Ich gehe gern und gut essen und schreibe auch darüber. Rein privat, aus Spaß und nicht kommerziell.
Vorwiegend, aber nicht nur, besuchen wir sogenannte Gourmet-Restaurants und reisen dafür auch gezielt durch Deutschland und ins europäische Ausland.
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Bewertungs-Statistik
Insgesamt 103 Bewertungen 136839x gelesen 2537x "Hilfreich" 2513x "Gut geschrieben"
Besucht am 25.06.2017Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 169 EUR
Die Limmerstraße als die Königsallee von Hannover Linden zu bezeichnen, wäre – nun ja – totaler Blödsinn. Es ist zwar die zentrale Einkaufsstraße und tatsächlich spielt sich hier das meiste Leben ab, aber vom Einzelhandel ist im Zuge eines kontinuierlichen Niedergangs nicht viel übrig geblieben. Ein paar Ein-Euro-Shops, Allerwelts-Klamotten-Filialisten und Backshops bestimmen das Bild – und der in Hannover an jeder Straßenecke allgegenwärtige Rossmann natürlich. Linden ist nach wie vor ein Arbeiter-Stadtteil, multi-kulti, alternativ und jung. Man sieht es an jeder Ecke.
Über die letzten Jahre hat sich aber die Gastronomieszene deutlich weiterentwickelt. Zugegeben, das meiste davon fällt in die Sparte Fastfood, aber immerhin ist die relativ abwechslungsreich und gar nicht mal überall übel. Dass sich aber in diesem Umfeld mit dem „Lindenblatt“ ein Restaurant etablieren konnte, dass sich sowohl vom Anspruch als auch dem Preisniveau deutlich abhebt, ist schon bemerkenswert.
Das Ambiente auf den zwei Ebenen ist geschmackvoll, aber nicht übertrieben. An diesem Sonntag Abend ist unten alles besetzt, so dass wir uns den oberen Bereich mit zwei anderen Paaren teilen. Dass die größeren Tische leer bleiben, stört uns nicht. So ist der Geräuschpegel eh angenehmer.
Das „Lindenblatt“ bietet eine bewusst reduzierte à la Carte-Auswahl von jeweils zwei bis drei Suppen, Vorspeisen, Hauptgerichten und Desserts. Dazu noch zwei Burger und Steaks, die man erfragen muss. Die meisten Gerichte sind so konzipiert, dass sie auch vegetarisch oder teilweise sogar vegan funktionieren, aber mit einem Fleisch- oder Fisch-Supplement ergänzt werden können. Und so funktioniert auch das aus den à la Carte Gerichten zusammengestellte Menü, das in drei bis fünf Gängen vegetarisch (30/35/40 Euro) oder mit Tier (37/45/55) geordert werden kann.
Ich wähle das Menü in vier Gängen, mein Mann vier Gänge à la Carte. Dass nur ich, weil ich das Menü gewählt habe, einen Gruß aus der Küche bekomme, finde ich schon etwas seltsam und angesichts des Umstandes, dass seine Gerichte insgesamt teurer als mein Menü sind, auch etwas kleinlich. Hier hätte man sich etwas flexibler zeigen können.
Von den drei Grüßen ist mir vor allem die sehr gute Spargelcremesuppe – es wird die letzte der Saison sein – positiv in Erinnerung geblieben.
Für den ersten Gang aus dem Menü hätte ich eigentlich ein Vorher-Nachher-Bild machen müssen. Die Variation von diversen bunten Tomaten sieht ausgesprochen appetitlich aus, vor allem mit der sehr guten Burrata, dem Basilikum, dem Olivenstaub und den Salsicciastücken. Nach dem Angießen der klaren Tomatenessenz vermengt sich alles jedoch zu einer eher unschönen, milchig trüben Angelegenheit, in der sich die Burrata langsam auflöst.
Wohlgemerkt: das ist nur eine Kritik an der meines Erachtens verbesserungswürdigen Optik des Gerichtes. Alle Komponenten für sich passen natürlich zusammen und die Qualität ist auch gut. Ich persönlich hätte vermutlich die Tomatenessenz à part serviert oder in einer leicht gelierten Version, so dass die Einzelkomponenten noch für sich hätten wirken können. Die Salsiccia als würziges Element gefällt mir gut und an diesem warmen Tag ist diese Vorspeise sehr passend.
Auf der anderen Seite des Tisches startet man mit Pescaccio vom Färöer Lachs. Diese etwas gewollt kreative Bezeichnung beschreibt letztlich nichts anderes als roh aufgschnittenen Lachs, der mit etwas Holunderblüte und Zitrone mariniert ist. Die Fischqualität ist gut, aber insgesamt bleibt das Gericht sehr mild. Daran ändern auch die Tupfen fermentierten schwarzen Knoblauchs nichts. Kein schlechter Gang, aber leider ohne den ganz besonderen Kick oder eine besondere Würze, die den Fisch nach vorne gehoben hätte.
Beim nächsten Gang gehen wir konform und wählen gegrillte Melone mit Focaccia, grünem Spargel, Schafsjoghurt und –käse und Rucola. Als Ergänzung gibt es hierzu in (vermutlich?) Panko ausgebackenen Pulpo und gekochten Schinken vom Havelländer Apfelschwein. Das ist eine schöne, originelle Kombination, die mir gut gefällt und trotz der vielen grundverschiedenen Komponenten schön harmoniert. Dass die à la Carte Portion meines Mannes größer ist als meine, geht in Ordnung. Dass sie allerdings gleich doppelt so groß ausfällt und der Teller damit nahezu überquillt, sollte man auch noch mal überdenken. Ich fand das für eine Vorspeise deutlich überpropotioniert – auch in Linden...
Im Hauptgang bekomme ich Morcheln und junge Saubohnen, dazu eine Morchel-Panna Cotta und ein Morchelschaum. Ich mag den intensiven Morchelgeschmack und ich mag frisch gepalte Bohnen. Von daher ist dieses Gericht wie für mich gemacht. Das Spanferkel dazu ist sous-vide gegart und zart. Wenig verwunderlich ist die Kruste bei dieser Garmethode alles andere als knusprig, was ein wenig schade ist. Zusammen mit der gepökelten Backe wäre es ansonsten rundum gelungen.
Auf dem Teller meines Mannes wird es bunt und erneut üppig. Die Grundbasis des Gerichtes sind diverse Paprika, teilweise mit Frischkäse gefüllt, eine Gremolata und ein Thymian-Guglhupf. Das Fleisch dazu ist eine geschmorte Beinscheibe vom Rind und spätestens damit wird es richtig deftig. Dass dies kein typisches Sommergericht ist, weiß die Küche selbst. Warum sie es dennoch auf die Karte setzen, erklären sie in der ausführlich beschriebenen Karte selbst: „...weil wir Bock darauf haben.“ Klare Aussage – und wer es nicht so herbstlich will, kann ja etwas anderes wählen. Die Portion ist erneut eher für Bauarbeiter gedacht, aber davon abgesehen lecker. Mir persönlich ist das alles nicht nur von der Menge ein bisschen zu viel. Der berühmte Teller bunter Knete kommt mir in den Sinn. Aber ich will nicht meckern. Ist nicht mein Teller, Gatte ist zufrieden, also passt's schon.
Im Menü gibt es im Dessert eine Variation von der Zitrone, als Sorbet, Lemon Curd, Kuchen und kandiert. Buttermilch und weiße Schokolade, ebenfalls in Konsistenzen puffern die Säure gut ab. Insgesamt sehr schön.
Da ich aber ohnehin lieber Erdbeere als Zitrone mag und es bei meiner besseren Hälfte genau umgekehrt ist, probiere ich kurz und wir tauschen dann die Teller.
Die Erdbeeren finden sich als Sorbet und mariniert als Salat in einem durchaus klassischen Umfeld, der vor allem von Vanille geprägt ist. Als Sponge, Creme und Panna Cotta wird auch dieses Thema durchdekliniert. Die Kardamombaisers bleiben relativ neutral. Die angekündigte Atsina-Kresse kann ich nicht ausmachen, aber schmecken tut es dennoch gut.
Mit beiden Desserts setzt sich die Linie von Benjamin Busmanns Küchenstil fort. Es wird munter kombiniert, mitunter etwas forciert, bei den Desserts eher klassisch variiert. Beim ein oder anderen Gericht könnte ich mir eine gewisse Fokussierung als vorteilhaft vorstellen. Aber wenn die Gänge auch vegetarisch ohne Fleisch- oder Fisch-Supplement funktionieren sollen, will oder muss man dem Gast vielleicht diese Tellervielfalt anbieten.
Besonders hervorzuheben ist die Weinkarte, die über die Zeit deutlich an Format gewonnen hat. Sie unterliegt einem stetigen Wandel und sieht heute schon wieder ziemlich anders aus als bei unserem Besuch vor wenigen Wochen. Seinerzeit waren einige unbekanntere Newcomer stärker vertreten. Nun finden sich eher, vor allem aus Deutschland, die renommierteren Weingüter. Die Preise sind sehr akkurat und fair kalkuliert. Wir starten mit einer fabelhaften Flasche Ortolan vom österreichischen Weingut Dürnberg, einer Cuvée aus Chardonnay, Weiß- und Grauburgunder, im 500l-Holzfass ausgebaut. Auch die offenen Roten im Anschluss sind sehr ordentlich.
Beim Service macht sich schnell bemerkbar, wer gelernt (oder zumindest sehr erfahren) ist und wer nicht. Unser Kellner ist aufmerksam, souverän und professionell, die weibliche Servicekraft eher unsicher und etwas unbeholfen. Aber das stört uns nicht. Insgesamt läuft der Abend, auch was den zeitlichen Ablauf angeht, rund.
Obwohl wir in Linden leben, waren wir einige Zeit nicht im „Lindenblatt“. Eigentlich nicht wirklich nachvollziehbar, denn die Gerichte haben uns, obwohl an der ein oder anderen Stelle etwas überladen, gut gefallen. Das Ambiente ist entspannt, die Hintergrundmusik mein Geschmack und die Weinkarte für Lindener Verhältnisse großartig. Also ab jetzt doch wieder öfter auf die Lindener Kö – muss ja kein Champagner dort sein. Guter Sekt tut's auch.
Die Limmerstraße als die Königsallee von Hannover Linden zu bezeichnen, wäre – nun ja – totaler Blödsinn. Es ist zwar die zentrale Einkaufsstraße und tatsächlich spielt sich hier das meiste Leben ab, aber vom Einzelhandel ist im Zuge eines kontinuierlichen Niedergangs nicht viel übrig geblieben. Ein paar Ein-Euro-Shops, Allerwelts-Klamotten-Filialisten und Backshops bestimmen das Bild – und der in Hannover an jeder Straßenecke allgegenwärtige Rossmann natürlich. Linden ist nach wie vor ein Arbeiter-Stadtteil, multi-kulti, alternativ und jung. Man sieht es an... mehr lesen
4.0 stars -
"Kreativ und anspruchsvoll in Linden" tischnotizenDie Limmerstraße als die Königsallee von Hannover Linden zu bezeichnen, wäre – nun ja – totaler Blödsinn. Es ist zwar die zentrale Einkaufsstraße und tatsächlich spielt sich hier das meiste Leben ab, aber vom Einzelhandel ist im Zuge eines kontinuierlichen Niedergangs nicht viel übrig geblieben. Ein paar Ein-Euro-Shops, Allerwelts-Klamotten-Filialisten und Backshops bestimmen das Bild – und der in Hannover an jeder Straßenecke allgegenwärtige Rossmann natürlich. Linden ist nach wie vor ein Arbeiter-Stadtteil, multi-kulti, alternativ und jung. Man sieht es an
Besucht am 08.07.2017Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 144 EUR
Eigentlich hatte ich gar nicht vor, in kurzem Abstand über ein und dasselbe Restaurant zu schreiben. Zum „Tanica“ hatte ich erst vor gut 2 Monaten berichtet. Nun waren die Bilder beim letzten Mal aufgrund der Lichtverhältnisse etwas mäßig und der Gesamteindruck aufgrund einer lebaften Eltern-Kind-Gruppe neben uns zumindest eingetrübt. Dafür können weder Küche noch Service etwas und deshalb nehme ich so was auch nicht übel, sondern buche es als Kollateralschaden weg.
Kürzlich waren wir wieder dort – und um es vorweg zu nehmen: Diesmal war es rundum klasse. Zwar gab es auch diesmal eine größere, lautstarke Gruppe. Aber die feierwilligen Junggesellinnen hatten den Innenbereich des Restaurants für sich. Alle anderen Gäste konnten auf der Terrasse das sommerlich warme Wetter genießen, das ein mit allerlei Kräutern aromatisierter Gin-Tonic wunderbar begleitet.
Im „Tanica“ wechselt die Weinkarte alle zwei Monate komplett. War bei unserem letzten Besuch Chile das Thema, war es diesmal Österreich, eine unserer Lieblingsregionen überhaupt. Wir lassen uns eine Cuvée von Thomas Schwarz vom Neusiedler See empfehlen. „The Butcher“ kombiniert Chardonnay (80%) ungewöhnlich mit je 10% Scheurebe und Sauvignon Blanc. Das verleiht dem Wein etwas mehr Blumigkeit. Dekantiert öffnet er sich im Laufe des Abends immer weiter.
Starten tun wir mit Thunfisch, einmal im asiatischen Stil als Tatar mit Soja und Sesam gewürzt und dann mariniert mit Tomatenflocken und Rucola. Die Blätter sind zwar nicht angemacht, dienen aber wohl auch mehr der Deko. Denn der eigentliche Knaller, neben den überaus originellen Tomatenflocken, ist die etwas nach Mayonnaise anmutende grüne Creme. Der Grundgeschmack ist gar nicht einfach zu erkennen, aber in jedem Fall ergänzt sie den Fisch ausgezeichnet. Auf Nachfrage bestätigt sich, dass Rucola darin verarbeitet wurde und zwar in frittierter Form. Wie auch immer das funktionieren mag, auf dem Teller funktioniert es ganz fabelhaft.
Die Fussilloni mit weißer Kalbsbolognese kennen wir schon von unserem letzten Besuch, aber da sie so gut war, muss sie wieder her. Und auch heute ist sie großartig. Die Brösel kommen mir noch etwas knuspriger als beim letzten Mal vor. Ein absoluter Soulfood-Teller, der meinetwegen gerne seinen Dauerplatz auf der Karte behalten darf.
