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Dies war – so viel sei vorweggenommen – ein durch und durch gelungener Plan des prinzipiell jeder Länderküche aufgeschlossenen Gourmands aus dem schönsten Stadtstaat der Republik. Klar, hätten wir auch auf bekannte Einkehradressen der gehobeneren Art aus der in dieser Hinsicht recht überschaubaren Bremer Gastrolandschaft zurückgreifen können, aber in der Einfachheit liegt ja bekanntlich nicht nur die wahre Schönheit, sondern auch häufig das echte – im besten Falle authentische – Gaumenglück.
Des Borgfelders Idee zog Pfälzer Vorfreude nach sich. Die marokkanische Küche ist mir weitgehend unbekannt, auch wenn ich mir bereits den ein oder anderen Couscous – in der Regel „drüben“ in Grand-Est – einverleibt habe. Aber, kulinarisches Neuland betrete ich gerne – am liebsten in Begleitung eines versierten „Partners in dine“, der sich auch gerne auf solch genussvolle Entdeckungsreisen einlässt.
Wir trafen uns wie verabredet an der Haltestelle Domsheide. Nach einem kleinen Abstecher in die neu bezogenen Räumlichkeiten seiner Arbeitsverrichtung ging es in Richtung Schnoorviertel, dem ältesten Quartier der Stadt. In diesem liebevoll restaurierten, für Brementouristen zum Pflichtprogramm zählenden Stadtviertel, reihen sich rund 100 kleine, pittoreske Häuser wie an einer Schnur – daher der Name – aneinander.
Das früher hauptsächlich von Fischern und Seeleuten bewohnte Gebiet lag direkt am Wasser, denn die Balge, ein Nebenarm der Weser, floss im Mittelalter noch direkt durch den Schnoor, bevor sie im Laufe der Jahrhunderte komplett versandete. Verzeiht mir den kleinen Ausflug in die Historie dieses wirklich sehenswerten, ehemaligen Arme-Leute-Viertels, das heute viele Kunsthandwerkbetriebe, Antiquitätengeschäfte, Galerien, Cafés und natürlich Restaurants beherbergt.
Doch nicht zum ollen Daniel Schröter, der hier nach wie vor mit viel Leib und noch mehr Seele seine ambitionierte Kreuzüberküche aufs Porzellan bringt, sollte es gehen. Nein, den hebt sich der ausgebuffte Babo der örtlichen Bistronomie hoffentlich für das nächste Date mit dem Pfalzfreund auf.
Es ging in das erst ein paar Wochen zuvor eröffnete Restaurant Argana, in dem früher die „Kleine Braterei“ untergebracht war. An ihre knusprig-deftigen, in vielen Variationen erhältlichen Kartoffelwaffeln erinnert sich Borgi noch bestimmt. Heute kündet ein großformatiges Namensschild über der Fensterfront mit marokkanischer und mediterraner Küche.
Passend zum Namen des Lokals befindet sich darauf auch ein Arganbaum, der in Marokko seit Jahrhunderten zur Ölgewinnung genutzt wird. Was es mit der daneben abgebildeten Ziege auf sich hat, kann jeder selbst mal googeln. Nur so viel: Sie ist sowohl den Früchten als auch den Blättern dieses lediglich im Nordwesten Afrikas vorkommenden Lieferanten des nussigen Arganöls sehr zugetan.
Der Empfang durch die Inhaberin/Servicechefin war sehr herzlich. Borgi war hier kein Unbekannter, hatte er sich doch bei seinem Besuch ein paar Wochen zuvor als „culinary consultant“ einen Namen gemacht und auf die betriebswirtschaftlichen Folgen zu geringer Flaschenweinpreise hingewiesen. Dass wir gleich zum Apéro ein Gläschen Weißwein aufs Haus bekamen, verstand sich da von selbst. Schade nur, dass er uns nicht ganz so doll mundete.
Wir saßen sehr entspannt in einer ruhigen Ecke des wertig eingerichteten Gastraums auf gut gepolsterten Stühlen mit beigem Kunstlederüberzug. Manche der Tische waren von weißem Leinen überzogen.
Unserer nicht. Auf seiner Oberfläche aus Polyrattan lagen lediglich ein paar Kunststoffsets sowie das Einfachbesteck auf Papierservietten und herkömmlichen Pfeffer- und Salzmühlen von Zolmer.
