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„Einfach“ aus den Suiten im obersten Stockwerk die Betten entfernen. Dafür einen Esstisch vor die Tür zur Dachterrasse mit ihrem tollen Blick über Hafen, Schleuse und Außenweser stellen, edel eindecken, einen erfahrenen Musiker engagieren, der mit Gitarre und Keyboard gechillt einen Wunschhit nach dem anderen spielt und schon ist alles bereit für ein „Suite Dining“ der Extra-Klasse!
Wobei das Prädikat bereits für das Hygiene-Konzept galt: Die Gäste wurden im Viertelstundentakt aus der Lobby oder in unserem Fall nach telefonischer Vorankündigung aus dem Hotel-Zimmer nach oben begleitet. So kam man sich schon im Fahrstuhl, Treppenhaus oder auf den Fluren nicht in die Quere.
Auf dem Tisch perlte der frisch eingeschenkte Champagner in den Gläsern und in unserer Harlem-Suite war es auch vorbei mit der Maskierung - und zwar nicht nur für uns, sondern auch für die charmante und engagierte, sehr junge Dame, die sich erst einmal vorstellte und dann für den Room-Service sorgte. Dabei wurde so serviert, wie es wohl ursprünglich mal für die ganze Gastronomie angedacht war: Der Wein - auf Wunsch (kalifornischer) Chardonnay statt des im Menü vorgesehenen Grauburgunders - und beständig nachgefülltes Mineralwasser standen in Kühlern auf einer Anrichte im Zimmer bereit, wo dann auch unsere vier Gänge jeweils abgestellt wurden; die warmen Speisen natürlich unter einer Cloche. Den „letzten Meter“ zum Tisch mussten wir tatsächlich selbst überbrücken, aber wer versucht sich nicht gern im self-service (für Partner oder Partnerin), zumal dafür wieder das freundliche Lächeln des Personals zu sehen ist? In diesem, sich wirklich privat anfühlenden Rahmen war das fast wie ein Abend am heimischen Esstisch, nur mit der Abendsonne über der Nordsee, Livemusik vor der „Haustür“ und ohne Arbeit in der eigenen Küche.
Immer wieder wechselten wir mit unseren Gläsern auf die großen Terrasse, entweder an der „Reling“ stehend oder es uns in den Loungemöbeln bequem machend und den Suite-Nachbarn oder dem Musiker auf Entfernung zuprostend.
Zurück im Zimmer wartete ein ordentliches Sauerteigbrot mit krosser Kruste auf uns, dazu Salzkristalle und leider ein kulinarischer Fauxpas, denn die Butter war offenbar schon einmal geschmolzen gewesen und wieder gekühlt worden. Mit dem nächsten Umlauf unserer Service-Fee wurde der Fehler ausgebügelt; er sollte der einzige des Abends bleiben.
Ups...
Phillip Probst, der als Chef im Graf Leopold in Daun einen Stern erkocht hatte, war nicht selbst in der Küche, was noch Thema werden sollte.
Sein Menü startete mit gebeizter Lachsforelle, die als Nori-Blatt-Rolle im Sushi-Style präsentiert wurde.
Unter der Alge versteckte sich der pikante Gewürz-Rub und eine Limetten Crème fraiche pufferte die leichte Schärfe perfekt ab.
Knackig gegarter Spargel auf Zimmertemperatur schmeckte frisch durch Strandaster, Kerbel, Dill, marinierte Radieschen und Tomatenwürfel. Der kleine Kartoffelknusper war zwar geschmacklich neutral, steuerte aber nochmal Textur bei. Fast perfekter Auftakt, dem nur ein Tick Säure (mehr) fehlte.
Am Kräutersüppchen schieden sich zunächst die Geister.
Mir war sie zu dick geraten, meine Frau war höchst zufrieden. Geschmacklich gab es sowieso keinen Dissens: Intensiver, auch würziger Geschmack, für den u. a. der für mich neue Strand-Beifuß verantwortlich war. Als Einlage thronten auf einer Basis von Dill-Kartoffelstampf natürlich Nordsee-Krabben. Zitronenöl setzte ein paar Spitzen. Das schien etwas erwartbar, überraschte aber mit eindeutigen, nicht zu leichten Aromen,
Für den Hauptgang hatten wir bei der Anmeldung um Fisch statt des gesetzten Fleischs vom friesischen Ochsen gebeten; auch dieser Wechsel war keine Problem. Wir bekamen zwei Tranchen gebratenen Zander, durchgegart, aber saftig und mit bemerkenswert knuspriger Haut.
Das Bett von Spinat, Shitake und Schalotten war wieder tadellos und fiel nur deshalb nicht auf, weil Perlzwiebeln und Texturen von Karotte den Teller aus der gutbürgerlichen Küche katapultierten, besonders durch ein Kräuter- und Gewürz-Feuerwerk, bei dem Anis, Lavendel und Wacholder hell „strahlten“. Ein völlig nachvollziehbarer Verbinder war die leichte Kerbel-Dill-Sauce, die wir im do-it-yourself mehr oder minder künstlerisch auf den Teller brachten...
Der Abschluss machte dann (Endlich! Jubelten 50% von uns...) aus dem Suite- ein Sweet- Dining: Auch hier pirschte sich die Kochkunst von Chef Probst unauffällig mit marinierten Erdbeeren, sicherlich selbst gemachtem Bourbonvanille-Eis und Joghurt an
um dann schon mit Baiser-Bruch und einem frischen Gel der Frühlingsfrüchte zu gefallen. Die grünen Blättchen erinnerten geschmacklich an Zitronenmelisse (War das Kraut aber nicht - Petra?). Die ebenfalls deutlich säuerliche, fluffige Joghurtmousse wurde von weißer Schokolade und vor allem einem Crumble begleitet, dessen honigsüßer Popcorn-Geschmack eine ganz tief vergrabene Erinnerung ansprach. Trotzdem musste ich fragen, denn auf Frühstücks-Smacks wäre ich nicht gekommen!
Petits fours gab es nicht, was (für mich bekanntlich) kein Beinbruch war. Vielleicht lag es auch daran, dass wir zu später Stunde einen Kaffee ausschlugen.
Stattdessen fragten wir höflich nach der Küchencrew, denn für die handwerklich fehlerfreie Umsetzung an diesem Abend wollten wir uns gern direkt bedanken.
Und wie überrascht waren wir, als LIBERTY-Chefin Cornelia Meyer, die immer mal nach dem Rechten geschaut hatte, uns zwei sehr junge, ebenso stolze wie verschüchterte Menschen vorstellte! Tatsächlich hatte das 1. (i. W. erste) Lehrjahr die 12 Menüs des Abends ohne jede Unterstützung vor Ort allein gewuppt, denn die Stammcrew befand sich noch komplett in Kurzarbeit Null. Alle Achtung und ganz harter Respekt! Unsere Begeisterung gefiel den Beiden wohl genauso wie unserer Service-Dame, die auch erst zwei Ausbildungsjahre hinter sich hat!
Und während sich der Himmel hinter den mächtigen Containerbrücken rot färbte, gab es von unserer Gastgeberin noch ordentlich was auf die Ohren, denn auch Hotel-Direktorinnen können eine Vergangenheit als semi-professionelle Sängerinnen haben!
Es gibt so Momente, die sind einfach perfekt.