Ich entscheide mich für Fettuccine mit Trüffel aus den Abbruzzen. Auch dies schmeckt satt und süffig. Da der Trüffel für sich alleine allerdings nur mäßig aromatisch ist, gehe ich davon aus, dass hier ein wenig mit Trüffelöl nachgeholfen wurde. Denn der gesamte Teller atmet den Trüffelgeschmack. Wenn dem so sein sollte, hat man allerdings ein offenbar gutes Öl erwischt, das nicht, wie so häufig, einen synthetisch penetranten Geschmack aufweist. Zudem hat man klug dosiert. Auch dies also wieder ein absolutes Wohlfühlgericht.
Bei mir geht es dann mit schönem, kross gebratenen Loup de Mer auf Pfifferlingsrisotto weiter. Handwerklich gut gemacht, ohne Schnörkel auf den Teller gebracht – lecker.
Meine bessere Hälfte bekommt Spare Ribs mit Coleslaw. Die drei dicken Rippchen-Stücke sind so dermaßen butterweich, dass sie förmlich beim Angucken vom Knochen fallen. Köstlich mariniert und von einer leckeren Sauce begleitet, schaffen sie es auf Anhieb in die TOP 3 der Alltime-Spare Rib-Hitliste. Der Coleslaw ist mir persönlich ein wenig zu dicklich angemacht, aber das ist Geschmackssache. Ist ja eh nicht mein Teller und ich bin dankbar um die Fleischstücke, die ich probieren darf.
Die Torta della Nonna, eines von drei Desserts auf der Karte, hatten wir bereits beim letzten Mal. Daher entscheiden wir uns diesmal für eine Pavlova mit pochiertem Pfirsich und Himbeeren. Dieser Baiser basierte Nachtisch kommt mit einer leichten Creme und zahlreichen Früchten. Sehr schön.
Ich bekomme eine Panna Cotta, die ich so extrem luftig wohl noch nie hatte. Dazu etwas Guavensauce und Rhababer sowie ein paar Johannisbeeren. Ebenfalls sehr lecker und ein schöner Abschluss.
Das „Tanica“ hat das Zeug dazu, sich zu einem Stammlokal zu entwickeln. Die Küche, die sich eigentlich gar nicht recht einsortieren lässt, weil sie munter cross-over kombiniert, worauf sie Lust hat, ist bei allem, was wir bisher probiert haben, sehr lecker. Klug reduziert ist nicht nur die Karte, sondern die Gerichte selbst auch. Das macht sie leicht zugänglich, sorgt aber trotzdem für die ein oder andere Überraschung. Und da, wo sie nicht überrascht, überzeugt sie mit großer Geschmacksfülle.
Der Service ist charmant, locker, aufmerksam und kompetent. Was also will man mehr?
Ach ja: neugierig sein auf die nächste Weinkarte. Wir kennen das Thema jetzt bereits. Verraten es aber nicht...
Eigentlich hatte ich gar nicht vor, in kurzem Abstand über ein und dasselbe Restaurant zu schreiben. Zum „Tanica“ hatte ich erst vor gut 2 Monaten berichtet. Nun waren die Bilder beim letzten Mal aufgrund der Lichtverhältnisse etwas mäßig und der Gesamteindruck aufgrund einer lebaften Eltern-Kind-Gruppe neben uns zumindest eingetrübt. Dafür können weder Küche noch Service etwas und deshalb nehme ich so was auch nicht übel, sondern buche es als Kollateralschaden weg.
Kürzlich waren wir wieder dort – und um es vorweg... mehr lesen
Tanica
Tanica€-€€€Restaurant02212405271Engelbertstraße 31 a, 50674 Köln
5.0 stars -
"Cross-Over zum Zweiten..." tischnotizenEigentlich hatte ich gar nicht vor, in kurzem Abstand über ein und dasselbe Restaurant zu schreiben. Zum „Tanica“ hatte ich erst vor gut 2 Monaten berichtet. Nun waren die Bilder beim letzten Mal aufgrund der Lichtverhältnisse etwas mäßig und der Gesamteindruck aufgrund einer lebaften Eltern-Kind-Gruppe neben uns zumindest eingetrübt. Dafür können weder Küche noch Service etwas und deshalb nehme ich so was auch nicht übel, sondern buche es als Kollateralschaden weg.
Kürzlich waren wir wieder dort – und um es vorweg
Besucht am 31.05.2017Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 609 EUR
Man muss nicht mit allem übereinstimmen, was der Gault Millau so publiziert, aber die Entscheidung, Andreas Krolik zum Koch des Jahres 2017 zu machen, ist schon bemerkenswert. Denn damit wurde nicht nur seine über viele Jahre konstant hohe Qualität gewürdigt, die ihm in Brenner's Parkhotel und später im Tigerpalast jeweils zwei Michelinsterne einbrachte, sondern vor allem auch seine Offenheit, die Grande Cuisine um Bereiche zu erweitern, die es bis dahin so nicht gab.
Dass vegetarische Gänge mittlerweile ihren festen Platz in den meisten Menüs haben, ist keine aufsehenerregende Neuigkeit mehr. Aber parallel zum klassischen Degustationsmenü ein rein veganes Menü, also auch noch mal die verschärfte Version ohne jegliche tierische Produkte, anzubieten und auf Sterneniveau zu heben, ist in der hiesigen Gastrolandschaft schon etwas besonderes.
Durch einen Gewinn bin ich in den Genuss des Wertes eines Fünfgang-Menüs gekommen, was uns einen Abstecher in die Mainmetropole und das elegante Restaurant im Gesellschaftshaus des Palmengartens bescherte.
Ich hatte zwar nicht vor, das gesamte vegane Menü zu testen, aber der ein oder andere Gang sollte es schon sein. Und so entschieden wir uns für die volle 7-Gang-Version des Degustationsmenüs, wobei ich einen Zwischen- und den Hauptgang tauschte, um die Gemüsevariante zu testen.
Schon die Apéros zeigen, dass Andreas Krolik es detailliert, ästhetisch und geschmacksintensiv mag. Das gilt für das Süppchen vom grünen Spargel mit Paprika-Apfelweinschaum genauso wie für das mit gerösteteter Blumenkohlcreme gefüllte Pizzakissen, dem Salzzitrone noch einen kräftigen Schub gibt.
Auch das Amuse Bouche ist aufwändig und komplex gearbeitet. Forelle als Tatar und geräuchert, Rettich und Gurkensalat, ein feines, nur dezent kräutrigres Borretscheis und eine Safran-Limonencreme als verbindendes Element sind ein perfekter kühler Starter an diesem warmen Abend. So detailliert Krolik seine Gerichte beschreibt, so fein austariert wirkt jede Zutat bereits in diesem Küchengruß.
Exemplarisch wird dies vor allem bei der Vorspeise deutlich, die nebenbei auch noch betörend schön angerichtet ist. Gebeizte Jakobsmuschel, getoppt von Kaviar, ist flankiert von jungen Erbsen, Pankobröseln, einem Tatar und einem Eis von Küstengewächsen. Was das genau ist, habe ich nicht nachgefragt, aber im Kontext der übrigen Zutaten ergibt sich ein jodig, frischer Meeresgrundton, der wiederum geschickt von der schaumigen Apfel-Olivenölemulsion abgepuffert ist. Ausgezeichnet!
Der folgende Gang liest sich vergleichsweise unspektakulär und wirkt auch auf dem Teller relativ aufgeräumt. Allerdings sollte man sich davon nicht täuschen lassen, denn ob es der Pakchoi oder das Auberginenconft ist – die Beilagen sollen hier bewusst die Nebendarsteller sein, um dem perfekt gebratenen bretonischen Steinbutt die Bühne zu überlassen. Auch die angegossene, leicht gebundene Shiitakebouillon unterstreicht nur, dass hier das Produkt der Star ist.
Im nächsten Gang bekomme ich aus dem veganen Menü die Artischockenravioli in einem Sud aus Frühlingslauch mit Paprikachutney, gerösteter Quinoa sorgt für Knusper. Auch dieses Gericht klingt zunächst einmal nicht besonders komplex, aber auf dem Löffel offenbart sich ein sehr intensiver und vielschichtiger Geschmack. Gefällt mir ausgesprochen gut.
Auf der anderen Seite des Tisches geht es regulär weiter mit einem Prachtexemplar von Kaisergranat mit Bröseln von Macadamianüssen in einer exzellenten Krustentiernage und Reiscreme. Thaicurry schiebt das Gericht nur sehr dezent in die asiatische Richtung und auch die Schärfe hält sich sehr in Grenzen. Im direkten Vergleich ist der Artischockengang aromatisch kräftiger, was aber die Qualität dieses Gerichtes nicht schmälern soll. Ich bin halt nur zufriedener mit meiner Wahl.
Mit dem ersten Fleischgang, dem glasierten Lammnacken, geht es in etwas mediterrane Gefilde und bleibt doch auch recht klassisch. Das Fleisch ist nicht zu weich geschmort und erhält mit Parmesangnocchi und Olivencrunch, Zwiebelmarmelade und einer Tomaten-Senfkörnerjus ein abwechslungsreiches Spektrum stimmiger Begleiter.
Der Fleischhauptgang wird eingeleitet von einer sensationellen Wildconsommée, die so hochkonzentriert ist, dass man förmlich schmeckt, wie lange die vor sich hingeköchelt hat.
Es folgt ein perfekt gebratener Maibockrücken mit einer Rapssamenkruste. Dazu ein sehr kunstvoll angerichteter Raviolo mit ungestopfter Gänseleber. Die Jus erneut makellos, Aprikosengel steuert fruchtige Akzente bei. Und wie bei vielen anderen Gerichten auch, sind es hier die exakten Proportionen aller Komponenten, die das Gericht zu einem harmonischen Ganzen werden lassen.
Ich hatte mich alternativ für den Hauptgang aus dem veganen Menü entschieden. Allerdings überzeugt mich das Allerlei vom Sellerie nicht vollständig. Das Gericht kommt insgesamt recht rustikal und wenig filigran rüber und trotz einer fabelhaften Trüffelsauce und zahlreichen anderen Komponenten, wirkt es im Vergleich zu den übrigen Gängen etwas zusammengewürfelt.
Zum Pré-Dessert, das ich zumindest noch frisch und schaumig erinnere, habe ich mir keine Notizen gemacht, so dass ich dazu leider nichts mehr sagen kann.
Beim abschließenden Dessert darf die Patisserie noch einmal aus dem Vollen schöpfen und das ganze Können ausspielen. Rhabarber wird in allen erdenklichen Varianten durchdekliniert, als Sülze, Sorbet, mariniert, als Gel und vermutlich noch einigen weiteren Formen. Honig-Ziegenfrischkäse, ebenfalls in Konsistenzen sind eine schöne Ergänzung und lassen das Dessert nicht allzu sehr ins Süße abrutschen. Ein schöner, technisch anspruchsvoller und abwechslungsreicher Abschluss des Menüs.
Das Essen im „Lafleur“ war in vielerlei Hinsicht beeindruckend. Andreas Krolik kocht auf technisch hoch anspruchsvollem Niveau, detailverliebt, aber durchdacht. Dabei verlässt er die durchweg klassische Linie nicht. Dies auch nicht bei den veganen Gerichten, die ähnlich aufgebaut sind. Nun habe ich davon nur zwei Gerichte probiert, von denen mich eines vollständig überzeugte, der Hauptgang eher weniger. Trotzdem finde ich es bewundernswert, dass Andreas Krolik die vegane Küche aus der Öko-Ecke befreit und auf Sterneniveau hebt.
Der Service im eleganten Palmengarten-Pavillon ist auf dem Niveau, das man in einem Relais & Châteaux-Haus erwarten darf: formvollendet, aber locker und souverän. Sind die Preise für die Menüs angesichts des gebotenen Aufwandes und der Qualität mehr als angemessen, kann man über die Weinkarte graue Haare bekommen, wenn man denn noch welche hätte. Sie gehört zu den hochpreisigsten, die ich kenne. Ich habe insgesamt 11 Rotweine für unter 100€ gezählt, was für mein Empfinden definitiv zu wenig ist. Und auch bei den Weißweinen muss man eher bei 80 Euro einsteigen, wenn man es ein wenig kräftiger und anspruchsvoller haben möchte. Immerhin – und das ist dem Sommelier hoch anzurechnen – hat er nicht die höherpreisigen Weine empfohlen, die wir vorausgewählt haben, sondern die günstigeren, weil die seiner Meinung auch besser zum Essen gepasst haben.
Aber wer sich in der Bankenmetropole und in diesem edlen Ambiente Gedanken um die Preise macht, ist hier möglicherweise eh fehl am Platze. Also einfach die größte Kreditkarte einpacken, Preise ausblenden und ansonsten genießen. Denn das geht sehr gut im „Lafleur“.
Man muss nicht mit allem übereinstimmen, was der Gault Millau so publiziert, aber die Entscheidung, Andreas Krolik zum Koch des Jahres 2017 zu machen, ist schon bemerkenswert. Denn damit wurde nicht nur seine über viele Jahre konstant hohe Qualität gewürdigt, die ihm in Brenner's Parkhotel und später im Tigerpalast jeweils zwei Michelinsterne einbrachte, sondern vor allem auch seine Offenheit, die Grande Cuisine um Bereiche zu erweitern, die es bis dahin so nicht gab.
Dass vegetarische Gänge mittlerweile ihren festen Platz in... mehr lesen
Restaurant Lafleur
Restaurant Lafleur€-€€€Restaurant, Sternerestaurant06990029100Palmengartenstr. 11, 60325 Frankfurt am Main
5.0 stars -
"Vegan und Sterneküche? Geht!" tischnotizenMan muss nicht mit allem übereinstimmen, was der Gault Millau so publiziert, aber die Entscheidung, Andreas Krolik zum Koch des Jahres 2017 zu machen, ist schon bemerkenswert. Denn damit wurde nicht nur seine über viele Jahre konstant hohe Qualität gewürdigt, die ihm in Brenner's Parkhotel und später im Tigerpalast jeweils zwei Michelinsterne einbrachte, sondern vor allem auch seine Offenheit, die Grande Cuisine um Bereiche zu erweitern, die es bis dahin so nicht gab.
