Geschrieben am 29.09.2021 2021-09-29| Aktualisiert am
01.10.2021
Besucht am 16.09.2021Besuchszeit: Abendessen 2 Personen
Rechnungsbetrag: 462 EUR
„Bin gespannt, wie Dir das Handwerk gefallen wird!“ So verabschiedete mich Kritikerfreund Carsten1972 am Ende unseres gemeinsamen Hannover-Wochenendes. Jetzt, nach meinem Besuch im kleinen Sternerestaurant in der Südstadt kann ich versichern: Es ist toll!
Für einen an sich kurzen beruflichen Anlass fand sich einfach kein Zeitfenster für eine gleichtägige Hin- und Rückfahrt von und nach Braunschweig oder Bremen. Aus dieser Not eine auch kulinarische Tugend machend, einigten wir uns auf ein abendliches Treffen in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Ein Ziel war schnell gefunden, denn nicht nur die Kritiken von Tischnotizen ließen eine kreativ-moderne, aber noch zugängliche Sterneküche erwarten - natürlich mit handwerklichem Können und in entspannter Umgebung.
„Und wir wurden nicht enttäuscht!“
Bereits im Vorfeld gestaltete sich die Kommunikation per E-Mail einfach und zwanglos: Auf zwei Anfragen per Mail antwortete Geschäftsführerin Tanja Funke fast umgehend, freundlich und unkompliziert. Dass man hier sogleich geduzt wird, hatte ich eigentlich fast erwartet; ich sag mal: Besser per Du als perdu...
Der Sommer hatte selbst dem Norden noch zwei südlichere Tage gegeben und so war mir doch recht warm, als ich nach meinem Fußmarsch vom Bahnhof an der unscheinbaren Ladenzeile aus den 50ern eintraf. Dafür hatte ich tout Hannover am Maschsee-Ufer bestaunen dürfen, auch schön. Insgeheim hatte ich darauf gehofft, dass wir auf der kleinen Terrasse genießen würden, was aber daran scheiterte, dass nach den nassen Tagen zuvor die Holzmöbel gut eingeölt im Keller vom nächsten Frühling träumten.
Macht nichts, die verkehrsreiche Straße ist zwar etwas entfernt, aber sonderlich hübsch sitzt man nun auch nicht. Außerdem wollte ich das reife Pärchen mit Hund nicht stören, das zufrieden am Schaumwein nippte und heitere Ruhe ausstrahlte.
So trat ich über die barrierefreie Schwelle ein, aber es wurde mitnichten still, denn Gastgeberin Ann-Kristin Wohlfeld empfing mich so freundlich, dass mir gleich warm ums Herz wurde. Wer ihr auf dem Kassenbon gedrucktes Kürzel AKW mit Energie und einem Strahlen verbindet, liegt sicher nicht falsch. Souverän, professionell, ehrlich interessiert und dabei von ungekünstelter Freundlichkeit kam sie auch mit dem meinungsstarken Gast klar, der extra 30 Minuten vor der Reservierung erschien, um auch ja genug Zeit für die Weinauswahl zu haben. Denn nicht nur beiden oben erwähnten Weinzähne hatten vor einem gewissen Hang der Mit-Inhaberin zu experimentellen Rebensäften „gewarnt“. Geht manchmal, aber dieser Abend sollte einfach dem Ankommen, Fallenlassen und Genießen gehören. Und das gelang auch deshalb, weil nicht nur die Chefin, sondern auch ihr Serviceteam - die junge Frau gerade ausgelernt, ihr Kollege vielleicht noch in der Ausbildung, aber nur anfangs etwas unsicher - mir einfach alle Wünsche erfüllten. Hier regiert ein freundliches „Klar!“ statt des inflationären „Sehr gerne!“
Zum Wohlgefühl trug auch das grundsätzlich klare Design in den beiden kleinen Gasträumen bei, das durch kräftig farbige Kunst an den Wänden Power erhielt. Den ganzen Abend über wurde nicht zu laut Musik meiner Jugendzeit gespielt, auch sowas sorgt halt für beschwingte Stimmung.
Das und ein oder zwei Gläschen:
Mein Begleiter hatte sich gleichfalls gesputet, denn Durst ist bekanntlich schlimmer als Heimweh.
Für die äußerliche Erfrischung sorgten feuchte Frotteetücher mit einem wunderbaren Duft von Zitronengras-Öl. Innerlich gab es zunächst ein alkoholfreies Bier, denn die Tee-Sparklings aus dem Hause von Nahmen, die statt der Prickler von Jörg Geiger angeboten wurden, werde ich beim nächsten Mal probieren.
Danach ein weißer Vermouth, der von einem Zweiglein Schafgarbe statt Zitronenschale begleitet war. Sah hübsch aus auf dem großen Eisball. Aber konnte zumindest geschmacklich dem doch ziemlich süßen Likörwein zu wenig Paroli bieten. Das Angebot wieder auf den üblichen Twist auszuweichen, hatten wir selbstbestimmt abgelehnt. Selbst schuld. (Foto in der Galerie)
Wie geplant blieb unsere Weinauswahl zunächst mit Sancerre und Mâcon-Village in ruhigen Bahnen. Im weiteren Verlauf wechselten wir mutig zum Champagner und beim Dessert „jubelte“ uns die Gastgeberin einen süßen spanischen Naturwein unter, den wir gleichwohl sehr genossen haben.
Da lag schon ein Großteil des allein angebotenen, in der Regel bis zu 6-gängigen Menüs hinter uns, das wir gerne um den angebotenen Extra-Gang erweitertet hatten.
Die Küche grüßte zunächst mit einer Schnitte fester Fjordforelle, die in einem nicht zu brachialen Sellerieschaum badete. Getrocknete braune Butter sorgte für eine elegante Verbindung, etwas Textur und einen verführerischen Duft. Amuse:Fjordforelle
Wenige, aber klare Aromen, stimmig kombiniert und abwechslungsreich präsentiert, kündigten bei den drei Einstimmungen den Kurs von Chef Thomas Wohlfeld an, der persönlich den Abend bei seinen von Carsten1972 angekündigten Nachwuchs verbrachte. Der Leistung in der kleinen, offenen Küche hat das überhaupt nicht geschadet.
