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Meine Internetrecherche vorab erbrachte wenig Handfestes über den Lindenhof. Es gab keine Homepage und auch sonst keinerlei Spuren im Bereich Social Media. Auch keine Speisenkarte war online verfügbar. Lediglich von einem sehr guten Preis-Leistungsverhältnis und einer gutbürgerlichen, deutsch-kroatischen Küche war die Rede. Ich fand heraus, dass Frau Milka Gocev zusammen mit ihrem Mann schon seit vielen Jahren das Lokal im Herzen von Neustadt-Hambach betrieb. Etwas dürftige Vorinformationen, um das Wagnis eines sonntäglichen Geburtstagsessens einzugehen? Vielleicht, aber die gute Mundpropaganda ließen das Risiko schrumpfen. Also, auf nach Hambach zum Lindenhof.
Direkt neben dem Gasthaus konnten wir im Hof bequem parken. Das war auch gut so, denn im Ortskern von Hambach sieht es mit Parkmöglichkeiten eher mau aus. Schon beim Eintritt ins Innere der Gaststätte wurden bei mir Erinnerungen an längst vergangene Zeiten wach. Ich dachte automatisch an meine Kommunionsfeier in der Herxheimer Bahnhofswirtschaft Anfang der 80er Jahre. Der Gastraum erinnerte mich schon sehr daran, denn alles war hier authentisch old school. Von den durchsichtigen weißen Gardinen, über die nostalgischen Wirtshausstühle mit festgetackertem oder aufgeklebtem Sitzkissen mit altmodischem Überzug in Grau-Melange, bis hin zur Speisenkarte, deren Seiten in Ringbuchform hinter Klarsichtfolie steckten. Der Hauptgastraum, den man rechter Hand der Theke betritt, war nahezu komplett ausgelastet. Gut, dass wir reserviert hatten, war mein erster Gedanke.
Zusätzlich steht noch eine weitere, in etwas antiquierter Weinstubenästhetik daherkommende, jedoch nicht ungemütliche Gaststube zur Verfügung. Diese schließt sich direkt an den zentral gelegenen Ausschank mit dahinterliegender Küche an. Ihn passiert man beim Gang auf die etwas in die Jahre gekommenen Toiletten (bei den Urinalen der Duft von 1000 Jahren…), die eine Erneuerung sicherlich am nötigsten hätten. Ein Hinweisschild kündet von der Existenz einer Kegelbahn eine Etage tiefer.
Die gute Freundin aus Neustadt-Hambach war früher öfters hier und vermisste an jenem Sonntag die Inhaberin Frau Gocev. Auf Nachfrage erklärte uns die junge Dame im Service, dass seit Anfang des Jahres die Betreiber im Lindenhof gewechselt hätten, bzw. im Moment noch in einer Phase des Übergangs sich befänden. Frau Gocev und ihr Mann würden die neuen Pächter jedoch unterstützen, indem sie ihnen noch ein wenig über die Schultern schauen und ihnen ab und zu noch mit Rat und Tat zur Seite stehen. Man möchte das Lokal genauso weiterführen wie es die Vorgänger zu tun pflegten und da nähme man die angebotene Hilfe gerne an. Das bedeutete jedoch auch, dass sich an der Auswahl der Speisen nichts geändert hatte, denn in der Küche arbeitete noch das nahezu gleiche Team wie vorher unter der Führung von Frau Gocev.
Die meisten Gäste hatten schon ihre Gerichte auf dem Tisch stehen und waren eifrig am Futtern. Sie taten gut daran, denn die Portionen waren reichlich bemessen. Grillteller kroatischer Prägung, Schnitzel und Rumpsteak wurden mehrheitlich geordert. Fleischesser scheinen hier also bestens aufgehoben zu sein. Ein Blick in die Speisenkarte bestätigte meinen Verdacht. Ich gebe an dieser Stelle einen kleinen Überblick, was den Gast im Lindenhof an Gerichten erwartet, auch da im Netz bisher keinerlei Informationen über das Essen zu finden waren. Im Grunde wird zwischen Balkanspezialitäten (Cevapcici, Pleskavica und Raznjici kosteten alle mit Djuvec-Reis und Salat einheitliche 9,50 Euro), ein paar Vorspeisen (darunter der fast vergessene Toast-Hawaii für faire 5 Euro), diverse Schweinereien (Schnitzel, Cordon-Bleu, Schweinelendchen und Kombinationen wie Räubertopf oder Skopje-Schnitzel), die sich preislich zwischen 9 und 14 Euro bewegten, sowie ein paar Rumpsteakvarianten (mit Kräuterbutter, Zwiebeln, Pfefferrahmsauce, „Zigeuner-Art“ oder „Berner Art“), die allesamt bei 16,50 Euro lagen, unterschieden. Eine Ausnahme stellte lediglich das überbackene Berner Rumpsteak mit Schinken, Ei, Käse und Sauce Bearnaise für „stolze“ 18 Euro dar. Komplettiert wird das Speisenangebot im Lindenhof durch ein paar Salate, zwei Suppen sowie kalte Vespereien wie beispielsweise die Russischen Eier auf Wurstsalat (6 Euro). Selbstverständlich werden hier manche Gerichte auch als Seniorenportion angeboten.
