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Nicht ahnend, dass der Borgfelder sich gerade auf eine mehr oder weniger leidensvolle Kritikersafari durch die gehobene Gastronomie seiner Heimatstadt begeben hatte, äußerte ich den Wunsch, den Abend entweder in der Küche 13 ( http://www.gastroguide.de/restaurant/174938/kueche13/bremen/bewertung/34045 ) oder im kleinen Lokal (http://www.gastroguide.de/restaurant/14883/das-kleine-lokal/bremen/bewertung/34082 ) zu verbringen und schlug diese für ein gemeinsames Essen vor. Warum wartet er auch immer so lange, bis er was veröffentlicht? Dann wäre das natürlich nicht passiert, so aber konnte ich (nun) verstehen, dass die Küche 13 komplett abgelehnt wurde, und der Borgfelder seine Skepsis vor unserem Besuch im kleinen Lokal nicht ganz verbergen konnte…….so musste er jetzt aber da durch und mit uns in die Besselstraße spazieren!
Mit dem Zug waren wir gegen Mittag in der Wesermetroploe eingetroffen, zum Glück waren alle Fußballfans auf dem Weg in den Pott nach Gelsenkirchen um auf Schalke Fußball zu schauen (Koordination ist alles!) und wir fuhren entspannt in den Bremer Hauptbahnhof ein. Schnell waren wir im „Hotel Überfluss“ eingecheckt und erkundeten nach jahrelanger Abwesenheit mal wieder die Bremer Sahneseiten direkt am Weserufer (Schnoor, Altstadt, Wall, Böttcherstraße, Ostertorsteinweg), mitten drin im Bremer Karneval, ein langer Sambazug zog sich unüberhörbar durch die komplette Innenstadt.
Irgendwann war es dann Zeit, sich ausgehfertig zu machen und sich auf den Weg zu Frau und Herr Borgfelder zu machen. Das Schöne an unserem Aufenthalt war, dass alle „places of interest“ fußläufig erreichbar waren. Und so lernten wir dann die bessere Hälfte von „Borgi“ kennen, den meine Frau und ich ja schon im letzten Sommer in Bentheim getroffen hatten. Da war sofort Sympathie auf allen Seiten und nachdem ich das originale klingonische Bathlet im Borgfelderschen Wohnzimmer ausgiebig bewundert hatte, ging es zum „kleinen Lokal“.
Einladend leuchtete uns das kleine Lokal den Weg in den im Sousterrain gelegenen Gastraum. Wenn man unfallfrei die durch einen Vorhang verborgene Stufe in den Gastraum hinunter überwunden hat, dann fühlt man sich sofort wohl.
Der Borgfelder hat es mit Wohnzimmeratmosphäre beschrieben, dass trifft es gut. Vielleicht dreißig Gäste finden an Zweier- und Vierertischen Platz. Dunkles Holz, roter Stoff und Samt bestimmen eine kuschelige Atmosphäre.
Ich habe mich wohlgefühlt. Auch wenn es bei ausgebuchtem Gastraum doch recht laut und intim wird, es hat mir gefallen. Der Service nahm uns die Garderobe ab und wir nahmen an einem Tisch für 4 Personen Platz, der ausreichend Platz bot. Borgi hat die Tischdekoration in seinem Bericht schon angesprochen, mich haben die Papiertischsets nicht so gestört, ich fand das passend zum Rest des Ambientes. Ansonsten erfolgte das eindecken des Tisches nach dem bestellen der jeweiligen Menüs, und dort leistete sich der Service keine Schwäche. Ebenso wurden während des Menüs immer genau passend Besteck und Gläser auf dem Tisch passend zum Folgenden ergänzt.
Das Angebot an Gerichten besteht aus zwei Menüs (5 Gang und 7 Gang maximal) die mit ihren Einzelgängen auch das a la carte Angebot bilden. Das Angebot wechselt wöchentlich und wird auf der Homepage ausführlich verkündet. Die Frage nach einem Aperitif wurde gestellt und positiv beantwortet, mit der Rückfrage nach einer Empfehlung. Das war ein mit Kaktusfeigensirup aufgegossener Champagner, bestellt durch Frau Borgfelder und die beiden Münsterländer, der Borgfelder orderte einen Campari Orange.