Beim Rotkohl-Macaron mit Birnencrème gefielen gut balanciertes Süße-Säure-Spiel und die Texturen.
Auch das Tartelette hatte feinen Knusper. Der Klecks grob geschnittenes Tatar bekam durch Radieschen Frische und eine leichte Zwiebelnote. Erinnerte mich an ein sehr elegantes Mettbrötchen. (Fotos in Galerie) Rindfleisch sollte uns später noch in anderer Form begegnen.
Den anregenden Reigen schloss eine Kombi aus Erdnuss, die mit Shiso und Cranberry sowohl scharfe als auch fruchtig-saure Spitzen mitbrachte. (Foto in der Galerie) Rotkohl-Macaron mit Birnencrème
Wenig später durften wir uns am selbst gebackenen Sauerteigbrot freuen, das eine tolle, nicht zu feine Kruste hatte und uns im Inneren neben Fenchelsamen und Kümmel mit einer pfeffrigen Schärfe überraschte. Serviert mit aufgeschlagener Butter nebst Olivensand war das sehr gutes Handwerk, in der Tat!
Das eigentliche Menü startete mit einer frischen Kombi aus Gurke, Molke und Heidelbeere. Manche mögen Gurke nicht; ich habe sie zu schätzen gelernt, da die Sorten - befreit vom wässrigen Kerngehäuse - interessante Nuancen von säuerlich über süßlich bis nussig haben können. Gurken-Eis mag ich fast so wie Basilikum- oder Paprika-Eis, so bei diesem Teller, der auch mit eingelegten, aber noch knackigen Stücken aufwartete. Neben den leckeren Sommerbeeren, die ebenfalls als Gel verarbeitet waren, sorgte Dillöl dafür, dass der Teller nicht zu sehr ins Anstrengende abglitt. Ein Chip, vielleicht Buchweizen mit Dill, steuerte ein weiteres Mundgefühl bei. Mir fiel eine kräftige Salzigkeit auf, die mein Genussgenosse vehement bestritt. Gurke, Molke, Heidelbeere
Beim nächsten Teller waren wir uns einig. Der Dreiklang aus saftigem weißem Heilbutt, knackigem Kohlrabi und später angegossener, intensiver Krustentierbisque hatte eine tolle Entwicklung von Texturen, Temperaturen und Geschmack. Auch hier meldete sich ab und an ein Kräuteröl „zu Wort“, doch die Hauptdarsteller hatten immer ihren gebührenden Platz. Bestens abgestimmte 3-Komponenten-Küche. Weißer Heilbutt mit Kohlrabi… …und Krustentier-Bisque
Nach dem Fischgang wurde es noch einmal vegetarisch.
Unter „Vierländer Platte“ hatte ich einen Gemüsereigen aus dem Süden Hamburgs erwartet und kommentierte sogleich ironisch die fremdländische Herkunft von Melone und Belper Knolle. Tja, um mal sprachlich in Hamburg zu bleiben: „Min leeven Udel, du smiets een Pudel!“ Denn der kleine Genuss-Polizist in mir hatte halt keine Ahnung gehabt, dass es sich um eine wohlschmeckende alte Tomatensorte handelt, die ihren Namen der etwas flachen Form verdankt.
Verschiedene Variationen des schönen Nachtschattengewächses wurden dekliniert, zuoberst ein toller Baiser-Taler aus dem Tomatenwasser. Melone sorgte für zusätzliche Süße und der geraspelte Schweizer Rohmilchkäse sollte schmelzende Würzigkeit einbringen. Das war mir allerdings zu verhalten, um die süßen Anteile im Zaum zu halten. Nun, ein schneller Sprung in Richtung Küche, eine Phrase bezüglich des persönlichen Geschmacks und schon war mit ein paar Flocken Fleur de Sel Abhilfe geschaffen. Vierländer Platte Belper Knolle schmilzt auf Elbtomate
Der Gang durch die Fleischabteilung startete mit einer rohen Roulade. Für diesen Extra-Teller füllte die Küche einen kleinen Streifen festes Galloway-Fleisch aus Friesoythe mit mild säuerlicher Senfsaat und garnierte sowohl mit gepoppter Schweinhaut als auch schonend ausmassiertem Rhön-Kaviar. An diesem Abend hatte ich oder die Küche ein kleines Salzproblem; hier war es mir wieder zu viel des Guten. Obwohl die Beurre Blanc mit Sake natürlich schon etwas ausglich. Kurz und gut, mich holte das nicht so ab, während mein Gegenüber sicht- und hörbar schwelgte. Rohe Roulade mit Rhön-Kaviar
Aber wir blieben nicht lange entzweit, denn der nächste Teller war pures Soulfood für Fleischliebhaber. Nach dem mageren Rindfleisch spielte der krosse Schweinebauch natürlich in einer anderen Fettklasse. Chawanmushi bildete die Unterlage, Tempura-Perlen mit Barbecue-Aroma den Höhepunkt dieser Umami-Bombe. Allein Erbsen - trotz des einsamen Rufers aus der hannöverschen Wüste auch hier zu Gel und Öl verarbeitet - sorgten für nicht nur optisch „grüne“ Akzente. Yummy! Schweinebauch, Chawanmushi, Erbse
Nach soviel Süffigkeit hatten wir eine Erfrischung verdient. Die wird im Handwerk gar nicht altmodisch, sondern unangestrengt modern präsentiert. Eine dezent pikante Crème von Roter Shiso und ein Grapefruitsorbet-Lolli weckten die Papillen aus ihrer wohligen Molligkeit. Erfrischung, bitte anklicken
Und das zu Recht, denn es ging weiter mit Weidehuhn, natürlich von Odefey & Töchtern: Das Bruststück saftig und voller Geflügelgeschmack, nur nach meinem persönlichem Gusto einen Tick zu durch. Dafür mit einer knusprigen Haut gesegnet. Wo diese sich etwas gelöst hatte, war das Fleisch leider durch knallige Hitze ausgetrocknet. Aber das betraf ja nur Quadratmillimeter und tat der Freude am Geschmack kaum Abbruch.
