Wir verwenden Cookies
Wenn Sie unsere Webseiten besuchen, kann Ihre Systemsoftware Informationen in Form von Cookies oder anderen Technologien von uns und unseren Partnern abrufen oder speichern, um z.B. die gewünschte Funktion der Website zu gewährleisten.
Seit einigen Jahren lebt die Familie wieder in England. Ein größeres Fest hatte sie aber am letzten Wochenende zu uns nach Bad Herrenalb gelockt - die Gelegenheit für den Schwager, bierselige Erinnerungen an die alte Heimat aufzufrischen und uns am Ende des Besuches in eine seiner früheren Zapfstellen einzuladen.
Ein omnipräsenter Chef
Gegründet 1985 von Braumeister Rudi Vogel, ist der Vogelbräu (oder Vogel, wie er von seinen Stammgästen liebevoll genannt wird) eine Karlsruher Institution, der wegen der offensichtlich großen Nachfrage nach unfiltriertem Bier Dependancen in Ettlingen (1988) und KA-Durlach (2004) folgten.
Der Ettlinger Vogel befindet sich am Rande der Altstadt in einem ehemaligen Kino.
Parkplätze in der Nähe sind Mangelware (allerdings nicht ganz so schlimm wie rings um das Karlsruher Haupthaus), deswegen scheint das Fahrrad das bevorzugte Verkehrsmittel zu sein - auf dem Hinweg geritten, auf dem Rückweg notfalls geschoben. Wir hatten Glück, in der Nähe einen Platz zu finden, zumal ich zwischendurch noch mal nachlösen musste.
Such den Rudi!
Drinnen erinnern großflächige Wandgemälde an die vormalige Bestimmung des Hauses. Dort, wo früher die Leinwand war, stehen heute zwei Braukessel; zu Fußballzwecken kann aber immer noch eine etwas kleinere Leinwand herunterlassen werden.
Der Gastraum mit seiner Empore ist riesig und so geschickt konzipiert, dass sowohl Familien mit Kindern als auch solitäre Leistungstrinker ein Plätzchen finden, wo sie sich wohlfühlen und ihren jeweiligen Neigungen nachgehen können, ohne sich gegenseitig zu stören.
Bei unserem Eintreffen gegen 17:00 Uhr war der Kinosaal nur spärlich besetzt; der Wintergarten davor und der große Biergarten dahinter umso besser.
Hier war bei diesem schönen Wetter ordentlich was los, obwohl es ein hundsgewöhnlicher Dienstag war. Das verlagerte sich etwas, als das Champions-League-Spiel Dortmund gegen Kopenhagen losging, zumindest ein wenig, denn im Vogel übersteigt das Interesse der Gäste am Bier das Interesse am Fußball beträchtlich.
Im Wintergarten waren alle größeren Tische reserviert, deshalb erlaubten wir uns, einen Vierer- zu einem Fünfertisch auszubauen. Sofort erschien eine ziemlich kurz angebundene Kellnerin auf dem Plan und wies uns darauf hin, dass der Extrastuhl in den Gang hineinragte und dass wir da nicht bleiben konnten. Da der Schwager Rücken hatte, kamen die Bierbänke im Garten nicht in Frage, also verzogen wir uns nach drinnen. (Dass an all den reservierten Tischen später nur je zwei Personen saßen, nahmen wir halb belustigt, halb bedauernd zur Kenntnis.)
Signature pic
Der Platz drinnen hatte überdies den Vorteil, dass Calvin, der diesmal vergleichsweise zappelig war, nicht ständig durch vorbeiflanierende Hunde noch weiter aus dem Gleichgewicht gebracht wurde.
Das Bier wird im Vogel standardmäßig in Halbliterkrügen (4,40 €) ausgeschenkt; in Ausnahmefällen bzw. „zur Feinabstimmung am Ende der unfiltrierten Nacht“ sind auch Drittelliter erhältlich (3,30 €). Für Bayern und solche, die meinen, das Zeug dazu zu haben, gibt’s die Maß für 7,90 €. Während mein Schwager die sich ihm bietende Gelegenheit ausgiebig nutzte, begnügte ich mich dem Führerschein zuliebe mit Apfelschorle (0,4 L zu 3,70 €). Später kam noch ein zugekauftes und irgendwie verzichtbares alkoholfreies Weizen dazu (4,70 €). Weitere Getränke am Tisch waren Maracuja-Schorle (0,4 L zu 4,20 €) und Karamalz (0,33 L zu 2,50 €).