Dass vegetarische Gänge mittlerweile ihren festen Platz in
Besucht am 29.04.2017Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 313 EUR
Für manchen Kölner ist die Fahrt nach Düsseldorf nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Zu groß mögen die gefühlten oder tatsächlichen Unterschiede in der Mentalität beider Städte sein. Hier die bodenständige, von Dom, dem Rhein und sich selbst begeisterte Metropole mit großem Herz und ebensolcher Klappe und dort die Landeshauptstadt mit Kö, Luxusmarken, in der gefühlt die Dichte an SUV's, die von gelangweilten Zahnarztgattinnen gefahren werden, höher ist als anderswo. Es lebe das Klischee.
Als Norddeutscher, der berufsbedingt teilweise in Köln lebt, geht mir irgendwelcher rheinischer Lokalpatriotismus ab. Dennoch gebe ich zu, dass auch ich bisher nur selten den Weg in die „verbotene“ Stadt gefunden habe. Aus kulinarischer Sicht ist das mehr als bedenklich, denn alleine in 2016 haben drei Restaurants in Düsseldorf neu einen Michelin-Stern verliehen bekommen. Ganz oben auf meiner Liste stand aber schon lange einer der lang gedienten Platzhirschen: das Nagaya, ebenfalls besternt und von vielen als bestes japanisches Restaurant Deutschlands beschrieben.
Hoch gelobt wird zudem das Mittagsmenü, in dem Yoshizumi Nagaya für 72 Euro ein 6 Gang-Menü anbietet, das drei Vorspeisen, Sushi, Hauptgang und Dessert enthält und damit einen guten Einstieg in die japanisch-europäische Kreativküche des Nagaya bietet. Und das soll es auch für uns sein an diesem sonnigen Samstag, als wir das schlicht, aber elegant eingerichtete, längliche Restaurant betreten und sehr freundlich vom Service und der Crew aus der offenen Küche begrüßt werden.
Bei einem Glas Champagner von Marc Hébrart, einem relativ kleinen und unbekannteren Haus aus Aÿ, der uns gut gefällt, studieren wir die etwas hochpreisige Weinkarte (was uns nicht wirklich überrascht, denn schließlich sind wir in Düsseldorf – Klischee und so, s.o. …) und entscheiden uns für einen 2015 Riesling Kirchspiel vom Weingut Groebe aus Westhofen. Das Große Gewächs aus der bekannten Lage gewinnt im Glas an Fülle und Kraft und bringt uns gut durchs Menü.
Das startet mit einem Amuse, das ich leider nur halb verstanden habe. Ich bin mir aber relativ sicher, dass es sich um ein Stück Makrele gehandelt haben könnte, mit Buchweizen, einem fruchtigen Sud und Tapiokachip. Das ist sehr schön anzuschauen und ein frischer, süffiger Appetitmacher.
Die erste Vorspeise trägt den Namen „Suzuki“ und unter Radieschenscheiben befinden sich roh marinierte Scheiben von japanischem Wolfsbarsch, an der Seite Kombualgen und Pflaumensamen. Am Tisch wird noch eine Yuzu-Vinaigrette angegossen. Dies hat ein wenig den Charakter einer Ceviche, bei der die hervorragende Qualität des Fisches natürlich im Vordergrund steht und mit den Samen und Algen jeweils spannende Kombinationen erlaubt. Ein sehr geschmacksintensiver, aber sehr leichter Einstieg ins Menü.
Es geht weiter mit rohem Fisch und zwar Sashimi von der Jakobsmuschel mit Lauch und einem Yuzu-Miso-Sud. Nicht annonciert der Taschenkrebs, der sich ebenfalls in dem feinen Arrangement befindet und eine dezente süße Note beisteuert. Die Produktqualität ist erneut, wie kaum anders zu erwarten war, ausgezeichnet und die Aromen sehr fein austariert.
Der nächste Gang kommt sehr puristisch, aber optisch beeindruckend. Ein wundervolles Stück erstklassigen Seeteufels, in Öl butterweich gegart und leicht abgeflämmt, ist nur begleitet von knackigen und nahezu rohen Kohlrabispaghetti und einer aromatisch dichten Pflaumensauce. Das schmeckt sehr rund und köstlich.
Zur folgenden Sushiauswahl empfiehlt uns der Sommelier ein Glas Sake. Da es sich scheinbar um einen ganz besonderen handelt, den es nur im Nagaya gibt, ist das Glas mit 28 Euro auch entsprechend teuer. Zum Vergleich ordere ich eine günstigere Variante für 10 Euro, der qualitativ auch sehr gut ist, aber tatsächlich nicht mit dem Prestigesake mithalten kann. Zum Sushi sind beide indes eine gute Wahl.
Die vier Sorten sind erneut von fabelhafter Qualität. Schottischer Lachs, Dorade, Bauch vom Thunfisch und Gelbflossenmakrele werden klassisch mit eingelegtem Ingwer und Wasabi serviert. Die Sojasauce, wird uns erklärt, wird im Haus noch weiter verfeinert und schmeckt tatsächlich dichter und weniger salzig als herkömmliche zu kaufende. Von den Fischsorten begeistert mich vor allem der Thunfisch, der eine nahezu fette, cremige Textur hat.
Der Hauptgang vereint ein perfekt zartes, mutmaßlich sous-vide gegartes Stück Filet vom baskischen Kalb mit einem Arrangement aus Spargel, im Tempura-Teig ausgebacken, und Mais. Dazu gibt es eine dichte Wasabi-Buttersauce, die auf gekonnte Art japanische und europäische Aromen zusammenbringt.
Das Dessert wird nur schlicht als Schokoladenmousse mit Erdbeersorbet und Matcha angekündigt. Tatsächlich ist es eine augenzwinkernde Variation des guten alten Kindergeburtstags-Klassikers „Kalter Hund“. Die Schokomasse zwischen den Teigschichten ist ohnehin zu kompakt, um noch als Mousse durchzugehen, schmeckt aber deutlich besser als die Kuvertürenklumpen aus Kindertagen. Das Sorbet ist der Erdbeere nachgeformt und gemeinsam mit den Matchabröseln und den frischen Erdbeeren nimmt das dem Schoko-Keks-Gebilde einiges von der vermeintlichen Schwere. In jedem Fall ist dies ein erneut optisch sehr gefälliger Gang und schöner Abschluss.
Yoshizumi Nagayas Küche hat uns sehr gefallen. Seine Gerichte bestechen durch eine sehr präzise Ästhetik, hervorragende Produktqualität und eine Leichtigkeit, die sich durch das gesamte Menü zieht. Stilistisch sind wir eigentlich sehr häufig in europäischer Nähe, aber durch einige sehr gezielt eingesetzte Zutaten in jedem Gang wird immer der japanische Kontext hergestellt.
Auch wenn sich das große Omakase-Menü am Abend mutmaßlich noch ausgefeilter und anspruchsvoller (dann aber auch entsprechend teurer) präsentieren mag, war dieser Lunch für uns ein perfekter Einstieg in die Aromenwelt des Nagaya. Am Rande sei nur erwähnt, dass es mit dem Yoshi by Nagaya nur wenige Schritte entfernt vom Haupthaus mittlerweile eine Dependance gibt, die sich in etwas informellerem Ambiente der Kaiseki-Küche widmet und damit noch stärker am traditionellen japanischen Stil ausgerichtet ist. Ein weiterer Grund also, sich doch öfter auf den Weg nach Düsseldorf zu machen.
Für manchen Kölner ist die Fahrt nach Düsseldorf nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Zu groß mögen die gefühlten oder tatsächlichen Unterschiede in der Mentalität beider Städte sein. Hier die bodenständige, von Dom, dem Rhein und sich selbst begeisterte Metropole mit großem Herz und ebensolcher Klappe und dort die Landeshauptstadt mit Kö, Luxusmarken, in der gefühlt die Dichte an SUV's, die von gelangweilten Zahnarztgattinnen gefahren werden, höher ist als anderswo. Es lebe das Klischee.
Als Norddeutscher, der berufsbedingt teilweise in Köln lebt,... mehr lesen
5.0 stars -
"Kreative Fusionküche bei Düsseldorfs bestem Japaner" tischnotizenFür manchen Kölner ist die Fahrt nach Düsseldorf nahezu ein Ding der Unmöglichkeit. Zu groß mögen die gefühlten oder tatsächlichen Unterschiede in der Mentalität beider Städte sein. Hier die bodenständige, von Dom, dem Rhein und sich selbst begeisterte Metropole mit großem Herz und ebensolcher Klappe und dort die Landeshauptstadt mit Kö, Luxusmarken, in der gefühlt die Dichte an SUV's, die von gelangweilten Zahnarztgattinnen gefahren werden, höher ist als anderswo. Es lebe das Klischee.
Als Norddeutscher, der berufsbedingt teilweise in Köln lebt,
Geschrieben am 01.05.2017 2017-05-01| Aktualisiert am
02.05.2017
Besucht am 30.04.2017Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 20 EUR
Wer denkt, dass ein Restaurantbesuch für weniger als einen dreistelligen Betrag bei uns unter Low Budget fällt, wird jetzt möglicherweise schockiert sein. Im folgenden geht es um Low Low Budget. Tischnotizen goes Aldi.
Wenn das bundesweit erste Pop Up Bistro des Discounter-Riesen nur ein paar Schritte von meinem Zweitwohnsitz für drei Monate sein Domizil aufschlägt, mache ich selbstverständlich den Praxistest. Schließlich kaufe ich auch bei Aldi und laufe deswegen nicht mit einer Schuld- und Schamkappe rum.
Im Mediapark in Köln hat Aldi in Containern ein durchaus ansehnliches und gar nicht mal ungemütlich eingerichtetes Bistroambiente geschaffen. Es ist eine schlichtere Mischung aus IKEA und Vapiano mit Kräutertöpfen und Besteckkästen auf dem Tisch. Bei schönem Wetter kann man auch draußen auf der Terrasse auf dem Dach sitzen. Man sitzt wahlweise an wenigen Hochtischen, ansonsten an langen Tafeln auf Drehhockern. Man wird dort platziert, wo eben Platz ist. Ganz in kölscher Manier kommt man sich hier so nahe. Und für das romantische Dinner ist das hier eh nicht gedacht. Wer wie wir bei Sonnenschein nicht im Schatten sitzt, für den wird das allerdings schnell zur schweißtreibenden Angelegenheit und damit recht unangenehm.
Für 7,99 Euro gibt es ein täglich wechselndes Dreigang-Menü, bei dem es scheinbar vorweg regelmäßig eine Suppe und einen Nachtisch gibt und man im Hauptgang zwischen Fisch, Fleisch oder einer vegetarischen Variante wählen kann. Alle Gänge kann man aber auch einzeln ordern. Getränke gibt es nahezu konkurrenzlos günstig ab 1 Euro für Softdrinks und ab 3 Euro für Weine.
Der beschert uns auch einen der denkwürdigsten Service-Dialoge ever. Auf der Karte ist nur Weiß-, Rot- und Roséwein angekündigt. Also frage ich: „Was für ein Weißwein ist das denn?“ Antwort: „Der von ALDI.“ „Aha, Um was genau für einen handelt es sich denn?“ „Der ist leicht.“ Ich: „Geht es etwas genauer? Was für eine Rebsorte ist es denn?“ An dieser Stelle hat es zwar etwas von „Versteckte Kamera“, aber das arme Mädel tut mir eigentlich fast leid. Sie macht sich dann doch noch schlau und wir erfahren, dass es Sauvignon Blanc aus Südafrika ist. Und der ist tatsächlich anständig trinkbar.
Die französische Zwiebelsuppe kommt und schnell wird klar, dass hier viel mit Trockenkräutern gearbeitet wurde. Die etwas labbrige Weißbrotscheibe hat wohl einen Hauch Käse abbekommen. Das ganze ist ziemlich fettig und schmeckt irgendwie nach Studentenküche. Finesse darf man hier nicht erwarten. Ein französischer Koch müsste hierfür um die Aberkennung seines Berufsstandes fürchten. Ich kann das nur zur Hälfte essen.
Im Hauptgang wählt meine bessere Hälfte Spaghetti mit Chili (kaum schmeckbar) und geröstetem Knoblauch (gut schmeckbar), Zucchini, Tomaten und Garnelen. Ich probiere die Spaghetti und die alleine sind ziemlich gut. Der Knoblauchgeschmack ist deutlich, aber nicht penetrant. Das Gemüse bräuchte ich dazu gar nicht unbedingt, aber es ist in Ordnung. Die Garnelen probiere ich nicht, aber mein Gatte gibt dazu später zu Protokoll, dass sie tot, töter, am tötesten waren. Also furztrocken.
Mein Schnitzel ist anständig gebraten, durchaus noch saftig. Und die Bratkartoffeln sind à la bonheur. Die haben wir anderswo schon weitaus schlechter bekommen.
Ich kämpfe mich dann noch durch den Nachtisch, Milchreis mit Fruchtcocktail, obwohl ich beides nicht wirklich gerne esse. Aber die Chronistenpflicht gebietet es. Der Milchreis ist für sich genommen ganz ok, etwas kompakt und massig zwar, aber durchaus vernünftig abgeschmeckt. Gruselig für mich ist dann aber das Tutti Frutti-Dosenobst, das ich schon in den Siebziger Jahren im Landschulheim nicht mochte. Auch das kann ich nicht zuende essen.
ALDI will mit diesem Bistrokonzept beweisen, dass man auch mit günstigen Zutaten gut und geschmackvoll kochen kann. Ich will das gerne glauben, aber – in aller Unbescheidenheit – das bekomme ich besser hin. Als Kantinenessen könnte man mit der Qualität und dem Kampfpreis durchaus zufrieden sein. Und vielleicht ist das ja auch die Zielgruppe, auf die man schielt. Schließlich gibt es in der nahen Umgebung einige Unternehmen, für die das Quartalskonzept eine willkommene Abwechslung darstellen könnte. Dazu gibt es sicherlich genug neugierige Gäste, die für ausreichend Auslastung sorgen und einfach mal sehen wollen, wie ein Discounter ein Bistro betreibt.