Mit grünen Erdbeeren und deren Gel war das Ganze sehr puristisch angerichtet und schien damit doch aus dem Rahmen des bisherigen Küchenstils zu fallen. Aber eben nur bis à part ein Ragout aus Pfifferlingen mit Hühner-Leber und -Herzen gereicht wurde. Dazu etwas Kräuteriges, vielleicht Liebstöckel. So süffig, so gut! Und ebenso gut der krosse Hautchip mit Kimizu-Mayonaise und erneut Erdbeere. Das war sooo lecker! Weidehuhn von Odefey&Töchter Pfifferlinge, Hühnerherzen und -Leber, Hautchip mit grüner Erdbeere und Kimizu
Das Pre-Dessert aus Sauerrahm, Petersilie und einem Honigtrüffel war frisch, mit einer angenehmen Bitter-Note, nicht zu süß und hätte absolut ein Foto verdient, welches sich leider nicht finden lässt.
Den Abschluss des Menüs bildete eine Kombination von überraschend süßer roter Bete, Schokoladeneis (70% Original Beans) und Apfel in Form von Schaum und Perlen. Insgesamt süß; der Granny Smith setzte nur gelegentlich Spitzen. Ich hätte mehr erdige Noten erwartet und mir auch gewünscht. Aber ich bin ja auch mehr Fan vom Süßen Fan als von Süßem. Rote Bete, Original Beans, Apfel
Leider leistet sich das kleine Handwerk kein Käseangebot. Ich kann das aus wirtschaftlichen Überlegungen verstehen, bedauere es aber natürlich.
Aber noch hatte AKW nicht nur ein, sondern gleich zwei Asse im Ärmel!
Denn als kleine Rausschmeißer oder vielmehr Tröster, dass so ein herrlicher Abend zu Ende ging, wurden zunächst Pralinen aus einer Olivenöl-Ganache angeboten, natürlich mit dem guten Zeug vom Solinger Händler Jordan. Eine erfreuliche Durchbrechung erwartbar süßer Leckereien zum Abschluss. Olivenöl-Ganache
Und dann gab es da noch eine offensichtlich selbstgemachte Schokowaffel. Dachte ich und der erste, krachende Bissen schien mir Recht zu geben. Aber nein, unter der dunklen Kuvertüre, die mit getrockneten fruchtigen Erdbeeren getoppt war, entwickelten sich plötzlich salzige und umami Aromen, wie wunderbar! Tatsächlich war es nochmals krosse Schweinehaut, die diesen kleinen Geniestreich ausmachte! Bravo! Chapeau! Und natürlich: Toll, toll, toll! Surprise! Surprise!
Bester Laune und mit großer Dankbarkeit für diesen gemeinsamen Abend voll mit kulinarischen Genüssen, viel Wein und vor allem vertrauten Gesprächen verabschiedeten wir uns vom Team des Handwerk und vor dem Restaurant auch voneinander, weil ich den letzten Zug erreichen musste.
Dieser Besuch wird für immer eine wundervolle und schmerzliche Erinnerung an meinen Freund Rüdiger bleiben, der wenige Tage nach unserem Treffen tödlich verunglückte.
„Bin gespannt, wie Dir das Handwerk gefallen wird!“ So verabschiedete mich Kritikerfreund Carsten1972 am Ende unseres gemeinsamen Hannover-Wochenendes. Jetzt, nach meinem Besuch im kleinen Sternerestaurant in der Südstadt kann ich versichern: Es ist toll!
Für einen an sich kurzen beruflichen Anlass fand sich einfach kein Zeitfenster für eine gleichtägige Hin- und Rückfahrt von und nach Braunschweig oder Bremen. Aus dieser Not eine auch kulinarische Tugend machend, einigten wir uns auf ein abendliches Treffen in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Ein Ziel war... mehr lesen
Handwerk | Casual Fine Dining
Handwerk | Casual Fine Dining€-€€€Restaurant, Sternerestaurant051126267588Altenbekener Damm 17, 30173 Hannover
4.5 stars -
"Kunst-Handwerk!" DerBorgfelder„Bin gespannt, wie Dir das Handwerk gefallen wird!“ So verabschiedete mich Kritikerfreund Carsten1972 am Ende unseres gemeinsamen Hannover-Wochenendes. Jetzt, nach meinem Besuch im kleinen Sternerestaurant in der Südstadt kann ich versichern: Es ist toll!
Für einen an sich kurzen beruflichen Anlass fand sich einfach kein Zeitfenster für eine gleichtägige Hin- und Rückfahrt von und nach Braunschweig oder Bremen. Aus dieser Not eine auch kulinarische Tugend machend, einigten wir uns auf ein abendliches Treffen in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Ein Ziel war
Geschrieben am 06.09.2021 2021-09-06| Aktualisiert am
07.09.2021
Besucht am 04.09.2021Besuchszeit: Abendessen 6 Personen
Rechnungsbetrag: 750 EUR
Deja vu! 2020 fiel das Feuerwerk aus, und auch 2021 war es den Ehepaaren Borgfelder und Carsten1972 nicht vergönnt, in den Herrenhäuser Gärten ein Feuerwerk anzuschauen. Nun denn, 2022 auf ein Neues.
