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L’Orangerie im ehemaligen Weltkriegsbunker scheint sich jedoch etabliert zu haben. Nicht nur abends, auch das im Lockdown entwickelte Mittagsangebot wird weiterhin angeboten und inzwischen wissen die Findorffer offenbar, mit der sehr direkten Ansprache umzugehen. Am Abend des letzten Siegs der deutschen Fußball-Nationalmannschaft (Die Älteren mögen sich erinnern...), herrschte jedenfalls an allen Außentischen gute Laune. Die Innenplätze waren nicht belegt - es lohne nicht. Auch so hatte die junge Service-Crew, die Schröder mit häufigen Ansagen auf Trapp hielt, gut zu tun. Die Leistung passte, sowohl bei der neuen Fachkraft, als auch bei den angelernten jungen Menschen. Die meiste Zeit kümmerte sich der Chef eh selbst um uns, versorgte uns mit dem aktuellen Trash-Talk aus der Branche und seinen neuesten weltbesten Entdeckungen. Indes, die mit Hartweizengries gebackenen Panini Altamura waren für uns neu, wirklich saftig und von kräftigem Geschmack, so dass sie es mit der starken Kräuter-Chili-Butter aufnehmen konnten.
Und auch bei der Weinkarte hat sich ein wenig getan - neben den austauschbaren Pfälzer Gewächsen war jetzt ein etwas gereifter weißer Bordeaux am Start, der neben den kräftigen Aromen der Schröder‘schen Koch-Philosophie nicht unterging.
Mit 85€ dürfte mindestens der dreifache EK kalkuliert worden sein. Ein Wert, der in der Stadt normal ist und von mir in der Post-Lockdown-Phase klaglos hingenommen wird. Dafür empfand ich 5,9€ für die Flasche Mineralwasser anders als der Kollege Hanseat nicht als stramm, sondern inzwischen am unteren Rand der ambitionierten Gastronomie. Das einheimische 0,3l-Kellerbier stand mit 2,9€ auf der Rechnung
und diverse Aper- und Digestive, die an diesem warmen Tag durch unsere Kehlen ronnen, schlugen zwischen 6,5€ und 12,5€ zu Buche. Sicher nicht preiswert, aber die Cocktails schmeckten hervorragend, mal säuerlich-frisch, mal herb-würzig und schließlich sahnig-fruchtig (mit frisch filetierten Orangen). Insgesamt kamen für Getränke ca. 140€ zusammen.
Die Preise für die gewählten Speisen nicht günstig, aber auch nicht völlig überzogen.
Unsere Wahl, getrennt nach Dame und Herr fiel bei Vor- und Hauptgericht auf
Burrata mit rotem Pesto / Rindertatar klassisch
Steinbutt mit Safran-Pfifferlings-Risotto / Grillrippchen mit Pommes Frites.
Ich gönnte mir als Zwischengang zudem die selten in deutschen Restaurants anzutreffende Delikatesse King Crab.
Gegenüber wurde dafür sowohl der NY Cheesecake mit Erdbeerkompott (der wohl gefiel - dem zufriedenen Brummen nach) probiert, als auch das Tiramisu mit Salzkaramell, das ausdrücklich als saftig und nicht zu alkoholisch gelobt wurde.
Für das Essen berappten wir etwas mehr als 120€.
Vorab kam das schon gelobte Grießbrot mit der erfreulich streichfähigen Butter.
Mein klassisches Tatar war grob geschnitten und entsprechend der Ausgangsqualität U.S. Prime Beef stark im Geschmack. Kapern und Schalotten waren schon drin und mit dem Eigelb ließ sich herrlich manschen - für das Kind im Manne.
Etwas moderner die geschmolzenen Tomaten und frittierte Rauke, so etwas wie ein Markenzeichen hier. Neben deren leichtem Knusper sorgte Papadam für Zahnarbeit bei diesem ansonsten süffigen Wohlfühlgericht aller Fleischliebhaber. Und weil es bei Stefan Schröder nicht ohne Wumms! geht, konnte man mit Chili-Öl vom Tellerrand Schärfe ins Spiel bringen. Tadellos!