Das läuft bereits nach wenigen Tagen und bei konstant vollem Haus durchaus professionell. Unser „Das ist der Wein von ALDI“-Mädel ist zwar auch beim Zusammenrechnen der 5 Positionen leicht überfordert, so dass ich ihr hierbei tatkräftig unter die Arme greifen muss, aber ansonsten ist der Service sehr sympathisch und herzlich.
Muss ich das trotzdem noch mal haben? Nein, wohl nicht. Mein Mann kommentiert es später mit den Worten: „Es hat schon seinen Grund, warum wir lieber Sterne essen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Wer denkt, dass ein Restaurantbesuch für weniger als einen dreistelligen Betrag bei uns unter Low Budget fällt, wird jetzt möglicherweise schockiert sein. Im folgenden geht es um Low Low Budget. Tischnotizen goes Aldi.
Wenn das bundesweit erste Pop Up Bistro des Discounter-Riesen nur ein paar Schritte von meinem Zweitwohnsitz für drei Monate sein Domizil aufschlägt, mache ich selbstverständlich den Praxistest. Schließlich kaufe ich auch bei Aldi und laufe deswegen nicht mit einer Schuld- und Schamkappe rum.
Im Mediapark in Köln... mehr lesen
Aldi Pop-Up-Bistro
Aldi Pop-Up-Bistro€-€€€BistroAm Mediapark, 50670 Köln
2.5 stars -
"Kantinenqualität beim Discounter-Bistro" tischnotizenWer denkt, dass ein Restaurantbesuch für weniger als einen dreistelligen Betrag bei uns unter Low Budget fällt, wird jetzt möglicherweise schockiert sein. Im folgenden geht es um Low Low Budget. Tischnotizen goes Aldi.
Wenn das bundesweit erste Pop Up Bistro des Discounter-Riesen nur ein paar Schritte von meinem Zweitwohnsitz für drei Monate sein Domizil aufschlägt, mache ich selbstverständlich den Praxistest. Schließlich kaufe ich auch bei Aldi und laufe deswegen nicht mit einer Schuld- und Schamkappe rum.
Im Mediapark in Köln
Besucht am 13.04.2017Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 578 EUR
Er ist wieder da. Und alles andere hätte auch nur überrascht.
Nachdem die Columbia Hotel-Gruppe sich in 2015 bereits von ihren hoch dekorierten Gourmetrestaurants in Travemünde und Rüsselsheim trennte, sah es eine Zeitlang so aus, als würde dieser Kelch am "Il Giardino" in Bad Griesbach vielleicht doch vorbei gehen. Aber Ende Mai 2016 traf es dann auch das Zweisternehaus in Niederbayern. Seitdem war es ein wenig still geworden um Denis Feix und seine Frau Kathrin, die noch kurz vor dem Aus vom Gault Millau zur Oberkellnerin des Jahres ausgezeichnet wurde.
Umso mehr größer war dann meine persönliche Freude zu hören, dass Denis Feix im Althoff-Konzern seine neue Wirkungsstätte gefunden hat, weil Thomas Althoff als einer der wenigen Hoteliers seine Gourmetrestaurants ausdrücklich pflegt und fördert. Wer aber mit Joachim Wissler und Christian Jürgens bereits zwei Dreisterner im Portfolio hat, wird sich schwerlich nur mit einem weiteren Einsterne-Restaurant zufrieden geben. Von daher dürfte die Erwartungshaltung an Denis Feix auch entsprechenden Druck erzeugen. Ob es ihm gelingen wird, Stuttgart auf der kulinarischen Landkarte stärker in den Fokus zu rücken, bleibt abzuwarten. In jedem Fall ist die schwäbische Metropole jetzt erst mal einfacher zu erreichen als ein beschaulicher Kurort im hinterletzten bayerischen Winkel der Republik.
So freuen wir uns also auf das Wiedersehen in der Zirbelstube des ein wenig in die Jahre gekommenen Hotels am Schlossgarten, vis-à-vis des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Viel Holz dominiert, wobei die Rustikalität durch viele Drucke moderner Kunst an den Wänden aufgelockert wird und auch ansonsten ein durchaus gemütliches Ambiente vorherrscht. Und obwohl unser letzter Besuch in Bad Griesbach fast drei Jahre her ist, erkennt uns Frau Feix sofort und begrüßt uns mit einem strahlenden Lächeln - das sie übrigens allen Gästen den gesamten Abend über schenkt.
Die ersten Grüße zum Apéritif erreichen uns mit zwei Variationen von der Ringelbete. Das eigentliche Amuse Bouche ist ein alter Bekannter, den wir bereits aus Bad Griesbach kennen. Beim "Hühnerbrot" finden sich auf krosser Hühnerhaut neben Kräuterseitling einige Stücke vom zarten Sot l'y laisse auf leichtem Knoblauchpüree. Das ist heute wie damals einfach perfekt in der Ausführung, geschmacksintensiv, deftig und trotzdem fein.
Mittlerweile gehen ja viele Restaurants dazu über, statt einer opulenten Brot- und Brötchenauswahl nur noch einen Brotlaib anzubieten. Ich kann mit beidem sehr gut leben. Wenn nur ein Brot serviert wird, finde ich es spannend zu sehen, wie unterschiedlich diese ausfallen können. Die Version von Denis Feix gefällt mir dabei sehr gut. Das Brot ist deutlich dunkler, malziger und kräftiger als viele andere. Wie so oft müssen wir uns zügeln, uns nicht bereits daran satt zu essen.
Der Gast hat in der Zirbelstube die Wahl zwischen einem Drei- und einem Siebengang-Menü. Wir entscheiden uns - natürlich - für die große Variante, wobei ich die Vorspeise gegen die aus dem kleinen Menü tausche. Zu sehr reizt mich die Ankündigung von Morcheln, Boudin Noir und Krustentierfond - und ich werde nicht enttäuscht. Die stattliche Garnele ist in der Menükarte gar nicht angekündigt, aber natürlich passt sie perfekt und fügt sich in diese doch recht aromenstarke Komposition prächtig ein. Die wird dominiert von der würzigen Blutwurst, erhält aber mit den erdigen Morcheln und der markanten Krustentierjus ebenbürtige Mitspieler. Die Würfel vom Granny Smith puffern mit ihrer Säure und Frische ein wenig die Deftigkeit des Gerichtes ab, das aber ansonsten erstaunlich gut harmoniert.
In einem Dreigang-Menü, wo auf diesen Gang das Hauptgericht folgt, ist diese Aromenbombe schon sinnvoll platziert. Ich gebe zu, dass ich mir die Menüdramaturgie durch den Wechsel der Vorspeise selbst ein wenig kaputt gemacht habe. Denn regulär - und damit auf dem Teller meines Mannes - startet es mit der Schwarzwaldforelle, die leicht gegart und als Ceviche von Staudensellerie und Koriander begleitet ist. Das ist natürlich deutlich feiner und eleganter.
Weiter geht es mit Spargel sowie Verhackertem und Speck vom Mangalitza Schwein. Das alleine hätte mir im Zusammenspiel mit der schönen Sauce und dem gefüllten, knusprigen Röllchen eigentlich schon völlig genügt. Der grobe Senf schiebt das Gericht dann vollends in eine etwas rustikalere Richtung. Stört mich nicht, aber ohne hätte es mir vermutlich noch besser gefallen.
Rundum fabelhaft dann der folgende Gang. Ein Stück hervorragender Rotbarbe ist extrem kross gebraten, Erbsen pur und als Püree begleiten den Fisch. Helle Miso ist die Grundlage für die kräftige Jus und das Eis, das damit auch einen spannenden Temperaturkontrast liefert. Man merkt eindeutig, dass die Küche aromatisch bei jedem Gang etwas zulegt.
Und so geht es auch mit dem ersten Fleischgang weiter, der geschmacklich an Indiens Tür klopft. Das marinierte Stubenküken aus der Bresse ist mit Tandoori gewürzt und kommt sanft gebraten und ausgebacken. Die nur sehr dezente Schärfe wird durch Kokosjoghurt abgefedert, der einmal als Sauce und als eine Art Panna Cotta serviert wird. Das ist ein durchweg harmonischer und abwechslungsreicher Gang, bei dem die indische Gewürzwelt durchaus noch etwas prägnanter hätte herausgearbeitet werden können. Aber auch so bin ich sehr zufrieden und lasse die herausragende Jus, die erfreulicherweise am Tisch gelassen wird, bis zum letzten Tropfen auf den Löffel laufen.
Im Hauptgang geht es zurück in heimische Gefilde. Das Lamm von der Schwäbischen Alb ist von ausgezeichneter Qualität. Der gratinierte Rücken ist perfekt rosa gebraten und weist eine schöne Fettschicht auf, die zusätzlichen Geschmack bringt. Als geschmortes Stück diesmal die Bäckchen, ebenfalls butterzart. Eine gedörrte Dattelkirschtomate und etwas dezent eingesetzter Bärlauch sorgen für die aromatische Einfassung und erneut ist wieder perfektes Saucenhandwerk zu bewundern. Sehr schön.
Der Käsegang ist als solcher kaum wahrnehmbar. Der Ziegenfrischkäse ist so mild, dass auch Nichtkäse-Esser damit keine Probleme hätten. Zudem schlägt Denis Feix ihn so fluffig auf und verarbeitet ihn als Eis, dass er bestenfalls dezent wahrnehmbar ist. Die eigentlichen Aromenlieferanten sind Sauerampfer und Erdbeeren in diversen Texturen. Das ist kühl und erfrischend und stellt gleichzeitig einen geschickten Übergang zum tatsächlich letzten Dessert dar.
Hier finden mit Schokolade und Thai Mango zwei Partner zusammen, die sich definitiv nicht weh tun. Tatsächlich mögen sie sich sogar sehr - zumal, wenn sie erneut in diversen Texturen auf dem Teller zu finden sind. Damit das ganze aber nicht in totale Harmonie abrutscht, sorgt Anis für einen gewissen Twist - ohne das Liebespaar aber allzu sehr zu stören. Insgesamt ein eher klassischer, aber geschmackvoller Abschluss.
Die danach zum Kaffee gereichten Petits Fours, die das Thema Banane und Kiwi variieren, fallen dagegen ein wenig ab. Sie sind zwar durchaus fein gearbeitet, aber vielleicht liegt es daran, dass beide Früchte für meinen Geschmack nicht viel hergeben und auch nicht so wirklich zusammen passen. Kurzum: es ist einfach nicht mein Lieblingsobst und dafür kann die Küche ja nun nichts.
Vergleiche ich dieses Menü mit den beiden, die wir in Bad Griesbach erlebt haben, ist eine gewisse Veränderung in der Stilistik erkennbar. Nach wie vor hält Denis Feix an seinem Dreikomponenten-Konzept fest, bei dem jeder Gang von einer Hauptzutat, einer Begleitung und einer den gewissen Twist beisteuernden Zutat geprägt ist. Diese werden auch weiterhin häufig in diversen Variationen präsentiert. Aber anders als im "Il Giardino", wo diese Variationen in der Regel sehr separiert, oft auch auf zwei Tellern, serviert wurden, sind diese jetzt viel organischer, manchmal fast unmerklich, in das Gericht integriert. Die Anrichteweise wirkt kompakter, die Komplexität damit selbstverständlicher und weniger zur Schau gestellt. Das sei, so bestätigt Denis Feix, in der Vergangenheit auch das Problem gewesen, weil Gäste zwangsläufig dazu neigten, eine Variation gegen die andere zu bewerten.
Mit der neuen Konzeption seiner Gerichte hat Feix für meinen Geschmack damit einen guten Weg gefunden, das Drei-Komponenten-Prinzip nicht zu verlassen und trotzdem seine handwerklichen und kreativen Fähigkeiten voll ausspielen zu können. Unser Menü hatte keine erkennbaren Schwächen, zeigte eine schöne dramaturgische Steigerung und bewegte sich auf einem bemerkenswerten Niveau, mit dem Denis Feix an seine hohen früheren Bewertungen anknüpfen können sollte.
Noch kein Wort habe ich zum Wein und zum Service verloren. Und das ist sträflich, denn beides trägt in der Zirbelstube unbedingt zum Wohlfühlen bei. Kathrin Feix, die an der Seite des sympathischen Pascal Foechterlé, die Restaurantleitung übernommen hat, versieht dies mit so viel Charme, wie nur irgendwie vorstellbar. Den gesamten Abend über verliert sie ihr Strahlen nicht, selbst wenn sie nur aufmerksam prüft, ob an irgendeinem Tisch ein Handgriff zu tun ist. Generell ist aber dem gesamten Serviceteam eine ausgeprägte Herzlichkeit zu attestieren.
Die Weinbegleitung zum Menü bot neben einigen uns bekannten Winzernamen auch viel Unbekanntes und Spannendes. Von der schweizerischen autochthonen Rebsorte Petite Arvine zum Beispiel hatte ich bisher nichts gehört. Zur Rotbarbe machte er sich indes prächtig. Gleiches gilt für die eher kühle Aromatik des "Rockin Horse", einer Weißweincuvée von Thorne & Daughters aus Südafrika zum Stubenküken. Und selbst der Spätburgunder aus Württemberg, sonst eher selten aus freien Stücken gewählt, war eine echte Entdeckung. Jens Zimmerle, der das Weingut mit seinem Vater führt, gehört scheinbar zu den aufstrebenden Winzern der Region. Mit dem Spätburgunder aus der Lage Korber Berg beweist er auf jeden Fall nachdrücklich sein Können.
Die "smashing combination" des Abends war allerdings - mal wieder - der Wehlener Sonnenuhr von J.J.Prüm zu verdanken. Die 1998 Auslese Goldkapsel passte einfach sensationell perfekt zum Ziegenfrischkäse.
In Summe war die Weinbegleitung also nicht nur spannend, sondern durchweg auch sehr hochwertig. Kathrin Feix wird hier der Weinkarte sicher nach und nach ihren Stempel aufsetzen.
Thomas Althoff hat mit der Verpflichtung von Denix und Kathrin Feix einen geschickten Coup gelandet. Das sympathische Ehepaar hat bereits nach wenigen Monaten einen Standard in der Zirbelstube setzen können, der darauf schließen lässt, dass Stuttgart auch kulinarisch langfristig in der ersten Liga spielt und dem Althoff-Konzern neue zusätzliche Gäste bringen wird. Der Wettbewerb zum ebenfalls ausgezeichneten Restaurant im nur einen Steinwurf entfernten Steigenberger Hotel wird sein übriges dazu tun.
