Wir verwenden Cookies
Wenn Sie unsere Webseiten besuchen, kann Ihre Systemsoftware Informationen in Form von Cookies oder anderen Technologien von uns und unseren Partnern abrufen oder speichern, um z.B. die gewünschte Funktion der Website zu gewährleisten.
Zum einen die nette und vertraute Gesellschaft von Ehepaar Carsten1972, die das günstig in der Mitte zwischen Rheine und Bremen gelegene Sternerestaurant als Treffpunkt für ein feines Essen zu viert vorgeschlagen hatten.
Zum anderen die engagierte Betreuung von Gina Duessmann, die mit der Unterstützung einer „altgedienten“ Kraft aus dem leider geschlossenen, eigenen Restaurant in Bad Bentheim und eines weiteren Kollegen an diesem Abend besonders freundlich und geradezu gelöst agierte. Inzwischen weiß sie genau, wie sie die kleinen Spitzen des Borgfelder Grantlers einzuschätzen und zu parieren hat - zum Beispiel mit einer wirklich überzeugenden alkoholfreien Begleitung! Den beeindruckenden Sprizz „Paradisbakkerne“ des dänischen Produzenten Muri bestellten wir noch aus dem Restaurant für Zuhause! Aber auch die abwechslungsreichen Kompositionen von Altmeister Jörg Geiger oder dem Pfälzer Bio-Weingut Leiner performten ebenso wie die der anthroposophisch wirtschaftenden Österreicher von Wachstum König oder des französischen Traubenspezialisten L‘Antidote. Großes alkoholfreies Kino, welches mal wieder bestätigte, dass hervorragend zugekauft für den Gast allemal befriedigender ist, als experimentell selbst fermentiert. Für knapp 10 Euro pro Glas (bei extrem großzügigem Nachschenken) haben wir viel Neues und vor allem Spannendes kennengelernt. Darauf noch einen nullprozentigen Siegfried Wonderleaf-„Gin“-Tonic, den wir klassisch sowie mit Orange aromatisiert (für je 13,5€) ins Glas bekamen.
Aber zu allererst begeisterte uns alle natürlich die Küche von Lars Keiling, der sich nach einer Anlaufzeit in den gewiss nicht einfachen letzten zweieinhalb Jahren hier wieder an das alte Niveau herangekocht hat. Gut Ding will gerade an neuem Standort mit vorsichtigem Publikum Weile haben.
Breaking news: Grumpy old Borgfelder hatte an diesem Abend aber so gar nichts zu meckern. Denn die etwas zähe Haut einer gebeizten Makrele, die als (millimeterdünner) harter Streifen im Mund blieb, war nichts als ein winziger Schönheitsfleck, der die Fehlerlosigkeit der Küchenleistung nur unterstrich!
Da der vordere, recht schmale Restaurantbereich von einer Gruppe belegt war, saßen wir erstmals im hinteren Bereich des Hauses, zu dem ebenso wie zu den Toiletten mehrere Stufen hinaufführen. Das Ambiente ist von zugänglicher Eleganz, edel und wohnlich zugleich, trotz des gefliesten Bodens. Meine Frau und ich durften auf einer schönen Eckbank Platz nehmen. Die Tische sind mit ausreichend Abstand gestellt.
Die Küche begrüßte uns mit drei Kleinigkeiten:
Sesam-Soja-Waffel mit Mandelcreme und -Chip. Knusprig mit präsenter Mandel.
Kurkuma-Chip mit Räucheraal, Apfelgel und Hagebutten-Ketchup. Fruchtige Säure und leichter Knusper.
Dinkel-Kimchi-Macaron. Angenehme Schärfe, etwas weich geraten.
Nach diesem abwechslungsreichen Auftakt, sorgte das mir noch in bester Erinnerung befindliche Rosmarin-Focaccia für Zufriedenheit am Tisch - wortwörtlich zum Fingerabschlecken lecker.
Durch den selbst auferlegten Verzicht auf Dessert hatte ich problemlos das Menü auf sechs Gänge reduziert; für meine Liebste durfte es noch ein Teller weniger sein. Auch der vorher per Mail erbetene Austausch von Fleisch bei meiner Frau und mir war natürlich überhaupt kein Problem. Preislich spielt das Friedrich immer noch (oder bald wieder???) in der 2-Sterne-Liga — mit 159€ für vier Gänge geht es los, jeder weitere Gang erhöht die Rechnung um vergleichsweise geringe 10€; das Kalkül ist klar.
Aber vor dem Einstieg schickte uns Lars Keiling noch ein aufwändiges Amuse bouche aus gebeizter Makrele, Süßkartoffelcrème, lila Blumenkohl, roter Bete und pochiertem Eigelb, bei dem die würzigen und angenehm salzigen Noten schmackhaft eingefasst wurden. Harmonie-Küche, die Programm sein sollte.
