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Was nun anfangen mit der eigenen Frustration? Vielleicht klappt es ja diesmal im gelobten Land aller Grillfreunde, dem Smokermekka, zumal fußläufig grob auf halber Strecke zwischen Hackeschem Markt und Hauptbahnhof gelegen. Aus zwei früheren Fehlversuchen klug geworden, bei denen ich mitleidig-abschätzig aus dem rappelvollen Laden verwiesen ward, reservierte ich kurzfristig telefonisch. Doch, eine Person, das bekäme man hin, beschied mir eine überraschend höfliche Stimme. Die Reservierung war natürlich nur auf den Vornamen möglich, aber wer einmal bei Starbucks mit amerikanischer Plastik-Freundlichkeit gefoltert wurde, weiß sich zu wehren: Athanassiou war heute der Name der Wahl.
Später wird sich der junge Mann rührend des älteren Herrn annehmen. Man möge doch an der Theke Platz nehmen, dort sei mit dem wildlederbezogenen Drehstuhl das einzig bequeme, etwas höhere Sitzmöbel vorhanden. (Oh Gott, man sieht mir mein Alter an!) Schon klar, die Tische sind für Gruppen. Aber Recht hat er; ist nach einigen Versuchen erst einmal eine lässige Pose gefunden, hockt man wie Schildkröte in Ingos Imbiss einigermaßen bequem. Auch später verhinderte die korrekt mit Schirm nach hinten getragene Cap nicht, dass die Arbeit zwar rau, aber doch passabel erledigt wurde. Alle Gäste wurden begrüßt, es wurde nach der Zufriedenheit und weiteren Wünschen gefragt, sogar so etwas wie Empfehlungen konnte man mit gutem Willen erkennen. Andererseits blieb ich vor meiner leeren ersten Flasche sitzen, bis ich selbst aktiv nachbestellte. Aber das mag ja dem Thekenplatz geschuldet sein, sowie dem Umstand, dass auch die Tischgäste zum Bestellen an den Tresen kommen müssen. Wirklich gestört hat mich nur eins: Mein Wunsch als quasi dritten Gang zum Probieren je eine Salsiccia und Merguez zu bekommen, konnte nicht erfüllt werden. Begründung: Weil das so nicht im System hinterlegt ist. Ja, niemand kann zwei Herren dienen, entweder dem Gast oder dem System... Immerhin rebellierten draußen anlässlich des Bundeswehrgeburtstags wenigstens einige junge Menschen auch gegen irgendein System, wird wohl dasselbe sein. Ich bin nicht mehr so kämpferisch, statt einer Diskussion um die Wurst ging's dann nur noch an die Begleichung der Rechnung.
Aber alles in allem: Es gibt keinen Grund, die Leistungen des Service unterdurchschnittlich zu bewerten.
Freundlich im Rahmen des hier gepflegten Stils war er schließlich auch. Keinerlei Versuche, dem Gast herablassend-arrogant zu bedeuten, dass er störe und sich doch glücklich schätzen möge, überhaupt an den Segnungen des genialen Konzeptes teilhaben zu dürfen.
Mit einem Wort: Der Hype ist weitergezogen.
Aber das war schon klar gewesen, als ich das Etablissement etwas verfrüht betrat. Nur ein sorgsam getrimmter Vollbart mit Hut zeugt von vergangener Pracht! Und selbst der in Begleitung der kleinen Tochter, die mit dem Schlüssel des bürgerlichen Automobils spielte. Das hätte es früher unter all den Enghosen- und Buntsockenträger nicht gegeben. Vielleicht deshalb trollt er sich später in die Ecke hinter der Theke, als immer mehr Publikum erschien und den Ab- oder Aufstieg (alles eine Frage der Perspektive) nur bestätigte. Junge Leute ja, aber doch verdächtig nach BWL-Studenten oder gar Touristen ausschauend, wohlsituierte Paare, einzelne Herren aus der norddeutschen Provinz. The times they are a changin!
Und so wirkt das Ambiente nur noch wie ein Klischee seiner selbst. Natürlich teilweise unverputzte Wände, Zeichnungen der Fleischschnitte und Sprüche an anderen Stellen, zusammengesuchtes, möglichst unbequemes Holzmobiliar, Theke mit orangeroten Kleinstfliesen, sicherlich original 70er Jahre. Viel Nippes zwischen hottest shit und Was die Großmutter noch wusste. Alles sehr sophisticated wie die Bademäntel an der Garderobe (kommt Dittsche auch noch?) und gleichzeitig natürlich mit street-cred, wie Baseballschläger und Axt hinter der Theke. Aus der Box über meinem Ohr dröhnt permanent Rap, sicherlich aus Chicago, denn hier legt man Wert auf Authentizität. Allerdings nicht so sehr, dass die Bestellungen nicht per Tablet in die Küche gingen.
Aber: Entscheidend ist auf dem Teller! Der hier entweder aus Blech ist, oder es wird gleich direkt auf dem aus Kantinen bekannten Plastiktablett angerichtet, gnädigerweise mit einem Pergament drunter. Alles andere wäre auch ein Stilbruch, das Billigbesteck steht offen im Krug bereit, anstelle von Servietten eine Rolle Küchenpapier im praktischen Abroller. Über Decken oder Sets wollen wir schweigen. Die rote Imbissplastikquetschflasche habe ich nicht angerührt. Vielleicht ein Fehler, wäre es doch verwunderlich gewesen, hätte sich darin ordinärer Industrieketchup gefunden.
Denn die Küchenleistungen waren mehr als passabel.