Bestellt wurden jeweils zweimal die 5 Gänge des Menüs 1, sowie einmal dessen 4 Gang Version, Carsten orderte die 5 Gang Version des Menü 2. Mit dem bestellen servierte der Service
und
Eine gesalzene Butter (demi sel nehme ich an) sowie verschiedene Brotsorten wurden gereicht. Viel hatte ich davon nicht, es hatte sich am Tisch schon eine lebhafte Unterhaltung entwickelt. Ich glaube ich kann für alle 4 Beteiligten sprechen, die Stimmung passte zwischen den sich kennen lernenden 4 am Tisch sitzenden Personen und es gab sehr viele Themen zu diskutieren. In diese angeregte Unterhaltung hinein kredenzte uns die Küche den ersten Küchengruß
Gelbflossen Thun mit Mango und Kartoffelstroh / Pumpernickel Rehschinken. Die Kombination von sehr sanft mariniertem bis roh serviertem Thunfisch zu einem fruchtigen Begleiter ist ja klassisch gut. Mir war das Mangopüree schon fast etwas zu dominant auf dem Löffel, ein bisschen Crunch durch (vermute ich) frittierter Kartoffel. „Schmackofatzlöffel“ würde ein TV bekannter 2 Sternekoch sagen. Nicht so „Schmackofatz“ die zweite Komponente auf dem Amuseteller, ein recht magerer Rehschinken auf Pumpernickel. Jetzt sind wir ja genetisch geprägte Pumpernickelesser im Münsterland, aber das war mir zu schlicht in der Präsentation und auch im Geschmack. Der Schinken geriet im Vergleich mit dem süßen Roggenbrot arg unter die Räder und war nicht wahrnehmbar.
Wildterrine Quinoa Karotte. Amuse zwei, hier wurde es wieder anspruchsvoller, sowohl optisch wie geschmacklich. Jetzt bin ich nicht der bekennende Quinoa Liebhaber, aber in Kombination mit der sehr guten Terrine und dem Karottenmousse waren die leicht angekeimten Quinoakörner doch schmackhaft. Bis auf den Schinken schmackhafte Grüße der Küche, ich freute mich auf die einzelnen Menügänge, und so soll es ja sein!
Ich will im Detail nur die von mir gegessenen Gerichte bewerten, somit hier ein optischer Eindruck der Teilgerichte von Menü 1 meiner drei Tischgenossen.
Tomatengugelhupf mit marinierten Muscheln
Ahrenhorster Flußwaller mit Rosenkohl und Senfsaatkompott
Stubenkükenbrust und angemachte Blutwurst mit Champignons und Porree
Vor dem Fleischgang hatte der Borgfelder einen Geistesblitz und schlug ein Sorbet vor. Der Service ging in der Küche fragen und informierte uns über das Angebot,
ein Sorbet von weißem Pfirsich. Pur oder aufgegossen, für mich mit einem trockenen Prosecco, ich meine mich zu erinnern, dass in eines der Sorbetgläser noch etwas Gehaltvolleres aufgegossen wurde. Danach dann zum Fleisch/ Hauptgang, Frau Carsten1972 und Frau Borgfelder waren dem Menüvorschlag gefolgt und bekamen serviert
Rücken vom Iberico Schwein mit Artischocken, Chorizo, Bohnen, Oliven und Polenta
Der Borgfelder hatte beim Bestellen gebeten, dass Schwein gegen das Lammgericht aus Menü 2 zu tauschen und dem wurde ohne Probleme entsprochen.
