"Fine Dining im Supermarkt"
Geschrieben am 17.08.2020 2020-08-17 | Aktualisiert am 19.08.2020
"Warum nicht mal eine schöne Suppe?"
Geschrieben am 15.08.2020 2020-08-15 | Aktualisiert am 15.08.2020
"Altbier am Fließband und Hausmannkost"
Geschrieben am 05.08.2020 2020-08-05
"Die haben was auf der Pfanne!"
Geschrieben am 29.07.2020 2020-07-29
"Kein Gote - ein Grieche!"
Geschrieben am 28.07.2020 2020-07-28
"Die Paella ist zum hineinknien - das Warten auf die Zubereitung lohnt"
Geschrieben am 28.07.2020 2020-07-28
Anton Pahl führt hier das Zepter und in der Tat kann er sich hier aus einem reichhaltigen Angebot bester Zutaten aus Nah und Fern bedienen.
Mittags gibt es ein etwas abgespecktes, dafür auch preisgünstigeres Angebot aus einigen à la Carte Gerichten, einem Business-Lunch in vier Gängen zu 35 Euro bzw. eine Kleinversion in drei Gängen, serviert im Setzkasten zu knapp 20 Euro.
Abends ist neben der Setzkasten-Kleinversion zu 25 Euro ein Menü in wahlweise drei (47 Euro), vier (73 Euro) oder fünf Gängen (94 Euro) zu haben.
Das Ambiente ist sachlich, aber nicht ungemütlich, mit Blick in die offene Küche.
Interieur
Das Zurheide verfügt über eine sehr anständige Weinabteilung, aus der man sich gegen ein Korkgeld auch etwas aussuchen könnte. Die Frage nach einer Weinkarte indes führt zu einer ersten Irritation, denn uns wird nur ein laminiertes Blatt mit vor allem einigen wenigen offenen Weinen gereicht. Auch wenn wir nicht davon ausgehen, dass man das gesamte Sortiment der Weinabteilung in gedruckter Form vorhält, finden wir das folgende Prozedere etwas mühevoll. Wir können zwar recht gut beschreiben, was am ehesten unserem Geschmack entspricht und der daraufhin präsentierte Wein aus dem Burgund passt auch ziemlich gut. Aber häufig springt uns ein Wein in einer Weinkarte an, auf den wir einfach neugierig sind, und auch, wenn uns aufgrund unserer deutlich erkennbaren Verstimmung ob dieser umständlichen Vorgehensweise noch Alternativen vorgestellt werden, fühlen wir uns ein wenig um die Möglichkeit genommen, die ganze Bandbreite des Sortiments zu erkunden. Dass man auch extra den jeweiligen Preis nachfragen muss, stört mich als Gast generell bei mündlichen Empfehlungen.
Die freundliche Sommelière hatte es zu diesem Zeitpunkt nicht wirklich leicht mit uns, denn dieser Einstieg in den Abend verhieß für uns zunächst nichts Gutes. Dass sie es den gesamten Abend über und vor allem bei den Empfehlungen zum Rotwein spürbar nicht auf sich sitzen lassen wollte und mit spannenden und tollen Weinen wieder gutzumachen versuchte, ist ihr hoch anzurechnen.
Der holprige Beginn wird mit den drei Amuse Bouches, die im auffälligen Setzkasten serviert werden, aber schnell vergessen gemacht. Denn sowohl die Kefir-Kaltschale mit Dill als auch der Matjes mit Kumquat und das Tatar im Rote Bete-Blatt sind apartes, fein abgeschmecktes Fingerfood.
Amuse Setzkasten
Kefir-Kaltschale
Rote Bete mit Tatar
Zum ordentlichen Brot werden dreierlei Nussbutter sowie ganz außergewöhnlich gutes Kräuteröl gereicht.
Brot, Nussbutter, Öl
Wieviel Wert Anton Pahl auf eine ästhetische Präsentation seiner Gerichte legt, wird beim ersten Gang sehr deutlich. Als schwarz-weißes Dreierlei inszeniert er die Variation vom Wolfsbarsch mit Kohlrabi und japanischer Kohle. Letztere wird auch für das Grillen auf Binchotan verwendet und lässt sich offenbar auch in essbare Form verwandeln. Hier wird roher Loup de Mer von der Kohle ummantelt und mit einer Sphäre aus Kohlrabicreme und Kokosnuss begleitet. In der Austernschale findet sich ein relativ süß abgeschmecktes Tatar mit einer geeisten Shiso-Perle. Der dünn gehobelte und marinierte Kohlrabi ist von einer süffigen Austernmayonnaise begleitet.
In dieser ungewöhnlichen Optik bleibt der Fisch zwar eher im Hintergrund, aber alle Komponenten gemeinsam ergeben ein rundes Geschmacksbild.
