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Es ist – gerade bei Sonnenschein – ein wunderschöner alter Ort – die Kaiser- und Binnenhansestadt Tangermünde, die sich da mit backsteinbewährter Mauer über die Elbe erhebt. Fünf Jahre von Kaiser Karl IV. (1373-1378 war Tangermünde seine Nebenresidenz des Hradschin in Prag) haben genügt, aus der alten Handelsstadt an einer Elbefurt einen Ort zu machen, den man nach einem Großbrand im siebzehnten Jahrhundert wieder errichtete, die riesige St.Stefanskirche und die Burganlage verblüffen angesichts einer Einwohnerzahl, die gerade den untersten fünfstelligen Zahlenbereich tangiert.
Dass man dann nach dem zerstörenden Feuer eine zierliche kleine Frau nach hinreichender Folter auch noch für den Brand der Stadt schuldig befand und bei lebendigem Leibe verbrannte, hat man vermutlich als weitere Folter späterer Schülergenerationen und deren Deutschlektüre lehrplanbedingt machen müssen … (Erstausgabe: Theodor Fontane, Grete Minde Nach einer altmärkischen Chronik. Wilhelm Hertz, Berlin 1880). Man sieht, der Terror hat schon früh die Bürger bedroht und zu überzeugenden juristischen Leistungen und Ergebnissen geführt.
Direkt am Eulentor, dem verbliebenen Teil des nördlichen Stadttors befindet sich die Alte Brauerei, die zwar kein Bier mehr braut (aber solches plant, Gebäude errichtet und Brauanlage wird wohl montiert) sondern Gäste in Hotelbetrieb und Restaurant bewirtet. Wir hatten hier das als Programm 1 auf der Homepage beschriebene Arrangement „Drei Tage Tangermünde“.
Das Restaurant ist und wirkt gepflegt, im Stile einer gutbürgerlichen Wirtsstätte des 19ten Jahrhunderts. Das Servicepersonal ist überwiegend jung, die Mädels im praktischen Dirndl, zwei junge Männer, einer davon sehr beflissen und offensichtlich mir sehr guter Ausbildung zum Restaurantfachmann, dessen Auftreten (in Normal-Kleidung) durchaus gehobener Restaurant-Klassen angemessen war, der Andere geschätzt noch Lernend. Service wird daher von mir mit 3 bzw. 4 besternt. Am ersten Abend bediente uns eine fortgeschritten- junge weibliche Kraft und der junge Restaurantfachmann, am zweiten Tag bediente er uns und eine weitere Kollegin kümmerte sich um Nachschenken und abräumen.
Das 2-Gang Menu des ersten Abends beginnt obligatorisch mit einer Altmärker Hochzeitssuppe – eine Hühnerbrühe mit Spargelstücken, Eierstich, kleinen Fleischklößchen und frischer Petersilie bestreut dazu zwei Scheiben gewärmtes Baguette. Den Hauptgang konnten wir uns aus der Karte wählen, wobei für die mit Stern gekennzeichneten Gerichte Zuzahlung verlangt wird ( d.h. über 13,90 bzw. 14,50) Am ersten Abend wählte ich das 230g argentinische Rumpsteak (Gargrad medium, bitte eher medium rare als medium) mit Rosmarinkartoffeln, Pfefferrahmsoße, Pfannengemüse (18,90 = 5 € Zuzahlung), meine Frau wählt gebratene Riesengarnelen mit Beilagen-Salat, Aivar und Baguette (13,50). Als Getränke bestellen wir, da meine Frau friert ein Glas Grünen Tee (1,80) Maisel alkfrei Weizen (0,5l 3,50) später noch Rhabarbermost (0,33l 2,90) Jever vom Fass (0,3 2,40). Neben den Getränken werden sofort elektrische Salz- und Pfeffermühle auf den Tisch gestellt.
Die traditionelle Altmärker Hochzeitssuppe sei frisch mit „ein, zwei Hühnern“ gekocht, erklärt mir der junge Restaurantfachmann beim Abräumen später auf meine Nachfrage. Da die Brühe mir für „echt“ aber zu huhnkräftig schmeckt und Suppenhühner abgesehen vom Seltenheitswert am Markt auch keine weitere Verwendung im Restaurant finden können, denk ich aber, dass die Hühner feingekörnt aus einer Pappschachtel mit rotem Deckel kommen, evtl. sogar die Suppe komplett Convenience ist. Da ich die Suppe früher schon mal als Glaskonserve geschenkt bekommen hatte und die ähnlich brühkräftig und auch der Eierstich ähnlich und ähnlich fest war . Dennoch – die Suppe schmeckt (und Wärme tut nach dem an sich sonnigen aber kalten Tag gut).
