"Kreativ und anspruchsvoll in Linden"
Geschrieben am 22.07.2017 2017-07-22
"Tolles Tagungshotel"
Geschrieben am 28.06.2017 2017-06-28 | Aktualisiert am 28.06.2017
"Essen gut, Service gemischt"
Geschrieben am 23.06.2017 2017-06-23
"Das Beste vom Rind"
Geschrieben am 04.06.2017 2017-06-04 | Aktualisiert am 04.06.2017
"Reduziert, modern, raffiniert"
Geschrieben am 22.05.2017 2017-05-22
Über die letzten Jahre hat sich aber die Gastronomieszene deutlich weiterentwickelt. Zugegeben, das meiste davon fällt in die Sparte Fastfood, aber immerhin ist die relativ abwechslungsreich und gar nicht mal überall übel. Dass sich aber in diesem Umfeld mit dem „Lindenblatt“ ein Restaurant etablieren konnte, dass sich sowohl vom Anspruch als auch dem Preisniveau deutlich abhebt, ist schon bemerkenswert.
Das Ambiente auf den zwei Ebenen ist geschmackvoll, aber nicht übertrieben. An diesem Sonntag Abend ist unten alles besetzt, so dass wir uns den oberen Bereich mit zwei anderen Paaren teilen. Dass die größeren Tische leer bleiben, stört uns nicht. So ist der Geräuschpegel eh angenehmer.
Innenansicht oben 1
Innenansicht oben 2
Das „Lindenblatt“ bietet eine bewusst reduzierte à la Carte-Auswahl von jeweils zwei bis drei Suppen, Vorspeisen, Hauptgerichten und Desserts. Dazu noch zwei Burger und Steaks, die man erfragen muss. Die meisten Gerichte sind so konzipiert, dass sie auch vegetarisch oder teilweise sogar vegan funktionieren, aber mit einem Fleisch- oder Fisch-Supplement ergänzt werden können. Und so funktioniert auch das aus den à la Carte Gerichten zusammengestellte Menü, das in drei bis fünf Gängen vegetarisch (30/35/40 Euro) oder mit Tier (37/45/55) geordert werden kann.
Ich wähle das Menü in vier Gängen, mein Mann vier Gänge à la Carte. Dass nur ich, weil ich das Menü gewählt habe, einen Gruß aus der Küche bekomme, finde ich schon etwas seltsam und angesichts des Umstandes, dass seine Gerichte insgesamt teurer als mein Menü sind, auch etwas kleinlich. Hier hätte man sich etwas flexibler zeigen können.
Von den drei Grüßen ist mir vor allem die sehr gute Spargelcremesuppe – es wird die letzte der Saison sein – positiv in Erinnerung geblieben.
Begrüßung aus der Küche
Für den ersten Gang aus dem Menü hätte ich eigentlich ein Vorher-Nachher-Bild machen müssen. Die Variation von diversen bunten Tomaten sieht ausgesprochen appetitlich aus, vor allem mit der sehr guten Burrata, dem Basilikum, dem Olivenstaub und den Salsicciastücken. Nach dem Angießen der klaren Tomatenessenz vermengt sich alles jedoch zu einer eher unschönen, milchig trüben Angelegenheit, in der sich die Burrata langsam auflöst.
Wohlgemerkt: das ist nur eine Kritik an der meines Erachtens verbesserungswürdigen Optik des Gerichtes. Alle Komponenten für sich passen natürlich zusammen und die Qualität ist auch gut. Ich persönlich hätte vermutlich die Tomatenessenz à part serviert oder in einer leicht gelierten Version, so dass die Einzelkomponenten noch für sich hätten wirken können. Die Salsiccia als würziges Element gefällt mir gut und an diesem warmen Tag ist diese Vorspeise sehr passend.
Tomate / Weiße Tomatenessenz · bunte Tomaten · Basilikum · Burrata · Olivenstaub (mit Salsiccia)
Auf der anderen Seite des Tisches startet man mit Pescaccio vom Färöer Lachs. Diese etwas gewollt kreative Bezeichnung beschreibt letztlich nichts anderes als roh aufgschnittenen Lachs, der mit etwas Holunderblüte und Zitrone mariniert ist. Die Fischqualität ist gut, aber insgesamt bleibt das Gericht sehr mild. Daran ändern auch die Tupfen fermentierten schwarzen Knoblauchs nichts. Kein schlechter Gang, aber leider ohne den ganz besonderen Kick oder eine besondere Würze, die den Fisch nach vorne gehoben hätte.
PESCACCIO VOM FÄRÖER-LACHS / Roh geschnittener Färöer-Lachs · Holunderblüte · Zitrone Schwarzer Knoblauch · Joghurt
Beim nächsten Gang gehen wir konform und wählen gegrillte Melone mit Focaccia, grünem Spargel, Schafsjoghurt und –käse und Rucola. Als Ergänzung gibt es hierzu in (vermutlich?) Panko ausgebackenen Pulpo und gekochten Schinken vom Havelländer Apfelschwein. Das ist eine schöne, originelle Kombination, die mir gut gefällt und trotz der vielen grundverschiedenen Komponenten schön harmoniert. Dass die à la Carte Portion meines Mannes größer ist als meine, geht in Ordnung. Dass sie allerdings gleich doppelt so groß ausfällt und der Teller damit nahezu überquillt, sollte man auch noch mal überdenken. Ich fand das für eine Vorspeise deutlich überpropotioniert – auch in Linden...
