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Nun wird gottseidank nicht alles schlechter, sondern wendet sich manchmal noch zum Guten. Als die WLB förmlich aus allen Nähten platzte, entstand ein Erweiterungsbau in der ikonischen Formensprache des Stuttgarter Architekturbüros Lederer, Ragnarsdottir, Oei und damit das geglückte Statement, die verkehrsüberflutete Konrad-Adenauer-Str. doch noch zur Kulturmeile zu machen. Im Erdgeschoss des neuen Gebäudes liegt nun quasi auf Augenhöhe mit den vorbeibrausenden Autos der Nachfolger der ehemaligen schnöden Caféteria. Und da wir in „The Länd“ inzwischen weder Schwäbisch noch Hochdeutsch können, wurde das Restaurant „Lib-Room“ genannt. Darüber muss man hinwegsehen.
Beachtenswert ist allerdings, dass der Lib-Room ein Inklusionsbetrieb ist: hier arbeiten Menschen mit psychischen Erkrankungen unter der Ägide des Rudolph-Sopien-Stifts (einer Stuttgarter Einrichtung der Evangelischen Kirche). Selten bin ich so freundlich empfangen worden und über das hiesige Procedere aufgeklärt worden. Man ordert und bezahlt an der Theke. Getränke und kaltes Essen holt man sich direkt selbst ab, warmes Essen wird einem an den Tisch gebracht. Der Raum ist hell, freundlich, einladend und sehr proper möbliert, ein bisschen Lounge-Atmosphäre, ein bisschen Hotelflair, ein bisschen gehobene Studentenmensa. Vermutlich hat man hier (wie im ganzen Gebäude) allein für das helle Buchenholz tief in die Tasche gegriffen. Um den Ort in Gänze zu geniessen, suche ich einen Tisch direkt an einem der bodentiefen Fenster mit Blick auf die Konrad-Adenauer-Strasse. Da ich erst keine Speisekarte entdecke, wähle ich blind ein Weinschorle und das auf einem Aufsteller verwegen beworbene Gericht „Magic Mushroom“ (passt doch gut zu einem bewusstseinserweiternden Ort wie eine Bibliothek).
Beim Weinausschank komme ich in ein anregendes Gespräch mit dem jugendlichen Herrn hinter der Theke, was sicherlich beiderseits bereichernd war. Schliesslich einigen wir uns auf einen spritzigen Blanc de Noir vom Weingut Johannes B. Den Mineralwasseranteil meines Schorles darf ich selbst steuern – wo gibt´s das sonst? Das Essen wird mir an den Tisch gebracht (also ist´s offenbar was Warmes).
Nach einer Viertelstunde weiss ich es. Eigentlich wollte ich für 8,50 Euro nur einen kleinen Snack vor dem Abendprogramm. Der Salat ist knackig frisch und wurde spürbar eben erst angerichtet. Dahinter kross getoastetes Pittabrot mit viel Sesam. Bei der Füllung muss ich raten und fühle mich wie Tim Mälzer in „Kitchen Impossible“ (das ich am Vorabend geguckt habe). Könnte ein Stück zähes Fleisch sein oder eher noch gebratene Austernpilze. Die grüne Paste dazwischen hat rein optisch den Anschein von Wasabi, aber mitnichten dessen Schärfe. Dann kommen noch minzige Aromen dazwischen und etwas Mayonnaise-artiges. Nicht schlecht – und letztendlich so sättigend, dass ich es angesichts des später noch anstehenden Vernissagenbüffets nicht ganz schaffe. An der Theke berät man mich über Einpackmöglichkeiten. Es gäbe Pfandmitnahmeboxen, was mir nicht so gefällt. Aber wir finden eine kostenlose Möglichkeit: eine Packpapiertüten mit einigen Servietten.
Später entdecke ich dann auch die (überraschend umfangreiche und international inspirierte) Speisekarte und finde dort ein sehr attraktives Angebot von der Chicken-Teriyaki-Bowl bis zu Egg Benedict, von der Pinsa Caprese bis Köttbullar mit Kartoffelpüree. Alles zu humanen Preisen und mit einem unverwechselbaren, individuellen, persönlichen Service. Jedem Gast widmet man sich hier mit Hingabe und gibt ihm das Gefühl, willkommen zu sein. Als eine Dame noch den Wunsch äussert, ihren Cappuccino draussen vor der Tür zu konsumieren, wird sie persönlich nach draussen geleitet.
Die gepflegten Toiletten befinden sich ebenerdig im selben Geschoss, gleich ums Eck. Auch Schliessfächer findet man hier, die allerdings nur mit einem gültigen Bibliotheksausweis genutzt werden können. Den braucht man allerdings nicht zur Einkehr in den Lib-Room. Hier ist jeder willkommen. Warme Küche gibt es durchgehend. Ich komme ganz sicherlich wieder!
PS. Magic Mushroom besteht laut Karte aus: Austernpilze im Panini mit Erbsencreme, Joghurt-Minze-Dip, Knoblauch und Rucola.
PPS. Auch sympathisch, wenngleich für die meisten von uns nicht mehr relevant: Studentenrabatt auf alle warmen Gerichte zwischen 14 und 16 Uhr.