Das 230g Rumpsteak kommt zunächst „recht klein“ rüber, ist im Gargrad gerade noch so wie ich es mag.In Begleitung von kleinen, halbierten ungeschälten Kartoffeln in der Pfanne gebraten – ein frischer Rosmarinzwei liegt dabei –und das Pfannengemüse ist feingehobelter Paprikamix rot, gelb grün mit Zwiebeln, kräftig als Gemüse gebraten. Als Zierde sind eine große halbe Erdbeere und Physalis auf dem Teller. Ich liebe es, wenn der Wirt vorsichtig mit dem Salzfass umgeht, gerade beim Steak – auch wenn das heutzutage nicht mehr so gehandhabt wird. Hier ist das Steak gott sei dank noch komplett ungewürzt – das mag ich – doch leider sind neben dem Steak auch die Kartoffeln und das Pfannengemüse weitest gehend ungewürzt, der Rosmarin wirkt auch erst zu Ende der Bratzeit zugelegt worden. So würze ich mehrfach nach - und mit den Elektromühlen geht das leicht, aber nicht geräuschlos.
Die „Riesengarnelen“ - bei dieser Bezeichnung gingen wir beide bei der Speisekartenlektüre zumindest von „Prawns“ aus – waren normal-große Shrimps – okay, im Großhandel werden die auch so unter der Bezeichnung geführt – für uns etwas überraschend. Aber die sind gut gewürzt, leicht mehliert gebraten und in angenehmer Menge. Der dazu gereichte Salat erinnert mich frappierend an die bei Jahrmärkten und Hausmessen oft vorgeführten Zerkleinerungsgeräte, bei denen der Verkäufer unter lauten Erklärungen kiloweise Gemüse im Handstreich kleinschrappt und raspelt – hier sind es Frisee, Eisberg, bunte Paprika, rote Zwiebel Tomate (auch in Scheiben) frische Gurke teilgeschält in Scheiben, mit einem leichten Dressing dazu als Deko Salatblätter drunter, zwei süßsauere Gurkeen Stücke geschlitzt und eingelegtes kleines Maiskölbchen mit zwei drei Stängel der Frühlingszwiebeln mit etwas Balsamico drauf – gute Portion vom Salat. Das genannte Aivar ist hellrosa – m.E. eine Mischung aus Frischkäse mit Tomatenketchup – aber nicht nachgefragt, kein Paprikaaivar, in dem kleinen Schälchen steckt noch eine milde Pepperoni – leider noch voll mit dem Einlegeessig –und ein Zitronenschnitz - dazu gibt es Baguette.
Am zweiten Tag ist das Restaurant abends komplett eingedeckt und Tische sind zu größeren Gruppen zusammengestellt. Der junge Restaurantfachmann, der uns heute bedient, erklärt, dass es heute zum Zweigang Menu keine Vorspeise gibt, sondern einen Nachtisch, eine Überraschung. Und wir schauen in die Weinkarte. Wenn ich schon mal irgendwann Wein trinke, dann möglichst regional – so diskutiere ich nur noch ob Weiß oder rot – und damit kommt weiter in die Diskussion, was wir denn heute zu Essen wählen. Meine Frau reflektiert heute auf die speckumwickelten Schweinemedaillons mit Kroketten Semmelbutter und Romanescoröschen – und mir liegt das Zanderfilet mit Honigmandelkruste, Brokkoliröschen und Wildreis bereits vorstellungsmäßig auf der Zunge. Da weiß ich gar nicht, warum oder wie meine Frau auf Rotwein kommt – noch dazu da hier Saale-Unstrut ein leichter Naumburger blauer Zweigelt auf der Karte seht, den ich liebend gerne bestellen würde doch nur nicht heute, heute nicht, nein – denn ich habe die Entscheidung bereits für den Silvaner getroffen - ein Saale Unstrut- Grüner Silvaner 2013. Weiter eine Flasche stilles Wasser zum Wein -
Der junge selbstsichere Kellner bringt die Flasche Wasser im Kühler und einen Kühler für den Wein und vier Gläser –Weinhaus Porta Landeskellerei steht auf dem Etikett, der Kellner öffnet die Flasche, gießt den Probeschluck ein – aber das Glas ist handwarm – der kleine Weinschluck zwar noch ideal temperiert – doch wenn der auch nur zehn Minuten auf dem Tisch steht, wird der zu warm. Er ist wunderbar leicht, angenehm fruchtige Traube mit etwas Körper, so wie ich Wein zum Essen mag. Also nicke ich die Flasche ab, aber reklamiere die Temperatur, bitte noch zwei Grad kühler – damit ist der junge Mann fast geschockt – war der Wein doch vermutlich lange im Weinkühlschrank – er füllt auch nimmt ihn gekonnt wieder, mit mit dem Versprechen, ihn kalt zu stellen – aber so ganz einverstanden ist er wohl nicht. Es ging alles bisher recht flott – doch nun warten wir – Wein wird zeitweise durch die andere Servicekraft nachgeschenkt – und ich bitte die Flasche am Tisch zu lassen – der Wein ist in der Zeit sicher nicht wesentlich kälter geworden – jedoch mein Glas. Evtl. als Reaktion auf meine Temperatur-Beschwerde für einen Weinbanausen wird nun viel zu viel ins Glas eingegossen? Die Flaschen sind nicht mehr halb voll, mehr als halb leer, wir fragen nach Brot, das schnell gebracht wird – aber heute mussten wirklich alle Gäste lange warten. Da muss irgend was Größeres den Ablauf blockieren, Personalausfall – ich weiß es nicht, aber die Gesellschaft und Gästeanzahl allein kann es nicht sein. Auch wenn später nach recht langem Warten aller Gäste an einem Tisch mit Feuerwerk die Ente für vier Personen serviert wird (und dort am Tisch von einer Köchin tranchiert wird – anders als die Gans in einer meiner anderen Rezensionen eines anderen Restaurants – aber auch die Ente hier ist bei aller Perfektion nicht so zart wie meine 3h Low Temp Ente) auch an der Ente kann es nicht gelegen haben. Doch endlich kommt (wie auch an den anderen Tischen) unser Essen.