Ein paar gerahmte Impressionen aus der marokkanischen Heimat brachten etwas Farbe an die in apartem Beige gehaltenen Wände. Von der Decke baumelten Leuchtkugeln in überdimensionierter Glühbirnenoptik. Sie tauchten den Raum in ein helles Licht. Vielleicht eine Spur zu hell, aber für das Abknipsen der Speisen natürlich optimal. Erfreulich wenig Deko-Kitsch zierte die uns umgebenden Regale und Raumteiler.
Auch die gemusterten Teppichlandschaften, die zwangsläufig zu einer Überdosis Orient führen, vermissten wir überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil, das gepflegte Ambiente des Argana mit seinen subtilen Verweisen auf die Herkunft der Inhaber wusste durchaus zu gefallen. Was man übrigens auch vom Service behaupten kann. Die nette junge Dame, die uns bediente, tat dies mit Herz. Da sah auch der als gelegentlich etwas "schwierig" geltende Bremer über die ein oder andere (Nach)Lässigkeit hinweg.
Man reichte uns die Speisenlektüre. Schön, dass mein Gegenüber bereits ein paar der offerierten Gerichte kannte und mir mit Rat (und später auch mit Tat) zur Seite stand. Der „Zaalouk“ genannte, marokkanische Auberginensalat (4,50 Euro) sei nach Aussage meines Tischgenossen ganz formidabel. Und natürlich sollte man auch die Chance auf eine der angebotenen Tajine-Varianten nicht unverkostet verstreichen lassen. Oder doch lieber eine in knusprigen Filoteig gehüllte Teigtasche, die man hier „B’stilla“ nannte?
Zum „Warm-up“ wurden uns eine Pfütze gekräutertes Olivenöl und ein paar schwarze Exemplare der von mir ungeliebten, mediterranen Steinfrucht gereicht.
Borgi freute sich über meine ablehnende Olivenattitüde und genoss die eingelegten Früchte des Ölbaums zusammen mit einem ordentlichen Fetzen Fladenbrot, das ich ganz bescheiden in die putzige „Ölwanne“ stippte. Für den ersten Hunger war das absolut ausreichend.
Nun, der kalten Jahreszeit entsprechend, konnte eine warme Suppe vorweg nicht schaden. Mit der „Harira“ (7,50 Euro) hatte man die klassische Maroc-Terrine im Programm. Und zwar in der vegetarischen Version mit Linsen, Kichererbsen und ein paar Fadennudeln drin. Auf die hatte ich so richtig Lust. Fast zeitgleich ertönte am Tisch ein erfreutes „Zaalouk“, denn Borgi hatte gerade eine „Aubergination“, was einen würzigen „Salat“ aus der dunkelhäutigen Eierfrucht zur Folge hatte.
Zusätzlich orderten wir zwei unterschiedlich gefüllte, frittierte Blätterteigtaschen, sogenannte Briouats.
Der Vergleich mit den indischen Samosas drängte sich zwar optisch auf, hielt aber dem ersten Bissen nicht stand. Der beliebte marokkanische Snack war von einem mehrlagigen Brik-Teig zart umhüllt, knusperte fast schon obszön und sorgte bei seinen Konsumenten für fettige Finger.
Die Feta-Käse-Version (3,50 Euro) marschierte geschmacklich in Richtung Zigarrenbörek und verhielt sich auch sonst recht unauffällig am Gaumen. Auch das mit Gemüse (Aubergine, Paprika, Tomate) gefüllten „Briefchen“ (3 Euro) hätte man ruhig etwas mutiger würzen dürfen. Der „Chef des Ladens“ (= Ras-el-Hanout) hätte den zahmen Briouats sicher Feuer gemacht.
Völlige Zufriedenheit herrschte dagegen beim Vernichter des Auberginen-Tomaten-Dips, den man in Marokko kurioserweise zu den „Salaten“ zählt (also den Dip, nicht dessen Vernichter…).
Neben den beiden Hauptzutaten zeichneten sich Knoblauch, frische Glattpetersilie, frischer Koriander, Kreuzkümmel und etwas Zitrone für die gelungene Kombi aus orientalischer Würze und vegetabiler Frische verantwortlich. Zusammen mit dem dazu gereichten Fladenbrot ein einfacher, aber äußerst aromatischer Einstieg in unser erstes gemeinsames Maghreb-Mahl.
Auch ich war von meiner allerersten Harira schwer beeindruckt.
Bei der beliebtesten Fastenbrechen-Speise Marokkos, die auch gerne außerhalb des Ramadans serviert wird, handelt es sich um eine traditionelle Suppe der nordafrikanischen Küche. Die hierzu benötigten Linsen und Kichererbsen wurden über Nacht eingeweicht und später zu der mit Gemüse (Zwiebeln, Staudensellerie, Möhren etc.) angesetzten Basis gegeben.
