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In Bad Wildbad scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. An manchen Stellen fühlt man sich um Dekaden zurückversetzt. Oder um Jahrhunderte. Die Traube gehört ein bisschen dazu. Das Interieur des Frühstücksraums kopiert Rokoko- und Empire-Mobiliar. Im „Grünen Salon“ auf der 1. Etage herrscht großbürgerliche Gemütlichkeit aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: verschnörkeltes Holz, schwere lodengrüne Samtbezüge, eine kleine Bibliothek, gestreifte Schabracken und als Grünpflanzen jene Sansevieria, die hier wahrscheinlich schon ein Menschenalter erreicht hat. Hier fühlt man sich glatt an frühe Ferienaufenthalte in der eigenen Kindheit erinnert. Schön, dass das noch irgendwo konserviert werden konnte. Hat in manchen Ecken noch geradezu etwas Museales an sich!
Im Erdgeschoss der Traube befindet sich linkerhand das italienische Restaurant Filippo und rechterhand der Frühstücksraum – möglicherweise war dies früher mal unter gemeinsamer Regie. Inwieweit heutzutage noch irgendwo die Fäden zusammenlaufen, vermag ich allerdings nicht zu sagen. Bei meinem Besuch an einem überaus sonnigen Aprilwochenende waren ausser mir noch circa ein Dutzend anderer Gäste zugegen. Am beeindruckendsten fand ich den ungemein freundlichen, zugewandten, offenen Service. Die engagierte Rezeptionistin agierte gleichzeitig in Personalunion auch noch als Frühstücksservicekraft und werkelte in der Küche. Sie hatte die Frühstückstische eingedeckt und sorgte am Büffet für Nachschub und kochte Kaffee/Tee nach individuellem Wunsch. Und das mit großer Ruhe und Aufmerksamkeit.
Im Frühstücksraum sitzt man zwar ein bisschen steif, aber gepflegt: makellose, gestärkte, reinweisse Tischdecken, rote Servietten, und zur Straßenseite hin viel Licht. Wer an einem Tisch dort Platz nimmt, kann sogar einen Blick auf die flanierenden Kurgäste erhaschen. Heissgetränke werden an den Tisch gebracht, das restliche Frühstück holt man sich selbst am Büffet, das zur Hälfte aus geschickter, farbenfroher Deko besteht und eine prächtige Üppigkeit vorspiegelt. Für mich war es aber wirklich mehr als ausreichend: verschiedene Cerealien und Haferflocken und Müsli, Dosenobst, Brötchen, abgepackte Portionen von Knäckebrot und Zwieback, Käse und Wurst in Scheiben, abgepackte Marmeladenportionen in verschiedenen Geschmacksrichtungen, gekochte Eier (endlich mal schön pflaumweich und nicht bockelhart), Orangensaft. Heissgetränke kann man beliebig nachbestellen. Alles nichts Herausragendes, aber nett und sichtlich mit Liebe angerichtet.
Ein idealer Ort für ältere Herrschaften oder Menschen mit Hang zum Retro-Ambiente. Meine Schweigermutter wäre hier in Entzücken ausgebrochen! Absolut loben möchte ich die geschickte Lage (nur wenige Schritte bis zur Sommerbergbahn!) und den überaus freundlichen Service, der auf Wunsch auch Anregungen zur Freizeitgestaltung liefert.