Das eigentliche Menü startete mit Kingfish, Beten und Pumpernickel, abgerundet mit Dillöl. Der ebenfalls makrelenartige Fisch wurde als marinierte Tranche und rohes Tatar serviert, das sich in einer gepickelten Betescheibe versteckte. Die Bestandteile wurden alle in verschiedenen, teils unerwarteten Texturen präsentiert, z.B. Essig und Öl auch als „Schnee“. Auf dem Teller etwas übersichtlicher, aber in der Komposition sehr gelungen, im würzig-säuerlichen Geschmacksbild entsteht vage die Assoziation Fischbrötchen, aber viel, viel feiner.
Der folgende Eismeer-Saibling geriet optisch noch klarer. Kombiniert mit Alblinsen einerseits, Kumquat und Tahini andererseits ein gelungenes Crossover. Die helle Sesamkruste hatte ein schönes Aroma und fügte dem recht weichen Fischfleisch einen kleinen Knusper hinzu. Die Tahinisauce überraschte mit deutlicher Schärfe, die von den festen Linsen eingefangen und von der herb-säuerlichen Fruchtigkeit der Zwergorange interessant kontrastiert wurde. Sehr schön auch die Kombi aus Algencracker und Buchenpilz. Klingt nach einem Durcheinander, das aber am Gaumen mit jedem Bissen ein abwechslungsreiches und dabei stets harmonischen Gesamtbild bildete.
Kulinarisch trennten sich nun die Wege am Tisch. Während für die Carnivoren als weitere Gänge Wachtel, Kalbszunge (abgewählt?) und Iberico-Schweinekinn auf dem Genießer-Programm (oder pelzisch: im Köchel-Verzeichnis) standen, waren wir gespannt auf den „Ersatz“.
Als erstes kam ein schlicht perfektes Stück Winterkabeljau. Hier gelang es Lars Keiling, die lange unterschätzte Schwarzwurzel spannend zu variieren und mit Cranberries und Kakao einen kreativen Twist zu finden. Kateifi aus Brioche-Teig zauberte uns ein Lächeln auf die Lippen, ehe wir andächtig die tiefe Trüffelsauce genossen. Ich war verblüfft, dass sich letztere nicht als zu mächtig für den Fisch herausstellte. Aber ursprünglich war ja auch Geflügel vorgesehen.
Die für sich wunderbare, nur kurz geflämmte Wildgarnele hatte es da schon schwerer, die eigentlich vorgesehene Kalbszunge zu ersetzen. Einerseits - denn Rotkohl hatte schon eine gewichtige Stimme im Aromenkonzert. Andererseits hielten der „göttliche“ (O-Ton Süßer Fan) Nussbutterschaum und die Passionsfruchtkleckse teils mollig, teils frisch dagegen. Gebratene Flowersprout sorgte für grüne, herbe Noten.
Zum Ausklang der warmen Gerichte schickte die Küche eine dicke Tranche Tataki vom Thunfischrücken. Das Fleisch war von makelloser Qualität und wirklich nur wenige Sekunden gebraten, dazu mit einer präsenten Salzzitronencrème aus der Quetschflasche benetzt. Blanchierter und fermentierter Spitzkohl einerseits und gepickelte Gurke andererseits schoben dieses Gericht deutlich in eine „grüne“, überraschend frische Richtung, wurden aber durch eine intensive, wie Honig fließende BBQ-Teriyaki-Sauce wieder geerdet.
Während die andere Seite des Tisches sich von einem dekonstruierten Waldorf-Salat (Walnuß, Apfel, Joghurt, Sellerie) zum Dessert überraschen ließ,
ging es bei mir zwar „konventioneller“, nichts desto trotz sehr genussvoll zu:
Chaource, St. Maure, Beaufort, Taleggio und Stilton vom Tölzer Kasladen hatten (für mich) den perfekten Reifegrad und brauchten keine Begleitung. Das wäre aber schade gewesen, denn die dunkle Nuss-Crème, das Feigenkompott und besonders die Balsamico-Korinthen schmeckten sensationell, ebenso wie das super reichhaltige Früchtebrot.
Bei den Petits Fours lehnten wir (blutenden Herzens) ab, aber es ging nichts verloren, sondern fand - von der großzügigen Gina Duessmann gut verpackt - den Weg nach Rheine.
„Wir suchen nach Harmonie!“, beschrieb mir mal Hans Stefan Steinheuer seine Küche. Bei seinem Kollegen Lars Keiling würde er fündig.
Von den „Carstens“ noch bis zur Bushaltestelle begleitet, machten wir uns nicht nur satt, sondern kulinarisch beglückt auf den nächtlichen Heimweg.