Betörende Aromen von Kurkuma und Koriander stiegen mir in die Nase. Diese vertrugen sich gut mit der leichten Säure der verwendeten Dosentomaten. Auch hier hätte es vielleicht eine Brise mehr Ras-el-Hanout sein dürfen, aber das ist Jammern auf „Jebel-Toubkal-Niveau“ (wie man in Marokko zu sagen pflegt).
Auf der anderen Seite des Tisches wurde munter „weitergesnackt“, denn mein Knusperkollege gönnte sich eine mit Hähnchenfleisch, Mandeln, Zwiebeln und Eiern gefüllte B’stilla (12,50 Euro), bei der auch Zimt und (Puder-)Zucker im Spiel waren. Natürlich ließ er mich davon kosten. Auch mir sagte das mit sättigender Füllung ausgestattete, wunderbar crunchige Filoteigpaket zu.
Sein Zimtaroma trat nicht zu sehr in den Vordergrund. Die blanchierten Mandeln sorgten für zusätzlichen Biss, während die weiche Eiermasse dem traditionellen marokkanischen Festtagsgericht eine gewisse Saftigkeit verlieh.
Glattpetersilie und Koriander brachten etwas Frische in die zuckrig gepuderte Teigtasche. Das marinierte Hähnchenfleisch trug überraschenderweise am wenigsten zur (Geschmacks)Sache bei.
Zu gerne hätte ich noch die mit Fisch, Meeresfrüchten und Glasnudeln gefüllte „Meeres-B’stilla“ probiert, aber da lagen ja auch noch drei gegrillte, zuvor in marokkanischer Chermoula (Kräutermarinade) eingelegte Lammspieße (17 Euro) vor mir, die auch verzehrt werden wollten.
Sie ruhten zwischen einem kleinen Hügel gedämpftem Couscous-Grieß und ein paar spärlich angemachten Salatblättern, die zusätzlich mit Tomaten – geschmacksneutrale Winterware – und für meinen Geschmack deutlich zu grob gehackten Zwiebeln garniert waren.
Die recht geschmacksarmen Grießkügelchen wären mit etwas Soße deutlich angenehmer zu vertilgen gewesen. So blieb es leider eine ziemlich trockene Angelegenheit, da half auch die untergemengte Olivenöl-Schmiere nur bedingt.
Klarer Favorit auf meinem Teller waren die fein gewürzten Lammspieße. Diese gewannen durch die orientalische Kräutermarinade nicht unerheblich an Klasse. Dass zu dem Preis keine butterzarten Filetfetzen am Spieß hingen, war nicht wirklich überraschend. Die Fleischqualität (ich tippe auf Schulter) war dennoch solide und auch von der Menge her absolut in Ordnung.
Zu diesem pittoresken Reigen an (Klein-)Gerichten passte der auserkorene Domaine Aïn Lorma Rouge vom Weingut Les Celliers de Meknès für freundliche 20 Euro die Flasche.
Besonders zu meinen Lammspießen erwies sich die schlanke, mit lediglich 12,5% Alkohol auskommende Cuvée aus Syrah, Cabernet Sauvignon und Merlot als durchaus trinkbar. Kein Tannin-Titan, der für adstringierende Momente am Gaumen sorgte, sondern ein fruchtig-trockener, gut ausbalancierter Essensbegleiter, der den aromatischen Speisen nicht die Schau stahl.
Nun war ich ja mit einem bekennenden Weißwein-Enthusiasten unterwegs. Da durfte es im Glas von vornherein nicht allzu schwer zugehen. Insofern war die Wahl des leichten Roten aus Meknès nicht der schlechteste Kompromiss. Später am Abend – wir hatten noch lange nicht genug – wurde selbstverständlich die vinophile Gerechtigkeit mit einem Riesling von der Mosel wiederhergestellt.
Das passierte in meinem/unserem Bremer Lieblingsbistro, dem Topaz, wo wir uns bei abgeflämmter Auster fast schon „big in Japan“ vorkamen und beim gemeinsamen „Schlendern“ durch den „schlammigen Schnee“ das Jahr kulinarisch ausklingen ließen. Satt heißt nämlich nicht, dass kein Nachtisch mehr reinpasst! So stand es zumindest in deren Speisenkarte geschrieben. Wir fühlten uns verstanden.
Danke nochmal für den tollen Abend, Borgi. Das nächste Weihnachten kommt bestimmt…