Hotel war aber gebucht, und Hannover an sich ist ja immer eine Reise wert, ich hab da ja lange genug gelebt, um das zu fundiert behaupten zu können. Die Borgis in HB wurden kontaktiert, und es bestand schnell Konsens, wenn wir den Abend nicht in den Herrenhäuser Gärten verbringen können, dann verbringen wir den in einem Restaurant in Hannover. Kollege Borfelder strich das Handwerk aus meiner Liste, da will er diese Woche noch hin. Die Sichtung potentiell möglicher Ziele in Hannover ergab dann als Restaurant der Wahl das Basil. Kollege Tischnotizen hatte mir das immer wieder ans Herz gelegt für einen gemeinsamen Besuch, insbesondere weil der Weinkeller im Basil seinen Worten nach eine Sensation sein sollte. Und weil der Tipp von TiNo kam, wurde er natürlich parallel angefragt, ob er mit Ehemann ebenso an dem Abend Tischgenosse von uns sein möchte. Leider ging das nicht, die Beiden waren schon verplant mit einem Konzertbesuch.
So fuhren am Samstagmorgen von Bremen und Rheine kommend zwei PKW nach Hannover hinein. Der GDL und Herrn Weselsky hatten wir es zu verdanken, dass die Bahn keine Alternative bei der Anreise bot. Plan war, den Nachmittag zu nutzen für eine Shoppingtour durch die List und eine kleine Mittagseinkehr einzuschieben. Die Mittagseinkehr verbrachten wir wie fast immer im Ecco Feinkostladen auf der List in der Nähe der U Bahnstation Sedanstraße, dann ging es weiter in die erste Shopping Station meiner Liebsten. Da das alles kleine Boutiquen sind, die schon mit einer Kundin und der Verkäuferin überfüllt sind, blieb der Gatte draußen und trug die Taschen mit dem bereits erstandenen Gütern des täglichen (weiblichen) Bedarfs.
Und wen sah er dann auf der Terrasse des benachbarten Café Lohengrin sitzen? Frau und Herr Borgfelder! Sie hatten ja Shoppingvorsprung vor uns, waren früher im Hotel angekommen, und hatten ihre ermatteten Leiber an einen Tisch bugsiert und beschlossen sich zu stärken. Ich weiß nicht, was da bestellt wurde auf dem einen großen Teller für Beide, aber ich weiß, dem Borgi reichte das nicht, er verleibte sich noch einen hausgemachten Rote Beete-Herings-Salat ein. So verbringt man Nachmittage in Hannover, etwas essen, Geld ausgeben für Klamotten und Handtaschen und am späteren Nachmittag noch ein Glas Wein auf der Terrasse des Vince, bzw. dessen Vinoteca, dann kommt der Abend ganz schnell.
Tja, und auf ebenjener Vinoteca Terrasse erreichte mich dann auch noch eine Nachricht von den beiden Tischnotizen. Konzerte werden noch kurzfristiger abgesagt als Feuerwerke. Man hatte sich von Hannover-Linden aus also die Freiheit genommen über die etablierten guten Kanäle zum Basil einfach mal die Tischreservierung zu erweitern und aus dem Vierer- einen Sechsertisch werden zu lassen. Super, die Band of Brothers (in mind) war wieder vollzählig, ich zählte im Geiste schon mal, ob wir genug Kopfschmerztabletten dabei hatten……..
So fanden meine Frau und ich uns im Verein mit Frau und Herr Borgfelder um kurz vor 19 Uhr nach viertelstündigem Fußmarsch in den alten Pferdestallungen an der Dragonerstraße ein. Impfcheck per App war bei allen 4 schnell erledigt, irgendwann hatte dann auch mein Mobiltelefon es geschafft mich per Luca einzuchecken und es ging an den Tisch.
6 Plätze so wie es angekündigt war. Speisekarten und vor allen Dingen diese angebliche so legendäre Weinkarte ließen sich über einen QR Code mit dem Handy aufrufen und konnten dann gelesen werden. Der Gastraum war Teil der ehemaligen königlichen Pferdestallungen und aufwendig umgebaut worden zu einem Restaurant. Etliche Tische finden in ihm Platz und waren zum größten Teil an unserem Besuchsabend auch besetzt.
Irgendwann nicht so viel später als wir 4 tauchten dann auch Herr und Herr Tischnotizen auf. Die Beiden hatte ich schon seit dem 3. Oktober 2020 nicht mehr gesehen, den Borgi hatte ich ja im Juli recht angeheitert noch auf dem Hauptbahnhof Osnabrück ein letztes Mal verabschiedet. Herr TiNo bekam dann auch gleich den Auftrag einen angemessenen Aperitif zu erwählen.
Das Prickelwasser kam in geeistem Glas, sehr fein, auch für einen Champagner Amateur wie mich. Ein Champagner aus dem Hause Andre Clouet, Jahrgang 2008. Meine Frau gegenüber war schwer begeistert, ebenso so wie Frau Borgfelder. Ich habe bei mir persönlich immer das Gefühl, ich weiß so edle Champagner nicht genug zu schätzen und bekomme ein schlechtes Gewissen. Aber meine (Wein)Stunde würde schon noch kommen.
Parallel zum Champagner servierte der Service noch hausgemachtes Brot in drei Variationen mit einer Butter. Ein bisschen Knabbern an den drei leckeren und knusprigen Broten steigerte die Vorfreude auf das georderte Essen.
Das Restaurant bietet kein Menü an, es werden einige Vorspeisen, Zwischengänge und Hauptspeisen angeboten, dazu noch 3 Desserts, daraus kann man sich dann selber was zusammen basteln. Am Tisch war Einigkeit, dass Essen sollte sich 4 Gänge erstrecken. So wurde dann bestellt und ich konzentriere mich hier mal auf die Gänge von meiner Frau und mir. Die Speisekarte lässt sich hier einsehen: https://www.basil.de/speisekarte.pdf
Ebenso die Weinkarte, die an unserem Besuchsabend noch reichlich virtuell gewälzt wurde. https://www.basil.de/weinkarte.pdf
Danke an Frau Borgfelder, dass ich eine Lesebrille leihen durfte dafür! Bevor es dann mit der Vorspeise beginnen sollte, noch ein kleiner Gruß aus der Küche. Ich weiß nicht mehr 100% was es genau war.
