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Allgemein:
Ich bin ein großer Freund von Brauereigaststätten, die den Namen verdienen. Also große Saufhallen, in denen das Bier unaufgefordert bis zum Abwinken von raubazigen Kellnern auf den blanken Buchenholztisch gestellt wird, der Bleistift den Deckelrand Strich um Strich dekoriert und permanent die Haxen aus der Küche herausgetragen werden. Das habe ich in Düsseldorf sehr genossen und suche auch in München gerne diese Orte deutschen Brauchtums auf.
Bremen hat da allenfalls in den letzten Jahren entstandene Imitate der Systemgastronomie zu bieten (Hofbräuhaus, Paulaner im Wehrschloss), die mit eigenem Brauen nichts zu tun haben. Die hiesige Konzernbrauerei hatte, auch als sie sich noch in heimischer kaufmännischer Hand befand, keinen eigenen Ausschank betrieben. (Nostalgiker, wie mein Schwager und ich, denken an den Remmer-Bierkeller zurück, der nach unserer blassen Erinnerung etwas Brauhausflair hatte, einschließlich Schwemme für den schnellen Trinker).
Freudig erregt habe ich dann gelesen, dass Lüder Karstens und Markus Zeller 2015 in der historischen Union-Brauerei einen Neuanfang mit der Freien Brau Union Bremen gewagt haben.
In dem sehenswerten und großzügigen, gut hundert Jahre altem Gebäudeensemble der ehemaligen Unionbrauerei im tiefen Osterfeuerberg wird nun wieder Bier gebraut und im Union Braugasthaus ausgeschenkt. Es gibt aber auch einen Brauereishop, in dem die Unionbiere erstanden werden können. Zunehmend ist das Bier aber auch in der Gastronomie und im Einzelhandel zu bekommen.
Klar, auch die Freie Brau Union Bremen schwimmt auf der Craft-Bierwelle und braut sechs Biere, die sehr eigene Aromen versprechen.
Wer nun neugierig geworden ist, der sollte schnell die Homepage der Freibrauer aufsuchen: http://brauerei-bremen.de/union-brauerei/.
Wer in das Braugasthaus einkehren möchte, der muss seinen Tisch am Wochenende schon sehr zeitig buchen. Am besuchten Samstagabend war der Braugarten mit einer Hochzeitsgesellschaft belegt und der eigentliche Gastraum mit Ausschank war sehr gut besucht.
Etliche Gruppen mit überwiegend jungen Menschen bevölkerten lange Tischreihen. Dazu übliches Publikum quer durch die Altersschichten und gestandene Mannsbilder, die nach dem Werder-Heimspiel gegen Mainz 05 noch einen bierseligen Ausklang brauchten.
Jeder Bierliebhaber aus Bremen und umzu sollte die Unionbrauerei gesehen haben und sich einen eigenen Geschmackseindruck von den Bieren verschaffen. Allein wegen der Brauhausküche muss man sich nicht in den tiefen Westen verlieren.
Das Preis-Leistungsverhältnis sehe ich bei 3,5 Sternen.
Service:
In der Großgastronomie kann sich das männliche Publikum häufig und gerne an den ansehnlichen weiblichen Servicekräften erfreuen (zuletzt erlebt im El Mundo). Beim Personalcasting mag das sogar ein Auswahlkriterium sein. Im Braugasthaus scheint es ein solches Auswahlkriterium nicht zu geben. Nur an den Zapfhähnen konnte ich aus der Ferne einen Zopf aus weiblicher Haartracht ausmachen. Ansonsten sind es männliche Bediener, die in schwarzen Haus-T-Shirts und Kellnerschürzen versuchen, den Service zu schmeißen. Es müssen innere Werte sein, die sie einen.
Der Restaurantleiter Jonas Mömken packte mit an und zeichnete sich durch eine sympathische Lockerheit aus (und bemühte das vetraute "Ihr"). Wie die Homepage sagt, stammt er aus Berlin und bringt einen Hauch Hipstertum mit.
