"Drei Sterne über Dresden: Klassisch mit eigener Handschrift"
Geschrieben am 16.07.2017 2017-07-16 | Aktualisiert am 29.08.2019
"Leider kein krönender Urlaubsabschluss."
Geschrieben am 11.07.2017 2017-07-11
"Essen in der ehemaligen Zigarettenfabrik mit Panoramablick"
Geschrieben am 09.07.2017 2017-07-09 | Aktualisiert am 09.07.2017
"Abendessen für Nachtschwärmer."
Geschrieben am 04.07.2017 2017-07-04 | Aktualisiert am 04.07.2017
"Das etwas andere Mittagsmahl: Käseverkostung in der Pfunds Molkerei"
Geschrieben am 04.07.2017 2017-07-04 | Aktualisiert am 04.07.2017
"Da hatten wir einen richtig guten Riecher! Direkt an der Frauenkirche."
Geschrieben am 30.06.2017 2017-06-30 | Aktualisiert am 30.06.2017
"Unterkunft in Pillnitz und fußläufig eine gute EINKEHR! Was will man mehr? Gleich 2 Abende!"
Geschrieben am 29.06.2017 2017-06-29 | Aktualisiert am 29.06.2017
"Gemütliche Mittagsrast im gutbürgerlichen Restaurant."
Geschrieben am 27.06.2017 2017-06-27 | Aktualisiert am 27.06.2017
Kleines Fazit vorweg: Die drei Sterne-Restaurants unterscheiden sich deutlich voneinander. Für Abwechslung ist also schon mal gesorgt. Und die erfreut ja bekanntlich.
Das Caroussel im 5-Sterne-Hotel Bülow-Palais in der wunderbar restaurierten barocken Dresdner Neustadt ist seit 1997 besternt, das ist beeindruckend. Seit 2013 hält der junge Schwabe Benjamin Biedlingmaier die Auszeichnung und dazu sehr gute 17 Punkte im Gault Millau mit einer deutlichen Handschrift, die auch bei einem späteren Besuch im Zweitrestaurant Bülow's Bistro bemerkbar war.
Im Hotel geht es zwar modern, aber von Lust an Farbe und Ausstattung sehr "barock" zu.
Im Restaurant ist das Ambiente dagegen überwiegend klassisch und greift wohl Dresdens goldene Zeit unter August dem Starken auf. Schwere Auslegeware und Vorhänge in orange und rost, barock geformte Stühle, von deren Bezügen und der Decke farblich das grüne Gewölbe grüßt. Kronleuchter und ein indirektes Lichtband in der weitgehend abgehängten Decke. Eine Säule teilt den großen Raum, der trotz der meist hellen Farben auf mich etwas drückend und steif wirkte. Leider war der vielgelobte, lichte Wintergarten nicht geöffnet. Allein das große Bild mit einer Szenerie vielleicht aus den Türkenkriegen wirkt leichter.
Die zahlreichen Tische stehen mit angenehmen Abstand. Der für mich eingedeckte Platz war freundlich gewählt, das ist ja selten genug. Ich hätte aber weitgehend freie Auswahl gehabt. Anfangs tafelte in den Weiten noch ein Pärchen mit. Sowie ein einzelner Herr, der in sein etwas angejahrtes Diktafon sprach. Auch noch nicht erlebt. Zunehmend hektisch ließ er sich den Wein gleich direkt vom Service in das Aufnahmegerät ansagen. Nach seinem Hauptgang war er urplötzlich verschwunden. Ein professioneller Food-Journalist, wurde ich auf Nachfrage aufgeklärt, der seinen Zug erwischen musste. So blieb ich wie im letzten Winter häufiger, ab ca. 20:45 Uhr der einzige Gast, bis sich 2 Stunden später der sympathische Küchenchef für ein nettes "après-dîner" zu mir setzte. Eine Zeitung zur Unterhaltung war mir zuvor schon angeboten worden. Da der Service, meist in Person der netten, ungekünstelten Sommeliére Jana Schellenberg ansonsten zwar freundlich und kompetent, aber eher zurückhaltend agierte, war meine Stimmung leicht melancholisch. Minutenlang allein konnte ich auf den klassisch eingedeckten Tischen (mit Kerze, Rose und reichlich Hauswerbung) ausgiebig das hier ausschließlich verwendete Meißner Porzellan bewundern (sehr hübsch) und die aus silbernen Besteckteile geschaffenen verschiedenen Skulpturen studieren (Geschmacksache). In der Mitte des Restaurants in ähnlicher Technik ein sehr großer Kranich. Ich hatte auf meinem Tisch einen Ritter von der traurigen Gestalt erwischt, wie passend.