Der erste große ovale Teller mit drei Schweinemedaillons, Kroketten und den Romanescoröschen und Gorgonzola Käsesoße steht vor meiner Frau, und meine Frau freut sich schon.
Mir stellt der junge Kellner den ovalen Teller mit dem Zanderfilet, einem schräg geformten Wildreisblock und Brokkoliröschen auf den Tisch. Die Honig-Mandelsplitterkruste ist etwas dunkel geraten, und liegt in Teilen, teilweise locker teilweise fest auf der Haut des Zanders. Der Reis ist eine Wildreis-Lankornreis-Mischung. So wie serviert, werde ich allerdings nicht an den Fisch kommen. Also nimm ich die Kruste ab und dreh den Fisch um, - der zart gebräunt aber hell weiß im Fleisch vor mir liegt - Die Mandelhonigmasse ist in sich fest, zu„knackig“ und schmeckt recht honiglastig. Zusammen aber mit dem mild gewürzten Fisch wirklich lecker. Dazu der Reis – weich gekocht, etwas weicher, als ich ihn selbst kochen würde, aber dadurch im Zusammenspiel ist die weiche Konsistenz durchaus altersgerecht, da der Biss ja bereits bei der Mandel-Honig-Kruste liegt. Ich bin sehr zu frieden, auch der Brokkoli ist schmackhaft gewürzt.
Am Gesicht meiner Frau sehe ich jedoch, dass Ihr Gericht heute nicht so gefällt, wie es das tun sollte – der frühe frohe Blick hat sich zu einem kritischen gewandelt. Mit dem Messer zeigt sie mir – das durchgeschnittene Medaillon strahlt mich trocken, weißfleischig tot, aber noch nicht nicht völlig totgebraten an. „Durcher“ ginge noch aber nur in schwarzer Kruste. Wir rufen kurz die ausgebildete Servicekraft, die das auch sieht, bedauert, bittet, doch noch ein weiteres Medillon zu schneiden – gleiches Bild. Entschuldigung –und ja es würde nun etwas dauern, wenn er das jetzt mitnimmt – logisch. Gut- zum Wegwerfen ist es zu schade –Und da meine Frau hungrig ist, sagt sie, okay ich ess das jetzt so – ist ja auch Schweine- kein Rindfleisch. Die Servicekraft atmet auf, sagt Danke. Das war aber dann auch schon die gesamte Reklamationsbearbeitung. Es war dann doch essbar - wegwerfen geht bei uns nicht. (Als am Nebentisch dann „ganz durch“ bestellt wurde……)
Nun aber dauert es noch etwas – die Überraschung! Was wird es sein ? Eis? Die Standardgerichte heute lassen uns nichts besonders Raffiniertes erwarten – Dann kommt die Bedienung mit zwei weißen großen viereckigen Tellern – ich sehe das „Eck“ einer herzförmigen Eiswaffel die wohl in Sahne steckt – weiter noch nichts – dann seh ich – wow – optisch vielleicht nicht so überraschend, aber es wird ein noch warmes Schokotörtchen mit leicht flüssigem Kern angekündigt – und wow, das ist wirklich sehr gut gemacht – das Törtchen hat Niveau –egal ob Sprühsahne –oder die Kiwi ungeschält auf dem Teller ist – das ist egal.
Fazit: gutbürgerliche Küche bodenständig „hausfraulich“ gemachte Speisen, PLV stimmt in sich auch. Also gerne wieder.