Die für Brauhäuser typischen Fleischschmankerln dominieren die Speisekarte; es gibt aber auch zwei vegetarische und ein veganes Gericht. Zwei weitere vegetarische fanden sich unter den drei Gerichten der Wochenkarte, so dass Fleischverächter sich hier gut aufgehoben fühlen können.
Das einzige Fleischgericht auf der Wochenkarte zwinkerte mir aber schamlos zu: Dem Haxengröstl mit Spiegelei und Bratkartoffeln (9,40 €) konnte ich schlicht nicht widerstehen. Hätte ich mal lieber…
"Haxen"gröstl
Während es an Ei und Bratkartoffeln nichts auszusetzen gab, musste in der Küche wohl die Haxe ausgegangen sein. Von zartem, faserigem Haxenfleisch keine Spur, stattdessen in Quader geschnittenes, knorpeliges und ziemlich trockenes Bauchfleisch. Immerhin war der Bauch am Stück gegrillt worden, sodass ein paar knusprige Hautvierecke dabei waren. Da meine Frau und ich eingeladen waren, äußerte ich meine Enttäuschung am Tisch nur in Maßen.
Die Kellnerin, in zwei leisen Sätzen darauf hingewiesen, schaute etwas verdutzt, hatte aber keine Erklärung parat. Ob sie den Hinweis für sich behielt, weiß ich nicht, eine Rückmeldung zu diesem schweinischen Fehlgriff kam jedenfalls nicht. Hier ist die Fanbasis offenbar so groß, dass es solche Feinheiten nicht mehr braucht.
Meine Frau machte es besser, indem sie gleich den Grillbauch mit Senf und Brot bestellte (6,40 €). Das Fleisch zart und schön geröstet und die Haut knusprig. Eine halbe dieser Scheiben landete schlussendlich auf meinem Teller, sodass ich ihre Zufriedenheit gut nachvollziehen konnte.
Nicht nur das Bier weckte Erinnerungen. Auch unsere vegetarische - eigentlich pescetarische, aber Fisch gibt es hier keinen - Nichte wählte etwas from down memory lane, nämlich die Käsespätzle (9,90 €), die sie in ihrer Jugend so geliebt hatte und die sie in London schmerzlich vermisst. Sie machte einen durchaus zufriedenen Eindruck, und dass am Ende einiges auf dem Teller blieb, lag nur an der (für sie) gewaltigen Portion.
Zufrieden schienen auch ihre Eltern mit je einem halben Hähnchen (mit Brot 7,90 €, mit Pommes 9,90 €), was einen bei Betrachtung des Fotos nicht überrascht.
Im Vogel wird übrigens das ganze Hähnchen verwertet. Das ist comb-to-claw, wie man es sich heutzutage wünscht.
Fassen wir zusammen. Das Bier war noch so gut wie immer. Auch das Essen war grundsätzlich von der gleichen Gediegenheit, wie wir sie von unseren jetzt schon länger zurückliegenden Besuchen in Erinnerung hatten. Das verkorkste Haxengeröstl gab allerdings Rätsel auf, die der Service nicht aufklären konnte oder wollte. Wo Haxe drauf steht, sollte schließlich Haxe drin sein, und nicht irgendwas, was auf dem Küchentisch gerade herumliegt.
Um beim Service zu bleiben: Die Kurzangebundenheit der anfänglichen Platzanweiserin war vielleicht dadurch zu erklären, dass wir kurz vor ihrem Schichtende eingetroffen waren, seltsam war es aber schon. Die Kollegin, die uns dann übernahm, war insgesamt etwas zugewandter, hatte allerdings so viel um die Ohren, dass der Biernachschub am Schluss nur noch stockend lief.
Unser Schwager war von alldem unberührt – das Wiedersehen mit seinem Lieblingsgetränk versetzte ihn in einen derartigen Glückszustand, dass er ernsthaft versicherte, nun ruhig sterben zu können.