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Als bereits seit langer Zeit durchgehend mit 2 Sternen im Michelin und 19/20 Punkten im Gault Millau prämiertes Restaurant stand das im "Fairmont 4 Jahreszeiten Hotel" gelegene Restaurant "Haerlin" schon immer sehr weit oben auf meiner "Fine-Dining-Wunschliste". Auch die ruhige und bodenständige Art von Chefkoch Christoph Rüffer, die man bei seinen manchmal stattfindenden Fernsehauftritten sehen kann, machten und machen mir das Restaurant zusätzlich sympathisch, verspricht sie doch eine ebenso präzise und auf den Wohlgeschmack und weniger "Provokation" ausgerichtete Küchenphilosophie.
Mit viel Vorfreude machte ich mich dann an einem Freitagabend im September 2017 in Erwartung kulinarischer Sternstunden also auf den Weg in die große Hansestadt an der Elbe.
Gerne nehme ich dabei vorweg, dass diese Vorfreude mehr als erfüllt wurde.
Außenansicht.
Innenansicht.
Schon durch die Lounge-artige Aufmachung des Interieurs mit seinen bequemen Sesseln bzw. Couch-Ecken und den leicht grünlichen Farbtönen kam bei mir vom ersten Moment an ein entspanntes Wohlgefühl auf. Für heutige Zeiten wirkt das Interieur vielleicht ein wenig zu sehr auf luxuriös und pompös gemacht, aber als erdrückend habe ich es nicht empfunden. Wer sich an dem großen, beeindruckenden gläsernen Weinregal nicht satt sehen kann, der kann auf der anderen Seite den Blick über die Hamburger Alster schweifen lassen.
Bedient wurde ich während dieses Abends von unterschiedlichen Männern und Frauen des durchaus
jungen Serviceteams, die allesamt sehr charmant und freundlich waren. Vor allem der junge Mann, der mich auch bei der alkoholfreien Getränke-Begleitung beriet, war sehr locker, aufgeschlossen und sorgte für entspannten Smalltalk. Trotzdem agierten sie auch immer professionell und aufmerksam und hat damit nichts Anderes als 5/5 Sternen verdient.
Zum Zeitpunkt meines wurden zwei verschiedene, feste Menüs angeboten. "Die große Gaumenparty" mit 6 Gängen zuzüglich Amuse Bouche, Predessert und Petit Fours für 185,00€ und "Die kleine Aromenbehandlung" in 4 Gängen zuzüglich des gleichen Amuse Bouche, Predessert und Petit Fours für 145,00€. Heute sind die Preise sicherlich leicht gestiegen, sind aber auch stets auf der Speisekarte im Internet vorher einsehbar
Ich entschied mich natürlich für "Die große Gaumenparty". ;-)
Eine Eigenheit des "Haerlin" lernte ich bei diesem Besuch ebenfalls sehr schätzen. So wird zu jeder einzelnen Speise ein Kärtchen vom Service mit auf den Tisch gestellt, in dem alle Bestandteile des vor einem stehenden Kunstwerk erläutert werden. Das nimmt nicht nur dem Service langwierige (und meist doch trotzdem in Vergessenheit geratene) Vorträge ab, sondern freut so kulinarisch interessierte Personen wie mich noch mehr. Zudem kann man sie als Andenken ganz einfach mit nach Hause nehmen und sich so für die Erinnerung an ein schönes Menü behalten.
Als Aperitif wurde mir als alkoholfreie Alternative eine Apfel-Secco angeboten, der den Appetit fein und schön prickelnd weiter förderte.
Apfel-Secco als alkoholfreier Aperitif.
Den Auftakt des folgenden "Amuse Bouche"-Trios legte ein "Burratakissen mit Koriander" hin.
"Burratakissen mit Koriander".
Der Burrataschaum unglaublich fluffig und fein. Dem krossen
Hefeteigkissen gab der wunderbar fluffige Burrateschaum eine schöne Fülle, welche das fruchtige Chutney passend auflockerte. Schon diese erste Kleinigkeit entpuppte sich als großartige Kombination
hinsichtlich Konsistenzen und Aromen.
Als 2. Amuse Bouche folgten "Junge Karotten mit Fenchelpollensud & Schildampfer".
"Junge Karotten mit Fenchelpollensud & Schildampfer".
Erneut war es wirklich beeindruckend, wie verdichtet die Aromen daherkamen: trotz der geringen Dosierung waren sie intensiv und trotzdem ausgeglichen. Vor allem der Fenchel war sehr fein dosiert und passte sehr gut zur süße der Karotten. Die kleinen Möhrenstücke brachten schließlich noch den nötigen Biss in das Gericht.
