Wir verwenden Cookies
Wenn Sie unsere Webseiten besuchen, kann Ihre Systemsoftware Informationen in Form von Cookies oder anderen Technologien von uns und unseren Partnern abrufen oder speichern, um z.B. die gewünschte Funktion der Website zu gewährleisten.
Trotzdem haben mich meine häufigen beruflichen Aufenthalte in Thüringens wunderschöner Landeshauptstadt seit dem letzten Sommer fünf- oder sechsmal meist allein in diese recht kleine Mischung aus Brasserie und Restaurant geführt, zum Teil mit nur wenigen Tagen Abstand.
Grund ist ein Alleinstellungsmerkmal in Erfurt und zunehmend in der Republik. Damit meine ich nicht die ansprechend kleine, mit gelegentlichen handwerklichen Holprigkeiten umgesetzte Karte und auch nicht unbedingt den Service, von verschiedenen erfahrenen Damen Typ Herz mit Schnauze erledigt. Wobei das Herz selten überwiegt. Allerdings ist die reine Leistung okay, Weine wurden zum Probieren angeboten, Extrawünsche mit der Küche geklärt und auch das Beschwerdemanagement funktionierte, ein Kaffee aufs Haus oder ein Gläschen eigener Marmelade fanden den Weg zu mir. Nur der Funke wollte meist nicht überspringen. Wobei hier der Fisch vermutlich vom Kopf her zu beschnüffeln wäre, wenn man z. B. Bewertungen auf nebensächlichen Portalen Glauben schenkt. Und auch an dem einzigen meiner Aufenthalte, bei dem die Inhaberin im Lokal weilte, stolzierte sie mit Eisesmiene durch die Tischreihen und schaute die Menschen nicht mit dem Sprichwörtlichen an, nur weil es Gäste waren. Nun ja.
Ein Grund, das Ballenberger häufiger aufzusuchen, wäre eher der Umstand, dass hier schon ab 09.00 Uhr ein vermutlich recht anständiges Frühstück offeriert wird. Die mal als improvisierten Aperó probierten Wurst-, Schinken- und (mit Abstrichen) Käsesorten waren zumindest überdurchschnittlich und nicht mit dem gemeinen Hotelfrühstück vergleichbar. Mittags zumindest ein Dreigang-Menü, ob auch die volle Karte angeboten wird, bleibt auf der Homepage etwas unklar. Von 9 bis 22 Uhr - für die gehobene Küche nicht mehr häufig zu findende Öffnungszeiten.
Nein, es ist viel profaner: Meine Termine sind fast immer am Dienstagmorgen. Und am Montagabend überhaupt ein gutes Restaurants zu finden, wird immer schwieriger - nicht nur in Erfurt. Dort erst recht, wenn man nicht auf die deftige Regionalküche zurückgreifen möchte (so man denn überhaupt weiß, wo sie in ansprechender Qualität angeboten wird).
Nun denn, genug der Vorrede: Hinein ins Ballenberger, wofür eine Stufe zu überwinden ist.
Das Lokal besteht aus zwei Räumen. Der vordere, größere ist eine charmante Mischung aus großblumigen Tapeten, Kronleuchter und voller Parade auf den andererseits einfachen Holzmöbeln und eher sachlicher Kunst. Aber durchaus liebevoll und vor allem mit vielen Blumen.
Dieses Zimmer beherbergt auch Garderobe, Theke, Küchenbuffet, Servicestation und Pass. Dementsprechend geht es wuselig und etwas lauter zu. Wir saßen hier einmal zu dritt und fühlten uns gut platziert. Ob die Abstandsregelungen den jeweils aktuellen Verordnungen entsprachen? Wer weiß das schon. Mir kamen die Abstände arg knapp vor - für vertrauliche Treffen ist das Restaurant sicher nicht geeignet, eher für Pärchen und kommunikative Menschen. Die Kontrolle der Zugangsregelungen erfolgte auf jeden Fall penibel und es stehen zwei Luftfiltergeräte bereit.