Unser erster Bediener, den ich vor meiner Bierorder fragte, welches denn nun nach Bittereinheiten gemessen, das bitterste Bier sei, war nicht auskunftsfähig und auch der Kollege, an den er die Frage delegierte, brummte eher etwas in sich hinein. Er sollte dann im Verlaufe des weiteren Abends immer wieder auf die Tücken der Bestellungsweitergabe via Touchscreen und kabelloser Datenübertragung an den Herd und an den Zapfhahn hinweisen, die keinen Eingabefehler verzeihen würde und der auch ansonsten jegliche Flexibilität abginge. Die Getränke kamen aber gleichwohl in akzeptabler Zeit auf den Tisch. Auf die Vor- und Hauptspeisen mussten wir etwas warten, aber in geselliger Runde war das locker hinzunehmen.
Den Service bewerte ich mit 3,25 Sternen.
Sehr empfehlenswert für die Bierverkostung ist das Bremer Brett, auf dem sich fünf der Union-Biere in 0,1-l-Gläsern befinden und das mit 5,90 € auf dem Bon steht. Es wird angesagt, was man da vor sich stehen hat und für die Erinnerungsschwachen gibt es unter jedem Glas ein Papierlabelchen, auf dem die Sorte vermerkt ist. Auf der Homepage sind sechs Biere beschrieben und ich weiß nun leider nicht mehr, welches auf unseren Brettern fehlte. Kann sein, dass es gerade das Pale Ale war, auf das ich mich als alter Jevermann wegen seiner 40 Bittereinheiten kapriziert hatte. Vom Brett gefiel mir gut das sehr kalt gezapfte Kellerpils, das wir dann auch weitertranken und das Weizen.
Für das Pils 0,3 l muss man 2,90 € hinlegen.
Auf der Karte finden sich noch einige Flaschenbierspezialitäten aus Fremdproduktion. Für Weintrinker werden sechs offene Weiß- und Rotweine vorgehalten, die preislich bei 4,90 € für 0,2 l beginnen.
Essen:
Die Karte ist auf der Homepage veröffentlicht und zeigt einen originellen Mix aus Stullen, Unvermeidbarem (gratinierter Ziegenkäse, Süßkartoffelfritten), Klassikern (Wiener Schnitzel, Zwiebelrostbraten) und Lokalem (Knipp). Auf der Tafel noch drei Tagesgerichte (Carpaccio, Iberico-Schweinebäckchen und - bin mir nicht ganz sicher - lange geschmorte Rinderbrust).
Am Tisch wurden die Süßkartoffelfritten mit zwei Dips (4,50 €), das Carpaccio (9,90 €) und die Petersilienwurzelsuppe mit Petersilienpesto (5,50 €) geordert.
Meine Suppe war ausreichend heiß, leicht sämig und mit feinem Petersilienwurzelaroma. Die drei Inselchen des kalten Petersilienpestos ließen mich wegen des Temperaturunterschieds erst etwas stutzen, passten geschmacklich aber im Ergebnis. Sehr gut die halbe Scheibe eines sehr kräftigen Landbrots mit einer bemerkenswert krossen Kruste, die Lust auf die Stullengerichte aufkommen ließ. Die Süßkartoffelfritten sehr kross frittiert (die beiden Dips "gingen durch"). Das Carpaccio wurde unvorteilhaft serviert. Die Fleischqualität war nicht zu beanstanden. Aber statt der gewohnten und gemochten Parmesanhobel fand sich kleinteilig geriebener Parmesan auf den ansonsten nicht angemachten und damit sehr trocken wirkenden Carpaccioscheiben, die auch Raumtemperatur aufwiesen. Dazu unpassende Blattsalate.
Zitrone oder Essig, Öl, Salz und Pfeffer auf dem Tisch Fehlanzeige. Ich entdeckte in der Ferne eine Pfeffermühle, die ich sicherte. Ein Salzstreuer musste erbeten werden und wurde uns wieder genommen und zwar mit der peinlichen Begründung, dass die Salzstreuer für die Hochzeitsgesellschaft benötigt würden. Angesichts des Investments in die Brauerei hat man hier am falschen Ende gespart. Ich wiederhole gerne mein Plädoyer für gute Salz- und Pfeffermühlen auf jeden Tisch, an dem für Geld gegessen wird!