Lammcarrée und hausgemachtes Lammknipp mit Roter Bete und Grünkohlquiche
Gestockte Passionsfruchtcreme mit Pistazien und Ziegenkäseeis
Was ich so mitbekam von meinen Tischgenossen, war im Großen und Ganzen das Menü gut. Kritik gab es von den beiden Damen am Hauptgericht, das Schweinefleisch war nicht das allerzarteste, es hatte deutlichen Biss. Ein paar Komponenten ließen unseren Kritikergranden etwas leiden (ich fand ihn lecker, den Lauch), großen Anklang fand der erste Gang, sowie der Waller. Ein paar Komponenten durfte ich vom Teller meiner Frau kosten, und was mir geboten wurde, schmeckte durchgehend gut, wobei das Schweinefleisch tatsächlich nicht völlig zart war. Ein kleiner Hakler hier beim Service, Frau Borgfelder hatte sich die 4 Gangvariante von Menü eins bestellt und bekam trotzdem das Stuben Küken serviert. Abgerechnet hat das kleine Lokal trotzdem den Viergangtarif. Meine Frau war sehr angetan vom Menü, ergo war der Abend für mich erfolgreich und nichts konnte den weiteren Verlauf mehr stören. Ich denke, auch meine beiden weiteren Tischgenossen konnten dem gebotenen weitestgehend positives abgewinnen.
Etwas mehr ins Detail gehe ich bei meinem Menü. Am Tisch war ich der Einzige, der sich für Menü 2 entschieden hatte und meine 5 erwählten Gänge daraus begannen mit
Skreikabeljau mit Rahmzwiebeln, Spinat und Stockfischkrokette. Der Skrei hat ja noch Saison und wenn es ihn zu dieser Jahreszeit auf den Restaurantkarten gibt, dann ist er einer meiner Lieblingsfische. Zubereiten kann man ihn auf unendlich viele Arten. Die Küche des kleinen Lokals machte keine großen Experimente und servierte ihn gedünstet, perfekt glasig gegart, lecker. Spinat passt dann zum Skrei immer, sehr lecker war auch die Krokette mit Stockfisch.
Gerösteter Pulpo auf Paprikagraupen und Pimentos. Dieser Gang hatte den Ausschlag geben, mich für Menü 2 zu entscheiden. Und das musste ich dann nicht bereuen. Ein extrem schlotziges Risotto aus Graupen, mit gekochten Pulpostücken, verfeinert mit Paprika, einfach sehr lecker! Tadellos zart der geröstete Pulpoarm, zusammen mit den leicht angerösteten Pimentos, nicht scharf, war das allerfeinste Herzensküche, nicht raffiniert, aber sehr wohlschmeckend. Carsten1972 war sehr glücklich nach diesem Gang.
Ruccolamaultasche mit gebackenem Spitzkohl und Belper Knolle. Mit einem relativ klar gegliederten Gericht ging es weiter. War der Pulpo mit seinem Graupenrisotto ein aromentechnischer Mundfüller, wurde es hier feiner bei den Aromen. Ein geviertelter kleiner Spitzkohl im Ganzen blanchiert und gebacken, ergänzte sich aufs Feinste mit der Sauce. Das leicht süßliche Aroma des Spitzkohls wurde durch das backen von Röstaromen ergänzt. Die Maultasche an sich war lecker, hatte aber keinen Bezug zum Rest des Gerichts.
Mea Culpa, leider war der Abend so kurzweilig, dass ich meine Kritikerpflichten vernachlässigt habe, und schlicht vergessen habe, meinen Hauptgang zu fotografieren. Also Kopfkino zum geschmorten Ochsenbäckchen mit frischem Wintertrüffel und Blumenkohl. Vor dem Hauptgang auch für mich das Sorbet vom weißen Pfirsich. Zu diesem Schmorgericht gibt es nur eines zu sagen. Ein Aromenknaller, bei Anblick zerfallendes Fleisch, begleitet von einer extrem guten Schmorjus, sehr gut passendes Trüffelaroma, begleitet wurde dieses Fleisch von Blumenkohl, geröstet und in einem Püree. So passte das perfekt!
Karameliaschokolade Amaranth und Cranberries, das war mein Dessert. Beim Servieren der Desserts fing ich augenblicklich an zu überlegen, wie ich meine Dessert-Wahl gegen unautorisierten Zugriff meiner Tischgenossen verteidigen würde, derart ungeniert „gierige“ Blicke richteten sich auf meinen Teller. Es bestand vollständige Einigkeit, eines der besten Gerichte des Abends hatte ich vor mir stehen. Schokolade, herb, Crunch, leichte Säure, perfekt aufeinander abgestimmt!