Er ist wieder da. Und alles andere hätte auch nur überrascht.
Nachdem die Columbia Hotel-Gruppe sich in 2015 bereits von ihren hoch dekorierten Gourmetrestaurants in Travemünde und Rüsselsheim trennte, sah es eine Zeitlang so aus, als würde dieser Kelch am "Il Giardino" in Bad Griesbach vielleicht doch vorbei gehen. Aber Ende Mai 2016 traf es dann auch das Zweisternehaus in Niederbayern. Seitdem war es ein wenig still geworden um Denis Feix und seine Frau Kathrin, die noch kurz vor dem Aus... mehr lesen
Die Zirbelstube
Die Zirbelstube€-€€€Restaurant, Sternerestaurant071120260Schillerstrasse 23, 70173 Stuttgart
5.0 stars -
"Comeback in Stuttgarts Top-Küche" tischnotizenEr ist wieder da. Und alles andere hätte auch nur überrascht.
Nachdem die Columbia Hotel-Gruppe sich in 2015 bereits von ihren hoch dekorierten Gourmetrestaurants in Travemünde und Rüsselsheim trennte, sah es eine Zeitlang so aus, als würde dieser Kelch am "Il Giardino" in Bad Griesbach vielleicht doch vorbei gehen. Aber Ende Mai 2016 traf es dann auch das Zweisternehaus in Niederbayern. Seitdem war es ein wenig still geworden um Denis Feix und seine Frau Kathrin, die noch kurz vor dem Aus
Geschrieben am 14.04.2017 2017-04-14| Aktualisiert am
15.04.2017
Besucht am 12.04.2017Besuchszeit: Mittagessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 319 EUR
Wenn eine Kritik es schafft, soviel Appetit und Neugier zu wecken, dass man am liebsten selbst im besprochenen Haus einkehren möchte, hat der Schreiber sein Ziel wohl erreicht. In dem Sinne meinen herzlichen Glückwunsch und ebensolchen Dank an den Borgfelder, der es geschafft hat, dass wir bei unserem jüngsten Trip in die baden-württembergische Landeshauptstadt das Olivo kurzfristig in unser Programm eingeschoben haben. Hier also mein Bericht:
Vom Zug direkt an den Tisch. Machen wir auch nicht allzu oft, aber hier bietet es sich an. Unser Ziel liegt gleich gegenüber der vermutlich schlimmsten Bahnhofsbaustelle der Republik im ersten Stock des Steigenberger Hotels.
Das Olivo, obwohl seit Jahren konstant zu den bestbewerteten Restaurants der schwäbischen Landeshauptstadt zu zählen, ist nicht besonders präsent in der überregionalen Wahrnehmung. Warum das so ist, wird sich uns auch nach diesem Lunch nicht erschließen, denn, um es vorweg zu nehmen, das Essen ist ausgezeichnet.
Mittags bietet das Olivo eine reduzierte Auswahl von Gerichten aus dem Abendmenü zu etwas günstigerem, aber immer noch vom Schnapperpreis entfernten Tarif. Man kann wahlweise 3 oder 4 Gänge (82€ / 94€) wählen. Zum Apéritif schickt die Küche einige bereits sehr fein gearbeitete Snacks: einen Krabbensalat mit Yuzugel auf Algenchip, Thunfischtatar im Knusperröllchen, Gazpacho, Erdnussbuttersandwich und die hier offenbar obligate Olivensphäre. Bis auf das Erdnussbuttersandwich, das mir trotz der überschaubaren Größe einfach zu massig im Mund wirkt, gefallen diese Kleinigkeiten bereits sehr und machen deutlich, wie präzise und handwerklich akkurat die Küche von Nico Burkhardt ist, der nach Stationen bei Heinz Winkler und Karl-Heinz Hauser mittlerweile auch schon seit 2011 im Haus ist.
Dass auch mittags hier ansonsten nicht weniger aufwändig aufgefahren wird als am Abend, zeigt auch das abschließende Amuse Bouche, das einen Waldspaziergang darstellen soll. In einem dreiteiligen Arrangement befindet sich auf Birkenstämmen ein kleiner Chip mit einem Pilz- und Wildkräutersalat, in einem kleinen Fläschchen eine Pilzessenz und im Schälchen ein Pilzragout mit Ei unter einer schaumigen Sauce. Vor allem letzteres begeistert durch die herzhafte Süffigkeit.
Das Menü startet mit sehr gutem, festfleischigen Matjes und diversen Variationen von Zwiebeln, Pumpernickel, Schmand und Granny Smith. Im Grunde nimmt dieses auch optisch sehr schöne Gericht auf gekonnte Art alle Elemente des norddeutschen Klassikers auf und setzt sie in einen modernen Kontext. Die unterschiedlichen Texturen ermöglichen viele Variationsmöglichkeiten und so lässt sich zwischen elegant und rustikal munter hin- und herspielen. Separat gibt es noch einen Würfel Matjesmousse, der ebenfalls noch einmal alle Elemente aufnimmt, insgesamt jedoch eher etwas zurückhaltend bleibt.
Deutlich deftiger wird es mit dem Zwischengang, der als "Schweinerei" betitelt ist. Die butterzart geschmorte Backe vom Ibericoschwein findet sich in einem intensiven Schmorfond und wird frisch abgepuffert von Erbsen und dünn geschnittenem Rettich. Einige Brotchips sorgen für knusprige Textur. Kein besonders intellektuelles, aber dafür ein leicht zugängliches Wohlfühlgericht.
Im Hauptgang trennen sich die Wege am Tisch. Ich entscheide mich für den Stör mit Spargel, Bärlauch und Kaviar und bin sehr zufrieden. Das Gericht kommt ausgesprochen elegant daher und überzeugt mich vor allem in der Feinabstimmung aller Komponenten. Der Kaviar setzt nur sehr milde salzige Akzente, der Bärlauch ist als Püree ebenfalls sparsam eingesetzt und so bleiben der fabelhaft gegarte Stör und der Spargel die eindeutigen Protagonisten. Kartoffelcreme und eine samtige Spargelvelouté umspielen diesen Gang vorzüglich und sorgen so für echtes Frühlings-Feeling.
Auf der anderen Seite des Tisches bekommt Lammrücken seinen Auftritt mit diversen Texturen von Karotte. Ein klassischer und dunkel-samtiger Fond sowie etwas am Tisch über das Fleisch gehobelte Belper Knolle runden das Gericht ab. Bei Karottenvariationen habe ich immer die Befürchtung, dass das Ganze zu sehr ins Süße abrutschen könnte. Dem kommt Nico Burkhardt entgegen, indem er mit einigen Orangenfilets für dezente Säurespitzen sorgt. Die makellos schöne Präsentation steht ohnehin für sich.
Das Dessert sieht nur auf den ersten Blick etwas unscheinbar aus. Erneut variiert Burkhardt geschickt eine Zutat, hier vor allem Valrhona Schokolade, mit Pistaziensponge und einem frisch säuerlichen Eis. Blickfang indes ist eine Figur, die dem Gericht den Namen gibt, nämlich "Moai" und Steinstatuen auf den Osterinseln nachempfunden ist. Im Inneren verbirgt sich eine leckere Käsekuchencreme. Insgesamt ist auch dies ein unkomplizierter Spaß zum Querdurchlöffeln, cremig und schokoladig, aber nicht zu eindimensional, wie es bei Schokoladendesserts sonst gerne mal passieren kann.
Zum Kaffee schickt die Küche noch einmal einige nette Petits Fours, bei denen lediglich der graue Brombeer-Macaron etwas abfällt. Über die Farbe könnte man streiten, über die Konsistenz eher weniger. Das geht durchaus etwas saftiger und den Brombeergeschmack könnte man auch deutlicher herausarbeiten.
Aber das ist angesichts der Gesamtleistung eine zu vernachlässigende Kleinigkeit. Dieser Lunch hat uns ausgesprochen viel Spaß gemacht. Der Service unter Christiaan van Berkel agiert souverän und professionell im lichten Ambiente dieses Restaurants.
Die Weinkarte ist naturgemäß gut in Württemberg sortiert, aber hält auch aus anderen Regionen Deutschlands und Europas einiges Spannendes bereit - allerdings auch zu durchaus selbstbewusstem Preis. Der von uns gewählte Pinot Blanc Barrique von Ostertag aus dem Elsass nimmt sich dagegen fast schon wie ein Schnäppchen aus. Die saftige Fülle und der nur leichte Holzton traf genau unseren Geschmack und gewann im Laufe der Zeit noch an Format. Zum Lamm gab es einen offenen Pannobile von Claus Preisinger vom Neusiedler See - unbesehen sowieso eine sichere Bank.
Nico Burkhardts Küche ist klassisch fundiert, aber zeitgemäß und modern in der Ausführung. Neuinterpretationen werden hier scheinbar eher behutsam, aber gut durchdacht vorgenommen. Mit seiner stets eleganten Umsetzung bedient er so die Anhänger traditionellerer Gourmetküche ebenso wie Freunde einer modernen Präsentation. Und das will ja auch erst mal gekonnt sein.
Wenn eine Kritik es schafft, soviel Appetit und Neugier zu wecken, dass man am liebsten selbst im besprochenen Haus einkehren möchte, hat der Schreiber sein Ziel wohl erreicht. In dem Sinne meinen herzlichen Glückwunsch und ebensolchen Dank an den Borgfelder, der es geschafft hat, dass wir bei unserem jüngsten Trip in die baden-württembergische Landeshauptstadt das Olivo kurzfristig in unser Programm eingeschoben haben. Hier also mein Bericht:
Vom Zug direkt an den Tisch. Machen wir auch nicht allzu oft, aber hier bietet... mehr lesen
OLIVO im Steigenberger Graf Zeppelin
OLIVO im Steigenberger Graf Zeppelin€-€€€Restaurant, Sternerestaurant07112048277Arnulf-Klett-Platz 7, 70173 Stuttgart
5.0 stars -
"Perfekter Lunch - die Zweite!" tischnotizenWenn eine Kritik es schafft, soviel Appetit und Neugier zu wecken, dass man am liebsten selbst im besprochenen Haus einkehren möchte, hat der Schreiber sein Ziel wohl erreicht. In dem Sinne meinen herzlichen Glückwunsch und ebensolchen Dank an den Borgfelder, der es geschafft hat, dass wir bei unserem jüngsten Trip in die baden-württembergische Landeshauptstadt das Olivo kurzfristig in unser Programm eingeschoben haben. Hier also mein Bericht:
Vom Zug direkt an den Tisch. Machen wir auch nicht allzu oft, aber hier bietet
Geschrieben am 05.04.2017 2017-04-05| Aktualisiert am
05.04.2017
Besucht am 30.03.2017Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 560 EUR
Warnung vorweg: Langes Menü - langer Text...
Eineinhalb Jahre ist es doch schon wieder her, seit wir das letzte Mal hier waren. Und auch davor war es eine längere Zeit. Eigentlich schwer verständlich, denn als Niedersachsen sind wir mit hochkarätigen Restaurants nicht übermäßig gesegnet und von der Landeshauptstadt aus ist Osnabrück schnell zu erreichen. Zeit also für einen erneuten Besuch.
Im Rahmen eines Spezialangebots im März für Mitglieder des Gourmet-Clubs von Restaurant-Ranglisten kommen wir in den Genuss, einen umfassenden Überblick über den aktuellen Stand von Thomas Bühners Küche zu erleben. Die Abfolge umfasst zum einen das vollständige große Menü mit dem Untertitel „innovation / avantgarde“ sowie einige Gerichte aus dem kleinen Menü, das unter dem Namen „Tradition & Qualité“ einen vermeintlich klassischeren Ansatz verfolgt.
Viel hat sich seit unserem letzten Besuch verändert. Nadja Siebert hat die Restaurantleitung von Thayarni Garthoff übernommen und Christian Scholz ist seit dem Weggang von Sven Oetzel der neue Sommelier. Nachdem René Frank sich mit der CODA Dessert Bar (s. hierzu auch separaten Bericht) in Berlin selbständig gemacht hat, war auch die Position des Chef-Pâtissiers vakant und wurde mit Roman Aster besetzt. Nicht nur personell hat sich also einiges grundlegendes getan, auch stilistisch haben wir in den Gerichten eine deutliche Veränderung erlebt. Doch dazu später mehr.
Der Abend startet mit einigen Kleinigkeiten, einem fragilen Mohntartelette mit Gänseleber, einem erfrischenden und nicht dominierenden Koriandergranitée sowie einer intensiven Schinkenbrühe. Zwar nur eine Petitesse, aber dafür eine, die es in sich hat, ist der abschließende Gruß in Form eines kleinen Stückchens Anchovi, das sich unter einer Ziegenmilchhaut verbirgt und mit dem dazugehörigen sehr cremigen Käse erstaunlich gut verbindet.
Angesichts des vor uns liegenden Programms bin ich dankbar, dass diese Grüße auch mengenmäßig wirklich nur die Papillen reizen. Am besten gefallen hat mir hierbei eindeutig die Anchovi aufgrund der gewagten, aber schlüssigen Kombination.
Beim sehr guten Brot halte ich mich ebenfalls zurück, was sich noch als vorteilhaft herausstellen wird.
Im ersten offiziellen Gang des Menüs schickt die Küche marinierte Makrele, die begleitet ist von Edamame, Fromage Blanc, schwarzem Rettich, einem Ingwergranité und Miso. Der schön dekorierte Teller erlaubt ein vielfältiges Kombinieren, bei dem alle Elemente gleichwertig wirken können und sich in Summe ein schönes, leicht asiatisches Geschmacksbild ergibt. Guter Auftakt!
Mit dem nächsten Gericht erleben wir bereits den ersten Höhepunkt. In einem Mantel aus dünn geschnittenem und bestenfalls leicht erwärmtem Wagyu-Rind befindet sich ein perfekt gegartes Stück Kabeljau. Texturell passen diese beiden Komponenten schon sehr gut zusammen, wenngleich das Fleisch geschmacklich eher im Hintergrund bleibt. Etwas knackiges Grünzeug sorgt für Frische, aber der eigentliche Burner ist für mich die Safran-Consommé. Safran kann bei Überdosierung leicht sehr dominant und penetrant wirken. In dieser Kabeljau-Brühe entfaltet er sich aber ganz fein und dennoch mundfüllend wie ein guter Wein mit einem langen Finish. Bei diesem oder dem vorherigen Gang wurde noch ein vorzügliches Zitronen-Focaccia serviert. Das ist ausgezeichnet geeignet, keinen Tropfen übrig zu lassen.
