unseren Wäldern wachsende Wildgemüse als Suppenveredler aus den Tiefen des Tellers löffeln. Für mich war das ein ganz besonderer Moment, der den kulinarischen Frühling nicht besser hätte einläuten können. Dass sie mir munden würde, wusste ich natürlich schon im Voraus. Auf Jochen Sitters Händchen beim Abschmecken feiner Löffelspeisen kann ich mich schon seit Jahren blind verlassen.
Auch unsere Freunde machten sich mit sichtlichem Appetit über ihre Vorspeisen her. Auch hier stieß die Bärlauchsuppe auf äußerst positive Resonanz. Der Teller des mir gegenübersitzenden Ilbesheimer Genussfürsten machte schon allein farblich allerhand her. Auf seinem rotleuchtenden Bete-Podest thronte ein strahlend weißer Ziegenkäsezylinder mit beachtlicher Haselnuss-Frisur. Gesäumt von krachenden Topinamburchips und ein paar Klecksen Trüffelvinaigrette wirkte auch dieser Teller klug arrangiert und bewies genügend texturelle Abwechslung auf der Keramik.
Ziege auf Bete mit Haselnussfrise
Die Zeit zwischen den Mahlzeiten verging wie im Flug. Da gab es mal ein Weinchen zum Probieren. Fachsimpelei unter Freunden und mit der Sommelière unserer Herzen inklusive. Und natürlich jede Menge Gebabbel „vun de Pälzer Krischer am Disch“. Wenn ich die letzten Wochen gedanklich Revue passieren lasse, so war es nicht nur das Essengehen an sich, was mir so fehlte, sondern dass gemeinsame Genießen, Zusammensitzen, Lachen, Quatschen und Zuhören, das man in dieser Form nur mit guten - im besten Fall hedonistisch veranlagten - Freunden haben kann.
Es wurde hauptgängig. Meine Frau überraschte man mit einer Roulade vom Kaninchenrücken im Parmaschinkenmantel. Die Leibspeise des Karnickels wurde in Form junger Möhrchen gleich mitgeliefert. Etwas Morchelrahmsauce und hausgemachte Bärlauchgnocchi komplettierten den veritablen Frühlingsteller dessen Protagonist schön saftig ausfiel.
S'Karniggel
Die elegant gekräuterte Rouladenfüllung (Petersilie!) half dem an sich eher neutralen Kaninchenfleisch geschmacklich auf die Sprünge. Der Parmaschinken steuerte zusätzliche Würze bei. In der fein ausbalancierten Rahmsauce schwammen kleine, aromatische Morcheln, welche die Geschmackspalette um ein paar erdige Noten erweiterten. Die Jungkarotten hatten ihren behutsamen Garprozess in leicht bissfestem Zustand perfekt überstanden.
Dieser süßlich frische Kontrapunkt tat dem saisonal geprägten Teller gut. Die mit Bärlauch aufgepeppten Kartoffelnocken mussten sich vor dem Rest des Ensembles auch nicht verstecken. Das war definitiv kein „Versuchskaninchen“, was da meiner Frau kredenzt wurde, sondern ein harmonisch abgestimmtes Arrangement, das im kulinarischen Kontext der Jahreszeit hervorragend funktionierte.
Mein Wolfsbarschfilet wurde mit gegrillter Paprika on top auf einem bärlauchgrünen Hügel aus Graupenrisotto geliefert. Irgendwo zwischen den schön glasig gebratenen Fischtranchen hatte der Maestro noch ein wenig Chorizo-Schärfe versteckt. Der mediterran angehauchte Hauptgang punktete einerseits mit leicht herber Paprikafrische, die gut zum zarten Wolfsbarsch passte. Andererseits lieferte das cremige Graupenrisotto einen deftigen Unterbau, der sich ungeniert aus dem Vollen löffeln ließ.
Rotpaprikäppchen und der Wolf(sbarsch)
Ein in der Summe stimmiger Dreikomponententeller, der da mit einer gehörigen Portion Mut zur Würze kreiert wurde und ein wenig an die beherzt abgeschmeckten Gerichte aus der Knefler’schen Küche (Weinstube Brand in Frankweiler, Anm.) erinnerte.
An Opulenz um ein Vielfaches überlegen präsentierte sich das vor Fleischsaft strotzende Kalbskotelett des Morchelmörders gegenüber von mir. Ein rechtschaffenes Stück Karnivorenglück, das da auf knackigem Frühlingsgemüse lag und von einer dunklen, mit kleinen, wabenförmigen Pilzhüten verfeinerten Jus süffig unterfüttert wurde.
Kalbskotelett für Morchelmörder
Das mit Brezelknödel gelieferte Prachtexemplar war definitiv nichts für Anfänger. Filetfutzies, schleicht’s euch!
Meine Frau und ich teilten uns zu süßer Letzt noch das Dessert ihres Ü-Menüs, das zwar optisch recht unspektakulär ausfiel, jedoch einen adäquaten Schlusspunkt unseres Abendessens darstellte. Die Panna Cotta mit Piña-Colada-Eis gefiel als nicht zu süßer Nachtisch und war nach den wohlbemessenen Vor- und Hauptspeisen auch von der Portion her noch machbar.
Panna Cotta meets Pina Colada
Wenn ich an diesen letzten Abend im Hubertushof denke, dann kann es für ein baldiges Wiedersehen in einem der schönsten Innenhöfe der Pfalz eigentlich gar nicht genug Argumente geben. Vielleicht sollte zum Schluss nicht unerwähnt bleiben, wie kreativ und engagiert Sandra Bernhard und Jochen Sitter in den letzten Wochen und Monaten auf den gastronomischen Lockdown reagiert haben.
Ihr Drive-In sorgte in der Tat für kleine kulinarische Lichtblicke und Genussmomente in dieser unsicheren Zeit. Mit ambitionierter „Produktpiraterie“, dem besten Sushi westlich von Landau, TOGO statt Pogo, einer Schluckimpfung für Weinaffine und den leckersten Küchentischbildern, die jemals auf FB gepostet wurden, haben sie uns die Zeit ohne Restaurants ideenreich überbrückt. Dickes Danke, meine Lieben und alles Gute für die kommenden Aufgaben mit Auflagen. Egal wie – wir sind dabei!