Aber Rindfleisch war drin, aus der Region, ich meine dass vom Angus stammte (man mag mich korrigieren), geschmort war es und dann gezupft, so eine Art pulled beef oder Rillette. Das Ganze aus einem Boden aus Backwerk und einem Deckel aus einer gelierten Jus. Daneben noch eine Creme, aber auch bei der gilt, ich weiß nicht mehr was es war. Im Gesamten war es aber eine stimmige Aromen-Kombination mit viel Umami. Ich hatte inzwischen echt Hunger! Und zum Glück begann unser Menü dann auch, Frau und Herr Carsten1972 hatten natürlich (bei dem Angebot) dasselbe geordert. Hamachi mit Quinoa, Mango und Tomate war unser Beider Order. Auf einem Kreis aus Quinoa Salat, so könnte man es bezeichnen, in dem sich fruchtige und tomatige Aromen wieder fanden, lagen ein paar Scheiben roher Gelbflossenmakrele. Darauf dann Tupfen mit Säure und für die Cremigkeit. Weitere Säure brachte ein süß-saurer Saucenspiegel auf den Teller. Sehr fein, das war ein guter Start in unsere 4 Gänge. Der Champagner war geleert, und da ich mich beim Riesling deutlich besser auskenne als beim Champagner, durfte ich Bouteille Nummer zwei ordern. Die Weinkarte umfasst fast 75 eng bedruckte Seiten und sehr viele davon sind versehen mit Riesling Angeboten von deutschen und internationalen Winzern in einer sehr beeindruckenden Jahrgangstiefe. Man hätte jetzt Nummer sicher gehen können, und von allen möglichen VDP Weingütern etablierte große Lagen bestellen können, aber ich ging ins Risiko, orderte einen Wein von einer VDP klassifizierten großen Lage, aber nicht von einem VDP Weingut.
Weingut von Racknitz, Niederhäuser Hermannshöhle aus dem Jahr 2012. Ich gebe zu, ich hatte etwas Muffensausen vor dem Urteil der verwöhnten Tischrunde, aber ich glaube, der Wein gefiel in der Runde allen fast so gut wie mir selber. Fein, der durfte auch noch ein wenig nach Gang 2 hinüber läuten. Borgi war parallel beschäftigt, den Service einen angemessenen Burgunder öffnen und dekantieren zu lassen. Aber erstmal Gang 2 für meine Frau und mich. Hier gingen wir verschiedene Wege, für meine Frau Muscheln. Gebratene Jakobsmuschel mit Nordsee-Krabbensalat, Artischockenpüree und Cognacschaum war ihre Wahl. Ich durfte das Artischockenpüree probieren, eines meiner liebsten Gemüse. Das war perfekt geworden. Und auch über den Rest des Tellers hörte ich keine Klagen. Meine Wahl war ein klassisches Zwischengericht, eine Suppe.
Aber nicht irgendeine, sondern eine meiner Liebsten überhaupt. Erbsencrèmesuppe mit geräuchertem Heilbutt hatte ich geordert. Eine klassische schlichte Erbsencremesuppe ist ein Gericht, dass ich 24/7 essen könnte, 52 Wochen im Jahr! Diese war recht klassisch abgeschmeckt, keine ergänzenden Aromen, aber sie harmonierte zu meiner Überraschung perfekt mit der Einlage, dem geräucherten Heilbutt, der wahrlich in seiner puren Form ein Fisch ist, den ich nicht besonders schätze. Hier aber war die Kombination perfekt. Ebenso wie bei Frau Borgfelder wurde der Teller quasi lupenrein zurückgegeben, nicht verblieb darin! Klasse, diese Suppe! Neben mir war nach etlichen Tuscheleien vom Borgi mit dem Chef vom Basil, Stefan Kobling ein dekantierter Weißwein an den Tisch gebracht worden.
Zwar nur premier cru clos Saint Jean, wie unser Borgunder nicht müde wurde zu betonen, aber es war klar, meine Frau war im siebten Himmel, bzw. gedanklich in Chassagne Montrachet…….Chardonnay wie er sein muss, und perfekt zum Hauptgang meiner Frau und mir. Gepfefferter Kabejau mit Bohnencasoulette, geschmolzenen Birnen, Sellerie-Kartoffelstampf und (abwählbar) Schinken war unsere gemeinsame Wahl. Und Schinken abwählen bei einem Gericht mir Kabeljau kommt für uns Beide nicht in Frage! Wieder eine schöne klassische Kombination, unten ein schlotziges Püree, darüber ein paar Birnenschnitzen, die mit Fruchtigkeit und Säure ein Gegengewicht zum Püree waren, schön sättigend die wundervolle Cassoulette mit Bohnen und Kartoffeln. Und nicht zu vergessen ein aufs feinste gebratenes Stück Filet mit Kabeljau, selbstverständlich mit krosser Haut serviert. Die drei Fisch / Meeresfrüchte Gänge meiner Frau und mir waren ein Volltreffer! Noch weiter rechts von mir war man unterdessen zu der Meinung gelangt, ein Chardonnay ist kein Chardonnay und hatte Herrn Kobling wieder in den Keller geschickt um was aus der neuen Welt zu holen.
Vom Weingut Ramey Wine Cellars, Sonoma County, präsentierte sich dieser Chardonnay druckvoller, nicht so frisch wie der gleichaltrige Franzose aus dem Burgund. In direktem Vergleich, eingeschenkt in edlem Zalto DenkArt Degustations-Glas sicherte sich bei mir persönlich der Franzose den ersten Platz. Man mag das aber am Tisch auch anders gesehen haben. Unsere Tischrunde hatte, an zwei verschiedenen Chardonnays nippend beschlossen, Dessert geht noch. Und Frau und ich orderten wieder gleich. Baklava „Basil style“ mit Honig-Eis wurde uns Beiden serviert. Drei Tischgenossen war Baklava suspekt und sie orderten dieses Dessert. Kirsche und Kokos. Optisch war diese Wahl deutlicher gefälliger als unsere. Da durfte sich die Patisserie mal richtig austoben. Und natürlich gehört zu solchen Desserts ein ordentlicher Wein, nein, diesmal kein Sauternes für den Borgi und Carsten, sondern was von der Mosel.