Ähnlich reduziert, und auch mengenmäßig eher wie ein Zwischengruß, präsentiert sich die Red Gamba mit einer Mandarinen-Sojabutter. Die Sauce ist vorzüglich und passt sich gut der leichten Süße der Gamba an.
Ein weiteres Highlight folgt mit dem Oktopus, der derzeit nach meinem Empfinden eine große Renaissance in der gehobenen Küche erfährt. Und das völlig zu Recht. Richtig zubereitet ist er geschmacksintensiv, zart und lässt sich vielfältig kombinieren. Bei Thomas Bühner werden die Stücke des Pulpo mit einer intensiven Wildschwein-Emulsion und einer fruchtigeren und nur dezent scharfen Kimchi-Creme kombiniert. Die Rosenkohlblätter übernehmen eher dekorative Wirkung für mich, aber alles übrige funktioniert ausgezeichnet, wirkt überraschend und neu.
Es folgt eine weitere ungewöhnliche Komposition, bei der der eigentliche Hauptdarsteller gar nicht eindeutig auszumachen ist. Flusskrebse in einer kräftigen Jus sind großzügig von Trüffel bedeckt, daneben einige knackige Scheiben Yam-Wurzel, in die kunstvoll knusprige, hauchdünne Scheiben Bellota-Schinken eingearbeitet sind. Auch wenn der Trüffel den vordergründigsten Geschmack liefert, ist dies erneut ein Gericht, das ein spannendes Geschmacksbild abgibt, zumal mit der Yam-Wurzel auch ein Element auf dem Teller ist, das nicht allzu häufig in der Sternegastronomie zu finden ist. An anderer Stelle wurde dem Gericht etwas durchaus intellektuelles bescheinigt, was ich zwar nachvollziehen kann, aber für mein Empfinden nicht unbedingt zutrifft. Dafür überwog der insgesamt süffige und leicht verständliche Grundton doch zu sehr. Auch dies sehr überzeugend.
Und um den Faden der geschmacklichen neuen Erfahrungen nicht abreißen zu lassen, serviert die Küche als nächstes Segmente von der Oka-Schote mit Kaviar und einem Sud aus Melone und Kefir. Ich muss das googeln und erfahre, dass es sich um den sogenannten Knolligen Sauerklee handelt. In Konsistenz und Geschmack durchaus ähnlich der Yamwurzel, aber ein wenig säuerlicher. Da der Kaviar selbst auch nicht übermäßig salzig ist, überwiegt hier eindeutig ein harmonischer, frischer Eindruck.
Wenn auf einen Gang in diesem Menü das Attribut intellektuell zutrifft, dann vielleicht am ehesten auf die Kombination aus Gillardeau-Auster, Kalbsbries und Portulak. Das wirkt ein wenig forciert für mich, und abgesehen davon, dass es für mich auch geschmacklich nicht wirklich aufgeht, hätte ich mir zumindest das Bries etwas röscher gewünscht. Darüber hinaus leidet die Optik des Gerichtes etwas unter der arg hochviskosen dunklen Sauce.
Vor den Hauptgängen folgt eine Hummersuppe, die mit Vadouvan abgeschmeckt ist. Schon der Duft ist betörend, der Geschmack löst das auch ein. Durch die indische Gewürzmischung wird der Geschmack ganz leicht ins exotische geschoben, ohne aber dem Hummer trotzdem immer den Vortritt zu lassen. Sehr klar, sehr heiß, sehr gut.
Als erster Fleischgang folgt Etouffée-Taube, im Walcholderrauch gegart und mit einem karamellisierten Kürbissaft serviert. Einige Blättchen Löwenzahn – fertig. Eine derart minimalistische Präsentation hätte ich hier im Leben nicht erwartet. Bei unserem letzten Besuch hatte ich Taube als Extragang eingeschoben und seinerzeit war das ebenfalls sehr gute Exemplar von einer Maisvariation sowie zwei Tellern à part begleitet. Aber die Präsentation dieses Mal überrascht mich - bis ich den ersten Bissen nehme. Und dann verstehe ich. Die Taube ist von sensationeller Qualität. Der Rauchgeschmack ist präsent, in der Nase, wie im Mund, aber dennoch elegant. Die Sauce ist nicht so süß wie befürchtet und schmiegt sich perfekt an die Rauchnote und das kräftige Fleisch. Ich erwähnte wohl das ein oder andere Mal bereits, dass Taube mein Lieblingsfleisch ist. Hier ist sie perfekt in Szene gesetzt. So pur, so mutig, so großartig. Alleine für diesen Gang hat sich bereits das ganze Menü gelohnt.
Das folgende Bisonfilet aus dem “Tradition & Qualité”-Menü steht dem in Punkto Qualität nicht nach, ist aber in der Präsentation in der Tat deutlich klassischer angelegt.Mit Morcheln und Boudin Noir ist dieser Gang eindeutig etwas deftiger geprägt und bekommt durch die Sauce Foyot, eine Ableitung der Béarnaise, und die Jus füllige und recht opulente Partner. Aber auch dieser Hauptgang gefällt mir außerordentlich durch die sehr gute Fleischqualität und die exzellente Zubereitung.
Im “la vie” wird im Gegensatz zu den meisten anderen Restaurants noch ein zubereiteter Käsegang angeboten, was ich sehr schätze, denn ich bin der festen Überzeugung, dass das kreative Potential beim Arbeiten mit Käse zu wenig ausgeschöpft wird. Thomas Bühner beweist das Gegenteil. Der Le Phébus ist sehr cremig und würzig und kommt gemeinsam mit Pinienkerneis, kleinen Scheibchen von der Kaki sowie etwas Shimousa, einer im Zedernholzfass gereiften Sojasauce.
Als erstes Dessert wird “Neues Gold aus Kalkriese” serviert, das sich, wie bereits verschiedentlich beschrieben, auf den Fund historischer Goldmünzen bezieht. Die nachgebildete Münze ist vor allem relativ karamellig und dominiert damit die übrigen Komponenten. Hübsch anzuschauen, aber noch nicht wirklich überzeugend.
Das wird es dafür mit dem abschließenden Dessert. Tonkabohne, geeißter Edelweiß, grüner Apfel und Selleriemilch bieten eine bunte Spielwiese unterschiedlichster Konsistenzen und setzen einen frischen und kaum beschwerenden Schlusspunkt unter ein umfangreiches Menü.
In der Weinbegleitung fanden sich bei den Weißweinen überwiegend relativ junge Weine. Neben einem Sauvignon Blanc von der Loire gab es einen Riesling vom Weingut Odinstal aus der Pfalz, zu Trüffel und Kaviar einen Silvaner Sekt von May aus Franken und ein nicht näher notierter Portugiese. Ich hätte mir hier durchaus an der ein oder anderen Stelle etwas kräftigeres und cremigeres vorstellen können.
Der Lemberg “Hades” vom Weingut Weinsberg aus Württemberg hingegen war angenehm füllig, ohne die Fleischgänge zu überdecken. Ausgezeichnet auch der 2012 Riesling Kabinett “Schlossberg” vom Kesseler aus dem Rheingau und die Sauvignon Beerenauslese von Frey aus der Pfalz.
Christian Scholz und der andere junge Herr im Service dürften die Weine durchaus offensiver präsentieren. Mitunter waren die Ansagen sehr leise, so dass man nachfragen musste. Auch hätte ich mir mehr Erklärung gewünscht, warum der entsprechende Wein zum Essen gewählt wurde.
Der Service unter Nadja Siebert agiert formvollendet und professionell, könnte aber durchaus auch noch etwas an Lockerheit zulegen. Eine Mitarbeiterin, deren Namen wir uns leider nicht gemerkt haben, hat uns in dieser Beziehung ausgesprochen gut gefallen. Sie “kann nur Kaffee” - und wird damit wissen, dass sie gemeint ist. Gut gemacht!
Im Laufe des Abends haben wir Gelegenheit, wie alle Gäste, Thomas Bühner in der Küche zu treffen. Zu einem kleinen Whiskey Sour Shot, der dort von ihm zubereitet wird, sprechen wir mit ihm über die augenfällige Veränderung in der Stilistik seiner Küche. Hat man ihn in der Vergangenheit oft mit sehr detailverliebten und komponentenreichen Gerichten in Verbindung gebracht, wirkten die Gänge an diesem Abend erstaunlich reduziert, mitunter fast minimalistisch wie bei der Taube. Dort, wo noch mehrere Komponenten auf dem Teller waren, war die Anrichteweise durchweg kompakter.
Der Geschmack und die Aromenkombinationen sind weiterhin enorm vielschichtig. Die Kreativitätsmaschine läuft nach wie vor auf Hochtouren und auch anhand des Personaleinsatzes in der Küche und beim Beobachten des Anrichtens ist kein reduzierter Aufwand zu erkennen. Dennoch, bestätigt Bühner, war es eine bewusste Entscheidung, diesen Weg zu gehen. Offenbar fühlten sich andere Gäste mitunter überfordert, bei zu vielen Komponenten auf dem Teller noch alle Nuancen herauszuschmecken. Ob das tatsächlich so ist, kann ich nicht beurteilen. Andere Köche werden schließlich auch genau dafür gefeiert, aber Thomas Bühner geht nun diesen Weg und er ist sich dessen bewusst, dass das auch ein Risiko darstellt.
Für mich hat sich dieses Risiko ausgezahlt. Ich hatte in diesem Menü mehrere begeisternde Momente, mit der Taube, dem bei weitem reduziertesten Gang, als persönlichen Höhepunkt. Und mir sind Köche lieber, die sich weiter entwickeln und was trauen, als jahre- oder gar jahrzehntelang das selbe Programm abzuspulen. So bleibt Thomas Bühner unter den deutschen Dreisterneköchen auch weiterhin derjenige, der die Avantgarde und Moderne am konsequentesten bedient. La vie est belle.
Warnung vorweg: Langes Menü - langer Text...
Eineinhalb Jahre ist es doch schon wieder her, seit wir das letzte Mal hier waren. Und auch davor war es eine längere Zeit. Eigentlich schwer verständlich, denn als Niedersachsen sind wir mit hochkarätigen Restaurants nicht übermäßig gesegnet und von der Landeshauptstadt aus ist Osnabrück schnell zu erreichen. Zeit also für einen erneuten Besuch.
Im Rahmen eines Spezialangebots im März für Mitglieder des Gourmet-Clubs von Restaurant-Ranglisten kommen wir in den Genuss, einen umfassenden Überblick über den... mehr lesen
La Vie
La Vie€-€€€Sternerestaurant0541331150Krahnstraße 1-2, 49074 Osnabrück
4.5 stars -
"Avantgarde und Evolution" tischnotizenWarnung vorweg: Langes Menü - langer Text...
Eineinhalb Jahre ist es doch schon wieder her, seit wir das letzte Mal hier waren. Und auch davor war es eine längere Zeit. Eigentlich schwer verständlich, denn als Niedersachsen sind wir mit hochkarätigen Restaurants nicht übermäßig gesegnet und von der Landeshauptstadt aus ist Osnabrück schnell zu erreichen. Zeit also für einen erneuten Besuch.
Im Rahmen eines Spezialangebots im März für Mitglieder des Gourmet-Clubs von Restaurant-Ranglisten kommen wir in den Genuss, einen umfassenden Überblick über den
Besucht am 18.03.2017Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 420 EUR
Zwischen dem zweiten und dritten Gang sind wir mit unseren, bis dahin noch unbekannten, Tischnachbarn am Chef's Table im lebhaften Gespräch. Zugegeben - etwas unfreiwillig, denn in einem Anflug größtmöglichen Ungeschicks habe ich das Sektglas meiner Nachbarin umgestoßen und neben diversen Scherben für eine weiträumige Überschwemmung gesorgt.
Es ist davon auszugehen, dass die Idee des Chef's Table in Thomas Macyszyns "Boathouse", schon war, dass die Gäste miteinander ins Gespräch kommen, wenngleich wohl nicht unter diesen, zumindest für mich hochnotpeinlichen, Umständen. Aber ziemlich schnell hat sich die Aufregung gelegt, die betroffenen Gäste sind nicht erkennbar nachtragend und mit dem nächsten Gang ist man ohnehin wieder im kollektiven Genuss vereint.
Wir sind im noblen Hamburger Stadtteil Eppendorf, wo Thomas Macyszyn im September 2016 sein eigenes Restaurant eröffnet hat. Davor hatten wir ihn zuletzt in Rüsselsheim erlebt, wo er sich bis 2015 im Restaurant "Navette" des Columbia-Hotels einen Namen gemacht hatte, einen Stern erkochte und vom "Gusto" als Koch des Jahres ausgezeichnet wurde - bis sich die Columbia-Kette von allen Gourmetrestaurants trennte. Nun war das vor allem als Businesshotel genutzte Haus in der nicht sonderlich attraktiven Opel-Stadt ohnehin eine seltsam deplatziert wirkende Bühne für die sehr elaborierte Küche Macyszyns und die schon damals notwendige Pendelei zwischen Hamburg und dem Rhein-Main-Gebiet für ihn vermutlich eher beschwerlich. Umso schöner, wenn auch nicht weniger riskant, dass es nun also Hamburg für das neue Projekt geworden ist. Schließlich ist hier an guten Restaurants nicht wirklich Mangel und das hanseatische Publikum vermutlich auch nicht immer leicht zu begeistern.
Das Konzept ist einfach und doch auch wieder nicht. Fisch und Meeresfrüchte bestimmen hier das Programm. Daneben gibt es noch zwei, drei Fleischgänge. Auf der normalen Karte sind die Gerichte zum Teilen gedacht und sowohl à la carte als auch als Sharing Menü zu bestellen. Am Chef's Table, der für etwa 8 Personen quasi einen Logenplatz mit Blick in die offene Küche erlaubt, wird ein festes, überwiegend abweichendes Menü serviert.