Loup de Mer / Oystermayo / Kohlrabi / Japanische Kohle
Loup de Mer / Oystermayo / Kohlrabi / Japanische Kohle
Loup de Mer / Oystermayo / Kohlrabi / Japanische Kohle
Elegant gestaltet sich das folgende Gericht, das mit Sellerie, Beurre Blanc und Kaviar einen recht klassischen Akkord durchdekliniert, aber erneut auf recht gekonnte Weise. Der Sellerie ist als Püree in eine Tomatenhülle gearbeitet, die auf Granny Smith-Würfeln platziert ist. Eine schaumige Beurre Blanc liefert säuerliche Akzente, eine ordentliche Nocke milden Kaviars nur dezent jodige Noten. À part ist die Beurre Blanc als Eis gearbeitet auf Apfelwürfelchen und macht sich nicht nur als Temperaturkontrast ganz ausgezeichnet, sondern überzeugt auch geschmacklich voll.
Sellerie & Kaviar / Beurre Blanc / Granny Smith
Sellerie & Kaviar
Beurre blanc Eis & Granny Smith
Die top gegarte Hiramasa Gelbschwanzmakrele setzt Anton Pahl mit einer Planktoncreme, Seetrauben und gepufftem schwarzen Reis sowie einer mit Bronzefarbe aufgepeppten Limettenjus aufwändig in Szene. Verspielt wird es mit dem gelierten Lego-Männchen aus grüner Tomate, das mutig gewürzt ist. Ich meine, eine kräftige Nelkennote auszumachen.
Hiramasa / Grüne Tomate / plankton / Seetrauben
Es folgt noch eine Erfrischung aus japanischer Gurke, die mit Macadamia und Jalapeno gefüllt ist. Dazu gibt es einen geeisten Gurkendrop und eine Vinaigrette auf Basis von Blutorange. Die tolle Schärfe und Frische justiert die Geschmacksnerven genau richtig auf den folgenden Hauptgang.
Japanische Gurke / Jalapeno
Und der ist nicht weniger als grandios. Drei Scheiben Roastbeef vom japanischen Katana Beef, einer Wagyu-Art, gehören mit zum Besten, das wir an Rindfleisch bisher probieren konnten. Lediglich bei Christian Bau kann ich mich an vergleichbare Qualitäten erinnern. Hier tut Anton Pahl gut daran, dem Fleisch eine Bühne zu geben, die charaktervoll, aber nicht überlagernd ist. Röstzwiebel als Creme und als Crumble sowie Zwiebelsegmente beweisen einmal mehr, wie vielfältig und unterschätzt dieses Gemüse eingesetzt werden kann. Die Tigersauce mit Chili und Yuzu hat eine prägnante, aber nicht unangenehme Schärfe.
Wo anderswo der Hauptgang gerne mal gegenüber den vorherigen Gängen abfällt, ist hier alles bestechend gut. Mein Göttergatte vergisst ja gerne mal, was er am Tag zuvor gegessen hat. Hier weiß er es noch Tage später. Ein größeres Kompliment kann man kaum machen. Und ich teile es uneingeschränkt.
Katana Beef / Roastbeef / Tigersauce / Röstzwiebel
Beim Dessert ist nicht nur die Namensgebung fantasievoll. Auch die Interpretation von Erdbeere und Heu („Stroh-Berry“) weiß zu überzeugen. Auf dem Hauptteller geht es noch recht reduziert zu mit einer Mousse aus Heumilch, die von Erdbeerpulver ummantelt ist. Dazu gibt es ein Gelee von Champagner und Holunder. Das ist fokussiert und stimmig.
Im Schälchen à part passiert noch eine Menge mehr. Erdbeeren pur, als Sorbet und Sud, eine Mousse, Sauerkleeöl, Crumble und Knusperblätter sorgen für den abwechslungsreichen Kontrast zum sehr fokussierten Hauptteil.
Stroh-Berry / Erdbeere / Heu / Sauerklee I
Stroh-Berry / Erdbeere / Heu / Sauerklee II
Mit drei Petits Fours (Mohnmousse, Karamell und Sonnenblume), bei denen nun wirklich die verspielte Präsentation eindrucksvoller ist als das Ergebnis, endet ein beeindruckendes Menü.
Petits Fours
Petits Fours
Petits Fours
Man mag denken, dass Anton Pahls Küche vor allem mit vordergründiger effektvoller Präsentation beeindrucken will, aber das würde ihr nicht gerecht werden. Denn dazu gibt es auch kreative und durchdachte Kompositionen, die aus dem konventionellen Rahmen fallen. Und manchmal setzen sie auch nur ein prächtiges Produkt prachtvoll in Szene, wie beim Hauptgang, der zu den eindrucksvollsten des Jahres gehört.
So verlassen wir hochzufrieden den Supermarkt und machen uns auf den Rückweg nach Köln. Der Wein war übrigens nicht nur gut, sondern auch bemerkenswert preiswert.
Bericht und sämtliche Bilder auch auf: http://tischnotizen.de/setzkasten-duesseldorf/