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Das im letzten Sommer eröffnete „unhold“ (Ausgesprochen nicht anhoald, sondern Unhold, aber Rechtschreibung ist so lame…) liegt in einer ruhigen Wohngegend an der zwar breiteren, aber inzwischen verkehrsberuhigten Humboldtstraße, schräg gegenüber der neugotischen Friedenskirche. An der Straße steht eine hohe Platane, die das angerostete Klappgestühl fein beschattet.
Ein schönes Ambiente, das ein wenig im Gegensatz zu den Innenräumen steht. Als ich nach zwei hohen Stufen den verwinkelten Eingang zur ehemaligen Eckkneipe erklommen hatte, entfuhr mir ein spontanes „Wie ungemütlich!“, was der junge Mann hinter der Theke eher überrascht als verärgert entgegen nahm. Nun ja, „nacktes“ Holzmobiliar, minimalistische Lampen, weiße Wände und grau gestrichener Estrich wirkten nicht sehr einladend, zumal die durchmischte Gästeschar komplett einen (Spät-)Sommer auf dem Trottoir genoß. Nur die Säulen, die den Gastraum eher ungünstig teilen, waren mit irritierenden Strickmanschetten ummantelt.
Der Herr am Tresen erklärte die recht kahlen Wände mit Kunstausstellungen, die geplant seien. In der Tat hing bei einem späteren Besuch Kunst an den Wänden, im auf den letzten Platz gefüllten Raum herrschte ein recht lautes Stimmengewirr und viele Teelichter spendeten ihr heimeliges Licht (und ließen das Angebot auf der sehr hübschen, handgeschriebenen Speisekarte so im Dunkeln, dass ich kurz in den Eingangsbereich wechselte, um den dortigen Aushang zu studieren..).
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Den Service versah ein freundlicher, leicht vergesslicher junger Mann. Sicher nur angelernt, aber engagiert und vor allem nicht so verpeilt, wie das in einer gewissen Art von Gastronomie scheinbar Einstellungsvoraussetzung zu sein scheint…).
Warum auch immer bestellte ich keinen Wein, sondern eine selbst gemachte Zitronenlimonade, die mit angenehm ausgewogenem Süße-Säure-Spiel gefiel. Im Dezember wählten wir aus der Weinkarte, die überwiegend französische Gewächse aus der „Kann-man-mal-machen“-Kategorie enthält.
Der geografische Schwerpunkt der Weine verweist auf die Küchenrichtung. Hier wird à la France profonde gekocht. Erst dachte ich an Brasserie, aber Landhausküche trifft es wohl eher, wobei solche Zuschreibungen ja nirgendwo mehr sklavisch durchgehalten werden, sondern eher eine grundsätzliche Ausrichtung beschreiben.
Um gleich mal einzuordnen, was ich meine: Rognons blancs d‘agneau (Lammhoden) habe ich in Deutschland nur selten bekommen, rustikal in Panko paniert und ausgebacken schon gleich gar nicht. Von festerer Textur als in meiner Erinnerung war das vor allem ein super-knuspriger Genuss, der mich begeistert hat. Dazu erfrischend krachiger Spitzkohl, nur leicht angezogen in Salz und Olivenöl. Selbst gebratene Rosmarinzweige machten als Aromengeber durchaus Sinn. Zum Aufnehmen der zurückhaltenden PortweinJus eignete sich das leider etwas weiche Baguette natürlich perfekt. Nur die Petersilienstreifen hab ich nicht verstanden - War der Estragon etwa aus? Für 12,9€ zudem ein echter Schnäppchenpreis.
Da schienen 7,5€ für einen Tomatensalat schon teurer, aber Kerl! Was war der gut! Zwei Sorten reife, geschmacksvolle Cherries, kombiniert mit Granatapfelkernen(!), Minze(!!) und Salzzitrone(!!!). Alles einzeln schmeckbar, alles fügte sich zu einem frischen, vollmundigen Sommergenuss! Begleitet wurde der Salat von kalten Polenta-Talern. Nun ist der Maisgries nicht mein Favorit, schon zu oft zu trocken bekommen. Aber nicht hier! Locker, mit eingearbeiteten Stückchen roter Paprika und nach längerem Kauen leicht süß werdend, gingen die sattgelben Maisbrei-Knödel eine wunderbare Liaison mit dem tiefroten Granatapfelsaft ein.
Beim Hauptgang galt das Adenauer-Motto „Keine Experimente!“: Schon auf der Tafel mit dem Tagesmenü klangen Lammkoteletts vom Suffolk-Schaf verlockend, erst recht von einem regionalen Erzeuger.
Auch die Belana kamen nicht von Vulkan, sondern von einem nahegelegenen Hof (Also relativ gesehen - wir sind einen Kilometer vom Weserstadion entfernt…) und Kartoffelkrossis klingen für mich Knusper-Junkie höchst verlockend. Auf den Sellerie-Dip war ich ebenfalls gespannt. Da ich Spitzkohl schon in der Vorspeise hatte, fragte ich nach einer anderen Beilage, was kein Problem war. Im Gegenteil: Das mediterrane Grillgemüse mit Biss und eher süß als sauer eingelegt stand dem Lamm bestens zu Gesicht. Apropos Sicht: Als der Teller kam, hatte ich keine Fragen mehr: DAS wird ein Hochgenuss. Und er wurde es!
Zum Hauptdarsteller: Statt zwei kleinen dünnen Koteletts à la Marathon-Platte ein dicker Schnitt, voller Lammgeschmack. Anständig, doch nicht zu dunkel gebräunt, saftig und fest, aber nie zäh. Ein wirklich gutes Stück Fleisch.
Fast ebenso so gut die Knusperkartoffeln: Inder Schale noch fest gekocht, angequetscht, im Ofen gebacken, zuletzt noch einmal durch die Pfanne gezogen und kräftig gewürzt. Dazu der nicht zu Sellerie-lastige Frischkäse-Dip: Ein knuspriges Festmahl, das ich beim zweiten Besuch sofort wieder orderte, mit gleichem, begeisterndem Ergebnis.
Unter dem Grillgemüse versteckte sich sogar noch ein Süßkartoffel-Püree, das ich nicht gebraucht hätte. Aber die Beilage gehörte ja auch nicht zu diesem Teller und geschmeckt hat es tadellos.
Man merkt es deutlich: Ich war begeistert und hab das unhold sogleich einem Kollegen empfohlen. Der war nicht völlig zufrieden, so dass ich etwas sorgenvoll dem Zweitbesuch entgegenblickte. Unnötig! Ein sehr saftiges, angenehm geschärftes Piri-Piri Hähnchen überzeugte völlig. Den Service versah eine erfahrene Dame mit echtem Interesse an unserem Wohlergehen, aufmerksam und trotz ausgebuchtem Laden entspannt. Die Service-Note ist der Mittelwert. Beim Essen gibt es eh kein Vertun: Ich wüsste nicht, was hier einen Abzug von der Höchstnote ernsthaft begründen sollte. Bravo, holdes unhold-Team!