Für einen Teller wie den folgenden wurde wahrscheinlich der Begriff Instagramable erfunden!
Alaska King Crab - Anklicken!
Aber all das gute, exakt gegarte mediterrane Gemüse , die kleinen Pfifferlinge und weiteres Knuspergebäck konnten meine Begehrlichkeit natürlich nicht von den zartesten Beinen ablenken, die tiefgefroren ihre weite Reise von der Beringsee gut überstanden hatten. Überhaupt nicht wässrig hatte das Fleisch den typisch süßen und leicht salzigen Geschmack und wurde von mir begeistert bis auf das letzte Fitzelchen aus den kundenfreundlich aufgeschnittenen Panzern geholt und abwechselnd in die ikonisch gute Mango-Majonäse und eine entfernt an Tamarinde erinnernde süße braune Soße gedippt. Sehr, sehr lecker.
Ausgerechnet beim Hauptgang schwächelte die Küche teilweise. Noch bei der Reservierung ein paar Tage vorher hatte der Chef geschwärmt, dass man jetzt auch in der Orangerie für Fleischfreunde „echt geile Rippchen“ anbietet. In den seligen Jahren meiner Jugend (der kulinarischen!) war das die Standard-Order in den Steakhouse-Ketten der Republik, warum nicht die guten alten Zeiten aufleben lassen? Die Baby Back Ribs (denke ich als Grillnovize) hatten einen würzig-pikantem Rub und waren nach der 3-2-1-Methode gegart (Credits an Grillmaster OLX!). Erst nach dem Grillen kam eine sehr ausgewogene Barbecue-Soße ins Spiel.
Geschmacklich in der Tat „geil“, nur leider war es nichts mit „butterzart vom Knochen fallen“. Das Fleisch war schlicht und einfach zu trocken geworden, was man schon anhand der Oberfläche ahnte...
Keine Katastrophe, aber eben auch nicht mehr zart und saftig. Unser Gastgeber vermutete lapidar, dass nicht näher erläuterte „die“ die Rippchen wohl zu lange geräuchert hätten - Beschwerdemanagement ist halt nicht seine Paradedisziplin...
Die lag aber gleich daneben - tolle Pommes zaubern, das hat die Küche nicht verlernt. In diesem Fall die zunehmend beliebten Potato Dippers von Lambweston. Schon vorgebacken und mit ganz dünner Schale sollen in den Schöder’schen Küchen noch drei Frittiergänge mit zwischenzeitlicher Abkühlung erfolgen. Und auch, wenn das vielleicht etwas übertrieben sein könnte, das Ergebnis ist über jede Kritik erhaben. Die Fritten behalten (auch nach dem Abkühlen!) einfach eine himmlische knusprige Schale und ein weiches, klar kartoffeliges Innenleben. Und sind mit ihrem Schnitt eben perfekt, um Saucen oder Majo aufzunehmen...
Während also bei mir ausgerechnet zum Abschluss eine astreine Bewertung scheiterte, kamen von meiner Frau ausschließlich lobende Worte. Burrata, Pesto und Rauke voll sommerlicher Aromen, Steinbutt saftig und selbst das Risotto deutlich schlotziger als beim Erstbesuch.
Fazit: Stefan Schröder bleibt sich treu. Die feine Klinge liegt ihm nicht. Stattdessen stets kräftige Aromen, manchmal etwas wild gemischt. Fette sorgen für ein molliges Mundgefühl. Mehr ist mehr (mal ohne das naheliegende Wortspiel im Fischrestaurant). Das trifft den Zeit- und meist auch unseren Geschmack.
Wir hatten jedenfalls einen vergnüglichen Abend in L‘Orangerie.