Zum Apéritif - wir gönnen uns ein Glas Krug Champagner, den es hier glasweise zu vergleichsweise erschwinglichem Kurs gibt - wird der erste Gang serviert, eine pochierte Auster stattlicher Größe mit Beurre Blanc Eis und einer Vinaigrette mit prägnantem, aber dennoch ganz fein austariertem Räucheraroma. Ein starker Auftakt!
Mit der Ceviche von der bretonischen Makrele wird der Stil deutlich, der sich wie ein roter Faden auch durch das weitere Menü ziehen wird: wenige Zutaten, Fokus auf dem Hauptdarsteller und eine markante flüssige Begleitung. Die Makrele ist von sehr guter Qualität, die Vinaigrette wird bestimmt durch die Süße der schwarzen Walnuss. Als Schärfekick etwas frisch geriebener Meerrettich - mehr nicht. Klingt einfach? Ist es aber nur vermeintlich, denn vor allem die Vinaigrette beschäftigt mich lange. Ich meine, etwas wie Waldmeister oder Sauerampfer herauszuschmecken und liege damit falsch. Aber auch, wenn ich es nicht herausbekomme: diese Vinaigrette ist überraschend, ungewöhnlich und sehr passend.
Ähnlich reduziert kommt der Hamachi, der ganz mit seiner Qualität glänzen soll. Nur leicht lauwarm wird er flankiert von wenigen fruchtigen Tupfen von Litchi und der fettigen Reichhaltigkeit einer sehr eleganten Nussbutter.
Mit dem nächsten Gang wird es verspielt. Die Avocado ist in hauchdünnen Scheiben kunstvoll zu einer Art Tasche geformt, die einem Dim Sum ähnelt und die mit einem frischen Salat vom Taschenkrebs gefüllt ist. Am Tisch angegossen wird ein Rucolasud. Die Kombination aus fettiger Avocado und frischem Krebsfleisch funktioniert gut. Erneut ist es der Sud, der dem Gericht den entscheidenden Twist verleiht.
Deftig wird es bei der getauchten Jakobsmuschel von beeindruckender Größe, die scharf angebraten wird und auf einem Grünkohlpüree thront. Dazu wurde der Grünkohl norddeutsch klassisch zubereitet und dann zu einem Püree verarbeitet. Das führt dazu, dass sich ein klassisches Geschmacksbild, das man eher mit Bregenwurst, Kassler und Speck verbindet, in einen neuen, eleganteren Kontext gesetzt wird und dadurch eine interessante Spannung aufbaut.
Es folgt krosse Hühnerhaut, die genug Stabilität mitbringt, um quasi als Sandwichunterlage für zart gebratenen Pulpo und eine lauwarme Paprikasalsa zu dienen. Etwas Salzzitrone sorgt für dezente Säurespitzen. Mir gefällt die Kombination sehr gut, weil ich zum einen Hühnerhaut, als auch Pulpo sehr gerne mag. Lediglich die sogenannte Eatibility lässt ein wenig zu wünschen übrig, denn man muss schon die relativ großen Pulpostücke im ganzen abbeißen, sonst läuft man Gefahr, dass einem einzelne Bestandteile entgegenfallen. Und nach dem Sektglasunfall möchte ich nicht auch noch durch schlechte Essmanieren unangenehm auffallen...
Im nächsten Gang ist erneut die flüssige Begleitung das prägendste Element. Die Sauerkrautjus ist geschmackintensiv und hochkonzentriert, für mich eng an der Salzgrenze. Mein Mann empfindet das anders, ist aber ähnlich angetan von der Jus. Dazu gibt es Aal, der in Sojasauce mariniert war sowie das ausgekratzte Fleisch von verkohlten Kartoffeln. Beides hat hart gegen die Jus zu kämpfen. Die Grundidee des Gerichtes gefällt mir, aber bei Veränderung der Proportionen könnte der Aal besser bestehen. Eine frische Komponente würde zudem das sehr Dominante des Jus und die Kompaktheit von Fisch und Kartoffel etwas abpuffern - und könnte das Gericht vielleicht auch farblich etwas aufpeppen.
Beim finalen Fischgang, dem Black Cod in leichter Yuzu-Soja-Sauce und mit einigen marinierten Kohlrabischeiben wird es wieder deutlich leichter in der Gesamtaromatik. Hier ist der Fisch, auf den Punkt gegart, wieder der eindeutige Hauptdarsteller. Die Größe des ausgezeichneten Fischstückes hätte allerdings durchaus ein wenig mehr Gemüse als Beilage vertragen.
Den Abschluss des Menüs bildet ein Dessert, das eine Kaffir-Limetten-Creme mit einem Kokos-Küchlein und Passionsfruchteis kombiniert. Das ist lecker, wenn auch etwas brav.
Und als finales Dessert folgt noch ein Rhabarber Vermouth Sour mit einem Buttermilch-Espuma. Das ist säuerlich und erfrischend. Auf den Cracker aus karamellisierter Kondensmilch hätte ich allerdings verzichtet. Er hinterlässt ein eher klebriges Mundgefühl.
Diese Kleinigkeit trübt aber natürlich nicht den Gesamteindruck eines spannenden Menüs. Nur Fisch funktioniert ausgezeichnet. Ich habe nichts vermisst und die Gerichte waren abwechslungsreich und teilweise sehr überraschend, vor allem durch die oft sehr prägnanten Jus.
Stilistisch hat sich Thomas Macyszyn deutlich von den ausdekorierten Tellern seiner "Navette"-Zeit entfernt. Die Konzentration auf wenige Komponenten geht dabei allerdings nicht einher mit einer einfacheren Zubereitung. Die Gerichte schmecken bei aller optischen Simplizität häufig vielschichtig und komplex. Einhellig war die Meinung am Tisch allerdings, dass der Gemüseanteil durchaus etwas höher hätte sein können.
Konzeptionell erinnert mich das Boathouse ein wenig an Tim Mälzers Off Club, wo im Hauptbereich auch leicht zugängliche Sharing-Gerichte serviert werden und im Madame X eine sehr produktfokussierte, raffiniertere Küche, die auch optisch ähnlich minimalistisch anmutet. Diese Ähnlichkeit ist, selbst wenn nicht beabsichtigt, nichts schlechtes. Mir hat es seinerzeit in beiden Bereichen im Off Club ausgezeichnet gefallen.
Alleine um ein vollständiges Bild von der Küche des Boathouse zu bekommen, werde ich das nächste Mal im eigentlichen Restaurant reservieren. Vielleicht dann ja im Sommer auf der geplanten Terrasse mit Blick auf den Isebekkai. Und vielleicht bin ich dann ja auch so verwegen, sogar vom angeschlossenen Bootsverleih Gebrauch zu machen, den Thomas Macyszyn ebenfalls mitbetreibt.
Zu wünschen ist ihm, dass sich das Abenteuer der Selbständigkeit für ihn auszahlt. Das Sharing-Konzept stimmt und sollte auch dauerhaft viele Gäste sichern, denn die Qualität ist überdurchschnittlich. Die Weinkalkulation ist allerdings relativ sportlich. Wenn man sich nicht nur auf die betuchte Eppendorfer Klientel verlassen will, sollte überlegt werden, den Bereich der Flaschenweine zwischen 30 und 40 Euro etwas stärker auszubauen.
Unser Abend am Chef's Table hat, trotz des von mir zu Beginn verursachten Malheurs, viel Spaß gemacht. Dazu beigetragen hat der charmante Service, aber auch die netten Mitgäste, mit denen sich interessante Gespräche ergeben haben. Dass zu vorgerückter Stunde auch noch Birgit Wester, die ehemalige Restaurantchefin des "Navette", ins Boathouse kam und sich auch nach zwei Jahren noch an uns erinnerte, schlug dann eine eine schöne Brücke vom Seinerzeit ins Jetzt. Und um das Morgen mache ich mir nach diesem Besuch keine Gedanken.
Zwischen dem zweiten und dritten Gang sind wir mit unseren, bis dahin noch unbekannten, Tischnachbarn am Chef's Table im lebhaften Gespräch. Zugegeben - etwas unfreiwillig, denn in einem Anflug größtmöglichen Ungeschicks habe ich das Sektglas meiner Nachbarin umgestoßen und neben diversen Scherben für eine weiträumige Überschwemmung gesorgt.
Es ist davon auszugehen, dass die Idee des Chef's Table in Thomas Macyszyns "Boathouse", schon war, dass die Gäste miteinander ins Gespräch kommen, wenngleich wohl nicht unter diesen, zumindest für mich hochnotpeinlichen, Umständen. Aber... mehr lesen
4.5 stars -
"Am Chef's Table" tischnotizenZwischen dem zweiten und dritten Gang sind wir mit unseren, bis dahin noch unbekannten, Tischnachbarn am Chef's Table im lebhaften Gespräch. Zugegeben - etwas unfreiwillig, denn in einem Anflug größtmöglichen Ungeschicks habe ich das Sektglas meiner Nachbarin umgestoßen und neben diversen Scherben für eine weiträumige Überschwemmung gesorgt.
Es ist davon auszugehen, dass die Idee des Chef's Table in Thomas Macyszyns "Boathouse", schon war, dass die Gäste miteinander ins Gespräch kommen, wenngleich wohl nicht unter diesen, zumindest für mich hochnotpeinlichen, Umständen. Aber
Geschrieben am 08.02.2017 2017-02-08| Aktualisiert am
08.02.2017
Besucht am 04.02.2017Besuchszeit: Mittagessen 4 Personen
Rechnungsbetrag: 780 EUR
Für gute Restaurants nehmen wir häufig weite Wege auf uns. Manchmal in andere Länder, manchmal in die abgelegensten Gegenden, die kaum von einem Navigationssystem erfasst sind.
Eines der weltbesten Restaurants allerdings liegt quasi vor der Haustür meines Zweitwohnsitzes und ist bequem mit der Straßenbahn zu erreichen. Was für ein Luxus!
Heute gönnen wir uns den mal wieder in Form des Mittagsangebots, das es im Vendôme immer samstags und sonntags gibt. Hat man erst mal den Berg zum imposanten Schloss Bensberg erklommen und das Kavaliershaus zur Rechten betreten, ist klar, dass die nächsten drei Stunden dem puren Verwöhnen gewidmet sein werden. Vorbei an der Glasfront, die den Blick in die Küche erlaubt, werden wir von Joachim Wissler begrüßt, bevor es in den eleganten, hellen Speiseraum geht.
Beim Champagner werden die ersten Grüße serviert und zu meiner großen Freude gibt es auch dieses Mal wieder Wisslers hinreißende Version eines Toffifees. Hier in Form eines zart schmelzenden Gänseleberkaramells mit einer Piemonteser Haselnuss. Mit Sicherheit ist dies mittlerweile der bekannteste Snack zum Apéritif in Deutschlands Spitzengastronomie.
Begleitet wird dies separat von zwei Nationalgerichten, die Joachim Wissler auf originelle Weise uminterpretiert. Der Borschtsch kommt als Macaron, der die erdigen Aromen dieses russischen Eintopfs typisch transportiert. Der Croque Monsieur findet sich als schlotzige Angelegenheit im Ei mit Schaum, Creme, krossen Miniwürfeln, dazu ein luftig, knuspriges Gebäck – stark!
Bevor es mit dem Menü losgeht, noch zwei filigran gearbeitete Dim Sums vom Pulled Pork, die in einem dezent scharfen Sud aus Kimchi-Ibericosaft baden. Ebenfalls sehr schön.
Mit der Vorspeise befinde ich mich augenblicklich an einem Frühlingstag am Meer. Das Thunfischtatar ist fein abgeschmeckt, die Jakobsmuschel als Rosette obenauf nur ganz kurz abgeflämmt, aber noch weitestgehend roh. Darüber leicht salziger Sojakaviar. Das Ganze wunderschön umrahmt von Avocadocreme, Gurke, Salat und einigen sehr prägnanten und unterschiedlich schmeckenden Algenspitzen. Angegossen wird eine leicht gelierte Tomaten-Ponzuvinaigrette. Das changiert zwischen frisch, säuerlich, salzig, jodig und ist ausgesprochen harmonisch komponiert.
Im Glas dazu ein 2011 Riesling Saarburger Rausch Diabas vom Weingut Forstmeister Geltz-Zilliken, der mit seinem ausgewogenen Säure-Süße-Spiel den Gang hervorragend begleitet.
Es folgt Saibling aus dem Lechtal, von wo Joachim Wissler häufig seine Fische bezieht. Und auch dieses leicht geräucherte Exemplar ist von ausgezeichneter Qualität und perfekt gegart. Das Gericht ist von grünem Spargel und einer milden Topinambur-Meerrettichbutter relativ klassisch eingefasst. À part gibt es, wie häufig zu den Lechtal-Fischen, den fluffigen Blini, diesmal mit Saiblingstatar, aber wie so oft, unter der mit Rauch gefüllten Glasglocke.
Auch dieser Gang ist absolut stimmig und sofort zugänglich. Wissler stellt hier ein ausgezeichnetes Produkt in den Mittelpunkt und gibt ihm Begleiter an die Seite, die ergänzen, aber nicht irritieren.
In der Weinbegleitung geht es nach Kalifornien ins südliche Napa Valley. Der füllige Chardonnay mit der etwas kryptischen Bezeichnung SR/246 vom Weingut Zotovich hat eine ausgeprägte Barriquenote, die gut zum Rauchton des Fisches und des Blinis passt, ist aber nicht fett, sondern trotz seines ordentlichen Alkoholgehaltes von 14,5% noch mit einer relativ kühlen Aromatik ausgestattet.
Im Hauptgang bin ich dankbar, nach zahllosen Reh- oder Hirschgängen mal eine veritable Alternative zu bekommen. Es gibt Hasenrücken, und nach der Farbe zu urteilen, muss es sich um einen Wildhasen gehandelt haben. Dazu etwas geschmorte Schulter und eine Scheibe von der Leber. Wir sind noch im Winter und da sind die gefüllten Rosenkohlblätter und die Scheibe Butterkürbis die geeigneten Begleiter. Die Rouennaiser Sauce, mit Blut abgebunden, ist dicht, dunkel und konzentriert. So zeitgemäß die Optik des Tellers ist, so klassisch ist erneut die Kombination – und so gut gelungen ebenfalls.