War ich allein - und waren die wenigen Metallstühle vor der Tür besetzt, die so schön im Bauchnabel prickeln... Pardon! die so schön an südlichere Städte erinnern -
Bitte anklicken
zog es mich sofort in das kleinere „Wohnzimmer“ zur Rechten, wo auch das Weinangebot ausgestellt ist. Hier ist die Stimmung - ich kann es gar nicht anders beschreiben - zauberhaft. Seht selbst:
Beim Premierenbesuch gab es als Aperitif einen Crèmant von Aimery, der auch glasweise zu haben ist, bei späteren Gastspielen Pol Roger oder aktuell Prisecco von Jörg Geiger. Die Weinkarte ist übersichtlich, in der Breite aber der Größe des Hauses angemessen und hält überwiegend Einsteigerqualitäten von durchaus bekannten Weingütern des In- und Auslands bereit. Das ist keine Kritik, sondern nach meinen Erfahrungen bei vielen Besuchen in den unverbrauchten Bundesländern schlicht nachvollziehbar. Einmal habe ich die Weinbegleitung zum Menü gewählt, für die je nach Anzahl der Weine durchschnittlich zwischen etwa 7€ und 5,5€ pro Glas fällig sind. Das ist recht günstig. Für die Auswahl zeichnet die Chefin verantwortlich, leider haben Frau Ballenberger und ich unterschiedliche Geschmäcker. Bemerkenswert fand ich, dass der gewohnt zurückhaltend kritisierte Begleitwein zu einem Gang ein paar Tage später tatsächlich geändert worden war.
Das Ballenberger bietet in realistischer Einschätzung der personellen und räumlichen Möglichkeiten zwei Vorspeisen, zwei Zwischengänge, immerhin vier Hauptgerichte und zwei Desserts sowie eine Käseplatte. An Vegetarier ist gedacht, kein speziell veganes Angebot, soweit ich gesehen habe. Mittags werden für zwei Gänge 34€ fällig, was mir ein Abschreckerpreis zu sein scheint, denn deren drei gibt es für 38€. Abends kostet das Menü mit drei bis fünf Gängen 40€ bis 70€.
Ich probierte natürlich zum Auftakt das volle Programm und bevor es losging gab es als Einstimmung zweierlei selbst gebackenes Brot, das mit Kurkuma und mit Curry aromatisiert war. Hat nicht überzeugt, das eine trocken und das andere geschmacklich fad. Der dazu gereichte Kräuterquark mit Pumpernickel-Bröseln war etwas pappig geraten. Inzwischen ist man vermutlich auf (gut ) zugekaufte Ware umgestiegen, hat mir besser geschmeckt, auch die Dips, z.B. aufgeschlagene Tomatenbutter.
Der Einstieg in das Menü gelang mit einer „geeisten“ Avocado-Buttermilch-Suppe dagegen prächtig, zu der sich Chimichurri und Granatapfel gesellten. Milchprodukt und Frucht dämpften zunächst eine allzu große Schärfe des südamerikanischen Klassikers, die so angenehm im Mund bestehen blieb. Die Cremigkeit der Butterfrucht trug das Ganze mehr, als eigene Akzente zu setzen, was angesichts der prägnanten Mitspieler gar kein Schaden war. Die Temperatur war kalt, aber nicht die Geschmacksknospen betäubend, perfekt!
Als zweiten Gang bekam ich auf einem Couscous, der mit süßen Melonenstückchen versetzt war, zwei überraschend kleine, aber sehr zarte Jakobsmuscheln, die nicht nur mutig gesalzen waren, sondern beim Anbraten auch ordentlich Röstung erhalten hatten. Brauchte es auch, da die Rauchpaprika-Sauce kräftig vorschmeckte, nach dem die Knackigkeit der Gurken durch war. Insgesamt ein üppiges Gericht mit einem „kräftigen“ Geschmacksbild, das salzig ausklang. Der Eigengeschmack der an sich guten Muscheln wurde allerdings verschenkt, so dass ich den Teller als ein interessantes Experiment einordnen würde.
