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"Gasthaus im besten Sinn"
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"Das Ristorante Tesoro ist ein Restaurant wie man es erwartet, wenn man von "schön etwas essen gehen" spricht."
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"In Hannover die richtige Adresse!"
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Dieses Mal haben wir Glück und erwischen trotz leichtsinnig später Reservierung noch den letzten Tisch und freuen uns auf das bevorstehende Menü. Aus den zwei Menüs (4 Gänge für 60€, 6 Gänge für 90 Euro) wählen wir die größere Variante und tauschen hierbei das Dessert. Im kleinen Menü gibt es nämlich Soufflé...
Dieter Grubert ist schon vor längerer Zeit davon abgegangen, einen mehrteiligen Gruß zu servieren, sondern konzentriert sich hierbei auf ein Gericht. Auch heute ist das so. Allerdings wirkt der Teller so wild kombiniert, dass ich ein wenig irritiert bin. Neben einer roten Garnele, gelierter Wachtelbrust, einer Speckbanane und einem Kohlröschen finden sich auch noch Röstziebeln, Erbsenpüree und Melone. Angegossen wird dann eine scharfe, Curry-lastige Zitronengrassuppe. Für mich will sich hier kein Zusammenhang zwischen den zahlreichen Komponenten einstellen. Alles für sich schmeckt ganz gut, aber gemeinsam macht das wenig Sinn. Irgendwie wünsche ich mir gerade die kleinen Löffel zurück. Und für die sehr gute Suppe hätte es auch durchaus wieder das kleine Tässchen sein dürfen.
Zu den Dauerbrennern im „Titus“ gehört bei den Vorspeisen in der Regel immer ein Gang mit Gänsestopfleber. In der heutigen Version kommt sie gebraten und als Mousse in Begleitung einer Bresse-Taubenbrust. All das beherrscht Grubert aus dem Effeff und man wird das immer makellos bekommen. Erneut aber überrascht mich die Fülle unterschiedlichster Nebendarsteller. Auf dem Teller kämpfen Gewürzaprikose, Chicoree, Rote Bete (in toller Konsistenz, aber geschmacklich leider kaum erkennbar) und Pumpernickelbrösel um die Vorherrschaft. Hagebutte und Popcorn spielen auch noch mit und als wäre das immer noch nicht genug, wird am Tisch auch noch Blumenkohl über den Teller geraspelt. Weniger wäre hier eindeutig mehr und ich hoffe sehr, dass diese wilde Geschmacksachterbahn nicht den gesamten Abend so weitergeht.
Mein Bitten wird erhört, denn mit dem folgenden Skrei kommt ein Gang, der zwar auch zahlreiche Komponenten aufweist, dafür deutlich organischer wirkt. Der perfekt gegarte Fisch ruht auf einem Fenchel-Lauchgemüse und etwas wildem Reis, dazu eine cremig-weiche Sauce mit grobem Senf und als Knusperelement Flusskrebschips.Das Petersilienöl und die Granatapfelkerne setzen nur ganz leichte Akzente und haben für mich eher optische Bedeutung. Alles in allem ist dieser Gang aber sehr stimmig und harmonisch.
Noch überzeugender gerät das Bries und die Niere vom Kalb, das mit Rahmsauerkraut und Ananas eine fruchtig, säuerliche Einfassung erhält, die von der Schärfe der roten Curry-Sauce geschickt kontrastiert wird. Daneben sind die Innereien natürlich einwandfrei zubereitet. Das Bries ist außen wunderbar knusprig und innen weich, die Niere mit perfektem Biss. Ein schönes Gericht, das zeigt, dass den inneren Werten deutlich zu wenig Beachtung geschenkt wird.
Auch beim Hauptgang bleibt Dieter Grubert sehr fokussiert. Der sous-vide gegarte Lammrücken bekommt verhältnismäßig klassische Beilagen in Form von Pastinakenpüree und Bohnen mit Fregolas. Grubert liebt diese sardische Pasta und ich freue mich, dass ich sie hier häufig bekomme. Die Jus ist kräftig und Raz El Hanout schiebt das Gericht nur ganz dezent in orientalische Gefilde.
Es ist ja bekannt, dass Dieter Grubert in der Küche eine One Man-Show betreibt, was angesichts des Aufwandes, den er betreibt, mehr als bemerkenswert ist.
Über die Präferenz, Fleisch gerne sous-vide zu garen, würde ich hier aber generell noch mal nachdenken. Von der Effizienz her mag diese Zubereitungsart zwar nützlich sein und das Lamm war auch zart und auf den Punkt. Allerdings ist der Grat sehr schmal, auf dem das Fleisch auch mal zu weich geraten kann und ich habe noch niemanden gefunden, der etwas gegen Röstaromen hätte.