Abgeschlossen wurde der Amuse Bouche Reigen mit "Warm geräuchertem Faröer Lachs im fruchtigen Olivenöltee".
"Warm geräuchertem Faröer Lachs im fruchtigen Olivenöltee".
Der Lachs zerschmolz sprichwörtlich auf der Zunge. Dem stellten die kleinen krossen Speckwürfel einen optimalen Kontrast entgegen. Eine Creme schmeckte deutlich nach Sellerie und hatte eine leichte Meerrettich-Note. Krönung war der fruchtige Olivenöl-Tee, der sogar Aromen von Himbeere und Erdbeere aufwies. Diese leichte Schärfe und Fruchtigkeit begleitete somit Lachs und Speck perfekt.
Es folgten kleine, hausgemachte Sauerteig- und 5-Korn-Brötchen in Muffinform die außen wunderbar rösch waren und eine noch warme und fluffige Krume hatten.
Hausgemachte Sauerteig- und 5-Korn-Brötchen mit Sauerkraut-Quarkcreme (links) und "Heu-Butter" (Mitte).
Dazu gab es Quarkcreme mit Sauerkraut und Schnittlauch (links), sowie aufgeschlagene, gesalzene Heu-Butter mit etwas Heu-Staub (Mitte). Vor allem die Quarkcreme hatte eine tolle Konsistenz und versprühte tatsächlich ein leicht säuerliches Krautaroma.
Der "richtige" 1. Gang nannte sich "Tomatenselektion "Kleverhof" mit geröstetem Pfeilkalmar".
"Tomatenselektion "Kleverhof" mit geröstetem Pfeilkalmar".
Einfach beeindruckend, wie vielfältig man Tomaten präsentieren kann. Das weiße Tomateneis so intensiv, dazu die knusprigen Kartoffel-Tomatenchips für den Crunch. Die Pfeilkalmare hatten einen herrlichen Biss und waren in keinster Weise gummiartig und glänzten zudem mit tollen Röstaromen. Ganz toll war auch der mit Oregano aromatisierte Sud, der Erinnerungen an Tomaten-Mozzarella-Salat hervorbrachte.
Jedes Einzelteil perfekt und auch das Ganze so schlüssig und abwechslungsreich.
Weiter ging es mit "Grünem Gartengemüse mit Kaisergranat & Verveine".
"Grünem Gartengemüse mit Kaisergranat & Verveine".
Auch hier offenbarte sich wieder Kochperfektion bis in jedes Detail. Erbsen und Saubohnen überzeugten mit ihrer frischen Knackigkeit und auch der Kaisergranat hatte einen herrlich festfleischigen Biss. Dazu erfrischte der zitronige Sud, der durch das Krustentieröl gleichsam würzig war. In Erinnerung blieb auch besonders die Zwiebelcreme, die leicht süßlich war und trotzdem an süchtig machende Röstzwiebeln erinnerte.
Auch beim 3. Gang blieb man mit "Glattbuttfilet mit Blumenkohlsahne & Kaviar" ganz im Meer.
"Glattbuttfilet mit Blumenkohlsahne & Kaviar".
Wie nicht anders zu erwarten kam der Butt auf den Punkt glasig und mit kräftigem Eigengeschmack daher. Das Kartoffel-Lauch-Ragout hatte eine angenehm cremige Konsistenz und bestacht mit deutlichem Laucharoma. Der Kaviar fügte das nötige Quäntchen Salz hinzu und die Blumenkohlscheiben haptische Abwechslung mit knackigen Biss. Der Petersilienschaum ergänzte die Gesamtkomposition sinnvoll mit seinem intensiven Kräuteraroma.
Beim ebenfalls servierten Glattbutt-Saum trafen kräftige Aromen von Fisch und Fleisch (letztere durch den angenehm salzigen Kalbsjus-Lack) aufeinander und gingen perfekt Hand in Hand.
Mit dem "Schönmoorer Freilandgockel mit Steinpilzen & Albuferajus" kam nun das ersten Mal ein Fleischgang daher.
"Schönmoorer Freilandgockel mit Steinpilzen & Albuferajus".
Wenn ein bisschen Jammern auf hohem Niveau erlaubt sein darf, dann war dies nur bei diesem Gericht für mein Empfinden dabei. Die Haut der Brust war zwar schön kross doch das Fleisch kam mir im Mund leider bereits etwas zu trocken und etwas geschmacksneutral daher. Zum Glück versprühte die Jus aber ein wirklich toll intensives Geflügelaroma und auch Trüffel und Haselnuss kamen aromatisch klar zur Geltung. Nur die kleinen Steinpilzstücke und -Würfel unter der Polentascheibe waren, wie auch die Polenta an sich, ebenfalls leider mit nur wenig Geschmack und Würze versehen und ließen somit keinen kulinarischen Mehrwert für das Gericht erkennen.
