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Die erste positive Überraschung: Das Team aus Küche und Service ist fast vollständig beisammen geblieben, was sicher auch ein Verdienst der quirligen Chefin Nina Hinrichsen ist, die selbst kritische Stammgäste charmant zu nehmen weiß (und wenn es mit einem Gläschen Crèmant ist...).
Auch beim Interieur hat einiges den Weg an den neuen Standort gefunden, teilweise eher unfreiwillig. Manch neues Mobiliar dümpelt wohl noch in einem Container vor Rotterdam oder Antwerpen, und so haben einige alte Stühle (harten) Wiedererkennungswert. Ich durfte unkompliziert gegen einen der bequem gepolsterten tauschen...
Ganz toll finde ich, dass die stilvolle Zinntheke leicht gekürzt jetzt den Tresen zur offenen Küche bildet.
Überhaupt ist wieder eine gemütliche Brasserie entstanden, die zum Verweilen (oder Versacken) einlädt. Sehr gern an der Bar, die nun viel prominenter platziert ist und ein paar Ausweichplätze bereit hält, wenn Innenraum und der schöne Wintergarten belegt sind und das launische Bremer Wetter kein Ausweichen auf die beiden Terrassen des Eckhauses zulässt. Leider haben die baulichen Gegebenheiten keinen barrierefreien Zugang zugelassen; zwei Stufen sind zu überwinden.
Und schließlich wurde ganz bewusst der Küchenstil beibehalten, der neben vielen Topaz-Klassikern (von Sashimi über Fischsuppe bis zum Wiener Schnitzel) weiter auf eine vorsichtig kreative Modernisierung setzt, z. B. durch immer wichtiger werdende regionale Gemüseküche.
Alles in allem also kein Wunder, dass wir bei unserem Premierenbesuch zur Mittagszeit neben „neugierigen“ Ersttätern auch viele Stammgäste erkannten. Eine Herrenrunde, die sehr regelmäßig am alten Standort eingekehrt war, schien sogar schon eigenen Rotwein für zukünftige Besuche zu deponieren.
Die gute Resonanz belohnt die Entscheidung, zunächst nur am Mittwochmittag zu öffnen um abzuschätzen, ob tagsüber überhaupt Bedarf besteht. Dabei wird neben einem preiswerteren Lunch auch die Abendkarte angeboten. Das finde ich wirklich schlau, denn so wird beste Werbung für einen späteren Besuch gemacht.
Im vollen Bewusstsein unserer Tester-Verantwortung orderten wir vier unterschiedliche Gerichte, um einen ersten kleinen Überblick zu bekommen. (Die Topaz-Crew war ebenfalls auf der Test-Höhe - die Einhaltung der gerade am Vortag wieder eingeführten 3G-Regel wurde freundlich, aber gewissenhaft geprüft.)
Angesichts der Aufgaben des Nachmittags gab es alkoholfreies Bier, in der Weizen- und in der Pils-Ausführung.
Ich freute mich derweil schon auf das Brot, das mit streichfähiger Butter an den Tisch kam.
Denn Nina Hinrichsen scheute sich einige Tage zuvor nicht, zufällig des Weges kommende Kritiker zum spontanen Tasting gewohnt herzlich einzuladen („Du sollst doch nicht lungern! Na, egal: Komm!“) Die damalige Probe-Auswahl eines hiesigen Bäckers gefiel auch mir sehr und so wurde die eher kurze Wartezeit bei exzellentem Baguette mit getrockneten Tomaten angenehm überbrückt, bevor wir beide vegetarisch starteten:
Bei meinem Salat zu 9,5€ überzeugten alle Komponenten.
Besonders gefielen mir die gut parierten Ochsenherz-Tomaten, natürlich voll gereift, die wunderbar mit einem Basilikum-Ricotta kombiniert waren. Der italienische Frischkäse, der mich als Pastafüllung selten überzeugt, hatte einen wahren Kräuter-Turbo erhalten. Kein Wunder, die diversen Wilstedter Wildkräuter brachten auch unverarbeitet viele würzige Noten ein. Dazu knackiger Walnuss-Bruch und alter Balsamico: So geht ein frischer Sommer-Geschmack!