Kaum saß ich, wurde als Amuse eine Maissuppe direkt aus dem Kessel hinter dem Tresen geschöpft. Selbstverständlich nicht in Teller oder Tasse, sondern in kleine beschichte Einmal-Eisbecher. Später wurde in einem größeren Exemplar der Coleslaw serviert. Die Suppe war heiß, süß und mit Jalapeños-Fetzen, pikant bis scharf. Recht dickflüssig, aber noch nicht breiig. Ein überraschend guter Auftakt. Alle Gäste erhielten ihr Becherchen in die Hand nebst Blechlöffel, nur das kleine Mädchen nicht. Unser Gastgeber war in Sorge wegen der Schärfe und empfahl, doch erst beim Papa zu probieren. Wenn ich es recht überlege, gibt es dafür noch einen halben Servicepunkt.
Die "Karte" findet sich stilecht nur auf der Wand über der Theke. Von meinem Platz mit etwas Nackenverrenkungen verbunden . Aber nicht zu vermeiden, da es einige kleinere Änderungen zur Internetkarte gab. Die größte Enttäuschung war, dass im Gegensatz zum letzten Jahr kein Brisket mehr im Angebot ist. Diese Spezialität aus dem Smoker hätte ich wirklich, WIRKLICH gern gegessen.
Statt der noch im Netz angepriesenen escargots wurde mir passend zum Martinstag Gänserillette auf Landbrot empfohlen. Zudem hatte ich mich schon für pulled pork und eine halbe Seite Rippchen entschieden. Begleitet von einem dunklem Hausbier, natürlich crafted. Zuvor allerdings einen Moscow Mule, hier nicht gemixt, sondern aus einer von zwei Slushmaschinen gezapft und mit Strohhalm im Glasseidel serviert. Die Ingwernote war am Gaumen spürbar, der Wodka später im Kopf. Mir war das Ganze aber zu kalt, wie häufig bei Slusheis. Wartet man ab, ist aber der Effekt weg. Alternative wäre ein Gin-Lemon gewesen.
Die Speisen wurden zügig serviert, aber nicht gehetzt.
Der Gänseaufstrich hatte die richtige Balance zwischen Fleisch und Fett. Er war nicht geizig auf zwei kleinen Scheiben eines Mischbrots mit saftiger Krume und schön dunkler Kruste verteilt. Den sensorischen Kick gaben knusprige selbst gemachte Röstzwiebeln, den geschmacklichen gerade genug frittierter Thymian! Dazu, ganz shabby, zwei Streifen saure Gurke. Trotz Blechnapf eindeutig 5 Sterne in dieser Klasse.
Die Hauptspeisen kamen gleichzeitig. Ich wendete mich zunächst dem pulled pork zu, das mit gehackten roten Zwiebeln und Scheiben von sauer eingelegten grünen Chilis vermischt war. Das pikante Ergebnis hat mir sehr gut geschmeckt, durch die scharfen Komponenten kühlte das Fleisch leider schnell aus. Es war saftig bis auf einen einzigen Randstreifen, Röstaromen und -Farbe vom Anbraten gelegentlich erkennbar. Ich hätte mir das Fleisch schon noch weicher gewünscht, aber das ist im Bereich des persönlichen Geschmacks.
Weiter ging's mit den sechs oder sieben Rippchen, die ich nach dem Trennen genussvoll aus der Hand aß. Wenn schon die Küchenrolle bereit steht... Auch hier hätte es für meinen Geschmack zarter zugehen können, auch hier war das ganze aber weit entfernt von hart oder zäh. Halt nur noch mit Struktur und zu beißen. Die zweifelsohne hauseigene Barbecuesauce, die in exakt richtige Portionierung an den kleinen Schweinereien haftete, war sehr dunkel, gar nicht so rauchig wie erwartet, eher ausgewogen zwischen Süße, Gewürzen und Rauch. Rund, tät man beim Wein sagen... Die spanische Variante aus dem heimischen Deych vor einigen Wochen gefiel mir insgesamt besser.
Auch die reichliche Portion Coleslaw selbst geraspelt und mariniert. Sehr fein, mit wenig Karotte und eine recht flüssige, süße Mayonaise. Dadurch sehr saftig, aber auch mit einer ins breiige gehenden Konsistenz. Das ebenfalls vorhandene Apfelmus habe ich verschmäht. Fehlte mir nicht und der wie die Rippchen direkt auf das Pergament geklatschte Fladen machte jetzt auch nicht wirklich Appetit.
Das dunkle Bier traf meinen Geschmack, war süffig, ohne zu sehr ins Malzige abzukippen. Lief schnell durch.
Eine Bewertung der beiden Würste blieb mir ja leider verwehrt. Die beiden Hauptgerichte sehe ich bei 4 Sternen. Unter Einbeziehung des Rillette und der Maissuppe lege ich noch einen halben oben drauf. Was mir wieder den Vorwurf der zu milden Bepunktung einbringen wird...
Mit 39,5€ für Berliner Verhältnisse sehr freundlich bepreist.
Im Laden gab es keine Mängel in der Sauberkeit. Weiter bin ich nicht in die Gemächer eingedrungen. Man soll sein Schicksal nicht versuchen.
Fazit: Gutes Fleisch statt Hype. Aber nicht so phantastisch, wie erwartet. Geht mir aber bei den Hipsterläden oft so, viel zu hoch gelobt. Aber das ist ja schon fast ein Gemeinplatz. Wenn, aber nur wenn, ich mal wieder in der Nähe bin, schau ich mal, ob ein Plätzchen frei ist. Die Würste und das BBQ-Chicken wären noch interessant. Und mit etwas mehr Alkohol wird das auch mit dem Rappen was...
Ach so, Fotos sind uncool hier bei uns im meat district.