Mit dieser Auslese von 2006 schlossen wir unser Mahl!
Die Servicetruppe um Herrn Kobling machte einen guten Job über den Abend. Die hauptsächlich jungen Damen waren sehr freundlich und zuvorkommend, und bis auf einen Fehlläufer, den man uns unterschieben wollte, war das alles wirklich in Ordnung. Spaß machten die Fachgespräche mit Herrn Kobling über sein Wein-Steckenpferd, Weinliebhaber müssen hier unbedingt einkehren, wenn sie in Hannover sind.
Kann ich also zum Fazit kommen. Wieder einmal war es ein wunderschöner Abend in unserer inzwischen etablierten Sechserrunde. Und das Restaurant Basil hatte mit seiner Leistung nicht unerheblich dazu beigetragen, dass wir glücklich den Rückweg zum Hotel antraten. Ich komme gerne wieder, wenn es sich ergibt. Und die Runde sieht sich am 9. Oktober wieder in Rheine, für die nächste epochale Weinverkostung. Ich freu mich sehr darauf!
Es war ein schöner Abend im Basil!
Deja vu! 2020 fiel das Feuerwerk aus, und auch 2021 war es den Ehepaaren Borgfelder und Carsten1972 nicht vergönnt, in den Herrenhäuser Gärten ein Feuerwerk anzuschauen. Nun denn, 2022 auf ein Neues.
Hotel war aber gebucht, und Hannover an sich ist ja immer eine Reise wert, ich hab da ja lange genug gelebt, um das zu fundiert behaupten zu können. Die Borgis in HB wurden kontaktiert, und es bestand schnell Konsens, wenn wir den Abend nicht in den Herrenhäuser Gärten verbringen... mehr lesen
4.0 stars -
"Gutes Restaurant mit überbordender Weinkarte" Carsten1972Deja vu! 2020 fiel das Feuerwerk aus, und auch 2021 war es den Ehepaaren Borgfelder und Carsten1972 nicht vergönnt, in den Herrenhäuser Gärten ein Feuerwerk anzuschauen. Nun denn, 2022 auf ein Neues.
Hotel war aber gebucht, und Hannover an sich ist ja immer eine Reise wert, ich hab da ja lange genug gelebt, um das zu fundiert behaupten zu können. Die Borgis in HB wurden kontaktiert, und es bestand schnell Konsens, wenn wir den Abend nicht in den Herrenhäuser Gärten verbringen
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Für einen an sich kurzen beruflichen Anlass fand sich einfach kein Zeitfenster für eine gleichtägige Hin- und Rückfahrt von und nach Braunschweig oder Bremen. Aus dieser Not eine auch kulinarische Tugend machend, einigten wir uns auf ein abendliches Treffen in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Ein Ziel war schnell gefunden, denn nicht nur die Kritiken von Tischnotizen ließen eine kreativ-moderne, aber noch zugängliche Sterneküche erwarten - natürlich mit handwerklichem Können und in entspannter Umgebung.
„Und wir wurden nicht enttäuscht!“
Bereits im Vorfeld gestaltete sich die Kommunikation per E-Mail einfach und zwanglos: Auf zwei Anfragen per Mail antwortete Geschäftsführerin Tanja Funke fast umgehend, freundlich und unkompliziert. Dass man hier sogleich geduzt wird, hatte ich eigentlich fast erwartet; ich sag mal: Besser per Du als perdu...
Der Sommer hatte selbst dem Norden noch zwei südlichere Tage gegeben und so war mir doch recht warm, als ich nach meinem Fußmarsch vom Bahnhof an der unscheinbaren Ladenzeile aus den 50ern eintraf. Dafür hatte ich tout Hannover am Maschsee-Ufer bestaunen dürfen, auch schön. Insgeheim hatte ich darauf gehofft, dass wir auf der kleinen Terrasse genießen würden, was aber daran scheiterte, dass nach den nassen Tagen zuvor die Holzmöbel gut eingeölt im Keller vom nächsten Frühling träumten.
Macht nichts, die verkehrsreiche Straße ist zwar etwas entfernt, aber sonderlich hübsch sitzt man nun auch nicht. Außerdem wollte ich das reife Pärchen mit Hund nicht stören, das zufrieden am Schaumwein nippte und heitere Ruhe ausstrahlte.
So trat ich über die barrierefreie Schwelle ein, aber es wurde mitnichten still, denn Gastgeberin Ann-Kristin Wohlfeld empfing mich so freundlich, dass mir gleich warm ums Herz wurde. Wer ihr auf dem Kassenbon gedrucktes Kürzel AKW mit Energie und einem Strahlen verbindet, liegt sicher nicht falsch. Souverän, professionell, ehrlich interessiert und dabei von ungekünstelter Freundlichkeit kam sie auch mit dem meinungsstarken Gast klar, der extra 30 Minuten vor der Reservierung erschien, um auch ja genug Zeit für die Weinauswahl zu haben. Denn nicht nur beiden oben erwähnten Weinzähne hatten vor einem gewissen Hang der Mit-Inhaberin zu experimentellen Rebensäften „gewarnt“. Geht manchmal, aber dieser Abend sollte einfach dem Ankommen, Fallenlassen und Genießen gehören. Und das gelang auch deshalb, weil nicht nur die Chefin, sondern auch ihr Serviceteam - die junge Frau gerade ausgelernt, ihr Kollege vielleicht noch in der Ausbildung, aber nur anfangs etwas unsicher - mir einfach alle Wünsche erfüllten. Hier regiert ein freundliches „Klar!“ statt des inflationären „Sehr gerne!“
Zum Wohlgefühl trug auch das grundsätzlich klare Design in den beiden kleinen Gasträumen bei, das durch kräftig farbige Kunst an den Wänden Power erhielt. Den ganzen Abend über wurde nicht zu laut Musik meiner Jugendzeit gespielt, auch sowas sorgt halt für beschwingte Stimmung.
