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Nachdem wir am Tag zuvor mit dem ICE aus Karlsruhe angereist waren, verlangte das lange Sitzen im Zug seinen körperlichen Tribut. Ich hatte starke Kreuzschmerzen, fühlte mich total verspannt und musste meinem inneren Bewegungsdrang dringend Tribut zollen. Das erst im Sommer 2022 eröffnete Horner Bad, eine mit einem 50-Meter-Becken ausgestattete Sportschwimmerhalle, wurde mir von Fachleuten empfohlen.
Mit dem Auto vom Schwiegervater ging es dann einen Tag vor Weihnachten in den nordöstlichen Bremer Stadtteil Horn-Lehe, in dem sich auch die Universität, der Bremer Technologiepark, die DAV-Kletterhalle und das Science-Center „Universum“ befinden. Ich war früh dran, wollte ich mir doch die Option auf ein Mittagessen nach sportlicher Betätigung noch offenlassen.
Im Horner Bad angekommen hielt ich Ausschau nach dem berüchtigten „Mark Spitz aus Borgfeld“, einem überregional bekannten Gourmetschwimmer, der das Seepferdchen am liebsten medium rare genießt und der die 100 m „Cordon Bleu“ nach wie vor im Schmetterlingsschnitt zurücklegt.
Dass dieser mit Schwimmhäuten an den Füßen ausgestattete Ausnahmeathlet vom Reh am liebsten den Rücken mag und vom Huhn natürlich die Brust vorzieht, versteht sich von selbst. Einfach sagenhaft, was der in allen Lagen schafft! Eine echte „Kraulquappe“ eben.
Dieser befand sich wahrscheinlich gerade im vorweihnachtlichen Wohlfahrtsstress und konnte deshalb nicht in seinem bevorzugten Element der Konkurrenz die Rückflossen zeigen. Ein Jammer, der mich jedoch nicht von etlichen, im freien Stil bewältigten Bahnen in dieser (noch) wenig berühmten Wettkampfstätte abhielt.
Nach dem Schwimmen war der Hunger dann groß. Auf Onkel Google und Tante TA studierte ich das kulinarische Umfeld. Das nahegelegene Restaurant Matisse wirkte auf mich beim Speisenangebot zu unentschlossen. Das „happi by Henssler“ im nicht weit entfernten Ortsteil Borgfeld hatte da noch nicht eröffnet, wäre mir aber wohl eine Spur zu „hip“ gewesen. Oder wie mein Kumpel stets zu sagen pflegt: „Da bin ich zu alt für den Sch...!“.
Die Bewertungen und Kommentare im Netz machten mich auf die im Industriegebiet von Lehesterdeich ansässige Trattoria von Giuseppe Milione, der früher die Gastronomia Trattoria & Vinoteca in der Bremer Neustadt führte, aufmerksam. Das in der Beletage eines - von außen recht steril wirkenden - mehrstöckigen Bürogebäudes beheimatete Lokal hat nur wochentags von 9 bis 16 Uhr geöffnet.
La Trattoria im "Ufficio"
Auf das Abendgeschäft wird verzichtet. Stattdessen catert man lieber auf Firmenevents und privaten Feiern oder veranstaltet vor Ort italienische Genussabende mit Wein, Tanz und Buffet.
Drinnen regierte nüchterne Funktionalität. Schallschutzelemente hingen an der Decke, Metallrohre und -schienen kanalisierten Abluft und Elektrik, graue Betonsäulen gewährleisteten eine sichere Statik.
Etwas steril wirkte das Interieur ja schon...
Dass in dieser Räumlichkeit früher wohl Büroarbeiten verrichtet wurden, war gut vorstellbar. Doch statt Aktenordner und Schreibtischlandschaften bevölkerten in kariertes Leinen gehüllte Tische den schlauchartigen Gastraum, hinter dessen langgezogener Theke ein netter Wirt mich freundlich begrüßte.
