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Bereits seit einiger Zeit auf dem Schirm, hat das Agata’s eine rasante Entwicklung durchgemacht. Die Eröffnung war am 15.10.2012 - schon ein Jahr danach Anfang November 2013 kam der Michelin-Stern, wir waren entsprechend neugierig. In einem urbanen Stadtteilzentrum (Verlängerung der Nordstraße – einkaufen!) direkt gegenüber der Feuer- und Rettungswache 3 gelegen, ist das Restaurant per ÖPNV sehr gut erreichbar, selbst der S-Bahnhof Derendorf ist weniger als 15 Minuten (per pedes) entfernt. Beratungsresistente Blechkisten-Fetischisten riskieren ein Ticket oder nutzen eines der Drei Parkhäuser an der Nordstraße.
Das Lokal liegt durchweg drei Stufen über Trottoirniveau, ist also nicht völlig barrierefrei, innen gibt‘s aber keine entsprechenden Hindernisse. Schon beim Versuch das Restaurant zu betreten wurde uns die Tür von der geschickt hinter der verspiegelten Scheibe verborgenen Servicedame geöffnet. Freundlich begrüßt und nach der Reservierung befragt wurden sogleich die Jacken abgenommen und in die Garderobe am Eingang gehängt. Der Hauptgastraum (es gibt noch einen mittels japanisch anmutender Schiebetür abgetrennten Nebenraum) ist gut zu überblicken, durch die teilweise bodentiefen Fenster hell und freundlich. Weiter verstärkt wird dieser Eindruck durch die hellen Holzbohlen des Bodens, die elfenbeinfarbenen Wände und Sessel mit großzügiger, in schweinchenrosa abgesetzter Sitzfläche, dazu dezent japanisch anmutende Deko, im Verein mit dem Beleuchtungskonzept rundum stimmig. Wir fühlen uns, nicht zuletzt durch die herzlich-aufgeschlossene Art des Service, fast augenblicklich rundum wohl. Die Keramikabteilung wirkt gut gepflegt und porentief rein. Es werden Frottee-Gästehandtücher, Flüssigseife und Handcrème geboten. Duftstäbchen sollen olfaktorisch bedingte Koma-Anfälle verhindern.
Die Mittelbraunen Holztische bieten angenehme Beinfreiheit und sind ebenso dezent eingedeckt wie das Restaurant dekoriert ist. Auf einem quer gelegten beige-grauen Tischläufer finden sich farbidentische, längs aufgerollte Servietten, ein Windlicht, zwei Wassergläser, drei Sorten Salz, zwei Teelöffel und zwei Brotteller nebst Buttermessern. Neben unserem Tisch stand noch ein Guéridon mit gefülltem Eiskübel sowie Metalluntersetzer für die Wasserflasche.
Die Karte bietet drei Vorspeisen, drei Zwischengänge, drei Fleisch- und zwei Fischhauptgänge, drei Desserts und zwei Käsegänge. Das jeweils fünf- bzw. achtgängige Menue ist ebenfalls aus diesem Angebot zusammengestellt. Die Preise bewegen sich in dem für dieses Segment üblichen Rahmen: Vorspeisen und Zwischengänge 23,- bis 27,- Euronen, Hauptgänge 29,- bis 45,- Euronen, Desserts/Käse 9,- bis 18,- Euronen. Die Menues schlagen mit 88,- (für 5) und 112,- Euronen (für 8 Gänge) zu Buche. Wesentlich umfangreicher die Weinkarte, leider liegt der Focus bei den deutschen Gewächsen eindeutig auf Riesling. Daher verzichteten wir dann auch auf die Weinbegleitung und wählten den Grauburgunder Auf der Grenze des rheinhessischen Weinguts Bernhart für 46, Euronen. Hier wird die Aufschlagskalkulation mit ca. >550% schon etwas schmerzhaft.
Das Menue Agata’s 28.0 en detail:
Der Service agiert umsichtig, freundlich und auf Augenhöhe, wir hatten sofort das Gefühl: Hier sind wir richtig. Heute durften es neben einer Flasche stillen Wassers (7,80 Euronen) zum Aperitif zwei eisgekühlte Yuzu Sake à 9,- Euronen (Empfehlung der Servicedame) sein, sehr erfrischendes Citrusaroma in Verbindung mit einer leichten Bitternote ein idealer Start. Bald darauf kam auch ein filigranes amuse gueule, es wurde zwar angesagt, beschämender Weise habe ich‘s aber nicht behalten. Die Basis bildete, glaube ich, japanischer Eierstich mit Shi-Take-Pilzen, etwas knusprigem und Bärlauchblüten. Danach gab’s auch noch frisch gebackenes Weißbrot (lauwarm, wir waren sehr früh vor Ort) mit prächtiger Olivenöl-Kruste, und aufgeschlagene Butter (noch etwas kalt), in Kombination mit den unterschiedlichen Salzsorten perfekt.
Da Madame eine erhebliche Schalentier-Unverträglichkeit pflegt, baten wir um Austausch der Vorspeise, was auch gerne gewährt wurde. Glücklicherweise hat Madame keine Schmaltier-Unverträglichkeit (um diesen Kalauer mal vorweg zu nehmen)….