Das und ein oder zwei Gläschen:
Mein Begleiter hatte sich gleichfalls gesputet, denn Durst ist bekanntlich schlimmer als Heimweh.
Für die äußerliche Erfrischung sorgten feuchte Frotteetücher mit einem wunderbaren Duft von Zitronengras-Öl. Innerlich gab es zunächst ein alkoholfreies Bier, denn die Tee-Sparklings aus dem Hause von Nahmen, die statt der Prickler von Jörg Geiger angeboten wurden, werde ich beim nächsten Mal probieren.
Danach ein weißer Vermouth, der von einem Zweiglein Schafgarbe statt Zitronenschale begleitet war. Sah hübsch aus auf dem großen Eisball. Aber konnte zumindest geschmacklich dem doch ziemlich süßen Likörwein zu wenig Paroli bieten. Das Angebot wieder auf den üblichen Twist auszuweichen, hatten wir selbstbestimmt abgelehnt. Selbst schuld. (Foto in der Galerie)
Wie geplant blieb unsere Weinauswahl zunächst mit Sancerre und Mâcon-Village in ruhigen Bahnen. Im weiteren Verlauf wechselten wir mutig zum Champagner und beim Dessert „jubelte“ uns die Gastgeberin einen süßen spanischen Naturwein unter, den wir gleichwohl sehr genossen haben.
Da lag schon ein Großteil des allein angebotenen, in der Regel bis zu 6-gängigen Menüs hinter uns, das wir gerne um den angebotenen Extra-Gang erweitertet hatten.
Die Küche grüßte zunächst mit einer Schnitte fester Fjordforelle, die in einem nicht zu brachialen Sellerieschaum badete. Getrocknete braune Butter sorgte für eine elegante Verbindung, etwas Textur und einen verführerischen Duft.
Amuse:Fjordforelle
Wenige, aber klare Aromen, stimmig kombiniert und abwechslungsreich präsentiert, kündigten bei den drei Einstimmungen den Kurs von Chef Thomas Wohlfeld an, der persönlich den Abend bei seinen von Carsten1972 angekündigten Nachwuchs verbrachte. Der Leistung in der kleinen, offenen Küche hat das überhaupt nicht geschadet.
Beim Rotkohl-Macaron mit Birnencrème gefielen gut balanciertes Süße-Säure-Spiel und die Texturen.
Auch das Tartelette hatte feinen Knusper. Der Klecks grob geschnittenes Tatar bekam durch Radieschen Frische und eine leichte Zwiebelnote. Erinnerte mich an ein sehr elegantes Mettbrötchen. (Fotos in Galerie) Rindfleisch sollte uns später noch in anderer Form begegnen.
Den anregenden Reigen schloss eine Kombi aus Erdnuss, die mit Shiso und Cranberry sowohl scharfe als auch fruchtig-saure Spitzen mitbrachte. (Foto in der Galerie)
Rotkohl-Macaron mit Birnencrème
Wenig später durften wir uns am selbst gebackenen Sauerteigbrot freuen, das eine tolle, nicht zu feine Kruste hatte und uns im Inneren neben Fenchelsamen und Kümmel mit einer pfeffrigen Schärfe überraschte. Serviert mit aufgeschlagener Butter nebst Olivensand war das sehr gutes Handwerk, in der Tat!
Das eigentliche Menü startete mit einer frischen Kombi aus Gurke, Molke und Heidelbeere. Manche mögen Gurke nicht; ich habe sie zu schätzen gelernt, da die Sorten - befreit vom wässrigen Kerngehäuse - interessante Nuancen von säuerlich über süßlich bis nussig haben können. Gurken-Eis mag ich fast so wie Basilikum- oder Paprika-Eis, so bei diesem Teller, der auch mit eingelegten, aber noch knackigen Stücken aufwartete. Neben den leckeren Sommerbeeren, die ebenfalls als Gel verarbeitet waren, sorgte Dillöl dafür, dass der Teller nicht zu sehr ins Anstrengende abglitt. Ein Chip, vielleicht Buchweizen mit Dill, steuerte ein weiteres Mundgefühl bei. Mir fiel eine kräftige Salzigkeit auf, die mein Genussgenosse vehement bestritt.
Gurke, Molke, Heidelbeere
Beim nächsten Teller waren wir uns einig. Der Dreiklang aus saftigem weißem Heilbutt, knackigem Kohlrabi und später angegossener, intensiver Krustentierbisque hatte eine tolle Entwicklung von Texturen, Temperaturen und Geschmack. Auch hier meldete sich ab und an ein Kräuteröl „zu Wort“, doch die Hauptdarsteller hatten immer ihren gebührenden Platz. Bestens abgestimmte 3-Komponenten-Küche.
Weißer Heilbutt mit Kohlrabi…
…und Krustentier-Bisque
Nach dem Fischgang wurde es noch einmal vegetarisch.
Unter „Vierländer Platte“ hatte ich einen Gemüsereigen aus dem Süden Hamburgs erwartet und kommentierte sogleich ironisch die fremdländische Herkunft von Melone und Belper Knolle. Tja, um mal sprachlich in Hamburg zu bleiben: „Min leeven Udel, du smiets een Pudel!“ Denn der kleine Genuss-Polizist in mir hatte halt keine Ahnung gehabt, dass es sich um eine wohlschmeckende alte Tomatensorte handelt, die ihren Namen der etwas flachen Form verdankt.