Dies aber nur als Gedanken nebenbei. Der Gang hat uns sehr gut geschmeckt.
Beim Käse gibt es dieses Mal eine echte Entdeckung zu machen. Denn der Service präsentiert ein Brett mit zwar nur fünf, dafür aber üppigen Laibern, die ausschließlich vom Rheingau Affineur stammen. Mir war der bisher nicht bekannt und so lerne ich, dass sich dahinter mit Anke Heymach eine Frau verbirgt, die mit ihrem Team in Taunusstein ausgewählte Käse aus Deutschland, Österreich und der Schweiz mit typisch Rheingauer Zutaten veredelt und reifen lässt. Das Ergebnis kann vom kräftigen Bergkäse bis zum milden Ziegenkäse überzeugen. Das sind sehr eigenständige und originelle Käse und eine wirkliche Bereicherung.
Ich bin zwar Käsepurist und brauche dazu keine Mitspieler, aber der Birnensenf und die Tomatenkonfitüre sind für sich genommen sehr gut und, wer es mag, zum Käse auch passend.
Wer klassische Desserts sucht, ist bei Dieter Grubert genau richtig, besonders wenn er seiner Paradedisziplin, dem Soufflé nachgehen kann. Das kommt heute als Vanille-Topfen-Soufflé mit Grand Marnier-Parfait und einem cremigen Schokoladenmousse. Das ist pures Wohlgefühl, süß ohne Schnickschnack und so, wie man sich ein befriedigendes Dessert vorstellt.
Die Petits Fours zum Kaffee sind zwar nicht selbst gemacht, aber gut eingekauft. Wenn man die Küche im Alleingang schmeißt, ist es schon sinnvoll zu wissen, an welchen Stellen, man sich beschränken muss. Und Pralinenproduktion muss da nicht zwingend dazu gehören.
Die Weinkarte im „Titus“ konzentriert sich verstärkter denn je auf deutsche Winzer und bietet, was für ein Restaurant dieser Klasse bemerkenswert ist, eine große Anzahl von Weinen im Preissegment um 20-40 Euro. Wir haben Lust auf etwas Barrique gereiftes und werden bei einem Chardonnay aus der Pfalz fündig, der aus einer Zusammenarbeit von Jürgen Giesel, ehemaliger Sommelier im Wolfsburger „Aqua“, mit dem Winzer Klaus Scheu aus Schweigen-Rechtenbach, also ganz nah an der französischen Grenze, entstanden ist. Der Wein ist wunderbar und von burgundischer Eleganz. Preislich bewegen wir uns mit 65 Euro noch im sehr akzeptablen Bereich. Dennoch würde ich mir etwas mehr Auswahl im Mittelbau wünschen.
Pascalé Schafnitzel und Hanno Lattwesen versehen den Service umsichtig und freundlich. Bei der Ansprache war es diesmal ein wenig inkonsistent. Dass man anfangs das etwas joviale „Ihr“ wählt, ist zwar ungewohnt, aber auch kein größeres Thema für uns . Wir sind schließlich nicht zum ersten Mal hier und haben auch nichts dagegen. Allerdings bin ich dann immer für klare Verhältnisse und frage direkt nach, ob wir jetzt beim „Sie“ oder beim „Du“ bleiben und gleichzeitig klar mache, dass „Du“ schon in Ordnung wäre. Ob das nun zu direkt war, kann ich nicht beurteilen, aber ab dem Moment sind wir wieder beim „Sie“. Schon irgendwie etwas durcheinander. Aber so sei es.
Der Abend war trotzdem natürlich gelungen und es war schön, nach längerer Zeit mal wieder in dieser hannöverschen Institution gewesen zu sein, auch wenn die ersten Gänge etwas überladen waren und bei mir für leichte Irritationen sorgten. Ab dem Fischgang war das Menü für mich wieder klar auf Kurs, weil deutlich fokussierter. Überhaupt finde ich Dieter Gruberts Küche dann besonders stark, wenn seine Gerichte einen klaren Mittelpunkt haben und nicht zu viele Mitspieler vom eigentlichen Hauptdarsteller ablenken. Zusammen mit seinen großartigen Saucen ist er dann nahezu unschlagbar. Mit seinen Soufflés ist er das sowieso.
Bericht wie immer auch auf meinem Blog unter http://tischnotizen.de/titus-hannover-2/