Zartgebeizter Rehrücken trifft auf genial geräucherte Rote Beete, würzigen Rotkohl und säuerlich-frischen Apfel, das Ganze verbunden durch eine mit weißer Schokolade angereicherte Sauce Béarnaise, akzentuiert durch eingelegte Rote Beete, sowie Scheiben von Gelber und Geringelter Beete nebst Kräuteröl. Schon größtes Kino.
Roh marinierte Coquilles an Sellerie in unterschiedlichen Texturen: knusprig, cross, knackig, zart, weich und schmelzend. Dazu erstaunlich gut passende Speckmarmelade, Soja- und Citrusaromen, ebenfalls ein toller Auftakt.
Ein halbes, supercross ausgebackenes Exemplar, begleitet von Mais in verschiedenen Ausformungen, geröstet, karamellisiert, souffliert und genial confiertes Eigelb. Aufgegossen mit einem Erdnussöl-Sud und etwas Schärfe ergab sich für uns eine intensive ‘Lagerfeuer-Aromatik‘, toll.
Lackierte Brust, à Point gegart, mit geröstetem Buchweizen, Schwarzwurzel als Crème, Chip und mariniert. Die Keule als Rillettes-croquette (vielleicht etwas salzarm) und ein Stück hocharomatischer Maitake-Pilz (Gemeiner Klapperschwamm). In der Kombination sehr stimmig, mit spürbarem aber nicht aufdringlichem Lakritz Aroma, sehr, sehr schön.
Zuerst gebeizt (Yuzu Sake) und dann gebratenes Filet, was bei so einigen Mitbewerbern potentiell zum frühen dahinscheiden eines tollen Produkts führen würde, ist hier wieder in Vollendung gelungen. Supersaftig-aromatischer Stör, kombiniert mit unterschiedlichem Rettich, Mandelsplittern, Sojacrème, Gari (umezu-shōga) und auf den Punkt gegartem Broccoli. Auch wieder Spitze.
Endlich mal ein durchdachter Gaumenerfrischer: Ananas-Buttermilcheis, geräucherte Petersilienwurzelcrème, knackige Scheiben Ananaschip und sanftes Petersilienöl, klingt komisch, is aber geil!
Optimal gegartes Pluma (Stück aus dem vorderen Rücken, stark marmoriert), mit geschmacklich tollem Grünkohl-Kimchi (sehr schöne, nicht aufdringliche Schärfe), Karotte in unterschiedlichen Texturen (aromatische Crème, knackige Urmöhre, gepopptes Quinoa, leicht fruchtige Jus, ausreichend Fleur de Sel. Nussiger Fleischgeschmack, schmilzt fast im Mund. Sehr gut umgesetzt, chapeau.
Reif, sehr intensiv, ideal passend zum gebratenen Romana-Salat, hauchdünnes Gewürzbrot bietet ausreichend Paroli, dazu eine angenehme Zwiebelnote. Ich wäre versucht die Zubereitung als: ‘Das Beste vom dekonstruierten Ceasar Salad‘ zu bezeichnen.
Dessert als Werbeträger für nachhaltige Schokoladenproduktion (http://www.originalbeans.com/de/), besser geht’s nicht. Tolle Crèmes (Banane, Vanille?), kräftiges Schokoladeneis in ideal schmelzender Konsistenz, Zimtgeel und viel crunchiges… Eine sehr gelungene Gesamtkomposition oder eben: ‘Banana Split 3.0‘.
Es gab auch noch etwas Süßes (je ein Eis am Stiel in Schokohülle, eine Trüffel und eine Geleepraline) zum Digestif den wir eigentlich vorhatten zu bestellen. Da aber Agata bereits bei den letzten Gängen fast durchgehend bei uns am Tisch stand und wir über Gastronomie allgemein, die tour de menue im Besonderen und überhaupt Gott und die (kulinarische) Welt philosophierten, konnte ich‘s leider nicht knipsen oder mir Notizen machen. Jedenfalls ergab sich im Gespräch, dass hier eine sehr engagierte und motiviert fördernde Leitung am Start ist. Es wird wohl in absehbarer Zeit noch einen Bistrot-Ableger geben. Ob durch den angenehmen Austausch, oder weil es hier so üblich ist kredenzte sie uns einen polnischen (ihre Heimat) Digestif mit Kaffee-Nussaromatik, süß aber nicht zu süß (frei nach Bär) und durch den hohen Alkoholanteil (gefühlt >38 Umdrehungen) genau der richtige Impuls die (überversorgte) Glutealregion in heimwärts Bewegung zu versetzen. Es gab natürlich noch einen zweiten, wegen der Sache mit dem einen Bein oder den halben …, aber ich schweife ab.
Am Ende standen 271,80 Euronen auf der Uhr. In Bezug zur Kategorie, dem Gebotenen und nicht zuletzt dem Wohlfühlcharakter absolut fair. Wir kommen sicher wieder.
>> keine Fotos im Text, die von der Software erzwungenen Ausschnitte sind mit 'suboptimal' sehr euphemistisch beschrieben <<