Ein Lichtblick der besonderen Art dagegen die Toiletten.
Auf die Ohren kamen Jazz und all-american-classics, später französische Chansons. Angenehm dem Ambiente und der Stimmung entsprechend, klassische Musik wäre für mich hier auch Zuviel des Gewollten gewesen.
Für den ersten Durst bestellte ich ein süffiges Meißner Schwerter Pils für 3,5€.
Später schwenkte ich nach einem Probierschlückchen vom Champagnerwagen mangels weißen Ports auf einen Vermouth (Noilly Prat blanc) auf Eis für preiswerte 6€ um, der stilvoll mit Zitronenschale serviert wurde.
Aus der schön gestalteten Karte entschied ich mich für ein Menü, das hier - quasi in Küstennähe (schlappe 675km vor der Elbmündung) - recht meereslastig geriet:
Hamachi Zitronengras Grüner Tee
Kaisergranat Fenchel Rauchmandel
Velouté mit Heilbutt und Pflaume
Kabeljau Schinken Champagnerkraut
Ente Mohn Rotkohl
Quitte Sesam
6 Gänge für 125€.
Später kam noch ein vereinfachter Käsegang für günstige 8€ hinzu.
Die Weinbegleitung schlug mit 57€ für fünf "offizielle" Gläser zu Buche.
Die Küche grüßte mit einem Dreiteiler
Getrüffelte Blumenkohlsuppe, das ist ein Selbstläufer, wenn man die beiden Komponenten mag. Ordentlich.
Eine ausgebackene Kaninchenpraline, eine Winzigkeit trocken.
Und ein Würfel von Granatapfel und erdiger Laubmousse (Laub wie Blätter, genau). Spannend.
Langweilig die selbst gebackenen, sehr dünnen und knusprigen Grissini, deren Teig leider kaum Salz bekommen hatte.
Ein solider Auftakt, der mich keineswegs von meinem bequemen Sitzmöbel riss.
Das dann gereichte Kartoffelbrot mit gerösteten Sonnenblumenkernen war viel besser. Als Begleitung leider zu kalte, ergo harte gesalzene Butter und ein angenehm kräftiges sizilianisches Olivenöl. Serviert in einem Porzellan-Töpfchen, aus dem man nicht kleckerfrei auf den Brotteller ausgießen konnte, das aber recht schmal für's Einstippen war
Suboptimal nennt man das wohl.
Aber schon ging's los:
Ein japanischer Menü-Einstieg weckt bei mir immer Vorfreude, aber auch kritische Aufmerksamkeit.
Der Teller war als mehrgängiges Menü im neuen Gewand klug konstruiert:
Dashi als Spiegel und Gel, Scheiben von gutem, klarem Hamachi, als Rolle geformter Zitronengraspudding, schließlich eine Nocke Grüntee-Eis. Toll, wenn man Liebhaber dieser Küche ist. Auch hier handwerklich eine Schwäche. Das Eis war so kalt, dass es kaum schmeckte und zudem kaum unfallfrei zerteilt werden konnte. - Vielleicht war es tatsächlich erst als Dessert gedacht, nämlich meines Menüs? Ironie aus. - Es blieb eine (leichte) Unzufriedenheit.
Auch beim sächsischen Riesling von Schwarz aus Radebeul stutzte Henry zunächst. Ganz deutlicher Kork. Beim zweiten Versuch eine schöne Aprikosennote.