Den Gastraum bestimmt die lange Theke
Dieser lange Tresen, hinter dem gebrutzelt, gebacken und ausgeschenkt wurde, fiel mir nach dem Passieren der gläsernen Eingangstür als allererstes ins Auge. Hier wurde übrigens auch bestellt, bezahlt und die vor den Augen der Gäste zubereiteten Speisen nach dem Pager-Brummen auch abgeholt.
Zum leicht „kantinesken“ Charakter des Gastraumes passt das Selbstbedienungskonzept jedoch ganz gut. Zur Lunchtime ist hier bestimmt einiges los, da muss es für die zeitknappen Mittagspäusler auch mal schnell gehen.
Lediglich die karierten Tischdecken gaben einen dezenten Hinweis auf die hier zu erwartende Cucina Italiana.
Kariertes Kantinenflair
Mehrere, über dem Tresen platzierte Tafeln verkündeten das übersichtliche Standardprogramm, das aus rund zehn verschiedenen Pizzen, ein paar Salaten und einer kleinen Auswahl gängiger Vorspeisen (Antipasti-Platte, Caprese) bestand. Zusätzlich hatte man eine Tagespasta – Rigatoni mit Ragù alla bolognese für schmale 8,50 Euro – sowie ein paar Empfehlungen der Woche im Angebot.
Meine Entscheidung fiel auf die Pasta mit Hackfleischsauce. Diese holte sich nämlich gerade ein Gast an der Theke ab und sie sah sehr verlockend aus. Dazu gesellte sich noch ein kleines San Pellegrino (0,2l für 2,10 Euro) für den Durst. Mit ca. 10 Euro war ich dabei.
Im Grunde schmissen zwei gut gelaunte Herren höheren Alters den kompletten Laden. Einer von ihnen war Inhaber Giuseppe Milione, der am Herd die Speisen für das nächste Buffet oder Catering vorbereitete und gelegentlich auch den ein oder anderen Pastateller rausschickte.
Später kamen wir noch ein wenig ins Gespräch. Bereitwillig flambierte er für ein Foto das Grillgemüse in seiner Pfanne und freute sich sichtlich über den interessierten Gast aus der Fremde.
Giuseppe lässt die Flammen tanzen...
Der andere Herr, bei dem ich den Bestell- und Bezahlvorgang erledigte, kümmerte sich nebenbei noch um die Getränke und den Pizzaofen. Manchmal huschte auch eine Aushilfe aus der Spülküche hervor.
An jenem Freitagmittag kurz vor Weihnachten hielt sich der Andrang in Grenzen. Eine treue „Tröpfelklientel“ von den Schreibtischen aus der näheren Umgebung bevölkerte punktuell das Innere der Trattoria. Die Außenterrasse, auf der – den Bildern bei Facebook nach zu urteilen – auch gerne mal das ein oder andere „Porceddu“ auf dem Grill rotiert, war natürlich in dieser Jahreszeit komplett verwaist.
Das Vibrieren des quadratischen Funkmeldeempfängers signalisierte mir die Fertigstellung meines Pasta-Tellers, den ich am Tresen entgegennahm. Die Parmesanfrage bejahte ich umgehend. Ein ansehnlicher Nudelberg bedeckte das Porzellan. In Form bissfest gekochter Röhren grüßte Toni aus Riga und das in üppiger Portion.
Schau mir in die Röhren, Kleines!
Die herzhafte Fleischsauce schmeckte nach stundenlangem Einkochen und hatte eine schöne Säure von den verwendeten Dosentomaten. Auch mit der Dreingabe von Wein hatte man sich bei dem mit etwas Gemüse (Karotten, Sellerie) angesetzten Sugo nicht zurückgehalten. Insgesamt war das ein routiniert abgeschmeckter Leib- und Seelenteller, der auch dem hungrigsten Schwimmer die verlorenen Kohlenhydrate wieder zuzuführen vermochte.
Ein grundsolides Bolo-Erlebnis
So gesehen war meine erste Einkehr in der Hansestadt an der Weser zwar ein recht unprätentiöses Unterfangen, aber die freundlichen Gastgeber und die wohlschmeckende Bolo ließen mich zufrieden den Rückweg in Richtung Neue Vahr antreten. Jetzt war ich bereit für die kulinarischen Herausforderungen der Festtage.