Optisch nicht weniger farbenfroh, aber deutlich puristischer kam gegenüber das „Blumenbeet“ daher:
Für 11,5€ spielte hier eindeutig das einzelne Gemüse die Hauptrolle. Teilweise roh, teilweise eingelegt oder weiter verarbeitet: Immer stand der Eigengeschmack im Fokus. Gefallen hat uns die Pilzerde, die mit zurückhaltendem Umami tatsächlich eine gute Basis bildete. Und auch hier gelang die Kombination mit frischem Milchprodukt, in diesem Fall Ziegenfrischkäse.
Beim Hauptgang verzichte meine Begleiterin weiter auf Fleisch und hatte mit dem Spinatknödel, ergänzt durch frische Pfifferlinge, den Volltreffer des Mittags gezogen!
So ein fluffiger Teig, dabei beherzt gewürzt und auch deutlich nach Spinat schmeckend, ist in Norddeutschland eine Rarität. Da hätte ich gern mehr als einen Bissen bekommen... Die kleinen Pfifferlinge standen dem in nichts nach und das Ganze wurde mit Rahmsauce zu einem sündhaft leckeren Vergnügen.
Für die große Knödel-Portion waren 14€ fällig, die Pilze schlugen mit 5€ zusätzlich recht kräftig zu Buche.
Ich hatte mich für das Tagesangebot „Lisas Backfisch“ auf Kartoffel-Gurkensalat für 9,5€ entschieden.
Letzterer kam ganz un-regional ohne Majonäse aus und war perfekt: Angenehm temperiert, gekräutert und mit leichter Säure, die den nicht zu Matsch zerkochten Kartoffeln Raum ließ, dazu die Gurkenstückchen gerade in der richtigen Größe für einen knackigen Biss, ohne schon grob zu sein.
Die separat gereichte Senfsauce war leicht und nicht zu dicklich geraten, der Senf stand klar im Vordergrund und hatte ordentlich Schärfe, alles weit weg von der kalorienreichen Nachkriegsküche, die mir manches gut-bürgerliche Gericht verleidet hat(te).
Als Fisch wurde Rotbarsch verwendet, wie wir auf Nachfrage erfuhren. Er war durch, aber saftig, noch heiß und zerfiel in schöne Segmente. Nichts zu meckern, im Gegenteil sehr gut!
Allein mit der Umhüllung war ich nicht hundertprozentig zufrieden, was nicht etwa daran lag, dass statt des üblichen dicken Bier- ein leichter Tempurateig zum Einsatz kam. Auch der kann allerliebst in knusprige kleine Teilchen zerplatzen, wie ich schon oft beim Japaner bewundernd und genießend erlebt habe. Hier dagegen nur wenig Crisp und bei leichtem Druck mit der Gabel zeigte sich etwas Fett. Nach einem vergleichenden Blick zum Nachbartisch auf das dortige Frittiergut, könnte man mutmaßen, dass Temperatur und/oder Dauer des Ölbades evtl. nicht optimal waren. Immerhin fuhr die Küche gerade unter Höchstlast, der Mittagstisch war beliebt, gleichzeitig mussten die aufwändigeren à-la-carte-Gerichte „gebastelt“ werden; vielleicht die einzige Schwäche des Konzepts. Die beiden Damen neben uns fragten schon nach wenigen Minuten, wo denn das Essen bliebe, sie hätten nur eine halbe Stunde Pause. Da rutschte der Chefin doch ein zackiges „Sie haben sich doch gerade erst hingesetzt!“ heraus, was mir ein böses, so gar nicht dalailamaeskes Schmunzeln entlockte und jetzt einen guten Übergang zum Fazit:
Hier gibt es keine Schnell-Schnell-Küche à la Pizza, Pasta, Putenbrust.
Im Gegenteil: Das Topaz hat einen fulminanten Neustart hingelegt und ist eine tolle Bereicherung für den gastronomisch wahrlich nicht unterversorgten Stadtteil. Wo abseits der bunten Multi-Kulti-Küchen der Hauptstraße bis auf wenige Ausnahmen der mediterran geprägte Mainstream dominiert, punktet das Topaz mit dem sich deutlich abhebenden Konzept, kreativer und handwerklich fast perfekter Küchenleistung und einem bis in die Haarspitzen motivierten Team! So kann der Spagat zwischen moderner Kulinarik, Weinbar und Nachbarschaftstreff gut gelingen.
Wir werden unser Möglichstes dazu beitragen.