Der folgende Kaisergranat war eines der besten Exemplare, die ich jemals kosten durfte
Größe, Textur und vor allem Geschmack waren nicht weniger als perfekt. Die Kruste aus Salzmandel war für mich geschmacklich keine Verbesserung, wenn auch nicht unpassend. Indes, wenn ich Kruste lese, erwarte ich Knusprigkeit. Das war hier nicht der Fall.
Als Begleitung Variationen von Birne und Fenchel. In der handwerklich vorzüglichen Praline
zusammen mit einer Krustentiermousse, die gegen die Früchte aber überhaupt keine Chance hatte. Die Mandeln auf dem Granat wurden durch eine separat gereichte, cremige (Geht doch!) Nocke von Rauchmandeleis aufgenommen
Erneut konnte ich keinen Bezug herstellen, so dass dieser Teller trotz sehr guter Produkte und Ausführung etwas Stückwerk blieb.
Eingeschenkt wurde ein Weißburgunder von Thöle aus dem rheinhessischem Saulheim.
Abgelöst von einem kräftigen Chardonnay von der Côte d'Or.
Den brauchte es auch, denn die klassische Velouté
hatte einen deutlichen Rauchakzent. Ein gut passender, vielleicht augenzwinkernder Hinweis auf die in Deutschland so beliebte Verwendung des schwarzen Heilbutts? Der hier im Teller auf die Suppe wartende, gedämpfte weiße Verwandte war wunderbar saftig. Gelee-Würfel aus gepfefferten Pflaumensaft stellten einen wunderbaren Verbinder dar, Kräuter gaben eine weitere Nuance von Schärfe und Croûtons sorgten für etwas Biss.
Wunderbarer Teller, ich war hochzufrieden. Die Küche schien jetzt Betriebstemperatur zu haben.
Konsequent konnte dann auch der eigentliche Fischgang mit einem Winter-Kabeljau punkten, dessen zarte Tranchen durch eine leichte knusprige Panade veredelt wurden
Dazu passte ganz ausgezeichnet die rustikale säuerliche Schinken-Kräutersauce (Sauce Baguiole) und von der Komposition auch das Champagnerkraut. Letzteres stellte sich dann als ein recht mildes Sauerkraut heraus. Vielleicht war der edle Rebensaft in die Sauce geraten? Eindruck: Passend. Aber nicht mehr.
So blieben hier eine tolle und eine gute Komponente sowie eine belanglose und damit die Frage an die eigene Erwartungshaltung: Lecker oder schade?
Begleiter im Glas nochmals der Chardonnay.
Chef Bietlingmaier schickte nun einen weiteren im Ansatz formidablen Teller.
Ein wirklich, wirklich phantastisch gelungenes heißes Soufflé, auf sehr fein zerfallendem Rindfleisch mit einer kräftigen dunklen Sauce. Meine erste Assoziation war gezupfter Ochsenschwanz. Dazu ein spannender Gegenspieler durch kühlen, säuerlichen Schwarzen Rettich.
So weit, so wow. Sterneküche, keine Frage. Wäre da nicht ein im Übermaß geriebener Trüffel gewesen - die Menge ist gut auf dem Foto zu erkennen - der mir schon beim Servieren fast den Atem nahm. Eigentlich mag ich im Gegensatz zu manch anderen Genießern Trüffel sehr. Hier endlich mal wieder exzellente, aromatische Ware. Auch durchaus passend in diesem Gericht. Aber, ich kann es nicht anders sagen, das war "totgetrüffelt" - so sehr es mir auch im Herzen wehtut. Der Geruch und Geschmack lagerte über allem - wie immer natürlich nur nach meinem persönlichen Empfinden. Weniger oder vielleicht gehobelt statt gerieben, das wär's gewesen. Traurig, traurig, für alle Beteiligten.
Der Gang musste nicht bezahlt werden. Leider kann ich nicht mehr rekonstruieren, ob er als weiterer Küchengruß kam oder aufgrund meiner Unzufriedenheit nicht auf der Rechnung stand. So oder so sehr großzügig!
