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Ein kleines Lindau-Wochenende gehört schon lange zu meinen jährlichen Ritualen. Zusammen mit einer Bodenseerundfahrt und einem Ausflug nach Langenargen, Wasserburg oder Immenstaad fühlt es sich wie ein ganzer Urlaub an. Wenn man es schafft, ein paar ruhige Eckchen zu finden und die Heerscharen aufgeweckter Touris rundherum zu ignorieren…
Kulinarisch gibt es tatsächlich nicht mehr soooo viel zu entdecken, wenn man Dubletten vermeiden möchte. Mit Magenknurren schleiche ich an einigen zwielichtigen Etablissements vorbei (Biergarten mit rotierenden halben Hähnchen am Grill / von grölenden Großfamilien frequentierte Pizzerien), um schließlich vorm Lindauer Hof stehen zu bleiben. Feine Adresse, gute Lage - nicht ganz in zweiter Reihe zum Ufer, eher so in anderthalber. Ein Traditionshaus mit gewisser Würde. Essen kann man wahlweise ebenerdig im Gastgarten vor der Türe oder im 1. Stock, entweder im Innenraum oder auf dem Außenbalkon mit Aussicht. Da ich schon etwas fußlahme, lasse ich mich gleich am Rande des Gastgartens nieder (leider auf holprigen Pflastersteinen gegründet).
Die Tische sind nett eingedeckt mit zweifarbigen Stofftischdecken, auf fast jedem Tisch steht eine Vase mit kleinen Wiesensträußlein, an den Säulen rankt Blauregen empor. Und man sitzt ganz kommod auf bequemen Stühlen aus Pseudo-Korbgeflecht. Erst jetzt nehme ich ein Schild an der Häuserwand wahr: „Pizzeria, durchgehend warme Küche, Spaghetti, Lasagne, Pizza.“ Bitteschön? Habe ich mich im Haus vertan? Liegt hier ein Irrtum vor? Doch die Speisekarte und später auch der Rechnungsbeleg laufen auf „Hotel Lindauerhof“. Ich kann mir nur vorstellen, dass man hier unten die profane Laufkundschaft mit publikumstauglichen Speisen abfängt und im wahrsten Sinne des Wortes abserviert.
Egal. Ich bestelle einen Salatteller mit dem blümeranten Namen „Neptun“, sowie einen Weißwein, sauer gespritzt. Das männliche Servicepersonal schwarwenzelt sehr höflich, freundlich, diensteifrig um mich herum. Serviert wird schnell und unprätentiös. Der Weißwein (4,50 Euro) ist wundervoll gekühlt (bei einer gefühlten Aussentemperatur von 30+), der Salat (12,50) entpuppt sich eher als Enttäuschung und stammt wohl aus der Vorspeisenkarte (ich habe vermutlich nicht weitergeblättert). Die angekündigte Balsamico-Vinaigrette ist eine saure, durchsichtige Plempe (Essigessenz?), die Salatblätter schmecken nach rein gar nichts, dem geräucherten Forellenfilet hätte vielleicht etwas Sahnemeerrettich ganz gut getan, aber die Zwiebelscheiben retten immerhin den Geschmack. Ein paar Weißbrotscheiben mit schwarzen Olivenstückchen werden dazu gereicht, leider sind sie hart und trocken (wurden vielleicht schon von meinen Voressern verschmäht). Demütig schweifen meine Gedanken zu Professor Dr. Mang. Nach einem solchen frugalen Mahl ist vermutlich keine Fettabsaugung nötig.
Während ich durch Stauden hindurch einen versöhnlichen Blick auf den Hafen und die österreichischen Berge erhasche, nehmen einige potentielle Besucher kurz vor dem Hinsetzen doch wieder Reißaus. Sie haben vermutlich den Schmu früher entdeckt als ich. Mir hat es an Weitsicht gemangelt, doch Dr. Mang bietet auch Augenlidkorrekturen an. Erschöpft taumele ich den Toiletten entgegen. Hierzu muss man den Frühstücksraum des Lindauer Hofes passieren und einigen verschlungenen Pfaden durchs Haus folgen. Der engagierte Raumgestalter hat in wahrer Farben- und Formenvielfalt geschwelgt, mit einem Handstreich mehrere Architekturepochen gestreift und alles aufgefahren, was ihm an Kunst, Ornamentik und Statement unterkam. Doch eines muss noch erwähnt werden: an Sauberkeit mangelt es mitnichten. Alles ist hier sehr proper und adrett. Und der Service tut sein Bestes. Ich zahle resigniert und suche einen Ort zum Weiteressen und -trinken auf.