GEGRILLTE MELONE / Gegrillte Wassermelone · Focaccia · grüner Spargel Schafsjoghurt und Käse · Rucola
Im Hauptgang bekomme ich Morcheln und junge Saubohnen, dazu eine Morchel-Panna Cotta und ein Morchelschaum. Ich mag den intensiven Morchelgeschmack und ich mag frisch gepalte Bohnen. Von daher ist dieses Gericht wie für mich gemacht. Das Spanferkel dazu ist sous-vide gegart und zart. Wenig verwunderlich ist die Kruste bei dieser Garmethode alles andere als knusprig, was ein wenig schade ist. Zusammen mit der gepökelten Backe wäre es ansonsten rundum gelungen.
MORCHEL / Saubohne · Morchel Panna Cotta · Gnocchi · Morchelschaum · Petersilie · Kartoffel Sous Vide gegarter Saalower Spanferkelrücken und gepökeltes Bäckchen
Auf dem Teller meines Mannes wird es bunt und erneut üppig. Die Grundbasis des Gerichtes sind diverse Paprika, teilweise mit Frischkäse gefüllt, eine Gremolata und ein Thymian-Guglhupf. Das Fleisch dazu ist eine geschmorte Beinscheibe vom Rind und spätestens damit wird es richtig deftig. Dass dies kein typisches Sommergericht ist, weiß die Küche selbst. Warum sie es dennoch auf die Karte setzen, erklären sie in der ausführlich beschriebenen Karte selbst: „...weil wir Bock darauf haben.“ Klare Aussage – und wer es nicht so herbstlich will, kann ja etwas anderes wählen. Die Portion ist erneut eher für Bauarbeiter gedacht, aber davon abgesehen lecker. Mir persönlich ist das alles nicht nur von der Menge ein bisschen zu viel. Der berühmte Teller bunter Knete kommt mir in den Sinn. Aber ich will nicht meckern. Ist nicht mein Teller, Gatte ist zufrieden, also passt's schon.
PAPRIKA / Thymian Gugelhupf · gefüllte Paprika · Frischkäse · Gremolata Artischocke · Auberginenkaviar, geschmorter Rinderbeinscheibe
Zitrone / Zitronensorbet . Lemon Curd . kandierte Zitrone . Zitronenkuchen Buttermilch . weiße Schokolade
Da ich aber ohnehin lieber Erdbeere als Zitrone mag und es bei meiner besseren Hälfte genau umgekehrt ist, probiere ich kurz und wir tauschen dann die Teller.
Die Erdbeeren finden sich als Sorbet und mariniert als Salat in einem durchaus klassischen Umfeld, der vor allem von Vanille geprägt ist. Als Sponge, Creme und Panna Cotta wird auch dieses Thema durchdekliniert. Die Kardamombaisers bleiben relativ neutral. Die angekündigte Atsina-Kresse kann ich nicht ausmachen, aber schmecken tut es dennoch gut.
Erdbeere / Sorbet · Panna Cotta · Salat · Vanille-Sponge · Atsina-Kresse · Kardamombaiser
Mit beiden Desserts setzt sich die Linie von Benjamin Busmanns Küchenstil fort. Es wird munter kombiniert, mitunter etwas forciert, bei den Desserts eher klassisch variiert. Beim ein oder anderen Gericht könnte ich mir eine gewisse Fokussierung als vorteilhaft vorstellen. Aber wenn die Gänge auch vegetarisch ohne Fleisch- oder Fisch-Supplement funktionieren sollen, will oder muss man dem Gast vielleicht diese Tellervielfalt anbieten.
Besonders hervorzuheben ist die Weinkarte, die über die Zeit deutlich an Format gewonnen hat. Sie unterliegt einem stetigen Wandel und sieht heute schon wieder ziemlich anders aus als bei unserem Besuch vor wenigen Wochen. Seinerzeit waren einige unbekanntere Newcomer stärker vertreten. Nun finden sich eher, vor allem aus Deutschland, die renommierteren Weingüter. Die Preise sind sehr akkurat und fair kalkuliert. Wir starten mit einer fabelhaften Flasche Ortolan vom österreichischen Weingut Dürnberg, einer Cuvée aus Chardonnay, Weiß- und Grauburgunder, im 500l-Holzfass ausgebaut. Auch die offenen Roten im Anschluss sind sehr ordentlich.
Beim Service macht sich schnell bemerkbar, wer gelernt (oder zumindest sehr erfahren) ist und wer nicht. Unser Kellner ist aufmerksam, souverän und professionell, die weibliche Servicekraft eher unsicher und etwas unbeholfen. Aber das stört uns nicht. Insgesamt läuft der Abend, auch was den zeitlichen Ablauf angeht, rund.
Petits Fours
Obwohl wir in Linden leben, waren wir einige Zeit nicht im „Lindenblatt“. Eigentlich nicht wirklich nachvollziehbar, denn die Gerichte haben uns, obwohl an der ein oder anderen Stelle etwas überladen, gut gefallen. Das Ambiente ist entspannt, die Hintergrundmusik mein Geschmack und die Weinkarte für Lindener Verhältnisse großartig. Also ab jetzt doch wieder öfter auf die Lindener Kö – muss ja kein Champagner dort sein. Guter Sekt tut's auch.