Beim Finale des herzhaften Menüteils mit dem "Rehrücken aus dem Segeberger Forst mit Ananaskirschen & Wacholder" passte es dann aber wieder zu 100%.
"Rehrücken aus dem Segeberger Forst mit Ananaskirschen & Wacholder".
Ein auf den Punkt rosa gebratener Rehrücken begeisterte mich mit seinem intensiven Wildgeschmack, der durch die knusprigen Malzbrösel noch verstärkt wurde. Die tiefgründige Sauce unterstrich diesen Wohlgeschmack zusätzlich. Sehr interessant fand ich zudem die Wacholder-Hollandaise, die an sich
sehr stark nach Wacholder schmeckte, in Kombination mit Sauce und Wild aber eine perfekte Balance einging. Klasse war auch das sämige Artischockenpüree und der ebenfalls mit Püree gefüllte Boden, der passend mit knusprigen Artischockenstückchen gespickt war. So füllten Ananaskirschen und Preiselbeeren noch die fruchtig-süßlich Lücke im alle Geschmacksknospen ansprechenden Ensemble.
Ganz toll fand ich auch die alkoholfreie Begleitung in Form eines intensiven, roten Traubensaftes, der wunderbar zum kräftigen Wild passte.
Alkoholfreie Begleitung zum Rehrücken.
Das Predessert "Steinklee mit Sternrenette, Kopfsalat & Erdnuss" schlug nun die Brücke zum süßen Abschluss des Menüs.
"Steinklee mit Sternrenette, Kopfsalat & Erdnuss".
Und dieser lieferte mir gleich einmal einen echten "Wow-Effekt" und ein für mich ganz neues Geschmackserlebnis. Der gemüsige und an Wald erinnernde Teil in Form des Kopfsalates und Klees bereicherte den Dessertcharakter, der vor allem durch die herrliche Vanillecreme in dem grauen "Stein" und das süß-säuerliche Apfelkompott erzeugt wurde auf eine faszinierende und unerwartete Art und Weise. Die Erdnüsse sorgen dann dafür, dass auch der nussige und crunchige Part perfekt abgedeckt wird.
Ein sich ins kulinarische Gedächtnis wahrlich einbrennendes Gericht.
Das Haupt-Dessert dreht sich dann um "Altländer Kirschen mit Holunderblüten & Eppendorfer Sommertau".
"Altländer Kirschen mit Holunderblüten & Eppendorfer Sommertau".
Auch hier servierte die Patisserie eine traumhafte Variation von Kirsche und Holunder in allen Facetten von Konsistenz und Temperatur. Ganz interessant fand ich zudem den a part gereichten Chip mit Joghurtcreme, der an ein crunchiges Joghurt-Müsli erinnert.
Mit den natürlich ebenfalls sehr guten Petit Fours namens „Hamburg meine Perle" fand die Gaumenparty dann leider auch schon ihr Ende.
Petit Fours „Hamburg meine Perle".
Fast jeder Gang der "Großen Gaumenparty" (den Freilandgockel muss ich da leider etwas rausnehmen) glänzte nicht nur mit einer großartigen Vielfalt, sondern vor allem mit Perfektion und höchster Produktqualität bei allen Komponente und Details.
Intensive und tiefgründige Aromen entfalten sich so auf jeder kleinen Gabel und jedem Löffel im Mund. Trotzdem formt sich dabei um jedes Gericht ein schlüssiger Kreis der Geschmacksrichtungen und Konsistenzen.
So fällt es wirklich leicht, über jeden einzelnen Gang einen kleinen Roman schreiben zu können. ;)
Ich persönlich kann nach dieser kulinarischen Erfahrung nur meinen großen Respekt und meine große
Bewunderung für die Leistung und Leidenschaft von Herrn Rüffer und seinem Team
aussprechen, die sich so eindrucksvoll in den Gerichten wiederspiegelte. Wenn man im Genuss mehrmals innehalten und die Augen schließen muss, dann geht es doch wirklich nicht besser. Gerade das Predessert "Steinklee mit Sternrenette, Kopfsalat & Erdnuss" war dabei in seiner Fusion von Kräuteraromen und Gemüse mit fruchtigen und klassisch süßlichen Aromen eine kulinarisch sogar gänzlich neue Erfahrung für mich.
Es war also einfach von vorn bis hinten ein Erlebnis im 7. Himmel, an dem meiner (und ich denke auch einiger andere) Meinung nach definitiv mehr als nur 2 Sterne leuchten sollten. ;-)