Zum abschließenden Espresso noch einen Trüffel für jeden,
und wir waren glücklich durch ein gut zubereitetes Menü geleitet worden durch die Küche und den Service des kleinen Lokals. Und ich staune immer, wie unterschiedlich Menschen ein und dasselbe Gericht wahrnehmen. In der Bewertung einer gastronomischen Leistung bin ich Gemütsmensch, ich muss mich wohlfühlen in allen Aspekten eines Restaurantbesuches. Zugewandter Service, eine kreative Küche, die aus vermeintlich einfachen Zutaten für mich neues und kreatives zaubert, ein wohliges Ambiente, tolle Weine….dann schaue ich gar nicht so auf das Detail. Ganz anders unser Kritikergrande Borgfelder, immer wieder staune ich über seine Fähigkeit, kleinste Details wahrzunehmen, und sich Gedanken über diese zu machen. Wo ich ein Gericht in seiner Gesamtheit bewerte, baut er es auseinander und analysiert es. Das macht unser kleines Forum aber auch aus, die verschiedenen Blickwinkel.
Wein haben wir auch getrunken. Und da war der Borgfelder mal ein kleines bisschen „fies“ zu mir. Da sollte ich armer Wicht, der sich nur annehmbar mit deutschen Weinen auskennt, die Weine erwählen. Ich weiß ja, seine Vorlieben gehen eher in Richtung Loire und Burgund, Panik, da kenne ich nicht mal die allergrößten Namen. Die Weinkarte im kleinen Lokal hilft im ersten Augenblick auch nicht wirklich die aufkommenden Ängste einzudämmen. Nach Ländern grob geordnet sind die Flaschenetiketten in ein Fotoalbumartiges Buch geklebt. Aber ich bekam meine Nerven unter Kontrolle und nahm mir vor den Spies umzudrehen. Keine Deutschen und keine Franzosen, terra incognita für alle war angesagt, also zuerst:
Ein österreichischer Chardonnay wurde, für meine Tischgenossen nicht ersichtlich, zur Probe eingeschenkt. Und neben mir gab es große Zustimmung von Frau Borgfelder, sie war so angetan, dass er nichts mehr sagen durfte, der liebe Ehemann von Frau Borgfelder. Der Chardonnay war im Menüverlauf der meist gelobte Wein. Ihm folgte ein floraler, fast an Sauvigon blanc erinnernder Vermentino. Ein äußerst ungewöhnlicher Wein, der uns in Erstaunen versetzte. Für den Fleischgang aller Tischgenossen dann doch ein Deutscher
Muss man zu Jean Stodden noch was sagen? Der JS ist mein liebster Tropfen aus Rech. Der Jahrgang 2009 präsentierte sich gereift gut trinkbar. Ich war glücklich, ich glaube aber, der Borgi bleibt bei seinen favorisierten französischen Rotweinen.
Frau Ladenberger und ihr Kollege Dominik Obst sowie die Auszubildende Kayenta Leverenz machten einen fast fehlerfreien, dem Gast zugewandten Job. Ich habe mich sehr wohl gefühlt über den ganzen Abend, ebenso wie meine Frau. Ich habe keine Fehler in Sachen Service wahrgenommen.
Komme ich zum Fazit, ich denke, die A (der Münsterländer) und die B (der Bremer) Probe sind gut verlaufen. Ich für meine Person kann dem kleinen Lokal eine absolute Empfehlung aussprechen. Für mich hat alles gepasst und ich hatte, ebenso wie meine Frau, einen wunderschönen Abend mit zwei herzensguten Bremern, bei denen wir uns sehr freuen, sie kennen lernen und mit ihnen einen Abend verbringen zu dürfen! Ich hoffe sehr auf ein Wiedersehen zu viert und freue mich schon sehr darauf!
Abschließend ein Dank an den Borgfelder für die ergänzenden Fotos!