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Pfälzer Motto für mehr Frieden in der Welt
Fast könnte man meinen, dass der sympathische Betreiber Jakob Mathis, Sohn des mittlerweile im verdienten Ruhestand befindlichen Pfälzer Urgesteines Wilfried Mathis, die Welt mit den hauseigenen Weinen ein Stück weit besser machen möchte. Wer kann ihm das in Zeiten wie diesen verdenken?
Wer jemals in diesem weinseligen Südpfälzer Vorzeigefamilienbetrieb zu Gast war, kommt höchstwahrscheinlich wieder oder denkt zumindest noch eine ganze Weile gerne daran zurück. Denn solche hausmannsköstlichen Lokalitäten, die den Charme vergangener Zeiten ausstrahlen, werden auch in der „Toskana Deutschlands“ immer weniger.
Nicht nur weinaffine Pfalztouristen vermissen solch liebgewonnene Einkehradressen wie beispielsweise den „Kommerzienrat“ (Neustadt-Gimmeldingen), die Weinstuben „Jede“ und „Zum Mandelpfad“ (Rohrbach), die „Alte Kelter“ (Landau-Mörzheim) oder die Weinstube „Hahn“ (Landau-Arzheim). Die Liste der mittlerweile nicht mehr existierenden Weinlokale mit kulinarischem Anspruch und entsprechender Qualität ließe sich noch weiter fortsetzen.
Sie fehlen auf der gastronomischen Landkarte unserer Region und gestalten die Suche nach authentischer Pfalzkost mit Niveau nicht gerade einfacher. Klar, kann man sich in eine von vielen, zumindest am Wochenende noch bewirtschafteten Pfälzerwaldhütten begeben und dort für kleines Geld dem üppigen Pfälzer Teller die hungrige Stirn bieten. Aber wer eine etwas gediegenere Atmosphäre bei Saumagen und Leberknödel bevorzugt, der muss sich schon ein wenig auskennen. Oder einen kennen, der sich auskennt.
In diesem Fall kannten die beiden Pfalztouristen aus dem Bergischen jemanden. Und so kam es, dass wir an einem warmen Freitagabend Mitte August nach zuvor getätigter telefonischer Reservierung zu dritt in Klingenmünster an der legendären „Wine-Route Sixty-Six“ haltmachten
Get your kicks - on wine route sixty-six!
und nur zu gerne auf der hübsch angelegten Weinterrasse der Familie Mathis Platz genommen hätten. Da es auf jener noch zuging wie auf einem gut besuchten Weinfest, mussten wir uns kurz gedulden und wurden in der nostalgischen Stube „geparkt“.
Drinnen in der urgemütlichen Stube
Lauschiges Eck neben dem nostalgischen Kaminofen
Diese hätte mir als altem Weinstubengänger natürlich auch zugesagt, aber meine beiden Solinger Gäste wollten unbedingt unter freiem Himmel dinieren. Nur ein nichtrauchender Schelm wie ich, vermutete später, dass dieser Wunsch wohl auch in unmittelbarem Zusammenhang mit dem regelmäßigen Nikotinkonsum meiner beiden Begleiter stand.
Besonders von dem gestandenen Kulinaristen zu meiner Rechten hätte ich da mehr Rücksichtnahme erwartet. Aber da man auch in der Pfalz seine Gäste wie Könige behandelt, versuchte ich geflissentlich darüber hinwegzuatmen, was mir nur leidlich gelang.
Nun gut, später beim nicht ganz so flachen Anstieg durch den Wald auf die Madenburg – dort spielte noch zu später Stunde die Musik – rächten sich die vielen Inhaliersünden meiner beiden Begleiter. Besonders Häuptling „Rauchender Rezensent“ keuchte ganz schön beim 30minütigen Fußmarsch auf die Burg meiner schönsten Erinnerungen. Vielleicht sollte er dieses Hobby irgendwann aufgeben, so jedenfalls mein Gedanke während unserer kurzen Wanderetappe im dunklen Eschbacher Wald.
Das Speisenangebot zeigte sich angenehm reduziert ohne dabei auf Traditionsgerichte früherer Tage gänzlich zu verzichten. Mit dem Königskotelett in Rotwein und den nach altem Hausrezept hergestellten Bratwürsten mit Sansibar-Pfeffer hatte man nach wie vor zwei echte Mathis-Klassiker auf der im Klemmbrett steckenden Liste.
Der mit den üblichen drei Schweinereien (Bratwurst, Saumagen und Leberknödel) bestückte „August-Becker-Teller“ von einst hieß jetzt „Pälzer Platt“ und konnte gegen Aufpreis um Bratkartoffeln oder Kartoffelstampf erweitert werden. „Mooshammer’s Lieblingsgericht“ – zwei gebratene Leberknödel mit Dornfelder Zwiebeln, Sauerkraut und Bratkartoffeln – fiel wahrscheinlich genau wie der „Schiefe Sack“ und das mit Münsterkäse gefüllte Cordon Bleu durchs zeitgeistige Raster.