Schnell war die Bedienung zur Stelle und nahm die Bestellung entgegen. An unserem Tisch gingen zweimal Rumpsteak mit Zwiebeln, Pommes und kleinem Beilagensalat (16,50 Euro). Beide wurden medium geordert. Außerdem entschied man sich für den Balkan-Grillteller mit Cevapcici, Raznjici, Schweinesteak und Djuvec-Reis (12 Euro). Auch dazu war ein kleiner Salat inklusive. Ich selbst traute mir das mächtige Skopje-Schnitzel (14 Euro), das zusätzlich mit Schinken, Tomaten, Champignons und viel überbackenem Käse auskam, zu.
Um den Durst zu lindern, wurden ein paar Gläser durchaus trinkbaren Rieslingsekt bestellt sowie eine große Flasche Mineralwasser (0,7l für 3 Euro), ein großes Pils (0,4l für extrem faire 2,40 Euro) und ein Viertel Dornfelder vom ortansässigen Winzer Johann Müller (3,20 Euro). Das Viertel Riesling hätte man sogar für gästefreundliche 2,80 Euro bekommen. Keine Frage, hier wird bei den Getränken zum Wohle der Gäste kalkuliert.
Nach absolut passender Wartezeit wurde uns vorab schon einmal der kleine Salatteller serviert. Mit einfachem Essig-Öl-Dressing und den üblichen Krautereien wirkte er zwar wie ein kulinarischer Anachronismus, war aber schmackhaft angemacht und vertrieb die ersten Hungergefühle. Recht zeitnah wurden dann auch die Hauptgerichte aufgetragen. Die Rumpsteaks waren von stattlichem Cut (geschätzte 220 bis 240 Gramm), lagen unter einer üppigen Röst-Zwiebel-Haube und stammten laut Bedienung aus Argentinien. Die Pommes waren normale TK-Ware, wie man sie von der gutbürgerlichen Küche her kennt, aber nicht totfrittiert und zudem perfekt gesalzen. Der Balkanteller zu meiner Rechten war keine übertrieben große Portion. Die leider etwas zu trocken geratenen kroatischen Grillverdächtigen (Raznjici, Cevapcici und Co.) waren mit einer ordentlichen Portion Djuvec-Reis unterfüttert. Die Zwiebeln und das Ajvar lagen separat daneben und lieferten im Bedarfsfall die entsprechende Würze.
Am mächtigsten war sicherlich mein paniertes und dann überbackenes Skopje-Schnitzel, das mit sternförmig geschnittener Grilltomate on Top auf den Teller kam. An kalten Wintertagen darf es ruhig auch mal ein wenig deftiger zwischen Messer und Gabel zugehen. Die Würze kam vom Schinken und dem Käse, während eine mit Champignons verfeinerte Tomatensauce für die nötige Süffigkeit sorgte. Das Fleisch war angenehm mürbe. Alles in allem ein solides Schnitzelgericht, das schmeckte und satt machte, ohne sich gleich auf die kulinarische Festplatte zu brennen. Doch auch diese Art von Küche hat absolut ihre Berechtigung, kennen wir sie doch schon fast seit Lebzeiten. Meiner Mitesserschaft am Tisch schmeckte es jedenfalls vorzüglich und alle Teller waren am Ende blank geputzt, was bei den hier gebotenen Portionen schon einem Kompliment an die Küche gleichkommt.
Auf ein Dessert verzichteten wir, da unsere Hambacher Freundin einen selbstgebackenen Rotweinkuchen zu Hause für uns bereit hielt. Nachdem der große Run vorbei war, kamen wir mit den neuen Betreiber des Lindenhofs ein wenig ins Gespräch. Auch Milka Gocev erschien und machte bei ihren Stammgästen die Runde. Man merkte ihr an, dass es ihr nicht leicht fiel, der Gastronomie den Rücken zu kehren. Deshalb schaut sie auch ab und an nach dem Rechten in ihrem alten Lokal.
Wir bekamen noch etwas Pistaziengebäck zum Probieren gereicht. Dem Kopfweh meiner Begleitung wurde mit einem Espresso mit Zitrone (inkl. Gebrauchsanweisung!) zu Leibe gerückt, während der obligatorische Verdauungs-Ouzo den Schlusspunkt setzte. All diese Freundlichkeiten der Küche bzw. des Service tauchten nicht auf unserer Rechnung auf, die mir für vier Personen dann doch etwas zu günstig erschien. Es stellte sich heraus, dass unsere Bedienung glatt vergessen hatte, die beiden leckeren Rumpsteaks hinzu zu addieren. Aber auch mit ihnen war es ein äußerst preisgünstiges Geburtstagsessen, das einem mal wieder zeigte, dass eine ehrlich gekochte, schmackhafte Hausmannskost in freundlich-herzlichem Umfeld genauso zufriedenstellen kann, wie ein ambitioniertes Gourmetessen. Ich wünsche den neuen Betreiber des Lindenhofs jedenfalls viel Erfolg für die Zukunft.