Im Glas dazu ein 2009 Saint-Emilion Grand Cru vom Château Teyssier. Die Cuvée aus Merlot und Cabernet Franc unterstützt mit seiner leichten Kräuterwürze das Gericht sehr schön, erschlägt den Gang aber nicht.
Zum Abschluss des Menüs folgt ein Teller, der mich erneut überrascht, weil ich bei Wissler in der Vergangenheit oft Verspielteres erlebt habe. Hier kommt eine beeindruckend perfekte Passionsfruchttarte und ein fabelhaftes Basilikum-Sauerrahmeis. Angegossen ein fruchtiger, aber dennoch leicht würziger Safran-Aprikosenjus. Die übrigen Beilagen, vor allem den zwar optisch auffälligen, aber ansonsten auch hier geschmacklich eher entbehrlichen Sponge, hätte ich gar nicht unbedingt benötigt, denn die drei Hauptkomponenten waren für sich bereits perfekt. Aber natürlich ist der Anspruch eines Dreisterne-Hauses wie diesem, dass es jetzt auch nicht zu reduziert sein darf...
In der Weinbegleitung geht es nach Andalusien. Der 2012 Málaga MR von Telmo Rodriguez ist erstaunlicherweise nicht so süß, wie ich es erwartet hätte. Sehr gut, aber trotzdem hätte ich mir hier eher einen deutschen Süßwein mit etwas mehr Säurespiel gewünscht.
Das Duo Markus Klaas als Gastgeber und Marco Franzelin als Sommelier funktioniert wie immer sehr harmonisch und professionell. Der Service agiert effizient, herzlich und aufmerksam, aber dezent. Selbst bei der zweiten Nachfrage zu den Algen in der Vorspeise kam die Antwort nach Rückfrage postwendend.
Dass das Essen auch dieses Mal wieder ausgezeichnet sein würde, hatte ich von Anfang an nicht bezweifelt. Überrascht war ich jedoch über die in meinen Augen durchaus klassische Anmutung aller Gänge. Sicher waren sie modern und zeitgemäß präsentiert. Und auch die Kombinationen waren bestimmt nicht durchweg konventionell. Aber in Summe folgten alle Gänge einem konsequent harmonischem Gesamtbild.
Da verschiedentlich darüber diskutiert wird, ob Wisslers Küche immer noch zu intellektuell sei (was ich schon seit einiger Zeit nicht mehr finde) und auch ohne entsprechende „Vorerfahrung“ zu verstehen sei, kann ich heute für mich mehr denn je feststellen, dass dies ohne Frage so ist.
Joachim Wissler kocht souverän, mitunter auch mit einem deutlichen Augenzwinkern, komplex ja, aber auf jeden Fall leicht verständlich. Sollte diese Entwicklung nicht nur eine Momentaufnahme sein, sondern eine generelle Ausrichtung auf eine modernisierte Klassik bedeuten – ich wäre dabei. Aber da ich ja eh nur in die Straßenbahn steigen muss, kann ich das sowieso beizeiten wieder überpüfen.
Für gute Restaurants nehmen wir häufig weite Wege auf uns. Manchmal in andere Länder, manchmal in die abgelegensten Gegenden, die kaum von einem Navigationssystem erfasst sind.
Eines der weltbesten Restaurants allerdings liegt quasi vor der Haustür meines Zweitwohnsitzes und ist bequem mit der Straßenbahn zu erreichen. Was für ein Luxus!
Heute gönnen wir uns den mal wieder in Form des Mittagsangebots, das es im Vendôme immer samstags und sonntags gibt. Hat man erst mal den Berg zum imposanten Schloss Bensberg erklommen und... mehr lesen
Vendôme · Gourmetrestaurant · Althoff Grandhotel Schloss Bensberg
5.0 stars -
"Drei-Sterne-Lunch am Schloss" tischnotizenFür gute Restaurants nehmen wir häufig weite Wege auf uns. Manchmal in andere Länder, manchmal in die abgelegensten Gegenden, die kaum von einem Navigationssystem erfasst sind.
Eines der weltbesten Restaurants allerdings liegt quasi vor der Haustür meines Zweitwohnsitzes und ist bequem mit der Straßenbahn zu erreichen. Was für ein Luxus!
Heute gönnen wir uns den mal wieder in Form des Mittagsangebots, das es im Vendôme immer samstags und sonntags gibt. Hat man erst mal den Berg zum imposanten Schloss Bensberg erklommen und
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Über die letzten Jahre hat sich aber die Gastronomieszene deutlich weiterentwickelt. Zugegeben, das meiste davon fällt in die Sparte Fastfood, aber immerhin ist die relativ abwechslungsreich und gar nicht mal überall übel. Dass sich aber in diesem Umfeld mit dem „Lindenblatt“ ein Restaurant etablieren konnte, dass sich sowohl vom Anspruch als auch dem Preisniveau deutlich abhebt, ist schon bemerkenswert.
Das Ambiente auf den zwei Ebenen ist geschmackvoll, aber nicht übertrieben. An diesem Sonntag Abend ist unten alles besetzt, so dass wir uns den oberen Bereich mit zwei anderen Paaren teilen. Dass die größeren Tische leer bleiben, stört uns nicht. So ist der Geräuschpegel eh angenehmer.
Innenansicht oben 1
Innenansicht oben 2
Das „Lindenblatt“ bietet eine bewusst reduzierte à la Carte-Auswahl von jeweils zwei bis drei Suppen, Vorspeisen, Hauptgerichten und Desserts. Dazu noch zwei Burger und Steaks, die man erfragen muss. Die meisten Gerichte sind so konzipiert, dass sie auch vegetarisch oder teilweise sogar vegan funktionieren, aber mit einem Fleisch- oder Fisch-Supplement ergänzt werden können. Und so funktioniert auch das aus den à la Carte Gerichten zusammengestellte Menü, das in drei bis fünf Gängen vegetarisch (30/35/40 Euro) oder mit Tier (37/45/55) geordert werden kann.
Ich wähle das Menü in vier Gängen, mein Mann vier Gänge à la Carte. Dass nur ich, weil ich das Menü gewählt habe, einen Gruß aus der Küche bekomme, finde ich schon etwas seltsam und angesichts des Umstandes, dass seine Gerichte insgesamt teurer als mein Menü sind, auch etwas kleinlich. Hier hätte man sich etwas flexibler zeigen können.
Von den drei Grüßen ist mir vor allem die sehr gute Spargelcremesuppe – es wird die letzte der Saison sein – positiv in Erinnerung geblieben.
Begrüßung aus der Küche
Für den ersten Gang aus dem Menü hätte ich eigentlich ein Vorher-Nachher-Bild machen müssen. Die Variation von diversen bunten Tomaten sieht ausgesprochen appetitlich aus, vor allem mit der sehr guten Burrata, dem Basilikum, dem Olivenstaub und den Salsicciastücken. Nach dem Angießen der klaren Tomatenessenz vermengt sich alles jedoch zu einer eher unschönen, milchig trüben Angelegenheit, in der sich die Burrata langsam auflöst.
Wohlgemerkt: das ist nur eine Kritik an der meines Erachtens verbesserungswürdigen Optik des Gerichtes. Alle Komponenten für sich passen natürlich zusammen und die Qualität ist auch gut. Ich persönlich hätte vermutlich die Tomatenessenz à part serviert oder in einer leicht gelierten Version, so dass die Einzelkomponenten noch für sich hätten wirken können. Die Salsiccia als würziges Element gefällt mir gut und an diesem warmen Tag ist diese Vorspeise sehr passend.
Tomate / Weiße Tomatenessenz · bunte Tomaten · Basilikum · Burrata · Olivenstaub (mit Salsiccia)
Auf der anderen Seite des Tisches startet man mit Pescaccio vom Färöer Lachs. Diese etwas gewollt kreative Bezeichnung beschreibt letztlich nichts anderes als roh aufgschnittenen Lachs, der mit etwas Holunderblüte und Zitrone mariniert ist. Die Fischqualität ist gut, aber insgesamt bleibt das Gericht sehr mild. Daran ändern auch die Tupfen fermentierten schwarzen Knoblauchs nichts. Kein schlechter Gang, aber leider ohne den ganz besonderen Kick oder eine besondere Würze, die den Fisch nach vorne gehoben hätte.
PESCACCIO VOM FÄRÖER-LACHS / Roh geschnittener Färöer-Lachs · Holunderblüte · Zitrone Schwarzer Knoblauch · Joghurt
Beim nächsten Gang gehen wir konform und wählen gegrillte Melone mit Focaccia, grünem Spargel, Schafsjoghurt und –käse und Rucola. Als Ergänzung gibt es hierzu in (vermutlich?) Panko ausgebackenen Pulpo und gekochten Schinken vom Havelländer Apfelschwein. Das ist eine schöne, originelle Kombination, die mir gut gefällt und trotz der vielen grundverschiedenen Komponenten schön harmoniert. Dass die à la Carte Portion meines Mannes größer ist als meine, geht in Ordnung. Dass sie allerdings gleich doppelt so groß ausfällt und der Teller damit nahezu überquillt, sollte man auch noch mal überdenken. Ich fand das für eine Vorspeise deutlich überpropotioniert – auch in Linden...
GEGRILLTE MELONE / Gegrillte Wassermelone · Focaccia · grüner Spargel Schafsjoghurt und Käse · Rucola
Im Hauptgang bekomme ich Morcheln und junge Saubohnen, dazu eine Morchel-Panna Cotta und ein Morchelschaum. Ich mag den intensiven Morchelgeschmack und ich mag frisch gepalte Bohnen. Von daher ist dieses Gericht wie für mich gemacht. Das Spanferkel dazu ist sous-vide gegart und zart. Wenig verwunderlich ist die Kruste bei dieser Garmethode alles andere als knusprig, was ein wenig schade ist. Zusammen mit der gepökelten Backe wäre es ansonsten rundum gelungen.
MORCHEL / Saubohne · Morchel Panna Cotta · Gnocchi · Morchelschaum · Petersilie · Kartoffel Sous Vide gegarter Saalower Spanferkelrücken und gepökeltes Bäckchen
Auf dem Teller meines Mannes wird es bunt und erneut üppig. Die Grundbasis des Gerichtes sind diverse Paprika, teilweise mit Frischkäse gefüllt, eine Gremolata und ein Thymian-Guglhupf. Das Fleisch dazu ist eine geschmorte Beinscheibe vom Rind und spätestens damit wird es richtig deftig. Dass dies kein typisches Sommergericht ist, weiß die Küche selbst. Warum sie es dennoch auf die Karte setzen, erklären sie in der ausführlich beschriebenen Karte selbst: „...weil wir Bock darauf haben.“ Klare Aussage – und wer es nicht so herbstlich will, kann ja etwas anderes wählen. Die Portion ist erneut eher für Bauarbeiter gedacht, aber davon abgesehen lecker. Mir persönlich ist das alles nicht nur von der Menge ein bisschen zu viel. Der berühmte Teller bunter Knete kommt mir in den Sinn. Aber ich will nicht meckern. Ist nicht mein Teller, Gatte ist zufrieden, also passt's schon.
PAPRIKA / Thymian Gugelhupf · gefüllte Paprika · Frischkäse · Gremolata Artischocke · Auberginenkaviar, geschmorter Rinderbeinscheibe
Zitrone / Zitronensorbet . Lemon Curd . kandierte Zitrone . Zitronenkuchen Buttermilch . weiße Schokolade
Da ich aber ohnehin lieber Erdbeere als Zitrone mag und es bei meiner besseren Hälfte genau umgekehrt ist, probiere ich kurz und wir tauschen dann die Teller.
Die Erdbeeren finden sich als Sorbet und mariniert als Salat in einem durchaus klassischen Umfeld, der vor allem von Vanille geprägt ist. Als Sponge, Creme und Panna Cotta wird auch dieses Thema durchdekliniert. Die Kardamombaisers bleiben relativ neutral. Die angekündigte Atsina-Kresse kann ich nicht ausmachen, aber schmecken tut es dennoch gut.
Erdbeere / Sorbet · Panna Cotta · Salat · Vanille-Sponge · Atsina-Kresse · Kardamombaiser
Mit beiden Desserts setzt sich die Linie von Benjamin Busmanns Küchenstil fort. Es wird munter kombiniert, mitunter etwas forciert, bei den Desserts eher klassisch variiert. Beim ein oder anderen Gericht könnte ich mir eine gewisse Fokussierung als vorteilhaft vorstellen. Aber wenn die Gänge auch vegetarisch ohne Fleisch- oder Fisch-Supplement funktionieren sollen, will oder muss man dem Gast vielleicht diese Tellervielfalt anbieten.
Besonders hervorzuheben ist die Weinkarte, die über die Zeit deutlich an Format gewonnen hat. Sie unterliegt einem stetigen Wandel und sieht heute schon wieder ziemlich anders aus als bei unserem Besuch vor wenigen Wochen. Seinerzeit waren einige unbekanntere Newcomer stärker vertreten. Nun finden sich eher, vor allem aus Deutschland, die renommierteren Weingüter. Die Preise sind sehr akkurat und fair kalkuliert. Wir starten mit einer fabelhaften Flasche Ortolan vom österreichischen Weingut Dürnberg, einer Cuvée aus Chardonnay, Weiß- und Grauburgunder, im 500l-Holzfass ausgebaut. Auch die offenen Roten im Anschluss sind sehr ordentlich.
Beim Service macht sich schnell bemerkbar, wer gelernt (oder zumindest sehr erfahren) ist und wer nicht. Unser Kellner ist aufmerksam, souverän und professionell, die weibliche Servicekraft eher unsicher und etwas unbeholfen. Aber das stört uns nicht. Insgesamt läuft der Abend, auch was den zeitlichen Ablauf angeht, rund.
Petits Fours
Obwohl wir in Linden leben, waren wir einige Zeit nicht im „Lindenblatt“. Eigentlich nicht wirklich nachvollziehbar, denn die Gerichte haben uns, obwohl an der ein oder anderen Stelle etwas überladen, gut gefallen. Das Ambiente ist entspannt, die Hintergrundmusik mein Geschmack und die Weinkarte für Lindener Verhältnisse großartig. Also ab jetzt doch wieder öfter auf die Lindener Kö – muss ja kein Champagner dort sein. Guter Sekt tut's auch.