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In der Violenstraße hinter braungetönten Scheiben war das La Toscana seit den 1980ern ein gut frequentiertes italienisches Restaurant mittlere Größe und Preisklasse. Es war im Stil der Zeit eingerichtet, also Mahagoniverkleidung, was Theke und Wände Fläche hatten, alle Accessoires in Messing z. B. Kleiderhaken, Strahler, Bootslampen, die Holzstühle bezogen mit bunten Mustern, vornehmlich in rosa, Lila und pink (gleichzeitig) , türkise Auslegeware, Menage aus Plexiglas usw.
Nachdem vor einigen Jahren der gastronomische Todeskuss kam ("Wegen Renovierung geschlossen") stand das Lokal leer.
Vor wenigen Wochen hat Familie di Giacomo das Restaurant als I Tre Re wieder eröffnet. Zeit für eine Überprüfung.
Als ich den Laden betrat, traf mich der Schlag! Nichts, nichts, nichts ist verändert worden. Bis hin zur uralten Speisekarte im Plastikeinband. Auf der Vorderseite den Toscana-Schriftzug mit rotem Tesa (!) überklebt, mit Edding den neuen Namen drauf: Zack, die Bohne! Im Innenteil das Angebot mit schlecht deckendem Tipp-Ex "aktualisiert", reicht doch. Und aus den Lautsprechern eine italienische Radioshow mit Schlagern von ? Klar: Celentano und Al Bano...
Das war schon trashig, zumal alles, was in 30 Jahren angeschlagen, abgeplatzt oder sonst ramponiert wurde, im I Tre Re scheinbar unter Denkmalschutz steht. Dazu passte - leider -, dass es auch nicht sauber war. Die vielen Krümel unter dem Nachbartisch will ich noch durchgehen lassen, die Gäste waren gerade gegangen und ich hätte schön blöd geguckt, wenn jemand sogleich mit dem Staubsauger gelärmt hätte. Aber die Flecken auf den Tischdecken müssen nicht sein!
Auf den Zeitreise-Schock erstmal hinter den Tagesangeboten in Deckung. Auch hier kein unnötiger Schnick-Schnack: Leeres Blatt, Kugelschreiber, sechs bis sieben Klassiker und ein "Dessert alla Rosanna".
O.k., dann Carbonara aus Rome und Saltimbocca, später noch Rosannas Nachtisch geordert. Nur beim doch sehr kursorisch beschriebenen offenen Wein verließ mich der Mut, lieber ein Bier ohne Umdrehungen.
Großes Plus des Ladens sind die Menschen. Egal, ob Patron, fröhlicher Kellner oder der Koch, der als einziger gar nicht 80er mit Piratenkopftuch und schwarzen Gummihandschuhen die Gerichte aufträgt: Alle waren sehr freundlich, gut gelaunt, erkundigten sich mehrfach nach der Zufriedenheit. Meine Bitte nach mezzo-mezzo, also beide Gänge in halben Portionen überraschte, wurde aber verstanden und war auch kein Problem. Trotz teilweise nur weniger Brocken Deutschkenntnisse versuchten alle, etwas Konversation zu machen. So gesehen habe ich mich als Gast und wohl gefühlt. Auch als ich später in der Schließzeit zurück kam, weil ich mein Schlüsselbund auf dem Tisch vergessen hatte, waren alle sehr herzlich zu mir, einschließlich weiterer Familienmitglieder, die inzwischen aufgetaucht waren. Wegen dieses Engagement als Gastgeber werde ich auch wiederkommen.
Das Essen wäre dafür nicht zwingend ein Grund. Zwar nicht schlecht, aber der Eindruck bestätigte sich, dass man hier mit viel Begeisterung und wenig Geld gearbeitet wird.
Vorab zwei Teilchen aus Pizzateig, jeweils zu einem Knoten geschlungen. Das sah nett aus. Nichts dazu, auch kein Olivenöl.
Die Carbonara kam in ganz klassischer römischer Art, wie angekündigt. Penne (nicht frisch) aber exakt gegart mit Recht wenig Ei-Käse-Mischung und dünnen Streifen von Bauchspeck, der kräftig rauchig, aber gar nicht salzig war. Leider war ein knorpeliges Stück darunter. Keine Sahne, kein Kochschinken. Mit etwas Pfeffer aus der auf Wunsch gebrachten Mühle war das schon in Ordnung. Längst aus den Küchen entschwunden geglaubtes getrocknetes Petersilienkonfetti verunstaltete das Gericht. Dafür aber keine Kirschtomaten weit und breit...
Zum Hauptgang wurde Brot nachgereicht. Das Saltimbocca litt unter der einfachen Ware. Hinreichend ausdrucksvoll und reichlich noch die Schinkenscheibe. Das Kalbfleisch sehnig. Salbei vor Hundert Jahren getrocknet ohne Geschmack. Eingelassen in eine Scheibe zähen geschmacksneutralem Kuhmilch-Mozzarella. Überraschend nur die Gemüsebeilage. Neben dem erwartbaren Broccoli fand sich Grünkohl, beides ebenfalls gut gegart und mit wirklich nur ein paar Tropfen Olivenöl. Gut wärs gewesen. Leider wollte der Koch auch "präsentieren" und überzog das Gemüse mit sog. Balsamicocreme aus der Flasche.
Das Dessert entpuppte sich als zwei schmale Streifen Crostata di marmellata mit Aprikose. Aus dem Kühlschrank kommend war das Gebäck saftig durchgezogen, aber natürlich hatte der Mürbeteig weitgehend seine Knusprigkeit verloren. Auch hier künstlerische Ambitionen. Malübungen aus der Schokocreme-Flasche und diese kleinen Flocken kakaohaltiger Fettglasur, die meine Mutter aus dem Karton über die Schwarzwälder streut.
Der Espresso in schmaler, vorgewärmter Tasse war tadellos.
Bier mit 2,5€ und Espresso für 2€ im Normalbereich dieser Klasse. Die kleinen Portionen von Pasta und Carne waren um 1,5€ vom Ausgangspreis 6,5€ bzw. 7,5€ reduziert.
Resümee: Die Truppe im I Tre Re gibt sich große Mühe. Das ist sympathisch. Die Küche scheint authentisch bei schmalem Budget. Ob das auf Dauer reicht, sich gegen die arrivierte italienische Konkurrenz zu behaupten, wird die Zukunft zeigen. Bei meinem Mittagsbesuch waren um 13:45 Uhr noch 6 Tische besetzt.