Na wenigsten hatte Oma’s Schweinebraten mit Gemüse, Spätzle und Pfefferrahmsoße überlebt. Dagegen wurden das Winzersteak und die Rinderrouladen von König Rumpsteak mit Schmorzwiebel- oder Pfefferrahmgefolge aus der Speisensammlung verdrängt. Dafür hätten wir uns an jenem lauschigen Abend im August geschmorte Ochsenbäckchen mit Karottengemüse, Zwiebelmarmelade und Kartoffelstampf schmecken lassen können.
Doch für eine solch kräftige Schmorspeise war es schlicht und ergreifend zu sommerlich. Zumal sich die ständige Begleitung des Herrn aus Solingen schnell mit Roter Beete und Büffelmozzarella in Honig-Senf-Sauce (10 Euro) anfreundete, während der einstige Verfasser unterhaltsamer Rezensions-Romane (auf diesem Portal) das mit Thunfischsauce und Kapern kredenzte „Bullen-Tonnato“ (10 Euro) vorweg und die „Pälzer Platt“ mit Sauerkraut, deftiger brauner Soße und Brotbeilage (16 Euro) als Hauptgericht für sich proklamierte.
Ich hatte mal wieder einen Rückfall in Sachen kulinarischer Vergangenheitsbewältigung und orderte „der guten alten Zeiten wegen“ das Bratwurst-Duo mit Bratkartoffeln, Sauerkraut und Apfelmeerrettichsoße (16 Euro). Getrunken wurde natürlich auch etwas. Eine kalte Riesling-Schorle aus dem Dubbeglas wurde schnell zur obersten Terrassenpflicht erklärt.
Der Wein stammt hier übrigens ausschließlich von Ingo Mathis, dem älteren Bruder von Jakob, dessen Weinberge in den Lagen Maria Magdalena (Klingenmünster) und Heuchelheimer Herrenpfad beheimatet sind. Ingo Mathis versteht sein Weinhandwerk und baut seine guten Tropfen am liebsten „trocken“ aus. Mein Gegenüber probierte das ein oder andere Gläschen in weiß und lobte die Qualität der verkosteten Rebsäfte.
Zum gekochten Jungbullenfleisch mit Thunfischcrème und Kapern-Topping
Der übersichtlich angelegte Tonnato-Teppich
gesellten sich ein paar Scheiben eines rustikalen Roggensauerteigbrots, das aller „Ähren“ wert war.
Gutes Roggensauerteigbrot
Der mit etwas Zitronenabrieb veredelte Tonnato-Teppich sah ansprechend aus und mundete meinem Tischgenossen ganz vorzüglich wie er mir mehrfach versicherte.
Das Bullen-Tonnato
Unsere Hauptgerichte ließen trotz voller Hütte auch nicht mehr lange auf sich warten. Mit meinen beiden aromatischen Pfefferwürsten war ich hochzufrieden. Auch das Sauerkraut und die Bratkartoffeln gelangen tadellos. Letztere hatten eine angenehme Majoran-Note. Sie kamen dezent knusprig und mit der richtigen Portion Salz aus der Butterpfanne.
Gut gepfefferte Bratwürste mit Bratkartoffeln, Sauerkraut und Apfel-Meerrettichsoße
Der mit Apfelstücken gespickten Meerrettichsoße hätte dagegen etwas mehr „Wumms“ gutgetan – ich mag es einfach, wenn die Schärfe vom Kren das Stammhirn kitzelt –, konnte aber als süffiger Beiguss zu den gut gepfefferten Würsten dennoch überzeugen.
Tolle Kombi, die gut sättigte!
Der Mann neben mir erfreute sich indessen an seinem schweinernen Pfalztrio, das von reichlich dunkler Soße überzogen war.
Die heilige Dreifleischigkeit aus der Pfalz!
Auch hier trafen erstklassige Fleischerei-Erzeugnisse auf fachkundig zubereitetes Sauerkraut, das nach ausreichend langem Verbleib im Topf schmeckte. Die in der Pfanne angebratene Saumagenscheibe kam mit ordentlichem Kartoffelgehalt aufs Porzellan und hatte auch ihre knusprigen Momente.
Ein besonderes Highlight war jedoch der hoch oben auf dem Sauerkrauthügel kauernde Leberknödel, der geschmacklich und texturell keinerlei Wünsche offenließ. Der Pfalztourist mit dem lustigen Elsass-T-Shirt schnalzte mehrfach mit der Zunge und genoss jeden einzelnen Happen seines deftigen Regionaltellers, der ihm, zusammen mit einem trockenen Riesling genossen, völlig ausreichte, um rundum zufrieden festzustellen, dass es sich hier an der Weinstraße doch ganz gut leben lässt.
Die urige Weinstube am Abend
Lebhaft ging es übrigens auch später noch auf der Madenburg zu. Zu den einfallsreich interpretierten Cover-Versionen des lediglich mit akustischer Gitarre auftretenden Künstlers wurde natürlich noch der ein oder andere Rieslingschorle „gepätzt“. Mit einem fantastischen Ausblick auf die Rheinebene by night und guten Gesprächen über unsere musikalischen Vorlieben ging der Abend entspannt zu Ende. Mit Handylampen und Headlamp bewaffnet, meisterten wir den Rückweg zum Parkplatz problemlos.