Verschiedene Variationen des schönen Nachtschattengewächses wurden dekliniert, zuoberst ein toller Baiser-Taler aus dem Tomatenwasser. Melone sorgte für zusätzliche Süße und der geraspelte Schweizer Rohmilchkäse sollte schmelzende Würzigkeit einbringen. Das war mir allerdings zu verhalten, um die süßen Anteile im Zaum zu halten. Nun, ein schneller Sprung in Richtung Küche, eine Phrase bezüglich des persönlichen Geschmacks und schon war mit ein paar Flocken Fleur de Sel Abhilfe geschaffen.
Vierländer Platte
Belper Knolle schmilzt auf Elbtomate
Der Gang durch die Fleischabteilung startete mit einer rohen Roulade. Für diesen Extra-Teller füllte die Küche einen kleinen Streifen festes Galloway-Fleisch aus Friesoythe mit mild säuerlicher Senfsaat und garnierte sowohl mit gepoppter Schweinhaut als auch schonend ausmassiertem Rhön-Kaviar. An diesem Abend hatte ich oder die Küche ein kleines Salzproblem; hier war es mir wieder zu viel des Guten. Obwohl die Beurre Blanc mit Sake natürlich schon etwas ausglich. Kurz und gut, mich holte das nicht so ab, während mein Gegenüber sicht- und hörbar schwelgte.
Rohe Roulade mit Rhön-Kaviar
Aber wir blieben nicht lange entzweit, denn der nächste Teller war pures Soulfood für Fleischliebhaber. Nach dem mageren Rindfleisch spielte der krosse Schweinebauch natürlich in einer anderen Fettklasse. Chawanmushi bildete die Unterlage, Tempura-Perlen mit Barbecue-Aroma den Höhepunkt dieser Umami-Bombe. Allein Erbsen - trotz des einsamen Rufers aus der hannöverschen Wüste auch hier zu Gel und Öl verarbeitet - sorgten für nicht nur optisch „grüne“ Akzente. Yummy!
Schweinebauch, Chawanmushi, Erbse
Nach soviel Süffigkeit hatten wir eine Erfrischung verdient. Die wird im Handwerk gar nicht altmodisch, sondern unangestrengt modern präsentiert. Eine dezent pikante Crème von Roter Shiso und ein Grapefruitsorbet-Lolli weckten die Papillen aus ihrer wohligen Molligkeit.
Erfrischung, bitte anklicken
Und das zu Recht, denn es ging weiter mit Weidehuhn, natürlich von Odefey & Töchtern: Das Bruststück saftig und voller Geflügelgeschmack, nur nach meinem persönlichem Gusto einen Tick zu durch. Dafür mit einer knusprigen Haut gesegnet. Wo diese sich etwas gelöst hatte, war das Fleisch leider durch knallige Hitze ausgetrocknet. Aber das betraf ja nur Quadratmillimeter und tat der Freude am Geschmack kaum Abbruch.
Mit grünen Erdbeeren und deren Gel war das Ganze sehr puristisch angerichtet und schien damit doch aus dem Rahmen des bisherigen Küchenstils zu fallen. Aber eben nur bis à part ein Ragout aus Pfifferlingen mit Hühner-Leber und -Herzen gereicht wurde. Dazu etwas Kräuteriges, vielleicht Liebstöckel. So süffig, so gut! Und ebenso gut der krosse Hautchip mit Kimizu-Mayonaise und erneut Erdbeere. Das war sooo lecker!
Weidehuhn von Odefey&Töchter
Pfifferlinge, Hühnerherzen und -Leber, Hautchip mit grüner Erdbeere und Kimizu
Das Pre-Dessert aus Sauerrahm, Petersilie und einem Honigtrüffel war frisch, mit einer angenehmen Bitter-Note, nicht zu süß und hätte absolut ein Foto verdient, welches sich leider nicht finden lässt.
Den Abschluss des Menüs bildete eine Kombination von überraschend süßer roter Bete, Schokoladeneis (70% Original Beans) und Apfel in Form von Schaum und Perlen. Insgesamt süß; der Granny Smith setzte nur gelegentlich Spitzen. Ich hätte mehr erdige Noten erwartet und mir auch gewünscht. Aber ich bin ja auch mehr Fan vom Süßen Fan als von Süßem.
Rote Bete, Original Beans, Apfel
Leider leistet sich das kleine Handwerk kein Käseangebot. Ich kann das aus wirtschaftlichen Überlegungen verstehen, bedauere es aber natürlich.
Aber noch hatte AKW nicht nur ein, sondern gleich zwei Asse im Ärmel!
Denn als kleine Rausschmeißer oder vielmehr Tröster, dass so ein herrlicher Abend zu Ende ging, wurden zunächst Pralinen aus einer Olivenöl-Ganache angeboten, natürlich mit dem guten Zeug vom Solinger Händler Jordan. Eine erfreuliche Durchbrechung erwartbar süßer Leckereien zum Abschluss.
Olivenöl-Ganache
Und dann gab es da noch eine offensichtlich selbstgemachte Schokowaffel. Dachte ich und der erste, krachende Bissen schien mir Recht zu geben. Aber nein, unter der dunklen Kuvertüre, die mit getrockneten fruchtigen Erdbeeren getoppt war, entwickelten sich plötzlich salzige und umami Aromen, wie wunderbar! Tatsächlich war es nochmals krosse Schweinehaut, die diesen kleinen Geniestreich ausmachte! Bravo! Chapeau! Und natürlich: Toll, toll, toll!
Surprise! Surprise!
Bester Laune und mit großer Dankbarkeit für diesen gemeinsamen Abend voll mit kulinarischen Genüssen, viel Wein und vor allem vertrauten Gesprächen verabschiedeten wir uns vom Team des Handwerk und vor dem Restaurant auch voneinander, weil ich den letzten Zug erreichen musste.
Dieser Besuch wird für immer eine wundervolle und schmerzliche Erinnerung an meinen Freund Rüdiger bleiben, der wenige Tage nach unserem Treffen tödlich verunglückte.