Als Fleischgang Zweierlei von der Ente
Ein saftiges aromatisches Stück von der Brust, deren kreuzweise eingeschnittene Haut nicht genügend Hitze hatte, leider weich.
Die Sauce tadellos mit Kirschnoten, wenn ich mich richtig erinnere. Leider ist mir das begleitende fruchtige Gelee entfallen, evtl. Birne oder Quitte. Blieb der Rotkohl. Es war, tja, Rotkohl halt. Recht weich. Wieder säuerlich. Wieder nicht schlecht, aber auch nicht toll. Begeistert war ich dagegen von dem fluffigen Mohnknödel, der sich natürlich perfekt zum Aufnehmen des lecker Sösken eignete. Und als Überraschung eine Füllung schmackigen Entenconfits enthielt
Auf meinen Wunsch wurde vor dem Dessert eine Scheibe Fourme d'Ambert eingeschoben
Der angewärmte Blauschimmelkäse stand gerade vor dem Zerlaufen und harmonierte vorzüglich mit den prächtigen Rotweinfeigen wie auch dem zehnjährigen Tawny Port von Graham's. Allerdings hatte ich aus den vorherigen Tellern meine Konsequenz gezogen und auf die vorgesehen Zwiebeltarte verzichtet. Auf dem Papier eine sehr schöne Ergänzung, war mir schlicht das Risiko zu groß, dass wieder eine säuerliche Komponente an meinem persönlichen Geschmack vorbei gegangen wäre. So war es ein vollmundiger, harmonischer Auftakt in die Abschlussrunden.
Das erfrischende Pre-Dessert bestand aus Granités von Litschi und Grüntee, dazu Kefir-Schaum und weiße Schokolade
Angenehm die begleitende Riesling-Spätlese vom bekannten sächsischen VDP-Weingut Schloss Proschwitz.
Der Nachtisch präsentierte Variationen von Quitte, wobei neben dem cremigen Eis besonders die Röstnote der geflämmten Würfel überzeugen konnte
Andererseits zwang eine gewisse Holzigkeit zu eher kräftigem Kauen. Der Crumble von Schwarzem Sesam hat mir dagegen gut gefallen. Gut, aber alles andere, als ein Feuerwerk.
Aus der Pâtisserie zum Ausklang eine mit Bailey's gefüllte Praline, ein geeister Lolli von roter Frucht mit weißem Schokoüberzug und ein vorzüglicher, mit Bergamotte aromatisierter Windbeutel. Das sah schlicht aus
war aber sehr gut.
Frau Schellenberg war meine Vorliebe für Süßweine nicht verborgen geblieben und schenkte mir eine Zinfandel 2001 Spätlese von Rosenblum aus dem Russian River Valley ein. Eine neue Erfahrung, die selbst mich an die Grenze des Süßfruchtigen brachte. Noch mehr ist schon Kirschmarmelade.
Die Verabschiedung freundlich, der Eindruck gemischt:
Trotz bester Bewertungen unter den Dresdner Gourmet-Restaurants konnte mich das Caroussel nicht völlig überzeugen.
Entgegen dem Stil des Bülow-Palais und dem klassischen Ambiente waren die überwiegend winterlichen Gerichte im Kern rustikal. Das gefiel mir grundsätzlich gut, ebenso wie die Zusammenstellung der einzelnen Teller. Die Küche von Benjamin Biedlingmaier scheint ein Faible für die saure Geschmacksrichtung zu haben. Jedenfalls wurde dieser Eindruck auch bei einem folgenden Besuch im Zweitrestaurant, dem Bülow-Bistro, bestätigt. Das entspricht nicht meinen Vorlieben, ist aber natürlich auch kein Mangel. Dann schon einige, eher profan bleibende Komponenten und erst recht die mehreren Nachlässigkeiten, die ich hier nicht erwartet hätte.
Kein Grund allerdings, bei Gelegenheit nicht wieder ins Caroussel einzukehren. Vielleicht erleuchtet dann ja ein Platz im lichten Wintergarten den etwas trüben Kritiker!