Konventioneller der folgende Seesaibling, der von einem langweiligen Graupenrisotto mit knackigen Lauchstücken, (zu) fester Karotte, Pesto und einer leichten Orangensauce begleitet wurde, deren elegante Fruchtsäure zum perfekt gebratenen Fisch passte. Die knusprige Haut begeisterte mich (insbesondere im Rückblick, weil beim letzten Besuch die abgeflämmte Haut eines Kabeljaus durch das Nappieren mit Fenchelragout „zerstört“ wurde). Seiner angenehmen Fettigkeit hätte aber ein deutlicherer Konter noch besser getan.
Ein Teller, der niemandem weh tat, dem aber auch ein wenig der Mut der ersten Gänge fehlte (Wie man‘s macht, ist halt falsch! Der Gast, das undankbare Wesen...:). Was bleibt, ist das gute Produkt und das tadellose Handwerk. Was auch schon eine ganze Menge ist.
Den dazu empfohlenen (!) fruchtigen und arg lieblichen Weißherbst von Zweigelttrauben tauschte ich nach einem Schluck gegen eine Riesling-Lagencuvée von Korrell.
Bevor es zum Fleisch ging, hatte ich mir „natürlich“ eine Erfrischung gewünscht, was auch kein Problem war. Aber wohl auch nicht so üblich, denn mit der Bestellung einer Kugel Kirschsorbet kam dann das gesamte Dessert. Aber ein Mann muss tun...
Also Kirsche, Schokokuchen-Streusel, frische Kirschen, Kakao-Karamellsauce und ein Blättchen Minze.
Old school, but good school.
Zurück zum Wesentlichen:
Das medium rare gebratene Rinderfilet war ordentlich gebräunt, schön saftig, vermutlich sous vide. Der Geschmack so lala (bei einem anderen Besuch wollte die Küche nichts über die Herkunft von angebotenem Wild sagen); kann man insgesamt aber so stehen lassen.
Sehr gut das Bett aus Auberginencrème, die am Gaumen sehr deutlich das Ausgangsproduktes verriet. Bei den großen Pfifferlingen war ich in Sorge, die Expertinnen und Experten hier, wissen sicher zu sagen, ob kleine tatsächlich besser schmecken. Hier waren die Schwammerl jedenfalls super und auch sauber geputzt. Beim Trüffel galt wieder mal: Riecht toll (Wenn man es mag.), bringt aber beim Essen nicht mehr viel. Noch abwesender der Portwein, der vermutlich in der Trüffelsauce verarbeitet war. Der Service war aber vorbereitet: Schon beim Einsetzen hieß es: Sie werden den Port nicht schmecken. Ja, dann mal gut, dass er in der Karte extra angekündigt wurde...
Wie schon oben geschrieben, wird neben dem Dessert auch eine kleine Käseplatte aus der Frühstücksauswahl angeboten. Auf dem Porzellan fanden sich dünn gehobelter Comté, Frischkäse von dreierlei Milch und Ziegenweichkäse. Nichts, was man nicht auch an der Käsetheke im Supermarkt bekommt. Was für den Markt spricht, nicht unbedingt gegen das Ballenberger. Aber, dass der Brique de Brebis vertrocknet war, schon. Sehr. Bei Käse hört der Spaß auf! Wenigstens hübsch angerichtet und von leckeren Kleinigkeiten begleitet? Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte:
Fazit: Trotz des Käse-Fauxpas eine sehr gelungene Einkehr im Ballenberger!
Dieses Niveau konnte leider bei den nachfolgenden Besuchen nicht immer gehalten werden. Aber die Gastro kämpft schon mit genug Problemen, da braucht es nicht noch einer ellenlangen detaillierten, kritischen Nacherzählung weiterer Besuche. )Ein paar Fotos mögen einen Eindruck vermitteln.) Ich habe die gelegentlichen handwerklichen Probleme und den schwankenden Service bei den jeweiligen Sternen berücksichtigt, daher auch die kleine Diskrepanz zu den hier beschriebenen Leistungen. Es bleibt aber bei der schon zu Beginn ausgesprochenen Empfehlung: Ballenberger, kann man machen!