Zwei Wiener Schnitzel (eines mit Pommes und eines mit Bratkartoffeln, je 18,50 €), Knipp mit Bratkartoffeln (11,50 €) und Seelachs im Bierteig (9,50 €) bildeten unsere Hauptspeisen. Auch hier eine Armseligkeit: Zu den Schnitzeln jeweils eine dünne Zitronenspalte. Wir orderten nach und bekamen noch zwei von diesen Spalten. Wir mussten Herrn Mömken nochmals in die Spur schicken, um der Küche weitere Zitrone abzuringen.
Die Schnitzel waren vom Kalb und ordentlich bemessen. Die Panade war langweilig gewürzt und so fanden wir die Schnitzel nur sehr durchschnittlich. Die Pommes in Ordnung. Meine Bratkartoffeln mit Speck und Frühlingszwiebeln geschmacklich gelungen, aber kaum kross. Das lag auch daran, dass sie in einem Schälchen serviert wurden, in dem die übereinander geschichteten Kartoffelscheiben weich werden.
Sehr gut gefiel mir das verkostete Knipp: Kräftig-typisch gewürzt und in zwei Scheiben kross gebraten. (Für die Nichtbremer, die mit Knipp nichts anfangen können: http://www.kochwiki.org/wiki/Zutat:Knipp)
Dem ausgebackenen Seelachs konnte man nichts Saftiges mehr abgewinnen. Der Beilagensalat Cole Slaw, also ein Weißkrautsalat nach amerikanischer Rezeptur, war erfrischend und hatte eine leichte Schärfe. Meiner Schwägerin konvenierte er nicht; sie fand ihn rauchig.
Es gefielen also Fritten, Suppe und Knipp; Carpaccio, Schnitzel und Fisch konnten nicht überzeugen. Da kommen summa summarum dann drei Sterne bei raus.
Ambiente:
Hierzu bitte die Foto auf der Homepage anschauen.
Von außen sind die alten Gebäude der Unionbrauerei ein Augenschmaus für Liebhaber von Industriearchitektur. Der Stil wird im großen Gastraum gelungen aufgegriffen. Die offene hohe Holzdecke mit Oberlicht und die hellen Holzfarben des Fußbodens und der Tische schaffen eine lichte Atmosphäre. Der beeindruckende Tresen rechts hinter dem Eingang und ein Podestbereich an der hinteren Seite schaffen Struktur. Die Tische sind großzügig gestellt und ausreichend dimensioniert. Ihre Oberflächen aus dicken Holzbohlen sehr rustikal.
An der hinteren Wand eine Bildergalerie mit historischen Brauereifotos. Die rückwärtige Wand mit einem indirekt illuminierten Flaschenregal als Hingucker.
Was uns nicht gefiel, war unser Hochtisch. Sie sind in großen Räumen beliebt, weil sie eine optische Abwechslung schaffen. Funktional können sie in der Union nicht erfreuen, denn die Tische haben keine Beinstützen, so dass man entweder mit angewinkelten Beinen auf dem hohen Stuhl sitzt, um seine Füße auf einer Querstrebe des Stuhls zu platzieren oder auf halb acht auf dem Stuhl hängt, um mit den Füßen auf den Boden zu kommen. Bei der nächsten Reservierung werden wir einen normal hohen Tisch ordern.
Der Geräuschpegel in dem gut besetzten und sehr hohen Raum hielt sich in Grenzen, so dass man sich normal laut unterhalten konnte.
Die Feuchträume sind edel dunkel gefliest. Einen schönen Kontrast dazu bilden die Klotüren aus rustikalen hellen Holzbohlen gleich den Tischen und die Pin-up-Girls über den Urinalen, akustisch passend unterlegt mit altem Rock `n` Roll aus den Lautsprechern. Die Handwaschbecken sind aus Edelstahlbierfässern (Kegs) gefertigt. Die Wasserhähne passend als Zapfhahn geformt. Nett, aber einer funktionierte nicht. Die Hände müssen mit einem Hochleistungstrockner entfeuchtet werden
Sauberkeit:
Nichts zu beanstanden.